Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverfallbarkeit durch Anrechnungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Ergänzende Vertragsauslegung einer Anrechnungsvereinbarung, die vor der Entscheidung des Senats vom 10. März 1972 (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt) geschlossen wurde; Anrechnung nicht nur der Betriebszugehörigkeit bei einem anderen Arbeitgeber, sondern auch der Dauer der Versorgungszusage dieses Arbeitgebers.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 6; BGB §§ 133, 157, 242
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 15.09.1989; Aktenzeichen 12 Sa 1761/88) |
ArbG Emden (Urteil vom 09.09.1988; Aktenzeichen 1 Ca 519/89) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 1989 – 12 Sa 1761/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund einer Anrechnungsvereinbarung eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zusteht.
Der am 28. September 1930 geborene Kläger war vom 1. Juni 1964 bis 30. September 1967 als außertariflicher Angestellter bei der C Bergbau AG tätig. Sie meldete ihn ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zum Bochumer Verband der Bergwerke in Westfalen, im Rheinland und im Saargebiet an. Vom 1. Oktober 1967 bis 30. September 1975 war der Kläger bei der Beklagten zunächst als Tarifangestellter und ab 1. Juni 1969 als AT-Angestellter beschäftigt. Sie erteilte ihm mit Schreiben vom 24. September 1969 folgende Versorgungszusage:
„Wir gewähren Ihnen einen Rechtsanspruch auf Ruhegeld nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes der Bergwerke in Westfalen, im Rheinland und im Saargebiet.
Als ruhegeldfähig gelten die Dienstjahre
ab 1964 |
Gruppenbetrag DM 1.070,– |
ab 1968 |
Gruppenbetrag DM 780,– |
Entgegen § 13 der Leistungsordnung ist der Rechtsanspruch nicht ausgeschlossen; auf die Vorbehalte des § 11 müssen wir jedoch hinweisen. Ein Exemplar der Leistungsordnung fügen wir Ihnen bei.”
Mit Schreiben vom 27. November 1975 erteilte die Beklagte dem Kläger nach seinem Ausscheiden folgende Auskunft gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG:
„Wir bestätigen, daß
Herr H. W. geboren am 28. September 1930 wohnhaft in S in der Zeit vom 1.10.1967 bis 30.9.1975
in unseren Diensten gestanden hat.
Eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung bestand
während der Zeit vom 1.6.64 bis 30.9.75.
Die Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft entsprechend § 1 Abs. 1 des o.a. Gesetzes sind dem Grunde nach gegeben.
Bei der nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zu berechnenden Höhe dieser Anwartschaft (Teilanspruch) ist u.a. eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Da bezüglich der Berechnung einer derartigen Rente Regelungsvorschriften noch ausstehen, können wir z.Z. eine endgültige Berechnung noch nicht vornehmen. Wir kommen auf die Angelegenheit zurück.
Mit Schreiben vom 5. August 1985 übersandte die Beklagte dem Kläger Erläuterungen zu der am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen neuen Leistungsordnung des Bochumer Verbandes.
Als die Rentenauskunft der Bundesknappschaft vorlag und der Kläger um Auskunft zur Höhe der Versorgungsanwartschaft bat, teilte ihm die Beklagte mit, daß er die Voraussetzungen einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nicht erfüllt habe.
Der Kläger vertritt die Auffassung, seine Versorgungsanwartschaft sei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unverfallbar, weil die Zeit, in der bei der C Bergbau AG eine Versorgungszusage bestanden habe, auf die Zusagezeit bei der Beklagten anzurechnen sei. Dies ergebe sich bereits aus § 6 Abs. 3 der Satzung des Bochumer Verbandes, zumindest aber aus der Anrechnungsvereinbarung, die durch das Schreiben der Beklagten vom 24. September 1969 zustande gekommen sei. Mit Schreiben vom 27. November 1975 habe die Beklagte ausdrücklich bestätigt, daß die Versorgungszusage der C Bergbau AG zu berücksichtigen sei. Damit habe die Beklagte nicht nur eine „bloße”, „einfache” Auskunft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG erteilt. Ihr Schreiben vom 5. August 1985 zeige, daß sie auch damals noch von einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft des Klägers ausgegangen sei.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß der Kläger gegenüber der Beklagten einen unverfallbaren Versorgungsanspruch erworben hat,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die Höhe des unverfallbaren Versorgungsanspruchs zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Versorgungsanwartschaft des Klägers sei nicht unverfallbar geworden. Die Zusage vom 24. September 1969, die Vordienstzeiten bei der C Bergbau AG anzurechnen, beziehe sich ausschließlich auf die Höhe der Versorgungsbezüge. Im Ergebnis ändere sich auch nichts, wenn die Vordienstzeiten in die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen einbezogen würden. Bereits aus dem Wortlaut der Zusage ergebe sich, daß allenfalls der Beginn der Betriebszugehörigkeit, jedoch nicht die Versorgungszusage vorverlegt werde. Das Auskunftsschreiben vom 27. November 1975 enthalte keine Willenserklärung, sondern lediglich eine Wissenserklärung. Der Inhalt des Schreibens beruhe auf einem Rechtsirrtum. Die Beklagte brauche sich daran nicht festhalten zu lassen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht der Feststellungs- und der Auskunftsklage stattgegeben.
