Normenkette
BGB §§ 612, 419, 198, 201-202; ZPO § 561
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 05.10.1978; Aktenzeichen 3 Sa 433/78) |
Tenor
- Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Oktober 1978 – 3 Sa 433/78 – wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
In der Revisionsinstanz streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin von dem Beklagten Zahlung von 40.222,19 DM aus fehlgeschlagener Vergütungserwartung verlangen kann.
Die Klägerin ist eine Tochter aus erster Ehe, der Beklagte ist ein Sohn aus zweiter Ehe des am 11. Mai 1975 verstorbenen Herrn R…. Dieser war Inhaber einer Getränke-Großhandels- und Speditionsfirma. In dieser Firma arbeitete die Klägerin nach ihrer Schulentlassung von ihrem 14. bis zu ihrem 24. Lebensjahr in den Jahren von 1951 bis 1961 als Geschäftsgehilfin. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr erledigte sie alle anfallenden, nicht näher bezeichneten Arbeiten; danach war sie nach Erwerb der Fahrerlaubnis vornehmlich als Auslieferungsfahrerin tätig. Sie erhielt von ihrem Vater für ihre Arbeit keinen Lohn, sondern nur verschiedentlich ein Taschengeld.
Durch notariellen Vertrag vom 4. April 1972 übertrug der Vater der Parteien dem Beklagten die Firma, das Firmengrundstück und weitere, ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau gehörende Grundstücke mit einem Gesamtwert von 312.953,– DM. Der Beklagte, der die Firma fortführte, verpflichtete sich, seinen Eltern bis zum Tode des Längstlebenden eine monatliche Rente von 1.000,– DM zu zahlen und räumte ihnen ein lebenslanges Wohnrecht an einer im Firmengelände liegenden Wohnung ein.
Beim Tode des Vaters fanden sich in seinem Nachlaß nur zwei Siegelringe und eine Krawattennadel im Werte von zusammen etwa 300,– DM sowie ein nicht bebaubares Wiesengrundstück von geringem Wert.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Vater habe ihr versprochen, sie werde für ihre Arbeit durch einen gerechten Ausgleich im Erbfalle entlohnt werden. Diese Zusage habe er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluß des notariellen Vertrages vom 4. April 1972 erneuert. Mit der am 8. November 1977 eingegangenen Klage hat die Klägerin den Beklagten aus Vermögensübernahme auf Zahlung des durch ihre Arbeit verdienten Lohns in Anspruch genommen. Sie hat dazu noch vorgetragen, ihr Vater habe zuletzt erklärt, der Betrag ihrer aufgelaufenen Lohnansprüche solle als Darlehen im Geschäft verbleiben.
Die Klägerin hat für die Jahre 1951 bis 1953 monatlich 200,– DM und für die restliche Beschäftigungszeit monatlich 450,– DM als angemessenen Lohn verlangt. Von dem Gesamtbetrag hat sie 3.977,81 DM abgesetzt; diesen Betrag hat sie aus dem von ihrem Vater abgetretenen Anspruch auf Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz empfangen.
Die Klägerin hat, soweit es für die Revisionsinstanz noch interessiert, beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 40.222,19 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Dezember 1977 zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die von der Klägerin behaupteten Absprachen mit ihrem Vater bestritten. In den Bilanzen der Firma sei kein Darlehen zugunsten der Klägerin ausgewiesen. Ferner hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Der Klägerin standen gegen ihren Vater Lohnansprüche gemäß § 612 BGB zu.
1. a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin im Betrieb ihres Vaters zehn Jahre lang Dienstleistungen auf arbeitsrechtlicher und nicht bloß familienrechtlicher Grundlage (§ 1619 BGB) erbracht hat. Das Entgelt für die Arbeit habe der Klägerin nach dem Versprechen ihres Vaters durch einen gerechten Ausgleich bei der Erbeinsetzung zufließen sollen.
Gegen die vorgenannten Feststellungen hat die Revision keine Verfahrensrügen erhoben. Sie sind daher für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 1 ZPO).
b) Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse hat das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch der Klägerin auf angemessene Vergütung bejaht. Die zwischen der Klägerin und ihrem Vater getroffene Absprache war zwar gemäß § 2302 BGB nichtig. Dennoch gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung als vereinbart, wenn die Dienstleistung nur gegen Entgelt zu erwarten ist; hiervon ist nicht nur dann auszugehen, wenn es an einer Entgeltvereinbarung von vornherein fehlt, sondern ebenso, wenn eine nach § 2302 BGB ungültige Absprache getroffen worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BAG AP Nr. 27 zu § 612 BGB mit weiteren Nachweisen).
2. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach näherer Maßgabe des § 612 Abs. 2 BGB. Das Landesarbeitsgericht hat im einzelnen dargelegt, daß die Forderung der Klägerin dem Rahmen des § 612 Abs. 2 BGB entspricht. Rechtliche Bedenken hiergegen sind nicht erkennbar. Auch die Revision hat insoweit nichts beanstandet.
II. Die Verbindlichkeit des Vaters der Klägerin ist durch die Vermögensübernahme mit notariellem Vertrag vom 4. April 1972 auf den Beklagten übergegangen.
