Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristetes Arbeitsverhältnis. Vertretung wg. Erziehungsurlaubs
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 19.12.1988; Aktenzeichen 12 Sa 1293/88) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 06.06.1988; Aktenzeichen 3 Ca 46/88) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Dezember 1988 – 12 Sa 1298/88 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 6. Juni 1988 – 3 Ca 46/88 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß zugleich die Widerklage abgewiesen wird.
Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen vereinbarte befristete Arbeitsverhältnis über den 31. Januar 1988 hinaus unbefristet fortbesteht.
Die Beklagte beschäftigte die im Jahre 1961 geborene Klägerin aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge seit dem 15. Oktober 1985 im Arbeitsamt O. als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld.
Die Parteien vereinbarten am 15. Oktober 1985 ein auf 18 Monate befristetes Arbeitsverhältnis nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz, und zwar für die Zeit vom 15. Oktober 1985 bis zum 14. April 1987. Die Klägerin wurde in die VergGr. VII MTA eingruppiert. Ab dem 16. Februar 1987 wurde sie vorübergehend höherwertig als Bearbeiterin in der Kindergeld-Leistungsstelle eingesetzt. Ihre Vergütung wurde mittels einer persönlichen Zulage entsprechend aufgestockt.
Am 24. März 1987 schlossen die Parteien schriftlich einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag. Danach wurde die Klägerin ab dem 15. April 1987 als vollbeschäftigte Angestellte „auf bestimmte Zeit nach der Anlage 2 a (SR 2 a) zum MTA”, und zwar „als Aushilfsangestellte zur Vertretung für die Zeit der Mutterschutzfrist bzw. des Erziehungsurlaubes der Angestellten K.” beim Arbeitsamt O. eingestellt. Als „Nebenabrede” wurde vereinbart, daß für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses § 21 Abs. 1 bis 5 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) gelten sollte.
Frau K. war Bearbeiterin beim Arbeitsamt O. Sie befand sich bei Abschluß des Vertrages vom 24. März 1987 in der ersten Schutzfrist gem. § 3 Abs. 2 MuSchG. Geburtstermin sowie Ende der zweiten Schutzfrist gem. § 6 Abs. 1 MuSchG standen noch nicht fest. Frau K. hatte erklärt. Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen zu wollen. Beginn und Dauer des Erziehungsurlaubes waren zu diesem Zeitpunkt noch ungewiß.
Die Klägerin vertrat die Angestellte K. nicht unmittelbar. Die Beklagte verlängerte vielmehr für die Dauer der Abwesenheit der Frau K. den höherwertiger Beschäftigungsauftrag der Klägerin als Bearbeiterin in der Kindergeld-Leistungsstelle. Die Vergütung blieb unverändert. Sie betrug zuletzt monatlich 2.600,– DM brutto.
Am 23. April 1987 teilte Frau K. der Beklagten den Geburtstermin sowie die gewünschte Dauer des Erziehungsurlaubes mit.
Mit Schreiben vom 24. April 1987 teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit:
„Seit dem 15.04.1987 werden Sie für die Dauer der Mutterschutzfrist bzw. des Erziehungsurlaubs der Angestellten C. K. als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld weiterbeschäftigt.
Nach den derzeit vorliegenden Informationen wird Ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.1988 enden, da bis zu diesen Zeitpunkt Erziehungsurlaub bewilligt wurde.”
Am 26. November 1987 kündigte Frau K. ihr Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin hat am 26. Januar 1988 die vorliegende Klage eingereicht. Sie hat vorgetragen, die zweite Befristungsabrede vom 24. März 1987 verstoße gegen § 21 Abs. 3 BErzGG. Denn die Dauer der Befristung sei entgegen dieser Vorschrift nicht „kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar” vereinbart worden. Im Arbeitsvertrag sei das Befristungsende vielmehr von zukünftigen Ungewissen Ereignissen abhängig gemacht worden. Mit dem späteren Schreiben vom 24. April 1987 sei eine vertragliche Bestimmung des Befristungsendes nicht nachgeholt worden.
