Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang des Vermögens einer Unterstützungskasse auf PSV
Leitsatz (amtlich)
- Das Vermögen der (deutschen) Unterstützungskasse eines ausländischen Trägerunternehmens geht kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) auf den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung über, wenn über das inländische Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet wird.
- Dies gilt auch dann, wenn die Unterstützungskasse noch über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, um die bestehenden Versorgungsverbindlichkeiten zu erfüllen.
Normenkette
BetrAVG § 9 Abs. 3, § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; KO §§ 238, 6 Abs. 2; EGBGB Art. 38
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 18.10.1989; Aktenzeichen 5 Sa 427/89) |
ArbG Köln (Urteil vom 24.01.1989; Aktenzeichen 16 Ca 7281/88) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 18. Oktober 1989 – 5 Sa 427/89 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Vermögen der Klägerin kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 3 BetrAVG) auf den beklagten Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) übergegangen ist.
Die Klägerin ist eine Versorgungseinrichtung der U… in W…, … USA, (künftig: …), einer Gesellschaft amerikanischen Rechts. Die in der Rechtsform einer GmbH gegründete Versorgungseinrichtung hat ihren Sitz in H…. Alleinige Gesellschafterin ist die U….
Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages ist “der ausschließliche und unabänderliche Zweck” der GmbH “die freiwillige Gewährung von Altersrenten, Berufsunfähigkeitsrenten, Witwenrenten und Waisenrenten an ehemalige Mitarbeiter der Firma in der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Angehörige”. Die Einkünfte der Gesellschaft bestehen aus Zuwendungen der U… sowie aus Erträgnissen des Gesellschaftsvermögens. Diese Einkünfte dürfen nur für die in § 2 des Gesellschaftsvertrages genannten Zwecke verwendet werden; eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafterin findet nicht statt. Ein Rechtsanspruch der Begünstigten auf die vorgesehenen Leistungen der Kasse ist ausgeschlossen (§ 15 des Gesellschaftsvertrags). Für den Fall der Auflösung der Gesellschaft sieht § 17 des Gesellschaftsvertrags vor, ihr Vermögen “auf die gemäß § 2 Begünstigten nach einem von der Geschäftsführung im Benehmen mit dem Beirat aufzustellenden Plan zu verteilen oder ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 17 und 18 des Steueranpassungsgesetzes zuzuführen”.
Die Klägerin hat, wie in § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags bestimmt, die im Leistungsplan vorgesehenen Leistungen durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert. Das Aktivvermögen der Klägerin betrug am 31. Dezember 1986 2.027.255,96 DM.
Die U… betrieb weltweit Frachtverkehr mit Vollcontainerschiffen. Sie unterhielt u. a. in B… eine Zweigniederlassung. Im Laufe des Jahres 1986 mußte die Gesellschaft ihre Zahlungen teilweise einstellen. Sie stellte sich am 24. November 1986 unter den Schutz eines Richters in New York gemäß Chapter 11 des Bankruptcy Law. Es handelt sich dabei um ein unter gerichtlicher Aufsicht durchgeführtes Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Reorganisation und Weiterführung des Unternehmens.
Durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts B… vom 3. März 1987 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der U…, Zweigniederlassung B…, eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde Herr Rechtsanwalt K… J… bestellt. Am 3. August 1987 berief dieser die beiden Geschäftsführer der Klägerin ab und bestellte sich selbst zum alleinigen Geschäftsführer.
In der vorprozessualen Korrespondenz mit dem Konkursverwalter machte der PSV geltend, mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das in der Bundesrepublik Deutschland befindliche Vermögen der U… sei ein Sicherungsfall eingetreten. Damit sei das Vermögen der Klägerin auf ihn übergegangen. Daraufhin haben Herr Rechtsanwalt J… als Konkursverwalter und die rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt J…, Klage erhoben mit dem Begehren, festzustellen, daß dem PSV das Vermögen der Unterstützungskasse nicht zustehe.
Die Klägerin hat vorgetragen, es sei zweifelhaft, ob das deutsche Betriebsrentengesetz Anwendung finde. Die in der Bundesrepublik beschäftigten Mitarbeiter seien Arbeitnehmer der U… gewesen und ausschließlich von dieser unter Einschaltung der Hauptniederlassung in London angestellt worden. Von dort seien auch die Zahlung der Gehälter sowie die Dotierung der Kasse veranlaßt worden. Das Vermögen der GmbH sei nicht auf den PSV übergegangen. Das Konkursverfahren erfasse nur das inländische Vermögen der U…; das in den USA eingeleitete Verfahren nach Chapter 11 entspreche dem deutschen Vergleichsverfahren, weil es auf die Fortführung des Unternehmens hinziele. Zudem sei die Zahlungsfähigkeit der Versorgungseinrichtung nicht beeinträchtigt. Das Kassenvermögen übersteige die zur Erfüllung der Versorgungsansprüche erforderlichen Mittel.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte keinen Anspruch auf das Vermögen der U… -Unterstützungskasse mit beschränkter Haftung mit Sitz in H… habe.