1. Die gesetzliche Schuldmitübernahme nach § 419 BGB setzt voraus, daß rechtsgeschäftlich das Aktivvermögen, das bei dem Veräußerer Haftungsmasse für die Verbindlichkeiten war, auf den Übernehmer übertragen wird. Nach dem Zweck der Regelung genügt es dabei, wenn nahezu das gesamte Vermögen übergeht; wenn einzelne, im Verhältnis zum Ganzen unbedeutende Vermögensgegenstände beim Veräußerer verbleiben, so hindert dies nicht die Anwendung der genannten Vorschrift (BGH AP Nr. 3 zu § 419 BGB [zu II 1 der Gründe]; BAG AP Nr. 6 zu § 613a BGB [zu 4 der Gründe], auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, nach dem notariellen Vertrag habe der Beklagte von seinem Vater den im einzelnen aufgeführten Grundbesitz sowie das Geschäft mit allen Aktiven und Passiven und damit das Vermögen seines Vaters im Sinne von § 419 BGB übernommen. Die noch im Eigentum des Vaters verbliebenen Werte seien unbedeutend gewesen. Im Nachlaß sei neben Bargeld in Höhe von 780,– DM nur zwei Siegelringe und eine Krawattennadel im geschätzten Wert von 300,– DM, persönliche Kleidung und eine gebrauchte Wohnungseinrichtung vorgefunden worden; außerdem sei noch eine Wiese von geringem Wert vorhanden gewesen.
Da das Landesarbeitsgericht sich auf das erstinstanzliche Urteil bezieht und ihm zur Anwendung des § 419 BGB in vollem Umfange folgt, ist es ersichtlich auch von dem im erstinstanzlichen Urteil angegebenen Wert des übertragenen Vermögens von 312.000,– DM ausgegangen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat danach zu Recht angenommen, daß der Beklagte das wesentliche Vermögen des Vaters der Parteien vertraglich übernommen hat. Die Revision macht demgegenüber nur geltend, der Wert des im Nachlaß noch verbliebenen Grundbesitzes sei ungeklärt geblieben. Das trifft jedoch nicht zu. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß die Wiese nur einen unbedeutenden Wert hat. Angriffe gegen diese Feststellung sind nicht erhoben. Soweit der Beklagte in der Revisionsinstanz sich auf Einheitswertbescheide über das Grund- und Betriebsvermögen berufen hat, handelt es sich um neues Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht beachtet werden darf (§ 561 Abs. 1 ZPO).
2. Der Beklagte wehrt sich gegen seine Haftung aus § 419 BGB weiter mit dem Einwand, er habe nicht gewußt, daß er das Vermögen des Erblassers im wesentlichen übernehme. Fehle es hieran, so scheide seine Haftung aus. Die Klägerin habe eine entsprechende Kenntnis nicht behauptet.
Auch mit diesem Vorbringen kann die Revision das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen. Das Landesarbeitsgericht hat zur Kenntnis des Beklagten zwar keine ausdrückliche Feststellung getroffen. Im erstinstanzlichen Urteil ist im Tatbestand jedoch ausgeführt, die Klägerin habe vom Beklagten unbestritten vorgetragen, daß ihm die Vermögensverhältnisse bei der Übernahme bekannt gewesen seien. Dem ist der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten, so daß das Berufungsgericht insoweit von einem unstreitigen Sachverhalt ausgehen durfte.
III. Der Klageanspruch ist nicht verjährt.
1. Gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjähren Lohnansprüche in zwei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 201 BGB am Schluß des Jahres, in dem die Forderung fällig wird. § 202 Abs. 1 BGB schreibt vor, daß die Verjährung gehemmt ist, solange die Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus anderen Gründen vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Forderung der Klägerin sei nicht verjährt, da die Verjährungsfrist erst mit dem Beginn des auf den Tod des Erblassers folgenden Jahres zu laufen begonnen habe (vgl. BAG AP Nr. 20 zu § 612 BGB [zu 2c der Gründe]).
2. Die Auffassung der Revision, der Lauf der Verjährungsfrist habe schon im Anschluß an den Vermögensübernahmevertrag vom 4. April 1972 begonnen, ist unzutreffend.
a) Richtig ist, daß Lohnansprüche wegen fehlgeschlagener Vergütungserwartung dann geltend gemacht werden können und müssen, wenn feststeht, daß es zu der ursprünglich in Aussicht genommenen Vergütung nicht mehr kommen wird, die ursprüngliche Erwartung einer Vergütung also fehlgeschlagen ist. Dann beginnt auch der Lauf der Verjährungsfrist, weil die vereinbarte Stundung weggefallen ist. Dies muß jedoch, wie der Senat in seinem Urteil vom 28. September 1977 – 5 AZR 303/76 – (AP Nr. 29 zu § 612 BGB) zum Ausdruck gebracht hat, für den Anspruchsberechtigten unmißverständlich feststehen. Das ist ein Gebot der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
b) Entgegen der Auffassung der Revision mußte die Klägerin aufgrund der Vermögensübertragung im Jahre 1972 nicht davon ausgehen, daß sie beim Ableben ihres Vaters keinen Ausgleich für ihre Arbeit mehr erhalten werde. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Erblasser habe noch kurz vor Abschluß des Vertrages vom 4. April 1972 die Klägerin auf ihre vorgesehene Befriedigung im Wege der Erbschaftsregelung verwiesen. Darauf konnte und mußte die Klägerin vertrauen (vgl. dazu auch BAG AP Nr. 28 zu § 612 BGB). Daß die Vertröstung jeglicher Grundlage entbehrte und dies der Klägerin klar gewesen ist, ist nicht festgestellt.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Heither, Griebeling, Dr. Koffka, Werner
Fundstellen