Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohn für pädagogisches Personal. Geltungsbereich. Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall. Mindestlohn. Entgeltfortzahlung
Leitsatz (amtlich)
Findet für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden eine Mindestlohnregelung Anwendung (hier: TV Mindestlohn für pädagogisches Personal), ist diese für die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EFZG maßgeblich, wenn die Mindest-lohnregelung selbst keine abweichenden Bestimmungen enthält.
Orientierungssatz
1. Eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation iSv. § 35 Abs. 1 SGB IX ist nur dann nach § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO, § 1 Nr. 2 Satz 1 TV Mindestlohn vom Anwendungsbereich des TV Mindestlohn ausgenommen, wenn dort überwiegend Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Alleine die Anerkennung der Einrichtung als solche genügt hierfür nicht.
2. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen ergibt sich nicht unmittelbar aus § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 MindestlohnVO. Diese Vorschriften treffen weder dem Grund noch der Höhe nach Regelungen zur Entgeltfortzahlung.
3. Für die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall gilt nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes das Entgeltausfallprinzip. Findet für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden eine Mindestlohnregelung Anwendung (hier: TV Mindestlohn für pädagogisches Personal), ist diese für die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EFZG maßgeblich, wenn die Mindestlohnregelung selbst keine abweichenden Bestimmungen enthält.
4. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz schränkt die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit nicht ein. Ebenso wenig ist durch Bestimmungen der Entsende-RL in solchen Fällen eine einschränkende Auslegung des Entgeltfortzahlungsgesetzes geboten.
Normenkette
Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsende-RL) Art. 3; ArbGG § 98 Abs. 6; AEntG (in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung) § 2 Nr. 1; AEntG (in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung) § 5 S. 1 Nr. 1; AEntG (in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung) § 6 Abs. 9; AEntG (in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung) § 7 Abs. 1; AEntG (in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung) § 8 Abs. 1; EFZG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1, 4, § 12; SGB IX § 35 Abs. 1 S. 1; SGB III § 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch vom 17. Juli 2012 (MindestlohnVO) § 1; Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (TV Mindestlohn) § 1 Nr. 2, § 2 Nr. 1, § 3 Nr. 1, § 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4. Juni 2014 – 16 Sa 20/14 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass ein Zinsanspruch der Klägerin in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 720,70 Euro brutto erst seit dem 6. September 2013 besteht.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen.
Die Klägerin war vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2013 bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 33,5 Stunden beschäftigt. Das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt betrug 1.546,15 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis fanden weder kraft beiderseitiger Tarifbindung noch aufgrund vertraglicher Bezugnahme Tarifverträge Anwendung.
Die Beklagte beschäftigt ca. 50 Mitarbeiter und erbringt in ihrem Betrieb in H im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Nach einem mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossenen „Vertrag über die Durchführung von Maßnahmen nach § 102 Abs. 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in vergleichbaren Einrichtungen nach § 35 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX)” vom 6./8. Juli 2011 erfüllt sie die Kriterien als vergleichbare Einrichtung der beruflichen Rehabilitation iSv. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Jedenfalls bis März 2014 führte sie eine Maßnahme zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB III (bis 31. März 2012: § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB III) in ihren barrierefreien Räumlichkeiten in der M in H unter Einsatz von 2 bis 3 Mitarbeitern durch. Sonstige Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch wurden von den übrigen Mitarbeitern im etwa 500 m entfernten Hauptgebäude der Beklagten erbracht.
Mit der am 1. August 2012 in Kraft getretenen „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch” vom 17. Juli 2012 (Mindest-lohnVO) erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemäß § 7 AEntG in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 für allgemein anwendbar. In der MindestlohnVO heißt es auszugsweise:
„§ 1 |
Zwingende Arbeitsbedingungen |
Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (…) finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch durchführt; ausgenommen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 35 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags gelten auch für Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im Geltungsbereich der Verordnung beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.”
