Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösende Betriebsvereinbarung. tarifliche Alterssicherung
Orientierungssatz
- Die Betriebsparteien können eine Angelegenheit, die sie durch Betriebsvereinbarung geregelt haben, für die Zukunft auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer neu regeln.
- Eine tarifliche Alterssicherung schützt Arbeitnehmer regelmäßig nur davor, dass sie durch altersbedingte Leistungsabnahme Verdiensteinbußen erleiden. Dagegen nimmt sie ältere Arbeitnehmer nicht von allgemeinen Lohneinbußen aus, die von Alter und Leistungsfähigkeit unabhängig sind.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1, Abs. 6; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1, §§ 257-259
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine übertarifliche Zulage.
Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 19. Juni 1967 als gewerblicher Arbeitnehmer im Werk G… beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Metallindustrie des nordwestlichen Niedersachsen, Verbandsgruppe Oldenburg, Anwendung. Nach § 2 Nr. 2 des zum 31. Dezember 2000 gekündigten und seitdem nachwirkenden Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer vom 31. März 1974 idF vom 23. Mai 1991 (LRTV) kann die Arbeit im Zeit-, Akkord- oder Prämienlohn vergeben werden. Die Einführung einer dieser Entlohnungsmethoden oder deren Änderungen sind nach § 2 Nr. 3 LRTV mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Nach § 4 Nr. 3 LRTV erhalten Zeitlohnarbeiter “entsprechend ihrer Leistung eine Leistungszulage”. Diese beträgt “im Gruppendurchschnitt” 16 %.
§ 9 des Manteltarifvertrags für die Metallindustrie Nordwestliches Niedersachsen vom 18. Mai 1990 idF vom 19. August 2002 (MTV) bestimmt ua.:
“§ 9 Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer
1. Gewerbliche Arbeitnehmer
1.1 Anspruchsvoraussetzungen
Arbeitnehmer, die im 55. Lebensjahr stehen oder älter sind und dem Betrieb oder dem Unternehmen mindestens 5 Jahre angehören, haben eine Verdienstsicherung nach folgenden Bestimmungen:
…
1.3 Zeitlohnarbeiter
Zeitlohnarbeiter haben einen Anspruch auf ihren Durchschnittsstundenverdienst, errechnet aus den letzten 12 abgerechneten Kalendermonaten.”
Nach einer am 15. September 1987 von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat geschlossenen Rahmenbetriebsvereinbarung zum Entlohnungsgrundsatz Prämienlohn sollten die gewerblichen Arbeitnehmer in ein Prämienlohnsystem überführt werden. Dazu kam es in der Folgezeit nicht. In einer Einigungsstellensitzung vom 24. Juni 1988 vereinbarten die Betriebsparteien in einer Aktennotiz in Nr. 1:
“Sollte am 31.03.1989 kein Arbeitsplatz in Prämie überführt worden sein und auch keine entsprechende Tendenz erkennbar sein, erhalten die betroffenen Arbeitnehmer als Ausgleich 28 % auf den Tariflohn.”
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Rahmenbetriebsvereinbarung vom 15. September 1987 sowie alle dazu weiterhin vereinbarten Betriebsvereinbarungen samt aller Protokollnotizen und Anlagen zum 1. Januar 2003. Am 16. Oktober 2002 schloss sie mit dem Betriebsrat zwei neue Betriebsvereinbarungen (BV 2002-I und BV 2002-II). In der BV 2002-I vereinbarten die Betriebsparteien ua., dass die Beklagte keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen wird, die bis zum 31. Dezember 2003 wirksam werden, und bestimmten in der Präambel, dass “der Umfang der den Mitarbeitern des Werkes G… bislang übertariflich gewährten Leistungszulagen (Prämien) mit Wirkung zum 1. Januar 2003 ersatzlos entfallen wird”. In der BV 2002-II heißt es ua.:
“2.1 Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, daß die gleichmäßige Verteilung des tariflich in § 4 Ziffer 3 LRTV festgelegten Zulagenvolumens zunächst beibehalten bleibt. Dies bedeutet, daß den gewerblichen Arbeitnehmern weiterhin eine individuelle Leistungszulage (Prämienpauschale) in Höhe von 16 % monatlich bezogen auf ihre individuelle Lohngruppe gezahlt wird.