Der beklagte PSV hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG ergebe sich schon aus der Eröffnung des Konkursverfahrens über das im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindliche Vermögen der U…. Die Zahlungsfähigkeit der Kasse sei gefährdet. Es sei nicht auszuschließen, daß der Konkursverwalter das Kassenvermögen zur Konkursmasse ziehe oder den Zweck der Gesellschaft durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags aufhebe und die vorhandenen Mittel zugunsten anderer Gläubiger der U… verwende. Die versorgungsberechtigten deutschen Arbeitnehmer müßten sich dann an den Konkursverwalter oder ihren ausländischen Arbeitgeber halten. Eine solche Auseinandersetzung sei ihnen nicht zuzumuten. Deshalb müsse die gesetzliche Insolvenzsicherung nach deutschem Recht eingreifen. Das habe zur Folge, daß das Vermögen der Unterstützungskasse auf den Träger der Insolvenzsicherung übergegangen sei. Etwaige Überschüsse müßten gemäß den Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag verwendet werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage des Konkursverwalters abgewiesen; der Klage der Unterstützungskasse hat es stattgegeben. Der Konkursverwalter hat gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt. Auf die Berufung des beklagten PSV hat das Landesarbeitsgericht auch die Klage der GmbH abgewiesen. Dagegen richtet sich deren Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteil erstrebt.
Entscheidungsgründe
A. Gegen die Klagebefugnis der GmbH, um deren Vermögen gestritten wird, bestehen keine Bedenken. Selbst wenn ein Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG stattgefunden hat, ist die Gesellschaft nicht erloschen. Der Bestand einer Unterstützungskasse wird durch den gesetzlichen Vermögensübergang nicht berührt (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 9 Rz 87). Ob die Gesellschaft anschließend wegen Vermögenslosigkeit zu liquidieren ist (so Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 9 Rz 70), kann dahinstehen. Im Rechtsstreit über den Vermögensübergang ist die GmbH parteifähig und prozeßführungsbefugt (§§ 13, 60 ff. GmbHG).
B. Die Revision der GmbH ist nicht begründet.
Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG geht das Vermögen einer Unterstützungskasse auf den Träger der Insolvenzsicherung über, wenn dieser zu Leistungen verpflichtet ist, die ohne den Eintritt des Sicherungsfalls die Unterstützungskasse erbringen würde. Diese Voraussetzungen eines Vermögensübergangs sind erfüllt. Die Ausnahmen für die Anwendung dieser Vorschrift (§ 9 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG) liegen nicht vor.
I. Die Rechtsbeziehungen der Parteien sind nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen. § 9 Abs. 3 BetrAVG ist anwendbar.
1. Das deutsche internationale Privatrecht hat im Gesetz vom 25. Juli 1986 (BGBl I, 1142) keine gesetzlichen Vorschriften über außervertragliche Schuldverhältnisse geschaffen. Geregelt ist nur das Deliktsstatut (Art. 38 EGBGB; früher Art. 12 EGBGB). Für andere gesetzliche Schuldverhältnisse enthält das Gesetz eine Lücke. Diese Lücke ist nach den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts zu schließen (vgl. hierzu die Nachweise bei Palandt/Heldrich, BGB, 50. Aufl., Vorbemerkung vor Art. 38 EGBGB Anm. 1). Maßgebend ist danach das Recht, nach welchem eine Vermögensverschiebung stattfindet (Palandt/Heldrich, aaO, Anm. 2; für Verkehrsunfälle von ausländischen Arbeitnehmern im Inland vgl. BGHZ 90, 294).
2. Die Klägerin ist eine nach deutschem Recht gegründete GmbH mit Sitz im Inland (H…). Sie ist eine Unterstützungskasse im Sinne des deutschen Betriebsrentenrechts: Gesellschaftszweck ist die betriebliche Altersversorgung von Arbeitnehmern der U… in der Bundesrepublik Deutschland. Die Kasse gewährt auf die in ihrem Leistungsplan vorgesehenen Zuwendungen keinen Rechtsanspruch. Damit entspricht sie den Merkmalen des § 1 Abs. 4 BetrAVG.
