Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung von auf die Bundesanstalt übergegangenen Lohnforderungen
Leitsatz (amtlich)
Erfüllt der Konkursverwalter nachträglich Lohnansprüche, die wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG auf die Bundesanstalt übergegangen waren (§ 115 Abs 1 SGB X), so hat er die Bruttolohnforderungen um die Lohnsteuerbeträge zu kürzen, die bei Zahlung an die Arbeitnehmer einzubehalten gewesen wären.
Normenkette
AFG § 117 Abs. 4; SGB X § 115 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 3 Nr. 2, § 11 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 38a Abs. 1 S. 3, § 39b Abs. 2-3, § 39c Abs. 1; KO §§ 59, 61; BGB § 412
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 24.06.1988; Aktenzeichen 5 Sa 1916/87) |
ArbG Hamm (Urteil vom 01.09.1987; Aktenzeichen 2 Ca 1728/86) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Juni 1988 – 5 Sa 1916/87 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus übergegangenem Recht weitere Zahlungsansprüche gegen den beklagten Konkursverwalter zustehen.
Die Arbeitnehmer M… und R… waren bei der Autohaus B… GmbH in S… beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Soest vom 26. Juni 1985 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Das Arbeitsverhältnis von Herrn R… endete am 30. Juni 1985, das von Herrn M… am 30. September 1985. Letzterem stand zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abgeltung für 15 Urlaubstage zu.
Die Klägerin gewährte Herrn M… für die Zeit vom 26. Juni bis 21. Oktober 1985 einschließlich der Urlaubszeit Arbeitslosengeld in Höhe von 8.580,-- DM. Für Herrn R… zahlte sie für die Zeit vom 27. Juni bis 30. Juni 1985 201,30 DM Arbeitslosengeld. Die Leistungen beruhten auf § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG. Am 31. Oktober 1985 meldete die Klägerin beim Beklagten wegen des in § 115 SGB X geregelten Forderungsübergangs Masseschulden in Höhe von 8.781,30 DM an.
Im Jahre 1986 zahlte der Beklagte für Herrn M… 6.383,20 DM und für Herrn R… 188,14 DM, insgesamt also 6.571,34 DM an die Klägerin. Bei diesen Leistungen berechnete der Beklagte die abzuführende Lohnsteuer nach Steuerklasse VI. Zu diesem Zeitpunkt lagen keine Lohnsteuerkarten der beiden Arbeitnehmer vor, da sie bei anderen Arbeitgebern tätig waren. Hätten die (ersten) Lohnsteuerkarten vorgelegen, wären die Arbeitsentgelte bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche nach der Lohnsteuerklasse III unter Beachtung von jeweils zwei Kindern bei beiden Arbeitnehmern zu versteuern gewesen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihr gewährten Arbeitslosengeld und den Zahlungen, die der Beklagte 1986 an sie geleistet hat.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von dem Beklagten wegen des rückständigen Arbeitslohns an sie gezahlten Beträge hätten nicht der Besteuerung unterlegen. Aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs habe es sich nicht um Zufluß an die Arbeitnehmer, sondern um eigene Einnahmen der Klägerin gehandelt. Jedenfalls ergebe sich aus den Lohnsteuerrichtlinien, daß Zahlungen des Konkursverwalters in den vorliegenden Fällen nicht lohnsteuerpflichtig seien. Auch wenn man dem nicht folge, sei die Klage begründet, weil der Beklagte die Abzüge nach der Steuerklasse III/2 hätte vornehmen müssen. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, der in Höhe des Arbeitslosengeldes übergegangene Anspruch auf Arbeitsentgelt habe jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin um eine möglicherweise darauf entfallende Lohnsteuer gekürzt werden dürfen, weil die Steuerforderung nur im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO habe befriedigt werden dürfen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.209,96 DM netto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist den Rechtsausführungen der Klägerin entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, er habe die auf die Arbeitslöhne entfallende Lohnsteuer zutreffend berechnet und von der Bruttolohnforderung einbehalten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen aufgrund des nach § 115 Abs. 1 SGB X erfolgten Übergangs der Lohnansprüche der Arbeitnehmer M… und R… keine weiteren Ansprüche gegen den beklagten Konkursverwalter zu.
