Entscheidungsstichwort (Thema)
Erschwerniszulage bei Vergütung für Pausenzeiten
Leitsatz (redaktionell)
Erschwerniszulage bei Pausen zum Einnehmen der Mahlzeit; Entfernung von Abmahnung aus Personalakten.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträgen Metallindustrie; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 13.09.1989; Aktenzeichen 7 Sa 729/88) |
ArbG Aachen (Urteil vom 14.04.1988; Aktenzeichen 5 Ca 118/88) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. September 1989 – 7 Sa 729/88 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 8. Mai 1978 als Schlosser im Betrieb der Beklagten, die eine Bleihütte mit ca. 350 Arbeitnehmern betreibt, beschäftigt. Er ist Mitglied des Betriebsrates der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen Anwendung. Der Kläger arbeitet im Dreischichtbetrieb.
Aufgrund von Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1973 und 29. März 1977 zahlte die Beklagte Erschwerniszulagen. Der Kläger erhielt eine Erschwerniszulage wegen seines Einsatzes im Schichtbetrieb als sog. „Schichtschlosser”. Die Betriebsvereinbarungen sahen vor, daß die Erschwerniszulagen für die tatsächlich anfallenden Stunden gezahlt wurden. Für die Pausen, die den Arbeitnehmern im Dreischichtbetrieb zur Einnahme von Mahlzeiten gewährt wurden, wurde ebenfalls die jeweilige Erschwerniszulage gezahlt.
Mit Wirkung vom 1. April 1985 ermäßigte sich die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden auf 38,5 Stunden. Im Hinblick darauf wurde in einer Betriebsvereinbarung vom 29. März 1985 die Arbeitszeit der in dreischichtiger Wechselschicht tätigen Arbeitnehmer auf acht Stunden pro Schicht festgelegt und bestimmt, daß pro Schicht eine Pause von 30 Minuten gewährt wurde. Da die Pausen nicht zu festen Zeiten genommen werden konnten, sollten sie bezahlt werden. Die Erschwerniszulage als Schichtschlosser, die in einer Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1986 für tatsächlich geleistete Arbeitszeiten weiterhin vereinbart wurde, erhielt der Kläger ab 1. April 1985 für die Pausenzeiten nicht.
Die Beklagte zahlte für die Pausenzeiten zuzüglich zum Tariflohn anstelle der jeweiligen tariflichen Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ab 1. April 1986 einen mit dem Betriebsrat vereinbarten sog. Pausenausgleich von pauschal 0,21 DM (später 0,22 DM) pro Stunde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm für die Pausenzeiten sowohl die Erschwerniszulage als auch der jeweilige tarifliche Zuschlag für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit in voller Höhe zustehe. Dies folge aus § 3 Ziffer 5 Satz 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1980 in der Fassung vom 3. Juli 1984 (MTV). Diese tarifliche Bestimmung sehe vor, daß Arbeitnehmern im Dreischichtbetrieb ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu gewähren sei. Deshalb müsse für jede Pause der entsprechende tarifliche Zuschlag exakt berechnet werden. Eine pauschale Abgeltung sei unzulässig. Die halbstündige Pause pro Schicht diene wie vor dem 1. April 1985 der Einnahme von Mahlzeiten. Deshalb sei die Beklagte auch verpflichtet, die in den Betriebsvereinbarungen vorgesehene Erschwerniszulage für die Tätigkeit als Schichtschlosser für die Pause zu zahlen. Dies folge aus der tariflichen Regelung ebenso wie aus einer entsprechenden langjährigen betrieblichen Übung der Beklagten, die für Pausenzeiten stets die Erschwerniszulagen gezahlt habe.
Die Zahlung der entsprechenden Differenzbeträge zu dem tatsächlich gezahlten Lohn ab 1. April 1985 hat der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 1987 von der Beklagten verlangt. Dazu hat er behauptet, daß ab April 1985 die Bezahlung der Pausen auf mehreren Betriebsversammlungen Gegenstand ausführlicher Erörterungen gewesen sei und der damalige Hüttendirektor zugesagt habe, die Bezahlung der Pausen entsprechend dem Ausgang eines beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Rechtsstreits vorzunehmen. Nachdem die Entscheidung vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 173/87 – dem Betriebsrat am 15. Dezember 1987 bekanntgeworden sei, habe er seine Ansprüche mit Schreiben vom 19. Dezember 1987 geltend gemacht, so daß die tarifliche Ausschlußfrist gewahrt sei.
