Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsche Gerichtsbarkeit. Europ. Schule. Befristung
Leitsatz (redaktionell)
Über die Rechtmäßigkeit der Befristung eines vom Direktor einer Europäischen Schule mit einem Lehrbeauftragten abgeschlossenen Arbeitsvertrags kann nicht vor der deutschen Gerichtsbarkeit geklagt werden; zuständig ist die Beschwerdekammer bei den Europäischen Schulen.
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2; Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Art. 267; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 – ABl. EG L 212 vom 17. August 1994 S. 3 – BGBl. 2003 II S. 459 (SES) Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1, Abs. 7; Statut der nach dem 31. August 1994 eingestellten Lehrbeauftragten (StaLES) Ziff. 1.3; Statut der nach dem 31. August 1994 eingestellten Lehrbeauftragten (StaLES) Ziff. 3.2; Statut der nach dem 31. August 1994 eingestellten Lehrbeauftragten (StaLES) Ziff. 3.4; Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen (StaPES) Art. 80 Abs. 1; Wiener Übereinkommen Art. 31
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 09.11.2011; Aktenzeichen 11 Sa 427/11) |
ArbG München (Zwischenurteil vom 15.03.2011; Aktenzeichen 27 Ca 11860/10) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. November 2011 – 11 Sa 427/11 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts München vom 15. März 2011 – 27 Ca 11860/10 – abgeändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in einem Zwischenstreit über die Frage, ob die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist.
Die Beklagte ist eine Bildungseinrichtung, in der Kinder von Bediensteten der Europäischen Patentorganisation in München unterrichtet werden. Sie wurde auf der Grundlage des Zusatzprotokolls vom 15. Dezember 1975 (BGBl. 1978 II S. 994) zum Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen vom 13. April 1962 (BGBl. 1969 II S. 1301) errichtet. Die Gründung der Europäischen Schulen geht auf die am 12. April 1957 von den Staaten Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichneten Satzungen zurück (BGBl. 1965 II S. 1041). Seit dem 1. Oktober 2002 gilt die Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 (ABl. EG L 212 vom 17. August 1994 S. 3 – BGBl. 2003 II S. 459; „SES”), die außer von den Mitgliedstaaten ua. von der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft unterzeichnet wurde.
In der SES ist ua. die Organisation der Europäischen Schulen geregelt. Gemeinsame Organe sind der Oberste Rat, der Generalsekretär, die Inspektionsausschüsse und die Beschwerdekammer. An den Europäischen Schulen unterrichten Lehrer, die von den Mitgliedstaaten abgeordnet oder zugewiesen sind, sowie Lehrbeauftragte.
Die SES lautet auszugsweise:
…
Für den gemeinsamen Unterricht der Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften wurden zur Sicherung des ordnungsgemäßen Funktionierens der europäischen Organe bereits 1957 Lehranstalten mit der Bezeichnung ‚Europäische Schule’ eingerichtet.
Die Europäischen Gemeinschaften sind bestrebt, den gemeinsamen Unterricht dieser Kinder sicherzustellen, und leisten zu diesem Zweck einen Beitrag zum Haushalt der Europäischen Schulen.
Die Europäischen Schulen bilden ein Schulsystem besonderer Art. Bei diesem System wird eine Form der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften verwirklicht; gleichzeitig bleibt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen in vollem Umfang erhalten.
Es empfiehlt sich,
…
- einen angemessenen Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter diese Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte zu gewährleisten und zu diesem Zweck eine Beschwerdekammer mit genau festgelegten Befugnissen einzurichten;
- festzulegen, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammer die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen nicht berühren.
…
…
(2) Der Unterricht wird von Lehrern erteilt, welche die Mitgliedstaaten … abordnen oder zuweisen.
…
Alle Schulen haben folgende gemeinsame Organe:
- den Obersten Rat,
- den Generalsekretär,
- die Inspektionsausschüsse,
- die Beschwerdekammer.
Jede Schule wird vom Verwaltungsrat verwaltet und vom Direktor geleitet.
…
Hinsichtlich der Verwaltung hat der Oberste Rat folgende Aufgaben:
1. Er legt die Beschäftigungsbedingungen für den Generalsekretär, die Direktoren, das Lehrpersonal und gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) für das Verwaltungs- und Dienstpersonal fest.