I. Der Konkursverwalter hat mit den an die Klägerin im Jahre 1986 geleisteten Zahlungen die Lohnansprüche und den Urlaubsabgeltungsanspruch der Arbeitnehmer M… und R… für die Zeit vom 26. Juni bis zum 21. Oktober 1985 bzw. vom 27. bis zum 30. Juni 1985 erfüllt. Die Klägerin hat, weil der Konkursverwalter diese Ansprüche zunächst nicht befriedigt hatte, den Arbeitnehmern Arbeitslosengeld gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG gewährt. Wegen dieser Leistungen waren nach § 115 Abs. 1 SGB X die Lohnansprüche bis zur Höhe des gewährten Arbeitslosengeldes kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen. Diesen Forderungsübergang hat der Konkursverwalter beachtet, als er im Jahre 1986 imstande war, die noch offenen Lohnforderungen zu erfüllen. Die Rechtsnatur der auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche hat sich wegen des Forderungsübergangs nicht geändert: Die Leistungen, die der Konkursverwalter erbracht hat, sind allein deshalb erfolgt, weil den Arbeitnehmern noch Lohnansprüche für die vorbezeichneten Zeiträume aus ihrem Arbeitsverhältnis zustanden. Ebensowenig wie aufgrund einer Abtretung oder Pfändung von Lohnforderungen sich deren Rechtsnatur ändert, geschieht dies bei einem gesetzlichen Forderungsübergang. Das hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1985 (BAGE 50, 22, 26 = AP Nr. 17 zu § 59 KO, zu II 2b der Gründe) ausgesprochen zu der bis zum 30. Juni 1983 in Kraft befindlich gewesenen Regelung in § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG, die durch § 115 Abs. 1 SGB X abgelöst wurde. Hieran hält der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung auch des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. November 1985 – 12 RK 51/83 – ZIP 1986, 237) fest (ebenso Urban, DB 1989, 1438, 1440, m. w. N. zum unterschiedlichen Meinungsstand).
II. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, auch wenn man die Rechtsnatur des übergegangenen Anspruchs wie vorstehend ausgeführt annehme, hätten die Lohnansprüche gleichwohl nicht der Steuerpflicht unterlegen. Darin ist der Klägerin jedoch nicht zu folgen.
1.a) Die Klägerin hat zum einen gemeint, der Fall, daß Arbeitslöhne aus einem Dienstverhältnis aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs an einen Dritten fließen, sei anders zu beurteilen, als wenn Vergütungsansprüche abgetreten oder gepfändet seien. Beim gesetzlichen Forderungsübergang hätten Leistungen des Arbeitgebers ihren Grund nicht im Dienstverhältnis und in der Ausübung einer dem Arbeitnehmer verbliebenen Verfügungsmacht. Deshalb finde kein Zufluß an den Arbeitnehmer statt und entstehe die Lohnsteuer nicht.
Diesen Erwägungen kann der Senat nicht beitreten. Schon nach der gesetzlichen Regelung des § 115 Abs. 1 SGB X (“… geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber … über.”) er gibt sich, daß der gesetzliche Forderungsübergang die Lohnforderung des Arbeitnehmers zum Gegenstand hat. Deshalb hat die Klägerin nur in dem Umfang einen Anspruch gegen den beklagten Konkursverwalter erworben und erwerben können, wie er den Arbeitnehmern zustand. Der gesetzliche Forderungsübergang verschafft dem Zessionar grundsätzlich keine andere Rechtsstellung als demjenigen, der die Forderung aufgrund einer Abtretung erwirbt. Das ergibt sich schon aus § 412 BGB, der bestimmt, daß auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes die Vorschriften der §§ 399 bis 404, 406 bis 410 BGB (über die vertragliche Abtretung) entsprechende Anwendung finden. Für die Frage der Steuerpflichtigkeit kann die Klägerin auch nichts daraus herleiten, daß der Arbeitnehmer beim gesetzlichen Forderungsübergang keine eigene Verfügung trifft, sieht man davon ab, daß er mit seinem Antrag, ihm das Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG zu gewähren, die Folge des § 115 Abs. 1 SGB X auslöst. An einer Verfügung über die Forderung fehlt es nämlich auch dann, wenn die Lohnforderung gepfändet wurde. Dennoch ist in diesem Falle, wie die Klägerin einräumt, die Besteuerung bezüglich des gepfändeten Teils der Bezüge so vorzunehmen, wie dies geschehen müßte, wenn der Lohn an den Arbeitnehmer selbst ausgekehrt wird. Der Pfändungsgläubiger muß die Einbehaltung der Lohnsteuer dulden, weil sein Pfändungspfandrecht ihm nicht mehr Rechte gibt als dem Gläubiger der gepfändeten Forderung zustehen (BFH Urteil vom 29. Juli 1960 – VI 265/58 U – BFHE 71, 414, 417 f.; ferner Horowski/Altehoefer/Bäcker, Kommentar zum Lohnsteuer-Recht, Stand April 1989, § 38 EStG Anm. 5b). Eine andere Wertung läßt sich nicht für den Fall vertreten, daß statt einer Pfändung ein gesetzlicher Forderungsübergang vorliegt: Der Zessionar kann – wie der Pfändungsgläubiger – keine weitergehenden Rechte erwerben als sie dem Gläubiger, also dem Arbeitnehmer, zustehen. Daß der Arbeitnehmer nicht über die Forderung verfügt hat, ist dabei unerheblich. Bei der Pfändung einer Forderung fehlt es ebenfalls an einer auf den Forderungsübergang gerichteten Willenserklärung.