Auch die Rechtsbeziehungen der Arbeitnehmer zu ihrer amerikanischen Arbeitgeberin, der U…, sowie die Versorgungsansprüche dieser Arbeitnehmer unter Einschaltung der Unterstützungskasse unterliegen deutschem Recht. Das ergibt sich aus Art. 30 Abs. 2 EGBGB. Damit haben die Arbeitnehmer auch Anspruch auf Insolvenzschutz nach deutschem Recht. Die U… hat dazu Beiträge zu leisten und hat diese unbestritten auch tatsächlich geleistet (§ 10 BetrAVG).
II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 BetrAVG sind erfüllt.
1. Der Vermögensübergang tritt ein, wenn ein Sicherungsfall vorliegt, der in der Regel zur Einstellung der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers führt (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 4 BetrAVG). Betroffen sind daher nur die Sicherungsfälle der Eröffnung des Konkursverfahrens, die Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse und die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes bei offensichtlicher Masselosigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 und Nr. 4 BetrAVG).
Im Streitfall ist der Sicherungsfall des Konkurses eingetreten. Es reicht aus, daß über das inländische Vermögen des Trägerunternehmens der Klägerin das Konkursverfahren nach § 238 KO eröffnet worden ist.
a) Da § 7 Abs. 1 BetrAVG den Eintritt des gesetzlichen Insolvenzschutzes an die Eröffnung des Konkursverfahrens knüpft, muß es darauf ankommen, ob das Trägerunternehmen einer Unterstützungskassse dem deutschen Konkursrecht unterliegt. Ausländische Arbeitgeber, die in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, unterliegen dem deutschen Konkursrecht dann, wenn sie über eine gewerbliche Niederlassung im Inland verfügen (§ 238 Abs. 1 KO, § 21 ZPO). Ob für die Annahme einer Niederlassung schon jedes verwaltete Vermögen genügt (vgl. hierzu Blomeyer/Otto, aaO, Einl. Rz 675), kann im Streitfall dahinstehen. Unbestritten unterhielt die U… in B… eine Zweigniederlassung, bei der deutsche Arbeitnehmer beschäftigt waren. Für die deutschen Arbeitnehmer bestand hier ein “sachliches Substrat” (so Blomeyer/Otto, aaO), das nach deutschem Recht dem Konkursbeschlag unterfällt. Das reicht aus, die Niederlassung im Rahmen des gesetzlichen Insolvenzschutzes des Betriebsrentengesetzes als Trägerunternehmen und als Arbeitgeber der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer anzusehen. Anderenfalls wären die Arbeitnehmer im Insolvenzfall nach deutschem Recht nicht gegen Insolvenz gesichert. Bei der Unterstützungskasse könnte ein Konkurs solange nicht eintreten, wie diese ihre Ansprüche auf Aufwendungsersatz gegen ihr Trägerunternehmen mit Erfolg geltend machen könnte. Auf das inländische Vermögen des Trägerunternehmens hätte die Kasse aber lediglich im Rahmen des Konkursverfahrens Zugriff. Ihr eigener Konkurs könnte den Sicherungsfall nicht auslösen; maßgebend ist ausschließlich der Konkurs des Trägerunternehmens (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BetrAVG).
Umgekehrt könnte auch ein Konkurs des ausländischen Arbeitgebers im Ausland nie den Sicherungsfall des Konkurses nach deutschem Recht auslösen, weil das deutsche Konkursrecht nicht das im Ausland befindliche Vermögen umfaßt (§ 238 KO). Da aber dessen inländisches Vermögen dem deutschen Konkursrecht unterfällt, muß die konkursfähige deutsche Niederlassung nicht nur im konkursrechtlichen Sinne, sondern auch im Sinne des gesetzlichen Insolvenzschutzes der betrieblichen Altersversorgung als Trägerunternehmen der Unterstützungskasse angesehen werden.