…
KAPITEL 4 |
Der Direktor |
Artikel 21 |
Der Direktor erfüllt seine Amtspflichten im Rahmen der in Artikel 10 vorgegebenen allgemeinen Schulordnung. …
Er muß über die Befähigung und die Nachweise verfügen, die in seinem Land als Voraussetzung für die Leitung einer Unterrichtsanstalt, deren Abschlußzeugnis zum Hochschulbesuch berechtigt, verlangt werden. Er ist dem Obersten Rat verantwortlich.
…
(1) Es wird eine Beschwerdekammer eingesetzt.
(2) Bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen – mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals – betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat oder vom Verwaltungsrat einer Schule in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Vereinbarung gegenüber jenen Personen getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die auf dieser Vereinbarung oder den in ihrem Rahmen erlassenen Vorschriften beruht, besitzt die Beschwerdekammer, nach Ausschöpfung des Verwaltungsweges, erst- und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit. …
Die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt.
…
(7) Andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Insbesondere berührt dieser Artikel nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen.
Die Beschäftigungsbedingungen der von den Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 2 SES abgeordneten oder zugewiesenen Lehrer sind in dem auf der Grundlage von Art. 12 Ziff. 1 SES erlassenen Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen („StaPES”) geregelt. Dieses bestimmt auszugsweise:
„Artikel 6
Die dem vorliegenden Statut unterliegenden dienstlichen Tätigkeiten werden in folgende Kategorien eingestuft:
Direktionspersonal:
…
…
Artikel 80
- Die Beschwerdekammer ist in erster und letzter Instanz ausschließlich dafür zuständig, in Streitfällen zu entscheiden, die im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit eines erlittenen Schadens zwischen den Direktionsbehörden der Schulen und den Personalmitgliedern stehen. Bezieht ein solcher Streitfall sich auf Gehaltsfragen, so verfügt die Beschwerdekammer über volle Rechtskraft.
Unbeschadet der Vorschriften nach Artikel 77 ist eine Klage nur dann vor der Beschwerdekammer zulässig,
- Abweichend vom obigen Absatz 2 können Beschlüsse der Verwaltungsräte der Schulen und des Obersten Rates Gegenstand einer direkten Klage vor der Beschwerdekammer sein.
…
Artikel 86
Die Auslegung der Artikel des vorliegenden Statuts, die auf die Artikel des Statuts der Beamten der Europäischen Union ausgerichtet sind, erfolgt nach den von der Kommission angewandten Kriterien.”
Zusätzlich zu den – auch als Hauptpersonal bezeichneten – abgeordneten Lehrern können die Direktoren der Europäischen Schulen sogenannte Lehrbeauftragte anstellen. Rechtsgrundlage ist das vom Obersten Rat erlassene Statut der nach dem 31. August 1994 eingestellten Lehrbeauftragten („StaLES”). Dieses lautet auszugsweise:
„1. Rolle der Lehrbeauftragten
1.1. Im Statut der Europäischen Schulen werden die für einen bestimmten Zeitraum von den Mitgliedstaaten abgeordneten Lehrkräfte als Hauptlehrpersonal vorgesehen.
1.2. Neben diesem Hauptlehrpersonal benötigen die Europäischen Schulen Lehrbeauftragte …
1.3. In dem Statut für die Lehrbeauftragten sind jährliche Arbeitsverträge vorgesehen. Die Dienstaufgaben der Lehrbeauftragten können sich von Jahr zu Jahr ändern, und zwar entsprechend der Anzahl der Unterrichtsstunden, die nicht von abgeordneten Lehrkräften übernommen werden können.
…
2. Lehrbeauftragte – Aushilfskräfte – Religionslehrer
Der Direktor kann anstellen:
a) Lehrbeauftragte zur Ableistung
- von teilzeitlichen Dienstaufgaben;
- von vollzeitlichen Dienstaufgaben zwecks Erfüllung vorübergehender Unterrichtsbedürfnisse.
…
3. Einstellungsbedingungen des Hilfslehrpersonals
…
3.2. |
Die Bestimmungen des Artikels … 80 STaPES gelten auch für die vom Direktor eingestellten Lehrkräfte. |
|
… |
3.4. Gesetzgebung des Sitzlandes der Schule
Unbeschadet der vorstehenden Vorschriften unterliegen die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen der Lehrbeauftragten, der Religionslehrer und des Aushilfspersonals der Gesetzgebung des Sitzlandes der Schule hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und -beziehungen, der Sozialversicherung und des Steuerrechts.
