Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 Unterabsatz 2 BAT werden nur die Vergütungen für Bereitschaftsdienste berücksichtigt, die im maßgeblichen Berechnungenzeitraum des vorangegangenen Kalenderjahres dem Angestellten zugestanden haben. Unberücksichtigt bleiben Bereitschaftsdienste, die zwar in dem dem Urlaub vorangegangenen Jahr tatsächlich geleistet worden sind, aber wegen des bei der Abrechnung nach § 36 Abs. 2 Unterabsatz 2 BAT zugrundezulegenden Vorvormonatsprinzips erst im laufenden Urlaubsjahr vergütet werden. Diese Bereitschaftsdienstvergütungen sind erst bei der Berechnung der Urlaubsvergütung des folgenden Urlaubsjahres zu berücksichtigen.
Normenkette
Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) § 36 Abs. 1; Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) § 47 Abs. 2; BUrlG § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 16.03.1993; Aktenzeichen 6 (9) Sa 224/92) |
ArbG Passau (Urteil vom 13.02.1992; Aktenzeichen 2 Ca 569/91 D) |
Tenor
Die Revision der Klägerinnen und des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. März 1993 – 6 (9) Sa 224/92 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen und der Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob für jeden Urlaubstag im Jahr 1990 ein Aufschlag im Sinne von § 47 Abs. 2 des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) zu berücksichtigen war.
Die Klägerinnen und der Kläger waren in den Jahren 1989, 1990 und 1991 bei dem Beklagten angestellt. Sie waren als Assistenz-Ärzte in der radiologischen Abteilung des Hauptkrankenhauses D… eingesetzt. Der Beklagte, der Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes ist, hatte mit ihnen die Anwendung des BAT vereinbart.
Zum 1. November 1989 führte der Beklagte für die Assistenz-Ärzte in der radiologischen Abteilung Bereitschaftsdienst ein. Die Klägerin zu 3 befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Erziehungsurlaub. Sie konnte erstmalig am 21. Januar 1990 zum Bereitschaftsdienst eingeteilt werden. Die übrigen Klägerinnen und der Kläger haben bereits seit November 1989 Bereitschaftsdienst geleistet. Die in den Monaten November und Dezember 1989 geleisteten Bereitschaftsdienste wurden von dem Beklagten erst in den Gehaltsabrechnungen für Januar und Februar 1990 berücksichtigt.
Die einschlägige Vorschrift des BAT lautet:
Ҥ 36
Berechnung und Auszahlung der Bezüge, Vorschüsse
Die Bezüge sind für den Kalendermonat zu berechnen und am 15. eines jeden Monats (Zahltag) für den laufenden Monat auf ein von dem Angestellten eingerichtetes Girokonto im Inland zu zahlen. …
Der Teil der Bezüge, der nicht in Monatsbeträgen festgelegt ist, bemißt sich nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats. …
…
”
Nachdem im Mai 1990 Urlaub abgerechnet worden war, reklamierten die Klägerinnen und der Kläger bei ihrer Personalstelle, daß keine tarifliche Zulage in der Form des Aufschlags für jeden Urlaubstag im Sinn von § 47 Abs. 2 BAT berechnet worden sei. Die maßgebliche Bestimmung lautet:
Ҥ 47
Erholungsurlaub
Als Urlaubsvergütung werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt. Der Teil der Bezüge, der nicht in Monatsbeträgen festgelegt ist, wird nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 durch eine Zulage (Aufschlag) für jeden Urlaubstag nach Unterabs. 2 als Teil der Urlaubsvergütung berücksichtigt.
Der Aufschlag beträgt 108 des Tagesdurchschnitts der Zulagen, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, der Zeitzuschläge nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b bis f, der Überstundenvergütungen (ausgenommen die Überstunden Pauschalvergütung nach Nr. 5 SR 2s) und des Zeitzuschlags nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a für ausgeglichene Überstunden, der Bezüge nach § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 sowie der Vergütungen für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft des vorgangegangenen Kalenderjahres.
”
Nachdem auch für die weiteren Urlaubstage keine Aufschläge gewährt wurden, wandten sich die Klägerinnen und der Kläger am 12. November 1990 schriftlich an den Beklagten. Dieser erklärte, daß aus dem in den Monaten November und Dezember 1989 geleisteten Bereitschaftsdienst erst im Urlaubsjahr 1991 Urlaubsaufschläge gezahlt werden könnten. Die Klägerinnen und der Kläger haben am 27. November 1991 Stufenklage auf Auskunft über den Aufschlag zur Urlaubsvergütung für das Urlaubsjahr 1990 und Zahlung der Urlaubsaufschläge erhoben.
Sie haben zuletzt folgende Anträge gestellt:
Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen und dem Kläger den Aufschlag zur Urlaubsvergütung für das Kalenderjahr 1990 unter Berücksichtigung der geleisteten Bereitschaftsdienste seit dem 1. November 1989 zu berechnen und den sich ergebenden Lohnnettobetrag in Auszahlung zu bringen.
Der Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, die im November und Dezember 1989 geleisteten Bereitschaftsdienste seien für die Berechnung des Aufschlags im Urlaubsjahr 1991 berücksichtigt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen und des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgen sie weiterhin ihre Stufenklage. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerinnen und des Klägers ist unbegründet; denn die im November 1989 geleisteten Bereitschaftsdienste waren nicht bei der Berechnung des Aufschlags für die Urlaubstage des Jahres 1990 zu berücksichtigen.