b) Der beklagte PSV weist auch zu Recht darauf hin, daß die Richtigkeit dieser Auslegung durch die gesetzliche Regelung des Sicherungsfalles nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BetrAVG (vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit im Inland bei offensichtlicher Masselosigkeit) bestätigt wird. Wie der Senat mit Urteil vom 20. November 1984 (BAGE 47, 229 = AP Nr. 22 zu § 7 BetrAVG mit Anm. von Blomeyer) entschieden hat, muß der PSV in Zweifelsfällen schon aufgrund einer Betriebseinstellung im Inland und behaupteter Zahlungsunfähigkeit des Versorgungsschuldners eintreten und gegebenenfalls den – förmlichen – Eintritt eines Sicherungsfalles nach § 7 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 3 Nr. 1 BetrAVG dadurch herbeiführen, daß er einen Konkursantrag stellt. Diese gesetzliche Regelung zeigt, daß die Betriebseinstellung im Inland der entscheidende Grund dafür ist, den PSV eintreten zu lassen. Ob Masselosigkeit vorliegt, wird häufig nicht sogleich zuverlässig festzustellen sein, gegebenenfalls erst aufgrund eines nachträglichen Konkursantrags des PSV. Dagegen wird in den Fällen der Konkurseröffnung oder der Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse die endgültige Betriebseinstellung von Gesetzes wegen unterstellt.
2. Der Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG setzt weiter voraus, daß der PSV zu Leistungen verpflichtet ist, “die ohne den Eintritt des Sicherungsfalls eine Unterstützungskasse erbringen würde”.
a) Nach dem Wortlaut reicht der Eintritt eines Sicherungsfalles allein nicht aus, sondern es bedarf der tatsächlichen Verpflichtung des PSV “zu Leistungen”. Entscheidend ist die faktische Beeinträchtigung der Versorgungsansprüche und Anwartschaften wegen der Insolvenz des Arbeitgebers (so Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 7 Rz 48), was nach seiner Ansicht im Fall der vollrückgedeckten Unterstützungskasse dazu führt, daß auch kein Vermögensübergang stattfindet (Paulsdorff, aaO, § 7 Rz 51). Auch § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG spricht davon, daß der PSV einzutreten hat, “wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen … eines … Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet worden ist”.
b) Der Wortlaut bedarf bei einer Sachgestaltung wie im vorliegenden Rechtsstreit einer erweiternden Auslegung. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Versorgungsrechte ist bereits dann anzunehmen, wenn die zweckbestimmte Verwendung vorhandener Mittel aus Rechtsgründen nicht gewährleistet ist.
Die Klägerin macht geltend, sie verfüge über ausreichend Vermögen, um alle Betriebsrenten auf Dauer zu zahlen. Sie verweist ferner darauf, daß die Ansprüche der Versorgungsberechtigten durch Rückdeckungsversicherungen abgesichert seien. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, ob die Leistungsfähigkeit der Kasse im Augenblick gesichert sei. Auf Dauer sei jedenfalls keine Sicherstellung gewährleistet. Die Auffassung des Berufungsgerichts verdient Zustimmung.
Nach Inkrafttreten des gesetzlichen Insolvenzschutzes gemäß §§ 7 ff. BetrAVG ist eine Unterstützungskasse ohne die rechtliche Existenz eines Trägerunternehmens nicht mehr denkbar. Der gesetzliche Insolvenzschutz für Unterstützungskassenzusagen, der allein auf den Sicherungsfall beim Trägerunternehmen abstellt (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BetrAVG), setzt ein Trägerunternehmen voraus, das die Kasse dotiert und dafür einsteht, daß diese die den begünstigten Arbeitnehmern gegebenen Versorgungszusagen erfüllen kann (BAG Urteil vom 14. August 1980 – 3 AZR 437/79 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen, zu III der Gründe; BAGE 32, 220 = AP Nr. 4 zu § 7 BetrAVG). Der Insolvenzschutz im Sinne des § 7 Abs. 1 BetrAVG tritt ein, wenn das Trägerunternehmen insolvent wird, er tritt auch dann ein, wenn die Kasse noch über Vermögen verfügt. Das gilt selbst dann, wenn das Kassenvermögen ausreichte, sämtliche Versorgungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Das Gesetz hat nicht differenziert. Ersichtlich sollten zweifelhafte Rechenoperationen bei teilgedeckten Unterstützungskassen vermieden werden. Dann aber kommt es wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeit der Kasse vom Trägerunternehmen allein auf dessen Solvenz oder Insolvenz an (ebenso Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 1. Teil, Arbeitsrechtliche Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung, Rz 582 und 633). Deutlich wird der Zweck der gesetzlichen Regelung auch in § 9 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG; die Vorschrift gewährt dem PSV einen Anspruch auf den Teil des Vermögens einer von mehreren Unternehmen getragenen Unterstützungskasse, der dem Anteil des insolvent gewordenen Unternehmens entspricht. Soweit Blomeyer/Otto (aaO, Vorbem. § 7 Rz 45) noch von “herrenlosen” Unterstützungskassen sprechen, meinen sie wohl nur solche Kassen, die bereits vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes keine Trägerunternehmen mehr hatten.