Für die Entscheidung von Streitfällen sind die Gerichte des Sitzlandes der Schule zuständig.”
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. September 2006 als Lehrbeauftragte tätig. Die Beschäftigung erfolgte aufgrund jährlich befristeter, jeweils vom Direktor unterzeichneter Arbeitsverträge. Der vorletzte Lehrauftrag vom 28./29. September 2009 sah eine Laufzeit vom 1. September 2009 bis 31. August 2010, der letzte Lehrauftrag vom 14./24. Juni 2010 eine solche für die Zeit vom 1. September 2010 bis 31. August 2011 vor.
In § 13 des Lehrauftrags vom 28./29. September 2009 heißt es:
„Anwendbares Recht, Gerichtsbarkeit und Gerichtsstand
- Auf das Lehrauftragsverhältnis finden in nachstehender Reihenfolge Anwendung die Bestimmungen dieses Vertrages sowie das ‚Statut der Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen’ in der in § 3 (2) genannten Fassung. Deutsches Recht findet gemäß Artikel 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten nur Anwendung, soweit dieser Vertrag und das Statut der Lehrbeauftragten keine Regelung enthält und nur soweit die betreffende Regelungslücke die Arbeitsbedingungen und -beziehungen, die Sozialversicherung und das Steuerrecht betrifft.
- Die Europäische Schule genießt hinsichtlich ihrer amtlichen Tätigkeit das Vorrecht der Befreiung von der staatlichen Gerichtsbarkeit. Für Streitigkeiten zwischen der Schule und dem/der LB aus diesem Vertrag ist daher die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen gemäß Artikel 80 des Statuts des Abgeordneten Personals der Europäischen Schulen ausschließlich zuständig. Die staatlichen deutschen Gerichte können gemäß Artikel 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen lediglich angerufen werden bei Streitigkeiten zwischen der Schule und dem/der LB, die sich ausschließlich beziehen auf Fragen, hinsichtlich derer gemäß vorstehenden Absatz 1 deutsches Recht Anwendung findet.”
§ 10 des Lehrauftrags vom 14./24. Juni 2010 hat folgenden Wortlaut:
„Anwendbares Recht, Gerichtsbarkeit und Gerichtsstand
- Auf das Lehrauftragsverhältnis finden in nachstehender Reihenfolge Anwendung: die Bestimmungen dieses Vertrages, das ‚Neue Statut’ sowie die nach Ziffer 3.2 des Neuen Statuts anwendbaren Bestimmungen des STAPES. Deutsches Recht findet gemäß Ziffer 3.4 des Statuts nur Anwendung, soweit dieser Vertrag und das auf den Vertrag anwendbare Dienstrecht der Europäischen Schulen keine Regelung enthält und nur insoweit als die betreffende Regelungslücke in diesem Vertrag nicht geregelte Arbeitsbedingungen und -beziehungen, die Sozialversicherung und das Steuerrecht betrifft.
Für Streitigkeiten zwischen der Schule und LB aus diesem Vertrag ist, soweit die Rechtsbeziehungen der Parteien dem Vertrag und Dienstrecht der Europäischen Schulen unterliegen, die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen gemäß Artikel 80 STAPES ausschließlich zuständig.
Die staatlichen deutschen Gerichte können gemäß Ziffer 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen lediglich angerufen werden bei Streitigkeiten zwischen der Schule und LB, die sich ausschließlich beziehen auf Fragen, hinsichtlich derer gemäß vorstehenden Absatz 1 deutsches Recht Anwendung findet.”
Mit der am 21. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Befristungskontrollklage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass die angerufene deutsche Gerichtsbarkeit und nicht die bei den Europäischen Schulen gebildete Beschwerdekammer über die Wirksamkeit der Befristungen ihres Arbeitsverhältnisses zu entscheiden habe. Die Europäischen Schulen genössen keine Immunität für Befristungskontrollbegehren angestellter Lehrbeauftragter.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsabrede vom 28. September 2009 nicht mit Ablauf des 31. August 2010 beendet worden ist;
hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befristungsabrede vom 14. Juni 2010 nicht zum 31. August 2011 geendet hat;
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin gemäß den arbeitsvertraglichen Bedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 28. September 2009 weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung mit der Auffassung begründet, dass sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Zwischenurteil für zulässig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage als unzulässig, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision begehrt.