Der TV Mindestlohn enthält ua. folgende Regelungen: 5
Dieser Tarifvertrag gilt …
2. sachlich für Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen von Trägern der beruflichen Bildung, soweit diese Betriebe oder selbständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch des Sozialgesetzbuches erbringen. Ausgenommen sind die Träger der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen;
…
1. Dieser Tarifvertrag regelt ausschließlich die Mindeststundenvergütung und den jährlichen Urlaubsanspruch. Für andere Regelungsgegenstände ist die Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs aus diesem Tarifvertrag ausdrücklich nicht gewollt.
2. Für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer günstigere Regelungen bleiben unberührt.
1. Die Mindeststundenvergütung (brutto) beträgt – abhängig vom Einsatzort – mindestens 12,60 EUR (Berlin, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg, Bayern) 11,25 EUR (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen).
…
Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes Anspruch auf Jahresurlaub; Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch 26 Arbeitstage; der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von sechs Monaten.”
Die Beklagte nahm eine Nachberechnung des Entgelts der Klägerin für die Monate August 2012 bis März 2013 auf Basis der Mindeststundenvergütung von 12,60 Euro brutto vor und erbrachte Nachzahlungen für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und Urlaubsstunden in Höhe von insgesamt 993,25 Euro brutto. Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder von Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit berücksichtigte sie dabei nicht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, gemäß §§ 2, 3 EFZG stehe ihr die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn auch für Arbeitsstunden zu, die wegen Krankheit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallen sind. Der TV Mindestlohn finde auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung, da die Beklagte in ihrem Betrieb in H überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch erbringe. Die Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen für behinderte Menschen sei im Betrieb der Beklagten von weit untergeordneter Bedeutung. Ausgehend von einer Gesamtzahl von 1.174,94 Arbeits- oder Urlaubsstunden oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallener Stunden ergebe sich für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 unter Anrechnung erhaltener Zahlungen ein Differenzanspruch in Höhe von 1.129,94 Euro brutto.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.129,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. September 2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der TV Mindestlohn finde keine Anwendung, da es sich bei dem Betrieb in H um eine Einrichtung iSv. § 35 Abs. 1 SGB IX handele. Im Übrigen sei die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen, nicht aber im Krankheitsfall oder an Feiertagen.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der wegen Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in Höhe von 720,70 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine weitere Entgeltzahlung für die infolge Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in der vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Höhe.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, verlangt sie im Weg der abschließenden Gesamtklage (vgl. zu den Anforderungen BAG 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 11 f.) Differenzvergütungsansprüche für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013. Über den Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der hieraus für diesen Zeitraum resultierenden Vergütungsansprüche hat das Landesarbeitsgericht bereits rechtskräftig entschieden. Die Anzahl der im Streitzeitraum angefallenen vergütungspflichtigen Krankheits- und Feiertagsstunden ist ebenso wie die Höhe und Berechnung des monatlich gezahlten und anrechenbaren Entgelts festgestellt und steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Entscheidung des Senats hängt damit allein von der Frage ab, ob diese wegen Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in Höhe der Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn zu vergüten sind oder ob die Beklagte nur die geringere vertraglich vereinbarte Vergütung zu zahlen hat. Mit der Entscheidung des Senats ist abschließend geklärt, welche Vergütung die Klägerin für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 noch zu beanspruchen hat.
II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gemäß § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG auch für die wegen eines Feiertags und Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Arbeitsstunden Anspruch auf eine Vergütung in Höhe der in § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn bestimmten Mindeststundenvergütung.
1. Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung auszusetzen (vgl. zu den Voraussetzungen: BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14 –; 10. September 2014– 10 AZR 959/13 – Rn. 17 ff.). Vorliegend kommt es zwar entscheidungserheblich auf die Wirksamkeit der nach § 7 AEntG aF ergangenen MindestlohnVO an, da sich ein Anspruch auf die Mindeststundenvergütung nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn mangels Tarifbindung der Parteien und fehlender arbeitsvertraglicher Grundlage nur aus § 1 MindestlohnVO ergeben kann und der Klageantrag unter diesen Voraussetzungen begründet ist (vgl. unten II. 3.). Doch haben weder die Parteien Sachvortrag gehalten, der ernsthafte Zweifel (vgl. zu diesem Maßstab BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14 – Rn. 17 ff. mwN) an der Wirksamkeit der MindestlohnVO wecken könnte, noch sind dem Senat von Amts wegen solche Zweifel bekannt.
2. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin für die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder wegen Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden ergibt sich nicht unmittelbar aus § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 MindestlohnVO, § 8 Abs. 1 AEntG aF.
a) Entgegen der Auffassung der Revision unterfielen die Parteien allerdings dem Geltungsbereich der MindestlohnVO und des TV Mindestlohn.
aa) Gemäß § 1 Nr. 2 TV Mindestlohn gilt dieser Tarifvertrag sachlich für Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen von Trägern beruflicher Bildung, soweit diese Betriebe oder selbständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder dem SGB III erbringen. Ausgenommen sind Träger der beruflichen Rehabilitation. § 1 MindestlohnVO knüpft hieran an und nimmt – orientiert am Wortlaut von § 6 Abs. 9 Satz 2 AEntG aF – Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX von der Anwendungserstreckung aus.
bb) Die Beklagte erbringt als Träger beruflicher Bildung in ihrem Betrieb in H überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und SGB III. Dies ist vom Landesarbeitsgericht festgestellt und steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Betrieb nicht als Einrichtung der beruflichen Rehabilitation iSv. § 35 Abs. 1 SGB IX von der Erstreckung des TV Mindestlohn ausgenommen. Zwar handelt es sich um eine vergleichbare Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX. Die bloße Anerkennung als solche Einrichtung genügt jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob dort überwiegend Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift (vgl. zu den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zB BAG 11. Juni 2013 – 1 ABR 32/12 – Rn. 31, BAGE 145, 211).
(1) Nach dem Wortlaut von § 1 Satz 1 Halbs. 1 MindestlohnVO, § 1 Nr. 2 Satz 1 TV Mindestlohn kommt es für die Eröffnung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags und der Verordnung zunächst darauf an, ob überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Tarifsinn durchgeführt werden. Die Normen knüpfen mit dieser Formulierung an das nach der Rechtsprechung zur Branchenzuordnung von Mischbetrieben maßgebliche Überwiegensprinzip an (vgl. zuletzt zB BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 37). § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO stellt hingegen nach seinem Wortlaut zunächst allein darauf ab, ob es sich um eine Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX handelt. Gleiches gilt für § 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn, wonach „Träger” der beruflichen Rehabilitation vom sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags ausgenommen sind. Dies könnte für die Auffassung der Revision sprechen, dass die Anerkennung als entsprechende Einrichtung alleinige Tatbestandsvoraussetzung für die Ausnahme vom Anwendungsbereich bzw. der Erstreckung ist. Einer solchen Annahme stehen aber der Gesamtzusammenhang der Regelung und ihr Sinn und Zweck entgegen.
(2) § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO steht in unmittelbarem grammatikalischen Zusammenhang zum vorangestellten Halbsatz 1 und kann deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr legt diese enge Verknüpfung das Verständnis nahe, dass der zweite Halbsatz das Überwiegensprinzip voraussetzt. Bestätigt wird dies durch die systematische Anknüpfung des § 1 MindestlohnVO an § 6 AEntG in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung. § 1 MindestlohnVO wiederholt wörtlich die Regelung des § 6 Abs. 9 AEntG aF. § 6 AEntG aF stellt für alle im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung in den Absätzen 2 bis 9 erfassten Branchen auf das Überwiegensprinzip ab. Mit der generellen Anwendung des Überwiegensprinzips auf Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland wird dabei auch unionsrechtlichen Bedenken gegen die frühere Fassung von § 1 Abs. 4 AEntG Rechnung getragen (vgl. EuGH 25. Oktober 2001 – C-49/98 ua. – Rn. 82 f., Slg. 2001, I-7831). Dass vor diesem Hintergrund für die Herausnahme der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation etwas anderes gelten sollte, lässt sich deshalb alleine aus dem Wortlaut nicht herleiten.
