Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag (Oberassistentin)
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; PersVG-DDR § 79 Abs. 4, § 82 Abs. 1, § 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 1994 – 3 Sa 3340/93 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) stützt.
Die im Jahre 1949 geborene Klägerin studierte von 1969 bis 1971 im Fach Mathematik. Von 1971 bis 1974 absolvierte sie ein Forschungsstudium am Wissenschaftsbereich mathematische Kybernetik und Rechentechnik der Sektion Mathematik der Technischen Universität D. Ab dem 1. Mai 1974 war sie als wissenschaftliche Assistentin an der Sektion Mathematik der TU D. tätig. Sie wurde 1976 promoviert. Ab 1. Juli 1985 setzte sie ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Oberassistentin fort, seit 1991 am Institut für Geometrie.
Mit Änderungsvertrag vom 11. September 1991 vereinbarten die Parteien die Geltung des BAT-O und gruppierten die Klägerin in die VergGr. I b BAT-O ein. Die Klägerin bezog zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von ca. 4.200,– DM.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit führte die Klägerin Vorlesungen, Übungen und Praktika durch.
Von 1971 bis 1974 war die Klägerin Kandidatin der SED-Kreisleitung an der TU D. Von 1974 bis 1989 war sie Mitglied dieser Kreisleitung. Während dieser Zeit arbeitete sie in der Frauenkommission mit.
Nach Anhörung der Klägerin am 13. Mai 1992 gab die Personalkommission III/1 hinsichtlich der persönlichen Integrität der Klägerin mit einem Stimmenverhältnis von 9: 0 die Empfehlung „nicht geeignet” mit der Begründung ab, die Klägerin habe als Mitglied der Kreisleitung der SED deren Beschlüsse über 15 Jahre mitgetragen und erkenne auch gegenwärtig noch nicht die daraus erwachsene Verantwortung.
Mit Schreiben vom 17. Juli 1992 teilte der Staatssekretär beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst dem Hauptpersonalrat beim Ministerium die Absicht mit, der Klägerin zum 31. Dezember 1992 zu kündigen. Der Vorsitzende des Hauptpersonalrats antwortete mit Schreiben vom 4. August 1992, der Hauptpersonalrat erhebe gegen die beabsichtigte Kündigung keine Einwendungen.
Mit Schreiben vom 8. September 1992 kündigte der Staatssekretär des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 1992 wegen mangelnder Eignung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst.
Mit der am 15. September 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, Kündigungsgründe lägen nicht vor. Es sei ihr bei ihrer Beteiligung an der SED-Kreisparteileitung um die Arbeit in der Frauenkommission gegangen. Die SED-Kreisleitung habe aus ca. 50 ehrenamtlichen Kandidaten und Mitgliedern bestanden. Die Hauptarbeit habe in den Kommissionen gelegen. Die SED-Kreisleitung sei vier- bis fünfmal im Jahr zusammengetreten und habe keinen Einfluß auf konstruktive Entscheidungen gehabt. Sie, die Klägerin, sei nicht an der Kaderpolitik der SED oder an der Durchsetzung der Militärdoktrin der SED beteiligt gewesen. Sie habe mehrfach den Besuch der Bezirksparteischule der SED abgelehnt.
Darüber hinaus sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Personalratsbeteiligung sei nicht durch den Dienststellenleiter eingeleitet worden. Dem Hauptpersonalrat seien ihre Sozialdaten nicht mitgeteilt worden und der Hauptpersonalrat habe auf eine Erörterung der Angelegenheit nicht verzichtet. Zudem sei der Hauptpersonalrat unzuständig gewesen.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch das Kündigungsschreiben vom 8. September 1992 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbesteht,
- für den Obsiegensfall zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als wissenschaftliche Oberassistentin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe sich als Mitglied der SED-Kreisleitung in besonderem Maße mit der Ideologie und Politik der SED identifiziert. Die berufliche Entwicklung der Klägerin sei untrennbar mit ihrer Funktion in der SED verbunden gewesen. Die Kreisleitung der SED an der TU habe im wesentlichen die Kaderpolitik an der Hochschule bestimmt. Sie sei auch für die Durchsetzung der SED-Militärdoktrin an der Hochschule zuständig gewesen. Die Klägerin habe 1990 ihre Personalakte bereinigt.
Er hat die Auffassung vertreten, ein Weiterbeschäftigungsanspruch könne der Klägerin aus Rechtsgründen nicht zustehen.