Im übrigen seien beide Befristungen sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Sie, die Klägerin, sei nicht zur Vertretung der Angestellten K. beschäftigt worden. Sie habe Frau K. auch gar nicht vertreten können, da letztere als „Bearbeiterin” eine höhere Qualifikation besessen habe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Januar 1988 hinaus unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, „bestimmbar” i. S. von § 21 Abs. 3 BErzGG heiße nicht „datenmäßig bestimmbar”, sondern lediglich „ereignismäßig bestimmbar”. Bei einer Befristung nach dem BErzGG vor der Geburt des Kindes müsse es ausreichen, daß das Befristungsende ermittelbar sei. Im vorliegenden Falle sei zu erwarten gewesen, daß Frau K. nach Ablauf der zweiten Schutzfrist Erziehungsurlaub im gesetzlichen Umfange von damals zehn Monaten in Anspruch nehmen werde. Für beide Vertragsparteien sei klar gewesen, daß das Arbeitsverhältnis für die Dauer der zweiten Schutzfrist und – falls Frau K. Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen werde – zusätzlich für die Dauer des Erziehungsurlaubs begründet werden sollte. Damit sei das Ende der Befristung hinreichend bestimmbar gewesen.
Darüber hinaus müsse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich so früh wie möglich mitteilen, wann das Ereignis eintreten werde, das das Ende der Befristung auslösen solle. Im Streitfalle habe die Klägerin die Information bereits mit dem Schreiben vom 24. April 1987 erhalten.
Die allein zu überprüfende zweite Befristung sei außerdem gem. § 21 Abs. 1 BErzGG aus Gründen der mittelbaren Vertretung sachlich gerechtfertigt gewesen. Die Angestellte K. sei unmittelbar vertreten worden durch den Mitarbeiter B., der zuvor als Hilfsbearbeiter für Kindergeld tätig gewesen sei. Zur unmittelbaren Vertretung des Herrn B. sei die Klägerin befristet eingestellt worden.
Die Klägerin hat bestritten, den Hilfsbearbeiter B. vertreten zu haben. Vielmehr sei sie seit dem 15. Februar 1987 als Bearbeiterin eingesetzt gewesen. Im übrigen sei der von ihr seit dem 15. Oktober 1985 eingenommene Arbeitsplatz der eines Mitarbeiters namens G. gewesen.
Die Beklagte hat hierauf erwidert: Da die Klägerin seit dem 16. Februar 1987 vorübergehend höherwertig als Bearbeiterin in der Kindergeld-Leistungsstelle III 321 mit der Vertretung der Angestellten W. beauftragt gewesen sei, habe man sie dort belassen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie in erster Linie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt hat. Außerdem hat sie hilfsweise widerklagend beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. März 1988 beendet worden ist.
Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und ihre Widerklage abzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils sowie zur Abweisung der Widerklage der Beklagten.
Die im letzten Arbeitsvertrag der Parteien vom 24. März 1987 vereinbarte Befristung ist unwirksam. Sie läßt sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht auf § 21 Abs. 1 BErzGG stützen.
Nach § 21 Abs. 1 BErzGG liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigt, vor, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zur Vertretung eines Arbeitnehmers für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz oder für die Dauer eines zu Recht verlangten Erziehungsurlaubs oder für beide Zeiten zusammen oder für eile davon einstellt. Nach § 21 Abs. 3 BErzGG muß die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Während das Arbeitsgericht die hier zwischen den Parteien im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung bis zum Ende der Mutterschutzfrist bzw. des Erziehungsurlaubs der Angestellten K. an der fehlenden kalendermäßigen Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Befristungsdauer hat scheitern lassen, hat das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf Winterfeld (Mutterschutz- und Erziehungsurlaub. 1986, S. 79) einen Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 21 Abs. 3 BErzGG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses könne sowohl ereignismäßig als auch datumsmäßig fixiert werden. Wenn § 21 Abs. 3 BErzGG verlange, daß die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein müsse, so spreche dies zwar zunächst für die Auslegung des Arbeitsgerichts, wonach die Ereignisbefristung „Zeit der Mutterschutzfrist bzw. des Erziehungsurlaubs” ein Ungewisses Ende des Vertretungsfalles vorsehe und damit die kalendermäßige Bestimmtheit fehle. Im Hinblick auf den Zweck des § 21 BErzGG – nämlich die Erleichterung der Einstellung von Ersatzkräften – sowie die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Befristung bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist und gegebenenfalls des sich anschließenden Erziehungsurlaubs der Arbeitnehmerin zulässig sei, müsse jedoch angenommen werden, daß trotz des Wortlauts des § 21 Abs. 3 BErzGG gegen die Zulässigkeit von Zweckbefristungen im Rahmen des Bundeserziehungsgeldgesetzes keine Bedenken bestünden.