I. Der Kläger behielt aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Anrechnungsvereinbarung seine Versorgungsanwartschaft, als er bei der Beklagten ausschied.
1. Ohne eine Anrechnung der bei der C Bergbau AG er
reichten Zusagezeit wäre die Versorgungsanwartschaft des Klägers nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verfallbar gewesen, weil die Versorgungszusage der Beklagten erst sechs Jahre und das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nur acht Jahre bestand. Auch unter Einbeziehung der Beschäftigungszeit bei der C Bergbau AG ergibt sich keine Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren, sondern lediglich von elf Jahren vier Monaten.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers führt § 6 Abs. 3 der Satzung des Bochumer Verbandes in der Fassung vom 1. August 1959 nicht zu einer Vorverlegung der Versorgungszusage. Diese Vorschrift lautet:
„Tritt ein angemeldeter Oberbeamter in den Dienst eines anderen Mitglieds über, hat dieses in der Regel die bei dem vorherigen Mitglied verbrachten Oberbeamten-Dienstjahre anzurechnen. Das gleiche gilt bei mehrmaligem Wechsel des Dienstverhältnisses innerhalb der Mitglieder.”
Es kann offen bleiben, ob sich die Anrechnung der „Dienstjahre” auch auf die für den Eintritt der Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft maßgebliche Dauer der Versorgungszusage bezieht. Ebenso kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung den Worten „in der Regel” zukommt. Bereits in seinem Urteil vom 16. März 1982 (– 3 AZR 843/79 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG, zu II 1 der Gründe) hat der Senat ausgeführt, daß die Satzung des Bochumer Verbandes lediglich auf seine Rechtsbeziehungen zu seinen Mitgliedern einwirkt, aber keinen unmittelbaren Einfluß auf das Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitgebern und den begünstigten Arbeitnehmern hat.
3. Das Landesarbeitsgericht meint, die Unverfallbarkeit ergebe sich aus der Vereinbarung im Jahre 1975. Das Schreiben der Beklagten vom 27. November 1975 beschränke sich nicht auf eine Auskunftserteilung nach § 2 Abs. 6 BetrAVG. Es enthalte die Zusage einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft.
Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht bei seiner Auslegung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat. Inhalt und Anlaß des Schreibens sprechen dafür, daß die Beklagte die bestehende Rechtslage nicht durch eine Willenserklärung verändern, sondern lediglich ihre rechtliche Beurteilung und die sich daraus für die Versorgungsanwartschaft ergebenden Folgen dem Kläger mitteilen wollte.
a) Das Schreiben vom 27. November 1975 enthält nach seiner Überschrift eine „vorläufige Auskunft nach § 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974”. Im Rahmen dieser Auskunft bestätigte die Beklagte dem Kläger die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und die Zusagedauer. In Satz 2 wurde lediglich mitgeteilt, von wann bis wann eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung bestand. Die Formulierung zeigt, daß die frühere Rechtslage nicht verändert, sondern nur wiedergegeben werden sollte. Daran ändert der letzte Satz des Schreibens, auf den das Landesarbeitsgericht abstellt, nichts. Mit diesem Zusatz wurde der ansonsten nur schwer verständliche Satz 2 erläutert. Die Beklagte hatte ein durch die individuellen Daten des Klägers ergänztes Auskunftsformular verwandt. Die im Satz 2 angegebene Zusagedauer stand aber nicht im Einklang mit Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses. Um den scheinbaren Widerspruch aufzuklären, wurde ein mit versehener Zusatz angebracht. Auch dieser Zusatz soll lediglich die nach Ansicht der Beklagten bereits bestehende Rechtslage aufzeigen. Wortlaut und Aufbau des Schreibens vom 27. November 1975 liefern keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte dem Kläger bisher nicht zustehende Rechte durch ein neues Rechtsgeschäft einräumen wollte.
b) Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß kein einleuchtender Grund für eine derartige nachträgliche Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers ersichtlich ist. Der Kläger war bereits ausgeschieden. Die Beklagte kam mit dem Schreiben vom 27. November 1975 ihrer Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 6 BetrAVG nach. Auf diese Vorschrift nahm die Beklagte in der Überschrift des Schreibens ausdrücklich Bezug.
c) Die Auskunft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG stellt weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Sie dient lediglich der Information des Arbeitnehmers und der Klarstellung der Rechtslage, ohne daß ihr eine schuldbestätigende Wirkung zukommt. Aus einer falschen Auskunft können dem Arbeitnehmer allenfalls Schadenersatzansprüche erwachsen (BAG Urteil vom 8. November 1983 – 3 AZR 511/81 – AP Nr. 3 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 der Gründe).
d) Das Schreiben vom 27. November 1975 hat zwar die bestehende Rechtslage nicht verändert. Es ist aber bei der Auslegung der Versorgungszusage vom 24. September 1969 zu berücksichtigen.
4. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis aus anderen Gründen zutreffend (§ 563 ZPO). Das Schreiben der Beklagten vom 24. September 1969 enthält das Angebot zum Abschluß eines Anrechnungsvertrages. Eine Annahmeerklärung des Klägers gegenüber der Beklagten war nach § 151 Satz 1 BGB unnötig. Die Parteien haben damals vereinbart, daß die vorausgegangene, bei der C Bergbau AG erreichte Zusagedauer anzurechnen ist.
a) Bei der Auslegung der Anrechnungsvereinbarung ist zu beachten, daß sie vor der Entscheidung des Senats vom 10. März 1972 (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt) geschlossen wurde. In dieser Entscheidung hatte der Senat erstmals zwingende Rechtsgrundsätze zur Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften entwickelt und dabei lediglich auf die Betriebszugehörigkeit abgestellt. Erst das am 19. Dezember 1974 erlassene Betriebsrentengesetz hat die Unverfallbarkeit auch von der Dauer der Versorgungszusage abhängig gemacht. Bis zur Entscheidung des Senats vom 10. März 1972 und bis zum Erlaß des Betriebsrentengesetzes konnten die Arbeitsvertragsparteien nicht erkennen, daß die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Dauer der Versorgungszusage abhängt. In der Regel ist davon auszugehen, daß die Parteien damals die Bedeutung der Anrechnung für die Unverfallbarkeit nicht bedacht haben (vgl. BAG Urteil vom 25. Januar 1979 – 3 AZR 1096/77 – AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG). Deshalb darf der Wortlaut der Anrechnungsvereinbarung nicht überbewertet werden. Durch die Rechtsänderung ist die vertragliche Absprache lückenhaft geworden.
b) Mit der Schließung dieser Vertragslücke hat sich der Senat in mehreren Entscheidungen befaßt und folgende Auslegungsregel aufgestellt: Beschäftigungszeiten, die mit der Versorgungszusage eines früheren Arbeitgebers verbunden waren, sollen im Zweifel nicht nur bei der Berechnung der Betriebsrente, sondern auch bei den Unverfallbarkeitsfristen berücksichtigt werden (BAGE 31, 45, 51 ff. = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG zu I 2 der Gründe für eine Versorgungsanwartschaft nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes; Urteil vom 25. Januar 1979 – 3 AZR 1096/77 – AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG zu II 1 der Gründe; Urteil vom 16. März 1982 – 3 AZR 843/79 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG zu I 1 der Gründe; BAGE 39, 160, 163 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG zu 1 der Gründe). Ob die für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BetrAVG entwickelte Auslegungsregel auch für die Zusagedauer gilt, kann offen bleiben. Auch ohne diese Auslegungsregel führt die ergänzende Vertragsauslegung im vorliegenden Fall zu einer Anrechnung der bei der C Bergbau AG erreichten Zusagezeit.
c) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist nach §§ 157, 242 BGB darauf abzustellen, was die Parteien bei vernünftiger Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BAG Urteil vom 17. Januar 1979 – 5 AZR 498/77 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Berufssport, zu I 3 b der Gründe; BGHZ 84, 1, 7).
aa) Wie bei jeder Vertragsauslegung kommt es auf den konkreten Parteiwillen an. Soweit der tatsächliche Parteiwille feststeht, ist für Mutmaßungen kein Raum. Was dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien widerspricht, kann nicht als Inhalt ihres hypothetischen Willens gelten (vgl. BAG Urteil vom 10. Januar 1984 – 3 AZR 52/82 – AP Nr. 8 zu § 6 BetrAVG zu 2 der Gründe; BGHZ 9, 273, 278; 90, 69, 77).