b) Die Klägerin hat im Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen weiter geltend gemacht, bei den Zahlungen des rückständigen Lohns aus dem beendeten Dienstverhältnis richte sich die Besteuerung nach den Merkmalen der Person, der die Einnahmen zufließen. Die Klägerin sei nicht Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer; als eigene Einnahme müsse die Klägerin die Leistungen nicht versteuern, weil sie nicht einkommensteuerpflichtig sei.
Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin ihrer Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. Juli 1960 (BFHE 71, 414) glaubt stützen zu können, geht dies fehl. Das Urteil steht vielmehr dem Anliegen der Klägerin gerade entgegen. Richtig ist zwar, daß in der Entscheidung, bei der es um die Versteuerung von Witwengeldern ging, die nach dem Tode der Erblasserin dem Erben zuflossen, der Bundesfinanzhof die Steuermerkmale des Erben für maßgeblich erklärt hat. Das Gericht hat diese Betrachtung aber entscheidend darauf abgestellt, daß eine Gesamtrechtsnachfolge vorlag (vgl. dazu auch Schmidt/Drenseck, EStG, 8. Aufl., § 19 Anm. 8 zum Stichwort “Früheres Dienstverhältnis”). Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt, daß die Einzelrechtsnachfolge etwa bei einer Pfändung anders zu beurteilen ist und die Pfändung einer Gehaltsforderung nicht zu einer Besteuerung des Gehalts in der Person des Pfändungsgläubigers führt. Bei der Pfändung wie bei einer Abtretung seien die nicht an den Arbeitnehmer, sondern an den Pfändungsgläubiger oder Rechtsnachfolger ausgezahlten Beträge, wenngleich sie ihren Charakter als Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit nicht verloren haben, anders als im Falle des Erben dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Sie seien nach § 11 EStG im Zeitpunkt ihrer Zahlung als dem Arbeitnehmer zugeflossen anzusehen.
Diesen Erwägungen ist voll beizupflichten. Sie gelten ebenso für den Fall, daß, wie hier, die Forderung kraft Gesetzes übergegangen ist. Mit der nachträglichen Zahlung des Arbeitgebers werden wie bei einer Abtretung oder Pfändung die Lohnansprüche des Arbeitnehmers erfüllt. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin hat deshalb den Lohnanspruch der Arbeitnehmer nur so erworben, wie er den Arbeitnehmern, nämlich mit der Belastung durch die Lohnsteuerforderungen, zustand (ebenso FG Köln Urteil vom 8. Dezember 1987 – 5 K 1367/87 –, referiert in DB 1989, 955; Urban, DB 1989, 1438, 1440; vgl. zum Zufluß auch BFH Urteil vom 10. Dezember 1985 – VIII R 15/83 – DB 1986, 1156 f.).
2. Die Klägerin hat weiter unter Berufung auf die Lohnsteuerrichtlinien geltend gemacht, die Zahlungen des beklagten Konkursverwalters an die Klägerin stellten keinen Arbeitslohn dar und seien daher nicht steuerpflichtig gewesen. Die Klägerin bezieht sich dabei auf Abschnitt 1 der im Jahre 1986 noch anzuwendenden Lohnsteuerrichtlinien 1984. Im Satz 1 dieses Abschnitts heißt es, daß zu den in § 3 Nr. 2 EStG bezeichneten übrigen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz auch das Arbeitslosengeld gehöre, das an einen Arbeitnehmer für die Zeit nach der Konkurseröffnung gewährt wird, für die er zwar noch Anspruch auf Arbeitsentgelt hat, tatsächlich aber kein Arbeitsentgelt erhält (§ 117 Abs. 4 AFG). Satz 2 in diesem Abschnitt lautet: “Etwaige spätere Zahlungen durch den Konkursverwalter an das Arbeitsamt wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs berühren das frühere Arbeitsverhältnis nicht mehr und stellen daher keinen Arbeitslohn dar”.