Wird das Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse insolvent und ist nicht die Kasse, sondern das Trägerunternehmen der für das Eingreifen des Insolvenzschutzes maßgebliche Vermögensträger, so muß das Vermögen der Kasse auch schon dann auf den Träger der Insolvenzsicherung übergehen, wenn die Kasse noch über hinreichende Mittel verfügt. Mit der Eintrittspflicht des PSV muß der Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG korrespondieren. Das bedeutet, daß entgegen dem zu engen Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG ein Sicherungsfall schon dann anzunehmen ist, wenn die Kasse die geschuldeten Versorgungsleistungen noch erbringen könnte. Das Gesetz regelt nur den typischen Fall, daß mit der Insolvenz des Trägerunternehmens im Falle des Konkurses auch eine Insolvenz der von ihm abhängigen Kasse einhergeht und das Trägerunternehmen seine Tätigkeit auf Dauer einstellt.
Aber auch wenn dieser typische Fall nicht gegeben ist, bleibt eine konkrete Gefährung der Versorgungsansprüche der durch eine Unterstützungskasse begünstigten Arbeitnehmer bestehen. Im Konkurs des Trägerunternehmens müßte der Konkursverwalter, dem die Verfügungsrechte des Arbeitgebers als Alleingesellschafter der GmbH zustehen (§ 6 Abs. 2 KO), versuchen, die in der Kasse vorhandenen Vermögenswerte zur Konkursmasse zu ziehen (Blomeyer/Otto, aaO, Vorbem. § 7 Rz 46). Dem beugt das Gesetz vor, indem es in § 9 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG davon ausgeht, daß auch das Vermögen einer überdotierten Kasse auf den PSV übergeht und dieser lediglich verpflichtet ist, die zur Deckung von Versorgungsrechten nicht erforderlichen Mittel entsprechend der Satzung der Unterstützungskasse zu verwenden (im Ergebnis ebenso Paulsdorff, aaO, § 7 Rz 51a, der sich für eine weite Auslegung ausspricht). Das in der Kasse angesammelte Vermögen soll nach der gesetzgeberischen Zwecksetzung durch die Anordnung des Vermögensübergangs der Altersversorgung oder den sonst satzungsgemäß vorgesehenen Zwecken auf jeden Fall erhalten bleiben. Es wird damit dem Zugriff aller übrigen Konkursgläubiger entzogen. Ist nicht mehr gewährleistet, daß der Träger der Unterstützungskasse die Versorgungsansprüche auf Dauer sichert, dann soll das entsprechende Vermögen dem Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zufließen, damit dieser es zweckentsprechend verwaltet.
Im Streitfall hat der Konkursverwalter erklärt, er sei verpflichtet, das gesamte zur Konkursmasse gehörige Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Dazu rechne auch das gesamte Vermögen der Unterstützungskasse. Er allein besitze in Ansehung der Masse das Verwaltungs- und Verfügungsrecht. Die Verwendung des Massevermögens für die Versorgung der begünstigten Arbeitnehmer ist daher nicht auf Dauer sichergestellt.
Daß der Konkursverwalter das Vermögen der Kasse soweit wie möglich zur Gläubigerbefriedigung im Konkurs der U… verwenden will, ergibt sich auch daraus, daß er sich selbst als Verfügungsberechtigter für die Alleingesellschafterin U… zum Geschäftsführer der Kasse bestellt hat. Hieran ist der Konkursverwalter aus Gründen des Gesellschaftsrechts nicht gehindert. Er könnte den Gesellschaftsvertrag der GmbH ändern. Er hat – wie ein Alleingesellschafter – gesellschaftsrechtlich die Befugnis, das Versorgungswerk zu schließen und die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung zugunsten der Konkursgläubiger zu verwenden. Schon damit ist die Rechtsstellung der Versorgungsgläubiger konkret gefährdet. Zweck des § 9 Abs. 3 BetrAVG ist es, dies zu verhindern. Der Sicherungsfall und damit die Einstandspflicht des PSV tritt schon ein, bevor der Konkursverwalter das Massevermögen zur Konkursmasse gezogen und bevor er als Gesellschafter der GmbH Dispositionen zum Nachteil der Versorgungsberechtigten getroffen hat. Maßgebend ist allein die Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 7 Abs. 1 BetrAVG). Auf die augenblickliche Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Kasse kommt es nicht an.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Schmidt, Schoden
Fundstellen
BAGE, 209 |
RdA 1991, 254 |
ZIP 1991, 1022 |
IPRspr. 1991, 65 |