(3) Sinn und Zweck des § 1 Satz 1 MindestlohnVO und die Systematik der Verordnung und des TV Mindestlohn gebieten ein am Überwiegensprinzip orientiertes Verständnis. Durch das Überwiegensprinzip soll sichergestellt werden, dass auch branchenfremde Nebentätigkeiten und Mischbetriebe den Mindestlohnregelungen der §§ 3 – 9 AEntG aF unterliegen, wenn die von § 4 AEntG aF erfassten branchenbezogenen Dienstleistungen im jeweiligen Betrieb überwiegen. Die Arbeitnehmer eines Betriebs sollen dann in den Genuss der Mindestlohnregelungen kommen und deren Schutz unterfallen, wenn im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend solche Arbeiten erbracht werden, bei denen das öffentliche Interesse eine Erstreckung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags iSv. § 7 Abs. 1 AEntG aF gebietet. Mit dieser Zielsetzung wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn alleine die Anerkennung eines Betriebs als Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX die Anwendung der Mindestlohnregelungen zu sperren vermag, obwohl arbeitszeitlich überwiegend durch die Arbeitnehmer allgemeine Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III erbracht werden. Eine am Zweck der Regelung orientierte Begründung für eine
Ausnahme von diesem Prinzip ist weder dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz noch der MindestlohnVO zu entnehmen. Auch die Beklagte hat nicht begründen können, warum die Beschäftigten nicht dem Schutz der Verordnung unterfallen sollen, wenn im Betrieb nur in untergeordnetem Umfang Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durchgeführt werden.
(4) Damit fallen Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III erbracht werden, zunächst nach § 1 Satz 1 Halbs. 1 Mindest-lohnVO grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verordnung. Werden hingegen arbeitszeitlich überwiegend andere Tätigkeiten erbracht, ist deren Geltungsbereich bereits unabhängig von der Ausnahmeregelung nach Halbsatz 2 nicht eröffnet. Erbringen der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III und ist die Einrichtung als eine der beruflichen Rehabilitation iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anerkannt, bedarf es der weiteren Prüfung, ob überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die der beruflichen Rehabilitation iSd. SGB IX zuzuordnen sind, durchgeführt werden. Ist dies der Fall, scheidet eine Anwendung des TV Mindestlohn aus. Andernfalls findet dieser auf alle Arbeitnehmer des Betriebs oder der selbständigen Betriebsabteilung Anwendung.
(5) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Verordnung nach § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO nicht vor. Im Betrieb in H wurden im Streitzeitraum nur in geringem, deutlich unterhälftigem Umfang Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung durchgeführt.
b) Aus § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 MindestlohnVO ergibt sich kein unmittelbarer tariflicher Mindestlohnanspruch für Arbeitszeit, die wegen eines Feiertags oder aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Die Ansprüche der Klägerin auf Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs im Streitzeitraum hat die Beklagte nach Maßgabe des TV Mindestlohn erfüllt.
aa) § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn legt eine „Mindeststundenvergütung” fest, § 4 die Höhe des Jahresurlaubsanspruchs „unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts”. Ausdrückliche Regelungen zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen oder bei Arbeitsunfähigkeit enthält der TV Mindestlohn nicht. Zwar ließe sich unter den Begriff der „Mindeststundenvergütung” auch die Vergütung solcher Stunden fassen, für die dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch besteht, unabhängig davon, ob die Vergütung eine Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ist oder ausnahmsweise aufgrund anderer Rechtsgrundlagen auch für Zeiten ohne Arbeitsleistung zu erbringen ist. Gegen eine solche Auslegung des TV Mindestlohn spricht jedoch der Umstand, dass nach § 2 Nr. 1 Satz 1 TV Mindestlohn tariflich „ausschließlich” die Mindeststundenvergütung und der jährliche Urlaubsanspruch geregelt werden sollen und für andere Regelungsgegenstände nach § 2 Nr. 1 Satz 2 TV Mindestlohn die „Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs” von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich nicht gewollt ist. Dies schließt die Annahme eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für Feiertage oder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit auf der Grundlage von § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn mangels Regelung der Anspruchsvoraussetzungen aus. Der TV Mindestlohn nimmt auch nicht im Sinne einer Rechtsgrundverweisung auf die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes Bezug.