Der Senat braucht die Frage, ob die Befristungsvereinbarung der Parteien dem Bestimmtheitserfordernis des § 21 Abs. 3 BErzGG widerspricht und deswegen unwirksam ist, nicht zu entscheiden. Die Unwirksamkeit der Befristung ergibt sich bereits daraus, daß das Vorliegen eines Vertretungsfalles im Sinne des § 21 Abs. 1 BErzGG und damit eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes nicht dargetan ist. Das Landesarbeitsgericht ist zwar davon ausgegangen, daß die Klägerin zur – mittelbaren – Vertretung der im Mutterschafts- und anschließend in Erziehungsurlaub befindlichen Angestellten K. eingestellt worden sei. Es hat hierzu jedoch keine entsprechenden Tatsachen festgestellt. Der unstreitige Sachverhalt in Verbindung mit dem Vorbringen der Beklagten rechtfertigt die Annahme eines solchen Vertretungsfalles nicht.
Wie der Senat bereits in dem Urteil von 8. Mai 1985 (BAGE 49, 73, 77 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 b der Gründe) entschieden hat, ist für die Anerkennung eines Vertretungsfalles als Befristungsgrund erforderlich, daß durch den zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters ein als vorübergehend anzusehender Bedarf an der Beschäftigung eines Arbeitnehmers entsteht und daß dieser Arbeitnehmer gerade wegen dieses Bedarfs eingestellt wird. Unerheblich ist, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Arbeitnehmer anläßlich dieser Einstellung eine Umverteilung der Aufgaben vornimmt. Zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers und der befristeten Einstellung des Aushilfsarbeitnehmers muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Vertretungskraft muß zwar nicht dieselben Aufgaben verrichten, wie sie der ausgefallene Arbeitnehmer verrichtet hatte. Es ist auch nicht erforderlich, der Vertretungskraft Aufgaben zu übertragen, die auch vom. Vertretenen vertraglich geschuldet waren. Der zeitweilige Ausfall eines Mitarbeiters und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können eine Umorganisation dergestalt erfordern, daß ein völlig neuer Arbeitsplan erstellt wird, in dem die Aufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters einem anderen Mitarbeiter übertragen werden, dessen bisherige Aufgaben nunmehr von einer Vertretungskraft wahrgenommen werden müssen. Stets aber muß zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und dem dadurch hervorgerufenen Vertretungsbedarf einerseits und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft andererseits ein Kausalzusammenhang bestehen. Daran fehlt es vorliegend.
Unstreitig hat die Klägerin nicht die Aufgaben der als Bearbeiterin eingesetzten Angestellten K. übernommen, sondern weiterhin die Aufgaben einer Bearbeiterin in der Kindergeld-Leistungsstelle III 321 verrichtet, die ihr bereits ab dem 16. Februar 1987, also schon vor dem Abschluß des letzten Arbeitsvertrages der Parteien, übertragen worden waren. Nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 18. März 1988 wurde die Angestellte K. unmittelbar vertreten durch den vorübergehend als Bearbeiter beauftragten Angestellten Jürgen B., der als Hilfsbearbeiter für Kindergeld eingesetzt ist. Zur unmittelbaren Vertretung des Hilfsbearbeiters B. sei dann – wie die Beklagte in dem genannten Schriftsatz weiter vorgetragen hat – die befristete Einstellung der Klägerin vorgenommen worden. Nachdem die Klägerin dies aber mit Schriftsatz vom 25. April 1988 bestritten und darauf hingewiesen hatte, daß sie nach wie vor die Aufgaben einer Bearbeiterin in der Kindergeld-Leistungsstelle verrichtet habe, hat die Beklagte nunmehr in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 1988 vorgetragen, die Klägerin sei in der Kindergeld-Leistungsstelle III 321 mit der Vertretung der Angestellten W. beauftragt worden.
Aus diesem Vorbringen der Beklagten ist nicht ersichtlich, inwiefern zwischen dem durch den zeitweiligen Ausfall der Angestellten K. entstandenen Vertretungsbedarf und der befristeten Einstellung der Klägerin ein ursächlicher Zusammenhang bestehen soll, daß also die Einstellung der Klägerin wenigstens mittelbar zur Deckung des durch den Ausfall der Angestellten K. hervorgerufenen Vertretungsbedarfs erfolgte.
Damit sind die Voraussetzungen der Vorschrift des § 21 Abs. 1 BErzGG, auf die sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung ihres Arbeitsvertrages mit der Klägerin beruft, nicht erfüllt. Die Befristungsvereinbarung ist daher unwirksam, so daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Klage ist mithin begründet, die Widerklage dagegen unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Kleeschulte, Neumann
Fundstellen