Er hat behauptet, am 17. Juli 1992 sei der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst verhindert gewesen. Zusammen mit dem Schreiben vom 17. Juli 1992 seien dem Hauptpersonalrat die von der Personalkommission erarbeiteten Unterlagen übergeben worden. Dem Personalrat seien sämtliche Personaldaten und sonstigen kündigungsrelevanten Daten der Klägerin mitgeteilt worden. U.a. sei dem Hauptpersonalrat ein Erklärungsbogen der Klägerin übermittelt worden, der Angaben zur persönlichen Entwicklung und zur beruflichen Situation enthalte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten nach Vernehmung des damaligen Vorsitzenden des Hauptpersonalrats als Zeugen die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache, weil über die Wirksamkeit der Kündigung aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend entschieden werden kann.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 1992 aufgelöst. Der Klägerin fehle die persönliche Eignung für eine weitere Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Range einer Oberassistentin am Institut für Geometrie der Technischen Universität D. Damit liege der Kündigungsgrund gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV vor. Als langjähriges Mitglied der Kreisleitung der SED an der TU D. habe die Klägerin zu den führenden und damit herausgehobenen Mitgliedern der SED an dieser Hochschule gehört. Als Mitglied dieses Leitungsgremiums sei die Klägerin mitverantwortlich für dessen Beschlüsse, die der Durchsetzung der SED-Hochschulpolitik dienten. Hierbei müsse vorrangig berücksichtigt werden, daß die Klägerin über 15 Jahre hinweg bis zum Ende des SED-Staates an ihrer Funktion in der SED-Kreisleitung festhielt. Damit habe sie über einen langen Zeitraum hinweg den SED-Staat und seine Hochschulpolitik nach außen repräsentiert. Hierdurch sei ihre Ungeeignetheit für eine weitere Hochschultätigkeit indiziert. Die Einzelfallprüfung habe keine besonderen Umstände ergeben, die die Zweifel an der persönlichen Eignung der Klägerin verblassen ließen.
Die Kündigung sei nicht gemäß § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam, denn die Beteiligung des gemäß § 82 Abs. 1 PersVG-DDR zuständigen Hauptpersonalrats sei ordnungsgemäß gewesen. Insbesondere habe die Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer ergeben, daß der Hauptpersonalrat umfassend über die Kündigungsabsicht und die Kündigungsgründe informiert worden sei.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgehend von der mündlichen Erläuterung der Klägerin den Klagantrag zu 1. zutreffend dahingehend ausgelegt, daß die Klägerin nur eine Kündigungsschutzklage im Sinne von §§ 4, 7 KSchG, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – BAGE 76, 148 = AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Kündigung vom 8. September 1992 nicht gemäß § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam ist. Das Beteiligungsverfahren ist ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt worden.
1. Die Revisionsrüge, daß das dem Hauptpersonalrat zugeleitete Anhörungsschreiben nicht vom Leiter der Dienststelle im Sinne des PersVG-DDR unterzeichnet wurde, ist unbegründet. Wie der Senat im Anschluß an die neuere Rechtsprechung des Zweiten Senats (vgl. Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG, zu II 2 b, c der Gründe) entschieden hat (vgl. Urteile vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 868/93 – unveröffentlicht; vom 18. Juli 1996 – 8 AZR 228/94 – unveröffentlicht), handelt nach § 7 PersVG-DDR für die Dienststelle ihr Leiter. Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Das gleiche gilt für sonstige Beauftragte, sofern der Personalrat sich mit dieser Beauftragung einverstanden erklärt. Das Tätigwerden des ständigen Vertreters oder eines sonstigen Beauftragten setzt danach eine Verhinderung des Dienststellenleiters voraus. Ist der Dienststellenleiter tatsächlich nicht verhindert, so führt dieser Mangel jedoch dann nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn der Personalrat im Laufe des Beteiligungsverfahrens das Tätigwerden des ständigen Vertreters oder sonstigen Beauftragten nicht rügt. Davon ist im Streitfall auszugehen. Der Hauptpersonalrat hat unstreitig nach erfolgter Anhörung der Kündigung zugestimmt. Es fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, der Hauptpersonalrat habe etwa Zweifel am Vorliegen eines Verhinderungsfalles geltend gemacht oder aus anderen Gründen dem Tätigwerden eines Vertreters oder Beauftragten widersprochen.