2.2 Darüber hinausgehende Leistungszulagen bzw. Prämienzahlungen werden letztmals für den Gehaltsmonat Dezember 2002 abgerechnet und ausbezahlt. Mit Wirkung zum 31.12.2002 werden daher insbesondere die individuellen Zahlungen zum Prämienlohnausgleich von z.Zt. 28 % auf den Tariflohn im Umfang des die tarifliche Dotierung übersteigenden Teils (zur Zeit also in Höhe von 12 %) ersatzlos entfallen. …
3.1 Das Wirksamwerden dieser Vereinbarung löst sämtliche, die Einführung des Entlohnungsgrundsatzes “Prämienlohn” bzw. die Einführung sonstiger Zeitlohn- oder Prämienzulagen betreffende Betriebsvereinbarungen, insbesondere die Rahmenbetriebsvereinbarung vom 15.09.1987, Akten- bzw. Protokollnotizen sowie alle damit in Zusammenhang stehenden rechtsbedeutsamen Erklärungen der Betriebspartner ab.”
Die Beklagte zahlte an den Kläger seit dem Jahr 1989 bis zum 31. Dezember 2002 einen Zuschlag iHv. 28 % auf den Tariflohn. Ab Januar 2003 erhielt er nur noch die tarifliche Zulage iHv. 16 % des Grundlohns.
Der Kläger hat mit seiner Klage die Fortzahlung der übertariflichen Zulage in Höhe von 12 % des tariflichen Grundlohns geltend gemacht. Er könne diese auf Grund betrieblicher Übung beanspruchen. Die Kürzung der Zulage sei unwirksam. Der Anspruch folge auch aus § 9 MTV. Die eine Betriebsvereinbarung darstellende Aktennotiz vom 24. Juni 1988 sei unkündbar, solange es bei der Beklagten kein Prämienlohnsystem gebe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine monatliche Leistungszulage von 12 % beginnend ab dem Monat Januar 2003 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit der Vergütung für den jeweiligen Abrechnungsmonat zu zahlen;
2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) festzustellen, dass die Beklagte seine seit dem Monat Februar 2003 in der Abrechnung für den Monat Januar 2003 um 12 % gekürzte Vergütung unter Berücksichtigung der Erhöhung seines Gehaltes durch die Leistungszulage in Höhe von 12 % ordnungsgemäß abzurechnen und an ihn nachzuzahlen hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe die früheren Betriebsvereinbarungen wirksam gekündigt. Außerdem seien deren Regelungen durch die am 16. Oktober 2002 geschlossenen Betriebsvereinbarungen abgelöst worden. Die tarifliche Alterssicherung schütze nicht vor der allgemeinen Streichung einer übertariflichen Zulage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen habe seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat seit Januar 2003 keinen Anspruch mehr auf eine übertarifliche Zulage.
I. Der vom Kläger in erster Linie verfolgte Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Feststellungsantrag zu 1) ist zulässig.
a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, richtet sich die begehrte Feststellung auf eine übertarifliche Zulage in Höhe von 12 % aus dem tariflichen Grundlohn der maßgeblichen Tarifgruppe des LRTV. Über diese besteht zwischen den Parteien kein Streit. Wie sich aus der im Verfahren vorgelegten Entgeltabrechnung für Januar 2003 ergibt, handelt es sich um die Tarifgruppe 08.
b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand ist die dem Kläger nach seiner Auffassung auf Grund der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 sowie auf Grund betrieblicher Übung zustehende, über den Grundlohn und die Leistungszulage nach § 4 Nr. 3 LRTV hinausgehende übertarifliche Zulage.
c) Der Kläger hat an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse.
aa) Die begehrte Feststellung ist auf eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gerichtet. Damit handelt es sich um ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Eine Feststellungsklage muss sich nicht auf das Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann auf einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen begrenzt seien (vgl. etwa BAG 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = EzA TzBfG § 12 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen, zu B I 1 der Gründe mwN). Auch einzelne Ansprüche aus einem Schuldverhältnis sind Rechtsverhältnisse in diesem Sinn (BAG 27. Januar 2004 – 1 AZR 105/03 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu II 2b der Gründe mwN).