bb) Dieses Verständnis wird bestätigt durch eine Betrachtung im Kontext der Normen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Die Vereinbarung des TV Mindestlohn erfolgte durch die Tarifvertragsparteien ersichtlich mit dem Ziel, diesen Tarifvertrag nach § 7 Abs. 1 AEntG aF durch Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland erstrecken zu lassen. Eine solche Erstreckung ist auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien erfolgt. Gegenstand einer erstreckungsfähigen tariflichen Regelung können nach § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG ua. Mindestentgeltsätze und nach § 5 Satz 1 Nr. 2 AEntG die Dauer des Erholungsurlaubs und das Urlaubsentgelt sein. Der Begriff der „Mindestentgeltsätze” iSd. § 5 Satz 1 Nr. 1 und auch des § 2 Nr. 1 AEntG ist dabei einheitlich auszulegen, und zwar unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher Sachverhalt oder ein Sachverhalt mit Auslandsbezug zu entscheiden ist (BAG 18. April 2012 – 4 AZR 168/10 (A) – Rn. 16, BAGE 141, 173). International zwingend sind im Rahmen von Bestimmungen über Branchenmindestlöhne aber zunächst nur Regelungen über die Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden (vgl. zu Art. 34 EGBGB BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 617/01 – zu VIII der Gründe, BAGE 113, 149). Nicht zu den international zwingenden Rechtsnormen iSv. Art. 34 EGBGB gehören demgegenüber § 2 EFZG und § 615 BGB (BAG 18. April 2012– 10 AZR 200/11 – Rn. 13, BAGE 141, 129; 12. Januar 2005 – 5 AZR 279/01 … zu IX 1 der Gründe). § 3 EFZG ist nur dann eine Eingriffsnorm, wenn der Arbeitnehmer deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt (BAG 18. April 2012 – 10 AZR 200/11 – Rn. 18, aaO). Vor diesem Hintergrund hätte es deutlicher Anhaltspunkte im Tarifvertrag bedurft, um anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien weiter gehende Regelungen schaffen wollten, obwohl diese nur teilweise auf tarifliche Außenseiter und Arbeitgeber mit Sitz im Ausland hätten erstreckt werden können. Derartige Hinweise sind dem TV Mindestlohn jedoch nicht zu entnehmen.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit in Höhe der Mindeststundenvergütung des § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn ergibt sich aus § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG und dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Entgeltausfallprinzip.
a) Die Klägerin hat dem Grunde nach gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 148,25 Arbeitsstunden, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit im Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 ausgefallen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat sie im selben Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 42 Arbeitsstunden, die feiertagsbedingt ausgefallen sind. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
b) Die Höhe der Entgeltfortzahlungsansprüche ergibt sich für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aus § 4 Abs. 1 EFZG und für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG. Das hiernach grundsätzlich maßgebliche Entgeltausfallprinzip verlangt, den Mindestlohn nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen (im Ergebnis ebenso zur PflegeArbbV vom 15. Juli 2010 BAG 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12 – Rn. 15; vgl. auch zum MiLoG zuletzt zB Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950 f.). Weder legt der TV Mindestlohn eine abweichende Bemessungsgrundlage iSv. § 4 Abs. 4 EFZG fest noch ist der Anwendungsbereich des Entgeltfortzahlungsgesetzes durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder unionsrechtliche Vorschriften eingeschränkt.
aa) Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (vgl. dazu zuletzt zB BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 139/12 –). Hiervon darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden.
bb) Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt nach § 4 Abs. 1 EFZG ein modifiziertes Entgeltausfallprinzip (BAG 16. Juli 2014 – 10 AZR 242/13 – Rn. 16). Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich diejenige Vergütung erhalten, die er nach der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit erzielt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig krank geworden wäre, sondern gearbeitet hätte. § 4 Abs. 1a EFZG schränkt dies – hier nicht relevant – hinsichtlich des Entgelts für Überstunden und für Aufwendungsersatzleistungen ein. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG erlaubt, durch Tarifvertrag eine von § 4 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festzulegen. Im Übrigen sind auch die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zwingend (§ 12 EFZG).