2. Der Hauptpersonalrat war für die Durchführung des Beteiligungsverfahrens gemäß § 82 Abs. 1 PersVG-DDR zuständig, denn das Verfahren zum Ausspruch der Kündigung wurde vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst betrieben und durch Ausspruch der Kündigung auch abgeschlossen.
3. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Hauptpersonalrat sei umfassend über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere erübrigte sich eine genauere Beschreibung der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung im Anhörungsschreiben, wenn, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, dem Hauptpersonalrat entsprechende Kenntnisse durch eines seiner im Fachbereich Mathematik der TU D. tätigen Mitglieder vermittelt wurden.
4. Einer Erörterung der beabsichtigten Kündigung gemäß § 72 Abs. 1 PersVG-DDR bedurfte es nicht, denn der Hauptpersonalrat hat aufgrund der schriftlichen Unterrichtung ausdrücklich erklärt, er erhebe gegen die beabsichtigte Kündigung keine Einwendungen.
III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV für gerechtfertigt erachtet hat, tragen seine tatsächlichen Feststellungen die Entscheidung bislang nicht.
1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Bundesländer die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin gehörte am 3. Oktober 1990 als wissenschaftliche Oberassistentin der TU D. dem öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet an. Damit gelten für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch den Beklagten die Kündigungsregelungen des Einigungsvertrages.
2. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne dieser Bestimmung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
a) Ein wissenschaftlich tätiger Angestellter muß die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (vgl. BVerfG Beschluß vom 2. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361, 365 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B III 2 der Gründe).
b) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.).
c) Ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit den Zielsetzungen der SED identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte.
Im Prozeß hat der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – BAGE 76, 323, 332 = AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 3 b der Gründe).
d) Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Die Kündigung erfordert – auf der Grundlage des Parteivortrags – eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt.
e) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Angehöriger des öffentlichen Dienstes gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung glaubwürdig zu vertreten. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 5 der Gründe).
3. Das Landesarbeitsgericht ist zwar von diesen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen ausgegangen, hat aber ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen angenommen, die von der Klägerin 15 Jahre und damit langjährig ausgeübte Funktion als Mitglied der SED-Kreisleitung sei Ausdruck einer besonderen Identifikation mit dem SED-Staat gewesen. Die Klägerin habe nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen, aufgrund derer sie in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 7. September 1995 (– 8 AZR 426/93 – unveröffentlicht) entschieden hat, ist die Funktion eines Mitglieds der SED-Kreisleitung grundsätzlich geeignet, die besondere Identifikation mit dem SED-Staat zu begründen. Dies setzt aber voraus, daß die tatsächlichen Grundlagen und die Bedeutung der SED-Kreisleitung in der Wirklichkeit der DDR im Tatsächlichen festgestellt werden. Hierzu hat der Beklagte in der Berufungsinstanz unter Beweisantritt „Sachverständigengutachten” vorgetragen. Insbesondere hat er darauf verwiesen, welche Außenwirkung diese für ca. 5.000 Genossen zuständige Parteileitung vor allem auf dem Gebiet der Personalentscheidungen für die Technische Universität gehabt habe.
Sollten die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, daß die Funktion eines Mitglieds der SED-Kreisleitung in der Wirklichkeit der DDR darauf gerichtet war, in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken, wäre die Nichteignung der Klägerin wegen ihrer 15jährigen Mitwirkung in diesem Gremium der SED indiziert. In diesem Falle wäre der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich durch substantiierten Sachvortrag zu entlasten.
4. Der Senat kann nicht zugunsten der Klägerin abschließend entscheiden, daß die Indizwirkung durch ihr Verhalten nach der Wiedervereinigung entkräftet sei. Die Verfolgung frauenpolitischer Ziele läßt nicht ein ausdrückliches Bekenntnis zum Grundgesetz erkennen. Vielmehr macht die Klägerin selbst deutlich, daß sie ihr Engagement im Interesse der Frauen über die Wende hinaus „fortgesetzt” habe.
Dem von der Klägerin abgelehnten Besuch der Bezirksparteischule kommt als solchem keine entlastende Wirkung zu, denn ohne Angabe der von der Klägerin zur Ablehnung vorgebrachten Gründe besagt dies genausowenig über die Eignung oder Nichteignung des Beschäftigten wie ein Besuch der Bezirksparteischule.
IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfange aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu befinden.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Brückmann, Morsch
Fundstellen