bb) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht der Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen. Zwar ist das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Auch in diesem Fall kann aber ein Feststellungsinteresse gegeben sein, wenn das angestrebte Urteil trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern (BAG 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = EzA TzBfG § 12 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen, zu B I 2 der Gründe mwN). Hiervon kann im Streitfall ausgegangen werden. Zum andern gilt der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage nicht für Klagen auf künftige Leistung nach §§ 257 bis 259 ZPO; zwischen diesen Klagen und einer Feststellungsklage kann der Gläubiger vielmehr wählen (BAG 19. Juni 2001 – 1 AZR 463/00 – BAGE 98, 76, zu I 2a der Gründe). Er muss bei teils fälligen, teils noch nicht fälligen Ansprüchen auch keine Aufteilung in einen Leistungs- und Feststellungsantrag vornehmen (BAG 20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5, zu A II der Gründe mwN). Auch deshalb kann der Kläger im Streitfall die Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung der übertariflichen Zulage im Wege einer Feststellungsklage klären lassen.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann seit Januar 2003 eine übertarifliche Zulage auf den Grundlohn nicht mehr beanspruchen. Ein Anspruch folgt weder aus der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 noch aus betrieblicher Übung oder aus § 9 MTV.
a) Die Aktennotiz vom 24. Juni 1988 vermag den Anspruch des Klägers nicht mehr zu rechtfertigen. Sie wurde spätestens durch die Betriebsvereinbarungen vom 16. Oktober 2002 abgelöst.
aa) Die Nr. 1 der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 war ihrem Inhalt nach eine Betriebsvereinbarung iSv. § 77 BetrVG. Die Betriebsparteien wollten damit erkennbar nicht nur eine Verpflichtung der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat, sondern mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Ansprüche der Arbeitnehmer begründen. Die nach § 77 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG zu beachtende Schriftform ist gewahrt.
bb) Der Streitfall verlangte keine Entscheidung, ob die Nr. 1 der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstieß. Ihre Wirksamkeit konnte zugunsten des Klägers unterstellt werden. Ebenso konnte letztlich dahinstehen, ob sie nach der Kündigung vom 1. Oktober 2002 gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG Nachwirkung entfaltete oder ob gar, wie der Kläger meint, die Kündigung ohne vorherige Einführung des Prämienlohnsystems ausgeschlossen war. Jedenfalls wurden die Regelungen in der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 durch die Betriebsvereinbarungen vom 16. Oktober 2002 zum 1. Januar 2003 wirksam abgelöst. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Betriebsparteien eine Angelegenheit, die sie durch Betriebsvereinbarung geregelt haben, unter Aufhebung dieser Vereinbarung für die Zukunft neu regeln. Es gilt das Ablösungsprinzip. Die neue Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle der bisherigen. Dies ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn die neue Regelung für die Arbeitnehmer ungünstiger ist. Nur soweit in bereits bestehende Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen wird, sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten (24. August 2004 – 1 AZR 419/03 – BAGE 111, 361, zu B II 4a der Gründe mwN).
(2) Im Streitfall haben die Betriebsparteien mit den Betriebsvereinbarungen vom 16. Oktober 2002 ua. die Nr. 1 der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 abgelöst. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben sie in beiden Betriebsvereinbarungen unmissverständlich geregelt, dass zum 1. Januar 2003 alle Zulagen, die über das Zulagenvolumen des § 4 Nr. 3 LRTV hinausgehen – darunter insbesondere auch die übertarifliche Zulage von 12 % – ersatzlos entfallen und ua. die Rahmenbetriebsvereinbarung vom 15. September 1987 nebst der dazu vereinbarten “Aktennotizen” abgelöst werden. Die Regelungen in der Präambel zur BV 2002-I und in Nr. 2.1, 2.2 sowie in Nr. 3.1 der BV 2002-II sind entgegen der Auffassung des Klägers völlig eindeutig. In bereits bestehende Besitzstände der Arbeitnehmer wurde durch die ablösenden Betriebsvereinbarungen nicht eingegriffen. Das Schicksal der bis dahin geleisteten übertariflichen Zulagen wurde lediglich für die Zukunft geregelt.