bb) Bei der Auslegung von Willenserklärungen kann das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien insoweit berücksichtigt werden, als es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zuläßt (BAG Urteil vom 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP Nr. 32 zu § 133 BGB; BGH Urteil vom 24. Juni 1988 – V ZR 49/87 – NJW 1988, 2878, 2879). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Auskunftsschreiben der Beklagten vom 27. November 1975 zweifelsfrei, daß auch sie das Arbeitsverhältnis der Parteien und das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C Bergbau AG versorgungsrechtlich als Einheit betrachtete und den Kläger so stellen wollte, als sei er bereits seit 1964 ohne Unterbrechung mit einer Versorgungszusage bei ihr beschäftigt gewesen.
Das Schreiben vom 27. November 1985, das nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen unterzeichnet war, diente der Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 6 BetrAVG. Die Beklagte kannte nunmehr die mit dem Betriebsrentengesetz eingeführten Unverfallbarkeitsvoraussetzungen. Sie wußte, daß zwischen der Höhe des Versorgungsanspruchs und den Unverfallbarkeitsvoraussetzungen zu unterscheiden ist. Diese Differenzierung hat sie im maschinenschriftlichen Zusatz ihres Schreibens auch ausdrücklich vorgenommen. Im ersten Halbsatz teilte sie mit, daß dem Kläger eine Anrechnungszusage „hinsichtlich der Höhe des Versorgungsanspruchs” gegeben worden war. Im zweiten Halbsatz stellte sie klar, daß sich die Anrechnung nicht auf die Höhe des Versorgungsanspruchs des Klägers beschränken, sondern darüber hinaus „die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit seines Versorgungsanspruchs” erfassen sollte. Außerdem hat die Beklagte in Satz 2 ihres Schreibens vom 27. November 1985 angegeben, daß „eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung während der Zeit vom 1. Juni 1964 bis 30. September 1975 bestand”. Somit hat die Beklagte ebenso wie der Kläger die vereinbarte Anrechnung nicht eng, sondern weit verstanden.
d) Diese weite Anrechnungsvereinbarung verstärkt den Vertrauens- und Bestandsschutz, den auch das Betriebsrentengesetz verwirklichen will. Die Erhaltung des versorgungsrechtlichen Besitzstandes spielte beim Versorgungssystem des Bochumer Verbandes schon vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes und vor der Entscheidung des Senats vom 10. März 1972 eine besondere Rolle. Nach § 6 Abs. 3 der Satzung des Bochumer Verbandes vom 1. August 1959 haben die Mitgliedsfirmen beim Übertritt eines Angestellten von einer anderen Mitgliedsfirma die dort verbrachten Oberbeamten-Dienstjahre anzurechnen, selbst bei mehrmaligem Wechsel des Dienstverhältnisses. Die Arbeitnehmer konnten damit rechnen, daß ihre Altersversorgung sichergestellt blieb, wenn sie innerhalb des Verbandes den Arbeitgeber wechselten (BAGE 31, 45, 52 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG, zu I 2 c der Gründe). Die vorliegende Anrechnungsvereinbarung griff dieses Anliegen auf und baute den Schutz des Arbeitnehmers noch ausdrücklich aus. Nach der Versorgungszusage vom 24. September 1969 gelten „als ruhegeldfähig” sämtliche „Dienstjahre ab 1964”. Für die Zeit ab 1968 wurde ein Gruppenbetrag ausgewiesen, obwohl nach dem eigenen Vortrag der Beklagten der Kläger zunächst nicht als Oberbeamter, sondern als Tarifangestellter bei ihr tätig war. Dies zeigt, daß die Rechtsstellung des Klägers über die Leistungsordnung und die Satzung des Bochumer Verbandes hinaus verbessert werden sollte. Die seit 1964 bestehenden Arbeitsverhältnisse sollten trotz des Arbeitgeberwechsels und trotz einer vorübergehenden Beschäftigung als Tarifangestellter zusammengefaßt und einheitlich betrachtet werden. Dies ergibt sich zwar noch nicht aus dem auslegungsbedürftigen und wegen der nachträglichen Rechtsänderung zwangsläufig lückenhaften Wortlaut, wohl aber aus dem übereinstimmenden tatsächlichen Parteiwillen.