Der Kläger begehrt ferner die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 20. Dezember 1987 erhielt der Kläger in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied von einem Arbeitnehmer die Kopie eines dem Betriebsrat zugeleiteten „Beschwerdebriefes” vom 18. Dezember 1987, in dem sieben Arbeitnehmer mitteilten, sie seien nicht länger bereit, mit Herrn B. als Vorarbeiter zusammenzuarbeiten. Am 23. Dezember 1987 fand eine Betriebsausschußsitzung statt, die nach Behandlung der Tagesordnung in eine ordentliche Betriebsratssitzung „umgewandelt” wurde. In Abwesenheit des Klägers wurde die „Sache B.” behandelt. Im Anschluß an diese Betriebsratssitzung fand ein Gespräch zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten statt, in dem die Beklagte eine Versetzung des Vorarbeiters B. in eine andere Schicht ablehnte. Auf der Betriebsratssitzung vom 13. Januar 1988 kam die „Sache B. noch einmal zur Sprache. Das Protokoll dieser Sitzung wurde in der Betriebsratssitzung vom 9. Februar 1988 verlesen. Der Kläger sandte mit Datum 10. Februar 1988 ein Einschreiben an den Betriebsrat, z.H. des Betriebsratsvorsitzenden, in dem es u.a. heißt:
„Betr.: BR-Sitzung v. 09.02.88, Verlesung des Protokolls v. 13.01.88
…
Im Protokoll v. 13.01.88 hieß es unter anderem sinngemäß:
– Koll. S. erhob massive Vorwürfe allgemeiner Art gegenüber dem Kollegen B. – Diese Darstellung ist falsch. Ich habe in der o.gen. Sitzung über konkrete Sachverhalte berichtet und diese einzeln konkretisiert:
1.) Der Schichtführer B. nörgelt ständig in unangemessener Weise über seine Mitarbeiter.
2.) Er gibt bewußt falsche Tatbestände und Vorwürfe über seine Mitarbeiter seinen unmittelbaren Vorgesetzten zur Kenntnis.
3.) Schichtführer B. läßt ihm unterstellte Mitarbeiter für persönliche Zwecke und zur persönlichen Bereicherung Arbeiten ausführen, für die der Begriff Diebstahl angemessen erscheint.
Ich habe diese Sachverhalte unter namentlicher Nennung von Zeugen dargelegt. Von massiven Vorwürfen allgemeiner Art kann also nicht die Rede sein.
Ferner habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich disziplinarische Maßnahmen gegen Herrn B. einzuleiten, ablehne. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, daß der Betriebsrat darauf hinwirken könnte, Herrn B. vorübergehend auf eine andere Schicht zu beschäftigen.
Ich habe darauf hingewiesen, daß ich in mehreren persönlichen Gesprächen mit Herrn B. zu der Erkenntnis gelangt bin, daß er persönliche, private Schwierigkeiten hat und diese im Betrieb bei seinen Mitarbeitern abreagiert.
Die Darstellungen meiner Äußerungen im Protokoll vom 13.01.88 werte ich deshalb als unverschämte Diskreditierung und weise sie auf das Schärfste zurück.
…”
Das Schreiben wurde vom Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied, der zugleich Vorgesetzter des Herrn B. ist, auch Nicht-Betriebsratsmitgliedern zugänglich gemacht.
Mit Datum 26. Februar 1988 richtete die Beklagte ein Schreiben an den Kläger, das u.a. lautet:
„Abmahnung
Sehr geehrter Herr S.,
mit Schreiben vom 10.2.1988, gerichtet an den Betriebsrat, haben Sie die Behauptung aufgestellt, der Schichtführer B. ließe ihm unterstellte Mitarbeiter für persönliche Zwecke und zur persönlichen Bereicherung Arbeiten ausführen, für die der Begriff Diebstahl angemessen erscheint.
Dieser Teil Ihres Schreibens ist zahlreichen Angehörigen unseres Betriebes zu Ohren gekommen. Ferner kursieren Kopien Ihres Briefes im Betrieb.
…
Die von Ihnen gegen Herrn B. erhobenen Anschuldigungen haben zu einer erheblichen Beunruhigung innerhalb des Betriebes geführt. Sie haben Mißtrauen gegen Herrn B. gesät und auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erheblich belastet. Sie haben damit den Betriebsfrieden empfindlich gestört.
Die Störung des Betriebsfriedens stellt eine Verletzung Ihrer Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und auch Ihrer Pflichten als Betriebsratsmitglied dar.