cc) Der TV Mindestlohn regelt keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Bemessungsgrundlage für die Höhe des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts iSv. § 4 Abs. 4 EFZG. Vielmehr enthält der Tarifvertrag – wie oben dargelegt – weder dem Grunde noch der Höhe nach Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Aus der bloßen Nichtregelung kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine abweichende Bemessungsgrundlage iSv. § 4 Abs. 4 EFZG schaffen wollten. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob eine Tarifregelung wirksam ist, die ausdrücklich bestimmt, dass der Tariflohn nicht für Ausfallzeiten nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 EFZG zu leisten ist.
dd) Ebenso wenig modifiziert das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für seinen Anwendungsbereich die national und teilweise auch international zwingenden (vgl. dazu BAG 18. April 2012 – 10 AZR 200/11 – BAGE 141, 129) Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Ausdrückliche Regelungen fehlen und ein solcher Regelungswille lässt sich auch weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Anhaltspunkte dafür benennt auch die Revision nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt sich der Senat damit nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des Fünften Senats vom 12. Januar 2005 (– 5 AZR 279/01 – zu IX der Gründe und – 5 AZR 617/01 – zu VIII und IX der Gründe, BAGE 113, 149). Beide haben sich – soweit hier von Interesse – ausschließlich mit der Frage befasst, welche Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von der Bürgenhaftung nach § 1a AEntG aF (jetzt § 14 AEntG) erfasst werden. Für Ansprüche aus Annahmeverzug nach § 615 BGB und für Verzugszinsen wegen verspäteter Lohnzahlung durch den Arbeitgeber wurde eine solche Haftung verneint. Die Frage, in welcher Höhe der Arbeitgeber selbst Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG zu leisten hat, behandeln diese Entscheidungen nicht.
ee) Eine andere Sichtweise ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Die Bestimmungen der „Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen” (Entsende-RL) dienen der Koordination der Gesetze der Mitgliedstaaten, um einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz festzulegen, das im Aufnahmemitgliedstaat von Arbeitgebern zu gewährleisten ist, die Arbeitnehmer dorthin entsenden. Die Richtlinie hat jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht den materiell-rechtlichen Inhalt dieser zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz harmonisiert. Ihr Inhalt kann daher von den Mitgliedstaaten unter Beachtung der Verträge und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts frei bestimmt werden (EuGH 7. November 2013 – C-522/12 – [Isbir] Rn. 33 mwN). Damit scheidet die Annahme aus, dass durch die Entsende-RL außerhalb des Gegenstands der Richtlinie bestehende nationale Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen harmonisiert oder begrenzt werden sollten. Selbst wenn daher nach zwingendem nationalem Recht in Teilbereichen der Entgeltfortzahlung eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitgebern mit Sitz im Inland gegenüber Arbeitgebern mit Sitz im Ausland bestehen sollte und dies – was im Hinblick auf die verschiedenen Entgeltfortzahlungssysteme in anderen Mitgliedsländern keineswegs zwingend ist – zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte, hätte dies nicht die Unanwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes zur Folge.
c) Hätte die Klägerin in den noch streitgegenständlichen 148,25 Krankheits- und 42 Feiertagsstunden gearbeitet, wäre ihr nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn ein Stundensatz von 12,60 Euro brutto gezahlt worden. Dieser ist der Höhe nach dem Entgeltfortzahlungsanspruch zugrunde zu legen. Ein Rückgriff auf die niedrigere vertragliche Vergütung scheidet nach § 12 EFZG aus. Danach ergibt sich für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 ein weiterer Vergütungsanspruch der Klägerin in unstreitiger Höhe von 720,70 Euro brutto.
4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Erbesteht – anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen – allerdings erst ab dem Tag nach Zustellung der Klage (BAG 15. November 2000 – 5 AZR 365/99 – zu III der Gründe, BAGE 96, 228) und damit ab dem 6. September 2013.
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu 37 tragen.
Unterschriften
Linck, Brune, W. Reinfelder, D. Schumann, W. Guthier
Fundstellen
Haufe-Index 8152231 |
BB 2015, 1844 |
DB 2015, 7 |
FA 2015, 283 |
JR 2017, 661 |
NZA 2015, 1127 |
ZAP 2015, 811 |
ZTR 2015, 526 |
AP 2015 |
EzA-SD 2015, 8 |
EzA 2015 |
NZA-RR 2015, 6 |
AUR 2015, 374 |
Weiterbildung 2016, 51 |