Durch Beschluss vom 24. April 2013 (– 7 AZR 930/11 (A) – BAGE 145, 76 und – 7 AZR 931/11 (A) –) hat der Senat in zwei gleich gelagerten Fällen den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 27 Abs. 2 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 (SES) ersucht. In diesen Sachen hat der Gerichtshof durch Urteil vom 11. März 2015 (– C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary]) erkannt:
- „Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der am 21. Juni 1994 in Luxemburg zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass von einer Europäischen Schule eingestellte Lehrbeauftragte, die nicht von den Mitgliedstaaten abgeordnet werden, anders als das von der Anwendung der Regelung ausgenommene Verwaltungs- und Dienstpersonal zu den in dieser Vorschrift genannten Personen gehören.
- Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass er der Einstufung einer Vereinbarung über die Befristung des Arbeitsverhältnisses in dem zwischen der Schule und dem Lehrbeauftragten geschlossenen Vertrag als eine den Lehrbeauftragten beschwerende Entscheidung nicht entgegensteht.
- Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass eine vom Direktor einer Europäischen Schule in Ausübung seiner Befugnisse getroffene Entscheidung grundsätzlich unter diese Bestimmung fällt. Die Ziff. 1.3, 3.2 und 3.4 des Statuts der zwischen dem 1. September 1994 und dem 31. August 2011 eingestellten Ortslehrkräfte der Europäischen Schulen sind dahin auszulegen, dass für einen Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer in einem Arbeitsvertrag zwischen einem Lehrbeauftragten und dem Direktor der Schule enthaltenen Vereinbarung über die Befristung eines Arbeitsverhältnisses die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen ausschließlich zuständig ist.”
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur Abänderung des Zwischenurteils des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unzulässig. Die angerufene deutsche Gerichtsbarkeit ist nach § 20 Abs. 2 GVG ausgeschlossen. Die Beklagte genießt als Teil der zwischenstaatlichen Organisation der Europäischen Schulen für den hier vorliegenden Streitgegenstand Immunität. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Befristung des vom Direktor der Beklagten mit der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrags ist nach Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES ausschließlich die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen berufen.
I. Das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf zwischenstaatliche Organisationen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Eine danach gegebene Immunität stellt ein Verfahrenshindernis dar. Sie führt zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl. BAG 10. November 1993 – 7 AZR 600/92 – zu II 1 der Gründe mwN).
II. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GVG sind erfüllt. Die Beklagte ist Teil einer zwischenstaatlichen Organisation. Sie ist aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung von der staatlichen Gerichtsbarkeit in dem durch Art. 27 Abs. 2 SES bestimmten Umfang befreit. Darunter fallen Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen, die der Direktor der Schule mit Lehrbeauftragten abschließt.
1. Die Institution der „Europäischen Schulen” ist eine zwischenstaatliche Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit (BAG 24. April 2013 – 7 AZR 930/11 (A) – Rn. 15 mwN, BAGE 145, 76; BGH 9. Juli 2009 – III ZR 46/08 – Rn. 25 mwN, BGHZ 182, 10). Ihre Gründung beruht auf einer völkerrechtlichen Übereinkunft mehrerer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EuGH 15. Januar 1986 – C-44/84 – [Hurd] Rn. 20, Slg. 1986, 29). Es handelt sich bei den Europäischen Schulen um ein System besonderer Art, das durch ein internationales Abkommen eine Form der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und der Union verwirklicht (vgl. EuGH 14. Juni 2011 – C-196/09 – [Miles ua.] Rn. 39, Slg. 2011, I-5105; 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 32). Die einzelne Schule nimmt an der Völkerrechtspersönlichkeit der Institution der „Europäischen Schulen” teil (BGH 9. Juli 2009 – III ZR 46/08 – Rn. 25, aaO).