Wie Ihnen bekannt ist, hatten wir bereits beim Betriebsrat die Zustimmung Ihrer Kündigung beantragt. Da wir Ihnen jedoch erst sehr spät die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben haben, nehmen wir davon Abstand, die Zustimmung des Betriebsrates durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
Wir sehen uns jedoch veranlaßt, Sie wegen der o.g. Formulierungen und Ihres Verhaltens abzumahnen und weisen darauf hin, daß wir den nächsten Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen Ihrerseits zum Anlaß nehmen werden, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.
…”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Abmahnung nicht gerechtfertigt sei. Er habe mit seinem Schreiben vom 10. Februar 1988 an den Betriebsratsvorsitzenden eine Berichtigung des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 13. Januar 1988 erreichen wollen und nicht damit rechnen können, daß dies unter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in die Betriebsöffentlichkeit gelangen werde. Der Betriebsfrieden sei dadurch aber nicht gestört worden.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 477,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 320,– DM netto seit Klagezustellung zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, die gegenüber dem Kläger am 26. Februar 1988 ausgesprochene Abmahnung zurückzunehmen und das Abmahnungsschreiben vom 26. Februar 1988 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger über die gezahlten Beträge hinaus keine Ansprüche in bezug auf die Pausenzeiten zuständen. Die Pauschalierung der Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sei im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgt, um eine einfachere Abrechnung unabhängig von der Lage der Pause in der jeweiligen Schichtzeit zu ermöglichen.
Ein Anspruch auf Zahlung der Erschwerniszulage für die Pausen stehe dem Kläger nicht zu. Dazu hat die Beklagte zunächst vorgetragen, daß die Erschwerniszulage, die an die Mitarbeiter im Schichtbetrieb gezahlt worden sei, dazu dienen sollte, die mit dem Schichtbetrieb verbundenen Beschwerlichkeiten auszugleichen. Sie sollte nach den Betriebsvereinbarungen nur für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt werden. Für die Pausen zum Einnehmen der Mahlzeit seien aber die Erschwerniszulagen damals gezahlt worden. Die Mahlzeiten seien in den Pausenräumen eingenommen worden. Nach dem Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung sei eine echte Ruhepause im Sinne der AZO gewährt worden, für die die Erschwerniszulage nach den Betriebs Vereinbarungen nicht mehr zu zahlen gewesen sei. Die Pause werde in voller Länge in den Pausen räumen verbracht.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte vorgetragen, daß die Erschwerniszulage nicht dazu dienen sollte, die Nachteile des Schichtbetriebs gegenüber den in der Tagschicht eingesetzten Mitarbeitern auszugleichen. Die Erschwerniszulage sei aber nach den Betriebsvereinbarungen nicht für Ruhepausen im Sinne der AZO zu zahlen, auch wenn diese zur Einnahme der Mahlzeiten dienten. Aufgrund einer fehlerhaften Programmsteuerung der EDV-Anlage seien Erschwerniszulagen für die Pausen bis zum 31. März 1988 gezahlt worden. Daraus könne der Kläger keine Rechte herleiten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Beklagte erklärt, daß sich der EDV-Fehler auf etwas anderes bezogen habe.
In der Revisionsinstanz hat die Beklagte geltend gemacht, daß vor Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung zwar wegen der Gefahrstoffverordnung die Mahlzeiten im Pausenraum eingenommen worden seien, die Arbeitnehmer aber gehalten gewesen seien, die Mahlzeiten so schnell wie möglich einzunehmen oder auch gelegentlich zu unterbrechen, um Störungen an den Aggregaten zu beheben, die nach wie vor weitergelaufen seien. Erst nach der Arbeitszeitverkürzung sei es möglich gewesen, eine echte AZO-Pause zu gewähren, in der die Mahlzeiten ohne Erschwernisse ungestört hätten eingenommen werden können.
Die Beklagte hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, daß die Ansprüche des Klägers bis einschließlich August 1987 nach der tariflichen Ausschlußfrist verfallen seien. Eine Zusage in bezug auf Nachzahlungen entsprechend einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Bezahlung der Pausen sei nicht abgegeben worden.