1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel (§ 559 Abs. 2 Satz 2 ZPO) liegen nicht vor.
a) Da beide Vorinstanzen die rechtlichen Grundlagen sowohl für den Abrechnungs- als auch den Leistungsanspruch verneint haben, konnten beide Stufen der Klage in vollem Umfang abgewiesen werden (vgl. BGH Urteil vom 8. Mai 1985 – IVa ZR 138/83 – MDR 1985, 825, 826).
b) Die mit der Stufenklage verbundene Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist hier zulässig; denn wegen des komplizierten Berechnungsverfahrens des BAT ist die begehrte Auskunft erforderlich.
2. Im Verhältnis zur Klägerin zu 3 bestand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Verpflichtung des Beklagten auf Zahlung eines Aufschlages zur Urlaubsvergütung; denn die Klägerin zu 3 hat in dem nach § 47 Abs. 2 Unterabssatz 2 BAT maßgeblichen Jahr 1989 weder Bereitschaftsdienste geleistet noch Vergütungen für Bereitschaftsdienste erhalten. Diesen unstreitigen Tatsachenvortrag haben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht übersehen.
3. Auch im Verhältnis zu den beiden anderen Klägerinnen und dem Kläger schuldete der Beklagte im Jahr 1990 keinen Aufschlag für jeden Urlaubstag.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht in Anwendung des § 47 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT die Berücksichtigung für das Urlaubsjahr 1990 abgelehnt; denn der Beklagte hatte die von den Klägerinnen zu 1 und 2 und dem Kläger zu 4 im November und Dezember 1989 geleisteten Breitschaftsdienste erst für die Berechnung der Zulagen zur Urlaubsvergütung des Jahres 1991 zu berücksichtigen. Die Revision verkennt, daß nach der tariflichen Systematik nicht erheblich ist, ob die Bereitschaftsdienste im Jahr 1989 geleistet worden sind. Entscheidend ist, ob sie innerhalb dieses Zeitraums zu vergüten waren.
a) Maßgeblicher Berechnungszeitraum für die nach § 47 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT als Aufschlag für jeden Urlaubstag zu gewährende Zulage ist das vorangegangene Kalenderjahr. Das ergibt sich aus § 47 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT. Danach beträgt der Aufschlag 108 des Tagesdurchschnitts der Vergütungen für Bereitschaftsdienst des vorangegangenen Kalenderjahres. Das war im Streitfall zwar das Jahr 1989, nach dem klaren Wortlaut der Tarifbestimmungen sind jedoch nur die in diesem Berechnungszeitraum angefallenen Vergütungen für Bereitschaftsdienste zu berücksichtigen.
b) Die Vergütung für die in den Monaten November und Dezember 1989 geleisteten Bereitschaftsdienste sind nach dem sog. “Vorvormonatsprinzip” im Januar bzw. Februar 1990 fällig geworden. Sie fiel deshalb nicht in den für die Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung für Urlaubstage im Jahre 1990 maßgeblichen Berechnungszeitraum 1989. Dieser Vergütungszeitpunkt ergibt sich aus der tariflichen Bestimmung des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT. Danach ist der Teil der Bezüge, der – wie die Bereitschaftsdienstvergütung – nicht in Monatsbeträgen festgelegt ist, nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats zu bemessen.
c) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abstellt, wann die Vergütungen für den Bereitschaftsdienst “zugeflossen” seien, handelt es sich um eine mißverständliche Formulierung. Entscheidend ist nicht der zufällige Zeitpunkt des Zuflusses, sondern der Zeitpunkt, wann die Vergütungen für Bereitschaftsdienste “zugestanden haben”. Das folgt aus der Fälligkeitsregel des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT und wird auch durch den Wortlaut der Protokollnotizen zu § 47 Abs. 2 BAT bestätigt. Dort heißt es:
“Der Tagesdurchschnitt nach Unterabsatz 2 beträgt … der Vergütungen für Bereitschaftsdienst …, die für das vorangegangene Kalenderjahr zugestanden haben.”
d) Entgegen der Ansicht der Revision liegt keine tarifliche Regelungslücke vor. Es besteht deshalb weder der Bedarf, § 47 Abs. 2 Unterabs. 3 BAT, noch § 11 Abs. 1 BUrlG zur Schließung der vermeintlichen Lücke anzuwenden.
e) Die Ausweitung des Berechnungszeitraums der Urlaubsvergütung im BAT verstößt nicht gegen zwingende Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Die Tarifvertragsparteien sind nach § 13 Abs. 1 BUrlG frei, von dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG geregelten Berechnungszeitraum der letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs abzuweichen und einen längeren Berechnungszeitraum zu vereinbaren (BAGE 49, 370, 375 = AP Nr. 21 zu § 13 BUrlG, zu I 1 der Gründe a.E.; BAG Urteil vom 26. Juni 1986 – 8 AZR 589/83 – AP Nr. 17 zu § 11 BUrlG, zu 4 der Gründe a.E.).
f) Die tarifliche Regelung bewirkt auch keine Ungleichbehandlung; denn wer aufgrund des tarifrechtlich geregelten Berechnungszeitraums zunächst keinen Aufschlag für geleistete Bereitschaftsdienste erhält, geht nicht leer aus. Das zeigt der Streitfall. Die im November und Dezember 1989 geleisteten Bereitschaftsdienste sind nach dem Vorvormonatsprinzip im Januar bzw. Februar 1990 abgerechnet und vergütet worden. Sie sind nach § 47 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT als Aufschlag für die Urlaubstage des Jahres 1991 berücksichtigt worden. Der Beklagte rügt deshalb zu Recht, Ziel der Klage sei nicht die Beseitigung einer Ungleichbehandlung, sondern eine “Doppelberücksichtigung”.
II. Die Klägerinnen und der Kläger haben die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Leinemann, Dörner, Düwell, Volpp, Furche
Fundstellen
Haufe-Index 873937 |
BB 1996, 1511 |
NZA 1996, 1046 |