2. Als zwischenstaatliche Organisation regelt die Institution der „Europäischen Schulen” ihre innerorganisatorischen Angelegenheiten selbst (BGH 9. Juli 2009 – III ZR 46/08 – Rn. 25, BGHZ 182, 10). Die Befreiung einer internationalen Organisation und ihrer Untergliederungen von der nationalen Gerichtsbarkeit des Sitzstaates wird regelmäßig im Rahmen der Gründungsabkommen oder gesonderter Privilegienabkommen geregelt. Zwischenstaatliche Organisationen können insgesamt oder in Teilen auf das Privileg der Befreiung von der staatlichen Gerichtsbarkeit verzichten. Ein Immunitätsverzicht kann für einen konkreten Rechtsstreit durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung oder auch generell in einem völkerrechtlichen Abkommen erfolgen (BAG 10. November 1993 – 7 AZR 600/92 – zu II 3 der Gründe mwN; Geimer Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 828, 629).
Die ursprüngliche Satzung der Europäischen Schulen aus dem Jahr 1957 sah keinen eigenen Rechtsweg vor. Die Vertragsparteien haben jedoch mit der Satzung aus dem Jahr 1994 ein eigenes, internes Rechtsschutzverfahren eingeführt. Sie haben den Umfang der von ihnen in Anspruch genommenen Immunität in Art. 27 Abs. 2 und Abs. 7 SES positiv geregelt. Nach Art. 27 Abs. 2 SES besitzt die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen nach Ausschöpfung des Verwaltungswegs erst- und letztinstanzlich die ausschließliche Zuständigkeit bei Streitigkeiten, die die Anwendung der Vereinbarung auf die darin genannten Personen – mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals – betreffen. Die Voraussetzungen und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen für diese Verfahren sind ua. in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten festgelegt (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 40). Demgegenüber unterliegen „andere Streitigkeiten”, bei denen die Schulen Partei sind, nach Art. 27 Abs. 7 SES der Zuständigkeit der nationalen Gerichte, insbesondere in Zivil- und Strafsachen.
3. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen mit Lehrbeauftragten fallen in die Zuständigkeit der Beschwerdekammer nach Art. 27 Abs. 2 SES. Dies ergibt die dem Gerichtshof vorbehaltene, von diesem im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens des Senats in den gleich gelagerten Fällen vorgenommene Auslegung der in der SES getroffenen Regelungen (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary]).
a) Über die Auslegung der Verträge und über die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 31; BAG 24. April 2013 – 7 AZR 930/11 (A) – Rn. 17, BAGE 145, 76). Ein vom Rat der Europäischen Union gemäß Art. 217 AEUV und Art. 218 AEUV geschlossenes Abkommen für die Europäische Union stellt eine Handlung eines Unionsorgans im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV dar. Die Bestimmungen eines solchen Abkommens sind ab dessen Inkrafttreten Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Der Gerichtshof ist in dem durch diese Rechtsordnung gesteckten Rahmen zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Abkommens befugt (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 29). Dies gilt auch für ein internationales Abkommen wie die Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen, die auf der Grundlage von Art. 235 des EG-Vertrags (danach Art. 308 EG, jetzt Art. 352 AEUV) von den hierzu durch den Beschluss 94/557/EG, Euratom des Rates vom 17. Juni 1994 betreffend die Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft zur Unterzeichnung und zum Abschluss der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen (ABl. EG L 212 vom 17. August 1994 S. 1) ermächtigten Europäischen Gemeinschaften erlassen wurde (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 30).
b) Der Gerichtshof hat die SES als Bestandteil des Völkervertragsrechts insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 31 des Wiener Übereinkommens ausgelegt. Danach kommt es darauf an, wie ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Ziels und Zwecks zu verstehen ist (vgl. EuGH 25. Februar 2010 – C-386/08 – [Brita] Rn. 43, Slg. 2010, I-1289; 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 37, 60 bis 62). Außerdem ist nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens bei der Auslegung eines Vertrags jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, zu berücksichtigen (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 38). Danach kann eine spätere Übung bei der Anwendung eines Vertrags Vorrang vor dem eindeutigen Vertragswortlaut haben, wenn in dieser Übung die Übereinstimmung der Parteien zum Ausdruck kommt (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 61 mwN).
c) Nach der vom Gerichtshof aufgrund des Vorabentscheidungsgesuchs des Senats in den gleich gelagerten Fällen vorgenommenen Auslegung gehören Befristungskontrollklagen von Lehrbeauftragten zu den in Art. 27 Abs. 2 SES genannten Streitigkeiten, für welche die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen ausschließlich zuständig ist (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 70).