Die Abmahnung hält die Beklagte für gerechtfertigt, weil der Kläger durch den nicht bewiesenen Diebstahlsvorwurf gegenüber dem Schichtführer B. einen Kollegen völlig unberechtigt diffamiert und damit den Betriebsfrieden gestört habe. Außerdem habe der Kläger in gröbster Weise die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde des Kollegen B. verletzt. Er habe auch nicht erwarten dürfen, daß sein Schreiben an den Betriebsrat außenstehenden Dritten nicht bekannt werden würde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben, wobei es davon ausgegangen ist, daß sich das Klagebegehren in bezug auf die Abmahnung auf deren Entfernung aus der Personalakte beschränkt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Bezahlung der Pausen in bezug auf die Erschwerniszulage für die Tätigkeit als Schichtschlosser und die tariflichen Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit je nach Lage der Schichtzeit in der unstreitigen Höhe von 477,84 DM brutto für die Zeit von April 1985 bis Dezember 1987 zusteht. Der Anspruch ist nach der tariflichen Ausschlußfrist auch nicht teilweise verfallen. Ferner hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß der Kläger die Entfernung der Abmahnung vom 26. Februar 1988 aus seiner Personalakte verlangen kann.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1980 in der Fassung vom 3. Juli 1984 (MTV) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten tariflichen Anspruchs auf Bezahlung der Pausenzeiten ist demgemäß folgende tarifliche Bestimmung heranzuziehen:
„§ 3
Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit/Ausbildungszeit
…
5. Umkleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne der AZO (z.B. Frühstücks-, Mittags-, Kaffee-Pausen) gelten nicht als Arbeitszeit/Ausbildungszeit.
In Dreischichtbetrieben ist den Arbeitnehmern ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu gewähren.
…”
Die tarifliche Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 173/87 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie), an der festzuhalten ist, dahingehend auszulegen, daß Arbeitnehmern in Dreischichtbetrieben, unabhängig davon, ob die Arbeiten einen ununterbrochenen Fortgang erfordern, eine bezahlte Pause („ausreichend Zeit”) zum Einnehmen der Mahlzeiten zu gewähren ist. Dabei ist nach der tariflichen Bestimmung unerheblich, ob es sich um eine Pause im Sinne der AZO handelt. Maßgebend ist der Zweck der Pause. Der Sinn und Zweck der in Dreischichtbetrieben zu gewährenden bezahlten Pause ist nur darin zu sehen, daß die Tarifvertragsparteien damit die besonderen Belastungen honorieren wollten, denen Arbeitnehmern in Dreischichtbetrieben mit drei unterschiedlichen Arbeitszeitrhythmen ausgesetzt sind, und auch dem Umstand Rechnung tragen wollten, daß die Pausen in solchen Betrieben oft zu unterschiedlichen Zeiten (zeitversetzt) genommen werden. Diese tarifliche Regelung besteht danach auch nach Verkürzung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 38,5 Stunden fort, so daß Pausen zum Einnehmen der Mahlzeiten weiterhin zu bezahlen sind.
Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß der Kläger in einem Dreischichtbetrieb im tariflichen Sinne tätig ist und die pro Schicht gewährte halbstündige Pause zum Einnehmen der Mahlzeiten dient. Damit liegen die tariflichen Voraussetzungen zur Bezahlung der Pause nach § 3 Ziffer 5 Satz 2 MTV vor. Ihrer tariflichen Verpflichtung zur Gewährung der Pause „ohne Lohn- oder Gehaltsabzug” kommt die Beklagte auch insoweit nach, als sie den Tariflohn zahlt. Ebenso bestreitet die Beklagte dem Grunde nach nicht ihre Verpflichtung zur Zahlung der jeweiligen tariflichen Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit für die Pausenzeiten.
Der Kläger kann auch den jeweiligen Zuschlag für die Pause entsprechend der Lage der Schichtzeit verlangen. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Pauschalierung ist unzulässig. Nach den tariflichen Bestimmungen der §§ 4 und 5 MTV sind die Zuschläge je nach der zeitlichen Lage der Arbeitszeit zu zahlen. Demnach besteht nach § 3 Ziffer 5 Satz 2 MTV auch ein entsprechender Anspruch auf Bezahlung der Pause. Einer abweichenden Regelung durch Betriebsvereinbarung steht schon die gesetzliche Bestimmung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, nach der Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, entgegen. Der Abschluß einer ergänzenden Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Höhe der tariflichen Zuschläge ist in den tariflichen Bestimmungen nicht zugelassen (§ 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Soweit nach § 5 Ziffer 3 MTV die Vereinbarung einer schriftlichen Pauschalvergütung zulässig ist, betrifft diese tarifliche Regelung nur vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, nicht aber Regelungen durch Betriebsvereinbarungen. Die in der Betriebsvereinbarung vereinbarte „Pauschalabgeltung” ist zudem für den Kläger ungünstiger als die tarifliche Regelung, wie seine zwischen den Parteien unstreitige Vergleichsberechnung ausweist. Damit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, daß dem Kläger der entsprechende Differenzbetrag für den streitbefangenen Zeitraum zusteht.