b) Der Kläger hat auf die übertarifliche Zulage keinen Anspruch aus betrieblicher Übung.
aa) Eine betriebliche Übung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers voraus, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Maßgeblich ist, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen darf. Von einem entsprechenden Verpflichtungswillen kann der Arbeitnehmer trotz wiederholt gezahlter Leistungen dann nicht ausgehen, wenn der Arbeitgeber die Leistungen erkennbar auf Grund einer anderen, sei es auch nur vermeintlichen, tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht erbracht hat (30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05 – AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen, zu A II 1e (1) der Gründe mwN).
bb) Danach liegen die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung nicht vor. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen haben die übertarifliche Zulage erkennbar stets deshalb gezahlt, weil sie davon ausgingen, hierzu auf Grund Nr. 1 der Aktennotiz vom 24. Juni 1988 verpflichtet zu sein. Der Kläger konnte daher nicht annehmen, ihm solle die übertarifliche Zulage auf Dauer unabhängig vom Schicksal der Aktennotiz gezahlt werden.
c) § 9 Nr. 1.3 MTV rechtfertigt den Anspruch des Klägers ebenfalls nicht. Die darin geregelte tarifliche Alterssicherung schützt nicht vor einer allgemeinen Absenkung des Prämien- oder Zulagenniveaus, die unabhängig von altersbedingten Leistungsminderungen erfolgt. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Regelung.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Der maßgebliche Sinn der Erklärung ist zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzugezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. etwa 8. März 2006 – 10 AZR 129/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Telekom Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen, zu II 2a der Gründe mwN).
bb) Der Wortlaut des § 9 Nr. 1.3 MTV ist nicht eindeutig. Er lässt auch ein Verständnis der tariflichen Regelung zu, nach dem eine Festschreibung der tatsächlich erzielten Vergütung auch in Fällen einer allgemeinen Reduzierung tariflicher oder übertariflicher Vergütungsbestandteile stattfinden soll. Ein solches Verständnis würde aber dem Sinn und Zweck der tariflichen Alterssicherung nicht gerecht. Dieser besteht darin, ältere Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch altersbedingte Leistungsabnahme Verdiensteinbußen erleiden. Dagegen ist er nicht darauf gerichtet, ältere Arbeitnehmer von allgemeinen Lohneinbußen auszunehmen, die nicht vom Alter und der Leistungsfähigkeit abhängen. Eine Besserstellung älterer Arbeitnehmer bei der allgemeinen Absenkung von Prämienobergrenzen und ihre Besserstellung im übertariflichen Bereich würden über das Ziel der Verdienstsicherung hinausgehen, die geschützten Arbeitnehmer so zu stellen, als wären sie nicht leistungsgemindert (vgl. zu § 9 Nr. 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Metallindustrie Hamburg/Schleswig Holstein BAG 11. November 1997 – 3 AZR 675/96 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 5, zu 3a der Gründe; 8. November 2006 – 4 AZR 608/05 –, zu I 2b aa der Gründe mwN).
cc) Hiernach war die an den Kläger bis zum 31. Dezember 2002 gezahlte übertarifliche Zulage durch § 9 Nr. 1.3 MTV nicht gegen eine generelle, alle Arbeitnehmer des Betriebs betreffende Absenkung geschützt. Die durch die Betriebsvereinbarungen vom 16. Oktober 2002 vorgenommene ersatzlose Streichung hatte keinerlei Bezug zu einem etwaigen Leistungsabfall älterer Arbeitnehmer.
II. Der Antrag zu 2) fiel nicht zur Entscheidung an. Er ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) gestellt.
Unterschriften
Schmidt, Kreft, Linsenmaier, Giese, Buschmann
Fundstellen
Haufe-Index 1762298 |
BB 2007, 1284 |
DB 2007, 2604 |