Aus dem vorstehend wiedergegebenen Satz der Lohnsteuerrichtlinien läßt sich die Steuerfreiheit des Arbeitslohns, den der Konkursverwalter im vorliegenden Fall aufgrund des Forderungsübergangs an die Klägerin gezahlt hatte, nicht herleiten. Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 17. April 1985 (BAGE 48, 229, 234 f. = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Lohnanspruch, zu II 3b der Gründe) erkannt, daß die Lohnsteuerrichtlinien nicht die durch Gesetz bestimmte Steuerpflicht von Zahlungen des Konkursverwalters an die Bundesanstalt für Arbeit aufgrund des Übergangs von Lohnforderungen abbedingen können. Wie auch vorstehend zu I erörtert, wird die Rechtsnatur der Ansprüche durch den von § 115 Abs. 1 SGB X geregelten Forderungsübergang nicht berührt. Es gehen die Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber über. Die Verpflichtung des anstelle des Gemeinschuldners leistenden Konkursverwalters beruht auf dem mit dem Arbeitnehmer begründeten Arbeitsverhältnis. Es ist deshalb verfehlt, wenn es in den Lohnsteuerrichtlinien heißt, Zahlungen des Konkursverwalters berührten das frühere Arbeitsverhältnis nicht mehr und stellten deshalb keinen Arbeitslohn dar. Die Frage, was steuerpflichtige. Arbeitslohn ist, wird in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 EStG, § 2 LStDV 1984) behandelt. Nach all den vorgenannten Regelungen läßt sich nicht vertreten, daß die Leistungen, die der beklagte Konkursverwalter erbracht hat, keinen Arbeitslohn darstellten. Der Senat hält deshalb an der Auffassung fest, die er bereits in der vorgenannten Entscheidung vertreten hat. Gegenüber kritischen Stimmen zu der Ansicht des Senats (vgl. Giloy, BB 1986, 1482; Martens, SGB 1986, 514) ist im wesentlichen zu bemerken, daß ihre Gedankenführung einen Beleg dafür vermissen läßt, daß und weshalb die Verwaltungsvorschriften eine gesetzliche Regelung sollen außer Kraft setzen können (wie hier Urban, DB 1989, 1438, 1441).
Die Finanzverwaltung hat im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 17. April 1985 (aaO) in den Lohnsteuerrichtlinien 1987 nicht mehr an der Begründung für die fehlende Steuerpflicht von Zahlungen des Konkursverwalters festgehalten. Nach Abschnitt 1 Satz 2 der Lohnsteuerrichtlinien 1987 sollen etwaige spätere Zahlungen durch den Konkursverwalter an das Arbeitsamt wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs (aufgrund von Leistungen nach § 117 Abs. 4 AFG) nicht steuerpflichtig sein, weil der Steuergläubiger endgültig auf die Besteuerung des Arbeitslohns verzichtet habe. Ob wegen dieser Neuregelung eine andere Betrachtung hinsichtlich der Steuerpflicht zulässig und geboten ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen (nachdrücklich ablehnend Urban, DB 1989, 1438, 1441).
III. Die Klägerin kann auch aus sonstigen Gründen keinen höheren Anteil des Bruttolohns wegen einer unzutreffenden steuerrechtlichen oder konkursrechtlichen Handhabung der Lohnsteuer durch den beklagten Konkursverwalter verlangen.