Ob dem Kläger auch ein tariflicher Anspruch auf Zahlung der außertariflich von der Beklagten gewährten Erschwerniszulage für die Tätigkeit als Schichtschlosser für die Pausenzeiten zusteht, die tarifliche Bestimmung des § 3 Ziffer 5 Satz 2 MTV mithin die Fortzahlung des Effektivlohnes für die Pausenzeiten regelt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Zu Recht nimmt das Landesarbeitsgericht nämlich an, daß dem Kläger (zumindest) aufgrund betrieblicher Übung ein entsprechender arbeitsvertraglicher Anspruch zusteht.
Unter einer betrieblichen Übung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Dabei kommt es für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder nicht. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist daher die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB; BAG Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung für die Zahlung der Erschwerniszulage für die Tätigkeit als Schichtschlosser während der Pausen, die im Dreischichtbetrieb zur Einnahme von Mahlzeiten dienen, vor. Die Beklagte hat ihren Sachvortrag über die Bezahlung der Pausen mehrfach gewechselt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die mit der Revision der Beklagten formell nicht gerügt werden, hat die Beklagte schon über die Regelung in den Betriebs Vereinbarungen vom 25. Januar 1973 und 29. März 1977 hinaus, die Erschwerniszulagen nur für tatsächlich geleistete Arbeit vorsahen, bis zum 31. März 1985 für Pausen zum Einnehmen der Mahlzeiten ebenfalls die Erschwerniszulage bezahlt. Die Mahlzeiten während der Pausen wurden nach dem Sachvortrag der Beklagten in den Vorinstanzen auch schon damals in den Pausenräumen eingenommen. Ihren Vortrag, daß die Bezahlung der Pausen auf einem EDV-Fehler beruhte, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht aufgegeben. Unter diesen Umständen konnte das Landesarbeitsgericht mit Recht darauf schließen, daß die Beklagte in der Vergangenheit durch ihr Verhalten das Vertrauen der im Dreischichtbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer begründet hat, daß ihnen die Erschwerniszulagen, die an eine Tätigkeit als solche wie die des Schichtschlossers anknüpften, auf Dauer auch für Pausen, die zum Einnehmen der Mahlzeiten gewährt wurden, zustehen sollten.
Soweit demgegenüber die Beklagte mit der Revision einwendet, daß sich der Charakter der Pausen nach der Arbeitszeitverkürzung deshalb geändert habe, weil früher die Mahlzeiten möglichst schnell eingenommen werden mußten und die Pausen auch gelegentlich unterbrochen werden mußten, um Störungen zu beheben, während sie nach der Arbeitszeitverkürzung ohne Erschwernisse durchgeführt werden könnten, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz unzulässig ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Daher ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts davon auszugehen, daß die Beklagte Pausen zum Einnehmen der Mahlzeiten stets einschließlich der Erschwerniszulage bezahlt hat und auch die nach der Arbeitszeitverkürzung während einer Schicht gewährte halbstündige Pause zum Einnehmen der Mahlzeiten dient. War aber durch das frühere Verhalten der Beklagten eine betriebliche Übung hinsichtlich der Zahlung der Erschwerniszulage für Pausen zum Einnehmen von Mahlzeiten erwachsen, so konnte sich die Beklagte im Hinblick auf den gleichgebliebenen Zweck der Gewährung der Pausen zum Einnehmen von Mahlzeiten nach der Arbeitszeitverkürzung durch einseitige Regelung davon nicht lösen.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ferner erkannt, daß die Zahlungsansprüche des Klägers aus der Zeit von April 1985 bis Dezember 1987 auch nicht teilweise nach § 17 Ziffer 2 u. 3 MTV verfallen sind. Diese tarifliche Bestimmung lautet:
„§ 17
Geltendmachung und Ausschluß von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis
…
2. Der Arbeitnehmer/Auszubildende hat das Recht, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis innerhalb folgender Fristen geltend zu machen:
- Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Abrechnung,
- alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.
3. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, daß der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Fristen einzuhalten.