aa) Lehrbeauftragte sind nicht von der Regelung des Art. 27 Abs. 2 SES ausgenommen. Anders als das von der Anwendung der Regelung ausgeschlossene Verwaltungs- und Dienstpersonal gehören sie zu den in dieser Vorschrift genannten Personen (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 40 f.).
bb) Eine Vereinbarung über die Befristung des Arbeitsverhältnisses in dem zwischen der Schule und dem Lehrbeauftragten geschlossenen Vertrag stellt nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs eine den Lehrbeauftragten „beschwerende Entscheidung” im Sinne von Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES dar, über deren Rechtswirksamkeit die Beschwerdekammer zu entscheiden hat (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 45 bis 56).
(1) Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES enthält zwar keine Definition des Begriffs „beschwerende Entscheidung” (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 46). Die verschiedenen Sprachfassungen unterscheiden sich in der Verwendung dieses Begriffs, wobei einige von ihnen, ua. die spanische, die englische, die französische und die italienische Fassung, Begriffe wie „un acto”, „any act”, „un acte” und „un atto” verwenden, deren Bedeutung über die des in der deutschen Fassung verwendeten Begriffs „Entscheidung” hinausgeht (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 47). Da es nach dem fünften Spiegelstrich des vierten Erwägungsgrundes in der Präambel der SES zu den Zielen dieser Vereinbarung gehört, einen „angemessenen Rechtsschutz” des Lehrpersonals und der sonstigen unter die Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte zu gewährleisten (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 48), ist einer weiten Auslegung des Begriffs „beschwerende Entscheidung” der Vorzug zu geben (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 49).
(2) Das Statut der Lehrbeauftragten, das ua. die Voraussetzungen und die Durchführungsbestimmungen für die Verfahren vor der Beschwerdekammer regelt, sieht in Ziff. 3.2 im Einklang mit Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 SES vor, dass Art. 80 StaPES auch für die Lehrbeauftragten gilt. Art. 80 Abs. 1 StaPES ist ähnlich formuliert wie Art. 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung [EWG, Euratom, EGKS] Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 [ABl. EG L 56 vom 4. März 1968 S. 1]), wonach der Gerichtshof der Europäischen Union für alle Streitsachen zwischen der Union und einer Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, über die Rechtmäßigkeit einer diese Person beschwerenden Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts zuständig ist. Dort erfasst der Begriff „beschwerende Maßnahme” nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs alle Maßnahmen, die geeignet sind, unmittelbar eine bestimmte Rechtslage zu beeinträchtigen (vgl. ua. EuGH 8. März 2007 – C-237/06 P – [Strack/Kommission] Rn. 62 mwN). Darunter fällt beispielsweise auch der Beschäftigungsvertrag zwischen einer Hilfskraft und der Kommission (vgl. EuGH 9. Juli 1987 – C-329/85 – [Castagnoli/Kommission] Rn. 11, Slg. 1987, 3281; 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 54). Dementsprechend ist auch der Einstellungsvertrag eines Lehrbeauftragten an einer Europäischen Schule als „beschwerende Entscheidung” im Sinne von Art. 80 StaPES anzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn es um einen Bestandteil des Vertrags geht, der – wie seine Dauer, die sich unmittelbar aus der Anwendung von Ziff. 1.3 StaLES ergibt – durch das anwendbare Recht vorgegeben ist (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 55).