e) § 4 der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes in der Fassung vom 1. August 1959 steht diesem Verständnis der Zusage vom 24. September 1969 nicht entgegen. § 4 der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes bestimmt:
„Wird einem Oberbeamten nach Vollendung des 45. Lebensjahres und nach mindestens 12 bei Mitgliedern, davon die letzten 7 bei demselben Mitglied verbrachten Oberdienstjahre gekündigt, wird die Hälfte des Ruhegeldes gewährt, das der Oberbeamte beziehen würde, wenn er im Zeitpunkt des Ausscheidens in den Ruhestand versetzt worden wäre, und zwar so lange, als er jeweils keine zumutbare Tätigkeit ausübt oder ausüben kann. Beim Tode oder nach Vollendung des 60. (Untertage – Oberbeamter) bzw. 65. Lebensjahres werden die vollen jeweils in Betracht kommenden Leistungen auf der Grundlage der beim Ausscheiden erbrachten Oberbeamtendienstjahre gewährt.”
Die Beklagte ist der Ansicht, nach der Zusage vom 24. September 1969 seien die Vordienstzeiten nicht auf die „letzten 7 Dienstjahre” im Sinne des § 4 der Leistungsordnung anzurechnen gewesen. Noch weniger sei eine Vorverlegung der Versorgungszusage möglich. Die Dienstjahre seien nur bei der Berechnung des Ruhegeldes zu berücksichtigen gewesen.
Der Wortlaut der Zusage vom 24. September 1969 zwingt nicht zu dieser Auslegung. Bei der Berechnung des Ruhegeldes wird von „anrechnungsfähigen Oberbeamtendienstjahren” gesprochen (§ 3 Abs. 1 Buchst. c der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes). Diesen Ausdruck verwendet das Schreiben vom 24. September 1969 nicht, sondern fingiert „gelten als”) bestimmte Dienstjahre „als ruhegehaltfähig”. Der Wortlaut der Zusage beschränkt somit die Anrechnung nicht eindeutig auf die Berechnung des Ruhegeldes. Er steht einer Anrechnung auf die „letzten 7 Dienstjahre” nicht entgegen, sondern ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Abgesehen davon ist ein übereinstimmender Wille der Parteien auch dann allein maßgebend, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Für eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ist dann kein Raum mehr. Es spielt keine Rolle, wenn die Erklärungen objektiv eine andere Bedeutung haben, d.h. ein unbefangener Dritter ihnen einen anderen Sinn beilegen würde (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. BAG Urteil vom 27. Oktober 1964 – 5 AZR 117/64 – AP Nr. 2 zu § 157 BGB; Urteil vom 6. Februar 1974 – 3 AZR 232/73 – AP Nr. 38 zu § 133 BGB zu I 1 der Gründe; BGH Urteil vom 24. Juni 1987 – IV b ZR 48/86 – NJW – RR 1987, 1284; Urteil vom 1. Oktober 1987 – IX ZR 117/86 – NJW 1988, 200, 202).
f) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es unerheblich, daß sich ihre Versorgungszusage nicht nahtlos an die vorausgegangene Versorgungszusage der C Bergbau AG anschloß. Der gesetzliche Insolvenzschutz setzt zwar voraus, daß die angerechnete Betriebszugehörigkeit bereits von einer Versorgungszusage begleitet war und an das Arbeitsverhältnis heranreicht, das eine neue Versorgungsanwartschaft begründet. War die verfallbare Versorgungsanwartschaft aus einem früheren Arbeitsverhältnis schon geraume Zeit erloschen, so kann eine Anrechnungsvereinbarung zwar nicht zum Insolvenzschutz der neuen Versorgungsanwartschaft, aber durchaus zur Unverfallbarkeit führen. Darauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 11. Januar 1983 (BAGE 44, 1, 5 f. = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG zu II 2 c der Gründe) hingewiesen.
II. Nach § 2 Abs. 6 BetrAVG kann der Kläger von der Beklagten Auskunft über die Höhe der Versorgungsleistungen verlangen, die er bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze beanspruchen kann. Die gesetzliche Auskunftspflicht bezieht sich nicht nur auf die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit, sondern auch auf die Höhe der künftigen Versorgungsleistungen. Da sich die Beklagte in ihrem Auskunftsschreiben vom 27. November 1975 hierzu noch nicht geäußert hatte, ist insoweit der Auskunftsanspruch des Klägers noch nicht erfüllt.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Kremhelmer, Seyd, Falkenstein
Fundstellen
Haufe-Index 951882 |
ZIP 1991, 1446 |