Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (redaktionell)
Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in § 3b Abs. 1 EStG, §§ 14, 17 Abs. 1 SGB 4, § 1 Arbeitsentgeltverordnung vom 6. Juli 1977, ArEV (BGBl I S. 1208; gültig bis 31.12.2006) setzen voraus, dass die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit zum steuer- und beitragspflichtigen Entgelt rechnen. Für die Bemessung des fortzahlungspflichtigen Entgelts kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Höhe das Arbeitsentgelt oder Teile davon steuerfrei und in der Sozialversicherung beitragsfrei sind.
Orientierungssatz
Die gesetzliche Entgeltfortzahlung wegen Krankheit an Sonn- und Feiertagen schließt die entsprechenden Zuschläge mit ein.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1, 1a, § 4a; ArbZG § 11 Abs. 3; EStG § 3b Abs. 1; SGB IV §§ 14, 17 Abs. 1; Arbeitsentgeltverordnung vom 6. Juli 1977 gültig bis 31. Dezember 2006 § 1 (BGBl. I S. 1208)
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 2007 – 6 Sa 175/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Sonn- und Feiertagszuschläge umfasst.
Die Klägerin ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 26. Oktober 2001 seit November 2001 in der von der Beklagten betriebenen Seniorenresidenz als Saalservicekraft beschäftigt.
Nr. 5 des Arbeitsvertrags lautet:
“Lohn/Gehalt
Der Arbeitnehmer erhält ein Monatsgehalt von DM 2.570,00 brutto nachträglich zahlbar jeweils am Ende eines Monats.
Die Zahlung von Gratifikationen, Prämien oder ähnlichen Zuwendungen liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn sie ohne ausdrücklichen Vorbehalt des Arbeitgebers erfolgt.
…”
Unter Nr. 14 des Vertrags ist ua. geregelt:
“Zusätzliche Vereinbarungen”
“zu § 5: Sonntagszuschlag DM 70,00”
Für die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen wird ein Ersatzruhetag gewährt. Die Beklagte zahlt betriebsüblich für an Sonn- und Feiertagen tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich zum Entgelt pauschale Zuschläge netto. Der Zuschlag für Sonntagsarbeit beträgt 50 %, für Feiertagsarbeit 125 % und für Arbeit an den Weihnachtsfeiertagen 150 %. Bei der Klägerin entspricht dies 25,00 Euro für Sonntagsarbeit, 59,00 Euro für Feiertagsarbeit und 70,80 Euro für Arbeit an den Weihnachtsfeiertagen.
Die Klägerin war am 18. und 26. Dezember 2005 sowie am 1. Januar, 21. und 25. Mai, 4., 5., 15. und 18. Juni 2006 dienstplanmäßig für Sonn- bzw. Feiertagsarbeit eingeteilt, jedoch an diesen Tagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte ihr deshalb die Sonn- und Feiertagszuschläge in rechnerisch unstreitiger Höhe von 440,80 Euro nicht aus.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 440,80 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umfasse keine Sonn- und Feiertagszuschläge, weil es sich um Aufwendungsersatz bzw. Einsatzprämien handele. Sonn- und Feiertagszulage seien auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Zudem würde die Klägerin bei Zuerkennung eines Anspruchs doppelt bezahlt, weil sie bei krankheitsbedingten Ausfällen Arbeitszeitgutschriften erhalte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit beanspruchen kann. Die Arbeit der Klägerin an den Sonn- und Feiertagen ist allein aufgrund ihrer jeweiligen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgefallen, denn die Klägerin war an den fraglichen Sonn- und Feiertagen zum Dienst eingeteilt. Damit hat die Klägerin gem. § 4 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltausfallprinzip.
1. Das Entgeltausfallprinzip erhält dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge. Lediglich Leistungen, die nicht an die Erbringung der Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitabschnitt gekoppelt sind, sondern hiervon unabhängig aus besonderem Anlass gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt (BAG 20. Mai 1959 – 2 AZR 452/58 – BAGE 8, 1; 21. September 1971 – 1 AZR 88/71 – BAGE 23, 436; Senat 11. Januar 1978 – 5 AZR 829/76 – AP LohnFG § 2 Nr. 7).
Die Entgeltfortzahlung für wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Feiertagsarbeit schließt die entsprechenden Zuschläge mit ein, gleiches gilt für Sonntagszuschläge. Diese Zuschläge sind zusätzliche Gegenleistung für die an Sonn- und Feiertagen zu leistende besonders lästige bzw. belastende Arbeit. Als Entgelt rechnen diese Zuschläge nicht zum Aufwendungsersatz iSv. § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG, der im Krankheitsfall nicht geschuldet ist.
Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in § 3b Abs. 1 EStG, §§ 14, 17 Abs. 1 SGB IV, § 1 Arbeitsentgeltverordnung vom 6. Juli 1977 (BGBl. I S. 1208; gültig bis 31. Dezember 2006) rechtfertigen es nicht, das Arbeitsentgelt arbeitsrechtlich wie Aufwendungsersatz zu behandeln. Vielmehr setzen diese Regelungen gerade voraus, dass die Zuschläge zum steuer- und beitragspflichtigen Entgelt rechnen. Im Übrigen kommt es für die Bemessung des fortzahlungspflichtigen Entgelts nicht darauf an, ob und in welcher Höhe das Arbeitsentgelt oder Teile davon steuerfrei und in der Sozialversicherung beitragsfrei sind (Senat 16. Juli 1997 – 5 AZR 780/96 – zu 2 der Gründe; 31. Mai 1978 – 5 AZR 116/77 – AP LohnFG § 2 Nr. 9).
2. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zuschläge arbeitsvertraglich zu.
a) Die Parteien haben zwar im schriftlichen Arbeitsvertrag nur einen Anspruch auf einen Sonntagszuschlag geregelt. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, dass die Beklagte im Falle tatsächlicher Arbeitsleistung betriebsüblich auch Feiertagszuschläge in bestimmter Höhe zahlt, also eine entsprechende betriebliche Übung begründet hat. Das hat die Beklagte in der Revision nicht angegriffen, sondern lediglich auf die arbeitsvertragliche Regelung der Sonntagszuschläge verwiesen. Danach beträgt der Sonntagszuschlag sogar 70,00 DM (= 35,79 Euro).
b) Dem Anspruch der Klägerin auf Feiertagszuschläge steht nicht der in Nr. 5 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit Freiwilligkeitsvorbehalte überhaupt bezüglich Sonn- und Feiertagszuschlägen wirksam vereinbart werden können (vgl. BAG 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38; Senat 25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – BAGE 122, 182), denn die in § 5 des Arbeitsvertrags enthaltene Regelung für Gratifikationen, Prämien und ähnliche Zuwendungen betrifft nicht die streitgegenständlichen Zuschläge.
c) Die Sonn- und Feiertagszuschläge stellen keine Sondervergütung iSd. § 4a EFZG dar, zumal es an einer entsprechenden Kürzungsvereinbarung fehlt.
3. Soweit die Beklagte einwendet, der Klägerin Ersatzruhetage für Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zeitgutschriften gewährt zu haben, steht dies dem Anspruch auf die geltend gemachten Feiertagszuschläge nicht entgegen. Werden Arbeitnehmer an einem Sonn- oder Feiertag beschäftigt, muss ihnen aus Gründen des Gesundheitsschutzes in einem bestimmten Ausgleichszeitraum ein Ersatzruhetag gewährt werden (§ 11 Abs. 3 ArbZG). Eine bezahlte Freistellung an einem Beschäftigungstag kann allerdings nicht verlangt werden (BAG 13. Juli 2006 – 6 AZR 55/06 – Rn. 10 mwN, AP MTArb § 15 Nr. 1; Senat 12. Dezember 2001 – 5 AZR 294/00 – BAGE 100, 124). Es kann dahinstehen, ob eine Zeitgutschrift den arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen des § 11 Abs. 3 ArbZG genügt, jedenfalls entfällt der Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge weder mit der Zeitgutschrift in Höhe der Grundarbeitszeit noch mit der Gewährung eines Ersatzruhetags. Die Zeitgutschrift, ohne die die Klägerin die durch die Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Stunden nacharbeiten müsste, dient nur zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Grundvergütung.
4. Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
II. Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Kessel, W. Hinrichs
Fundstellen
Haufe-Index 2136723 |
BFH/NV 2009, 1775 |
BB 2009, 773 |
DB 2009, 909 |
NWB 2009, 1322 |
AiB 2011, 770 |
StuB 2009, 934 |
AuA 2009, 436 |
EzA-SD 2009, 6 |
EzA |
LGP 2009, 95 |
NZA-RR 2009, 580 |
ArbRB 2009, 132 |
NWB direkt 2009, 488 |
SPA 2009, 4 |
finanzen.steuern kompakt 2009, 8 |