1.a) Der beklagte Konkursverwalter hat, als er den an die Klägerin auszukehrenden Nettolohn berechnete, für beide Arbeitnehmer die Lohnsteuern nach der Lohnsteuerklasse VI berechnet. Damit ist der Konkursverwalter zutreffend den steuerrechtlichen Vorschriften gerecht geworden. Bei den Lohnzahlungen, die der Konkursverwalter im Jahre 1986 für Zeiträume des Jahres 1985 erbracht hatte, handelte es sich um sonstige Bezüge und nicht um laufenden Arbeitslohn. Nachzahlungen von Arbeitslohn stellen nur dann laufenden Arbeitslohn dar, wenn sie für Lohnzahlungszeiträume erfolgen, die im Jahr der Zahlung enden (BFH Urteil vom 8. Februar 1974 – VI R 335/69 – BStBl. 1975 Teil II, 619; Oeftering/Görbing, Lohnsteuerrecht, Stand Mai 1988, § 39b EStG Rz 28). § 39b EStG unterscheidet zwischen der Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn (§ 39b Abs. 2) und der Einbehaltung der Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug (§ 39b Abs. 3). Für die Einbehaltung von Lohnsteuer von sonstigen Bezügen erläutern die Lohnsteuerrichtlinien 1984 in Abschnitt 87 Abs. 7 Satz 1, daß, wenn sonstige Bezüge gezahlt werden, nachdem der Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist und er zur Zeit der Zahlung des sonstigen Bezugs Arbeitslohn von einem anderen Arbeitgeber bezieht, der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für die Besteuerung des sonstigen Bezugs eine zweite oder weitere Lohnsteuerkarte vorzulegen hat. Weiter heißt es, der sonstige Bezug sei dann nach § 39b Abs. 3 EStG unter Anwendung der Steuerklasse VI zu besteuern. Daß in dieser Weise zu verfahren ist, entspricht auch der Auffassung im Schrifttum (vgl. Horowski/Altehoefer/Bäcker, aaO, § 39 EStG Anm. D 11; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 39b EStG Rz 42). Da hier feststeht, daß die Arbeitnehmer, um deren restliche Lohnansprüche es geht, im Jahre 1986 in einem anderen Arbeitsverhältnis standen, hat der Beklagte zu Recht die Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse VI bemessen. Dabei kann dahinstehen, ob die Arbeitnehmer überhaupt eine Lohnsteuerkarte vorgelegt hatten. Wenn dies nicht geschehen ist, war der beklagte Konkursverwalter ebenfalls gehalten, die Lohnsteuerklasse VI anzuwenden (§ 39c Abs. 1 EStG).
b) Die Klägerin hat geltend gemacht, es hätten die steuerlichen Verhältnisse von dem beklagten Konkursverwalter zugrunde gelegt werden müssen, die bei Übergang der Forderung auf die Klägerin hinsichtlich der Arbeitnehmer vorgelegen haben. Damit kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3, § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG ist Arbeitslohn als sonstiger Bezug in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Steuerpflichtigen zugeflossen ist. Nach § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG bemißt sich die Lohnsteuer nach dem Arbeitslohn, den ein Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezogen hat. Erst die tatsächliche Zahlung von Arbeitslohn läßt den Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf die Lohnsteuer entstehen, die nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn bei jeder Lohnzahlung an den Arbeitnehmer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen ist. Deshalb hat die Klägerin nicht eine Forderung erworben, die um einen fiktiven, nach den Verhältnissen des Jahres 1985 berechneten Lohnsteueranteil vermindert war. Die Frage, um welchen Anteil sich die übergegangenen Lohnforderungen wegen der bestehengebliebenen Steuerlast minderten, bestimmte sich vielmehr nach dem Zeitpunkt, zu dem von dem beklagten Konkursverwalter Arbeitslohn gezahlt wurde (vgl. zum Ganzen auch BFH Urteil vom 16. Mai 1975 – VI R 101/71 – DB 1975, 2307).
2. Schließlich ist der Klägerin auch insoweit nicht zu folgen, wie sie geltend macht, die von dem Beklagten einbehaltenen Lohnsteuerbeträge hätten konkursrechtlich nur den Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO gehabt, während die ausgekehrten Nettolohnansprüche Masseschulden gewesen seien, und dies habe zu einer Verkürzung der ihr zustehenden Ansprüche geführt. Dieses Vorbringen der Klägerin ist schon deshalb nicht schlüssig, weil nicht ersichtlich ist, daß eine andere konkursmäßige Befriedigung der Steuerforderung zu einer höheren Nettolohnforderung, in deren Höhe allein die Klägerin Befriedigung verlangen konnte, geführt hätte. Lediglich dann, wenn die Masse nicht ausreichend gewesen wäre, um den begründeten Masseanspruch der Klägerin zu erfüllen, hätte die unzutreffende konkursrechtliche Einordnung der Lohnsteuerforderung als Masseforderung den Anspruch der Klägerin und der entsprechenden Massegläubiger zu Unrecht verkürzt.
Im übrigen ist insoweit noch zu bermerken, daß, wenn der Konkursverwalter geschuldeten Arbeitslohn, der Masseforderung ist, zahlt, die Lohnsteuer einen Teilbetrag des geschuldeten Arbeitslohns darstellt und im Konkurs des Arbeitgebers das Schicksal des an den Arbeitnehmer ausgezahlten Nettolohns teilt, mithin ebenfalls als Masseanspruch zu befriedigen ist (vgl. dazu BFH Urteil vom 16. Mai 1975 – VI R 101/71 – DB 1975, 2307).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Bitter, Liebsch, Buschmann
Fundstellen
Haufe-Index 873911 |
RdA 1989, 382 |
ZIP 1990, 526 |