cc) Die Anwendung von Art. 27 Abs. 2 SES auf Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen mit Lehrbeauftragten scheitert nicht daran, dass die Befristung als beschwerende Maßnahme in dem zwischen dem Direktor der Schule und dem Lehrbeauftragten geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbart wird und Entscheidungen des Direktors der Schule in Art. 27 Abs. 2 SES nicht ausdrücklich erwähnt werden. Vielmehr erfasst Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES nach dem Verständnis des Gerichtshofs eine Vereinbarung über die Befristung eines Arbeitsverhältnisses, die der Direktor der Europäischen Schule in Ausübung seiner Befugnisse getroffen hat (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 57 bis 76). Dies kommt zwar im Wortlaut dieser Bestimmung nicht zum Ausdruck. Danach fällt nur eine Streitigkeit über eine „vom Obersten Rat oder vom Verwaltungsrat einer Schule … getroffene … Entscheidung” in die Zuständigkeit der Beschwerdekammer. Nach Auffassung des Gerichtshofs ergibt sich der Anwendungsbereich des Art. 27 Abs. 2 SES auch auf Entscheidungen des Direktors aber zum einen daraus, dass nach Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 SES die Voraussetzungen für ein Verfahren vor der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen ua. in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten festgelegt sind (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 59). Zum anderen hat der Gerichtshof in Anwendung von Art. 31 des Wiener Übereinkommens der Übung durch die Rechtsprechung der Beschwerdekammer bei der Anwendung des Art. 80 StaPES den Vorrang vor dem entgegenstehenden Wortlaut des Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES eingeräumt (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 60 bis 64). Die Beschwerdekammer ist nach Art. 80 StaPES, auf den Ziff. 3.2 StaLES verweist, für Streitigkeiten zwischen den Direktionsbehörden der Europäischen Schulen und Mitgliedern des Personals über die Rechtmäßigkeit einer Letztere beschwerenden Entscheidung ausschließlich zuständig. Wie insbesondere aus Art. 7 letzter Satz SES in Verbindung mit Art. 21 Abs. 2 SES sowie aus Art. 6 Buchst. a StaPES hervorgeht, gehört der Direktor einer Europäischen Schule zu deren Direktionsbehörden. Auf der Grundlage von Art. 80 StaPES entwickelte sich die Rechtsprechung der Beschwerdekammer, nach der es möglich ist, Rechtsbehelfe gegen beschwerende Entscheidungen der Direktionsbehörden der Europäischen Schulen einzulegen. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof als spätere, von den Parteien der SES unbeanstandete und deshalb als stillschweigend gebilligte Übung angesehen. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SES steht daher einer Einstufung von Entscheidungen der Direktionsbehörden der Europäischen Schulen als grundsätzlich unter die genannte Bestimmung fallend nicht entgegen (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 65 bis 67).
dd) Ein anderes Ergebnis folgt nach Auffassung des Gerichtshofs nicht aus Ziff. 3.4 StaLES. Danach sind die Gerichte des Sitzlands einer Europäischen Schule nur für die Entscheidung von Streitfällen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen der Lehrbeauftragten, der Religionslehrer und des Aushilfspersonals, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und -beziehungen, der Sozialversicherung und des Steuerrechts der Gesetzgebung des Sitzlands dieser Schule unterliegen, zuständig (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 68), nicht aber für einen Rechtsstreit über die Befristung des Arbeitsvertrags.
ee) Diese Auslegung von Art. 27 Abs. 2 SES beeinträchtigt nicht den Anspruch der Betroffenen auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 71 bis 75). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfüllt die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen alle Merkmale, anhand deren eine Einrichtung als „Gericht” im Sinne von Art. 267 AEUV beurteilt werden kann. Dazu gehören ua. die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 72). Außerdem hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nicht das Recht auf Zugang zu zwei Gerichtsinstanzen umfasst, sondern nur zu einem Gericht (vgl. EuGH 17. Juli 2014 – C-169/14 – [Sánchez Morcillo und Abril García] Rn. 36; 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 73). Soweit der Gerichtshof in der Rechtssache Miles ua. (EuGH 14. Juni 2011 – C-196/09 – Rn. 43 bis 45, Slg. 2011, I-5105) ausgeführt hat, er sei nicht für die Beantwortung einer von der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen gestellten Frage zuständig, weil es sich bei ihr nicht um ein „Gericht eines Mitgliedstaats” im Sinne von Art. 267 AEUV handele, hat er gleichzeitig anerkannt, dass eine Möglichkeit oder sogar eine Verpflichtung der Beschwerdekammer vorstellbar sei, im Rahmen einer Streitigkeit zwischen an eine Europäische Schule abgeordneten Lehrern und dieser den Gerichtshof anzurufen, wenn allgemeine Grundsätze des Unionsrechts anzuwenden sind, allerdings hinzugefügt, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, das durch die derzeit geltende Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen eingeführte System des gerichtlichen Rechtsschutzes zu reformieren (vgl. EuGH 11. März 2015 – C-464/13 und C-465/13 – [Oberto und O'Leary] Rn. 74).
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, M. Rennpferdt, Kiel, Holzhausen, Jacobi
Fundstellen