…”
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß sich die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Ausschlußfrist berufen dürfe, soweit der Kläger seine Ansprüche mit dem Schreiben vom 19. Dezember 1987 nicht fristgerecht geltend gemacht habe. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der damalige Hüttendirektor durch seine Aussagen auf den Betriebsversammlungen die Arbeitnehmer von einer präzisen Geltendmachung ihrer Ansprüche in bezug auf die Pausenbezahlung abgehalten habe.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beherrscht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) das gesamte Privatrecht und gilt daher auch für die Anwendung der Ausschlußfristen. Danach muß der Schuldner den Anspruch auch nach Ablauf der Ausschlußfrist erfüllen, wenn nach seinem vorhergehenden Verhalten eine Weigerung, den Anspruch unter Berufung auf den Ablauf der Ausschlußfrist zu erfüllen, rechtsmißbräuchlich wäre (BAG Urteil vom 28. Februar 1979 – 5 AZR 728/77 – AP Nr. 6 zu § 70 BAT). Das ist z.B. der Fall, wenn der Gläubiger darauf vertrauen durfte, der Schuldner werde die Forderung noch erfüllen oder der Schuldner (auch unabsichtlich) den Gläubiger von der fristgerechten Geltendmachung abgehalten hat (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 – 3 AZR 383/82 – AP Nr. 87 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
Derartige Umstände hat das Landesarbeitsgericht vorliegend rechtsfehlerfrei festgestellt, indem es aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu dem Schluß gelangt ist, daß der Kläger durch die Äußerungen des Hüttendirektors von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Forderungen abgehalten worden ist. Die Beweiswürdigung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 146/82 – AP Nr. 2 zu § 21 MTL II). Derartige Rechtsfehler enthält die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts nicht. Die Beklagte will mit ihrer Revision eine andere Würdigung der Zeugenaussagen erreichen. Eine solche ist dem Revisionsgericht aber verwehrt.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 26. Februar 1988 aus seiner Personalakte zusteht. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, die insoweit die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, der Senat ist jedoch an die unbeschränkte Zulassung durch das Landesarbeitsgericht gebunden (§ 72 Abs. 3 ArbGG).
Das Landesarbeitsgericht hält die Abmahnung für unberechtigt, weil der Kläger durch die Vorwürfe, die er gegenüber dem Betriebsrat in bezug auf den Vorarbeiter B. erhoben habe, seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt habe und er für die Verbreitung seines Briefes vom 10. Februar 1988 im Betrieb nicht verantwortlich sei.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer die Entfernung einer mißbilligenden Äußerung des Arbeitgebers aus seiner Personalakte verlangen, wenn diese nach Form oder Inhalt geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen. Dazu gehören auch unberechtigte Abmahnungen, da diese zu einer dauerhaften und nachhaltigen Gefährdung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers beitragen (BAG Urteil vom 30. Januar 1979 – 1 AZR 342/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße; Urteil vom 27. November 1985 – 5 AZR 101/84 – AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht m.w.N.).
Von diesen Rechtsgrundsätzen geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Soweit das Landesarbeitsgericht die Abmahnung für unberechtigt hält, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Das Schreiben des Klägers vom 10. Februar 1988, das die Beklagte zum Anlaß der Abmahnung nahm, betraf eine interne Angelegenheit des Betriebsrats, nämlich die Berichtigung des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 13. Januar 1988. Es war demgemäß vom Kläger auch per Einschreiben nur an den Betriebsratsvorsitzenden gerichtet. Soweit die Beklagte darin eine Belastung der Zusammenarbeit im Betriebsrat sieht, kann dies dahinstehen, da ihr insoweit kein arbeitsvertragliches Rügerecht zusteht (BAGE 27, 366, 374 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße).
Zwar kann im Verhalten eines Betriebsratsmitgliedes in Ausübung seines Betriebsratsamtes auch eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten liegen (vgl. BAG Urteile vom 6. August 1981 – 6 AZR 505/78 – und – 6 AZR 1086/79 – AP Nrn. 39 und 40 zu § 37 BetrVG 1972). Als solche kommt, wie die Beklagte geltend macht, auch eine Betriebsfriedensstörung in Betracht. Insoweit fehlt es jedoch an der Substantiierung des Sachvortrags der Beklagten. Weder legt die Beklagte dar, in welcher Weise der Betriebs frieden konkret gestört worden sei noch wird aus ihrem Sachvortrag deutlich, daß die Betriebsfriedensstörung maßgeblich auf den Kläger zurückzuführen sei. Mit Recht verweist nämlich das Landesarbeitsgericht darauf, daß nicht der Kläger, sondern – wie unstreitig ist – zwei andere Betriebsratsmitglieder unter Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflicht das Schreiben des Klägers vom 10. Februar 1988 anderen Mitarbeitern im Betrieb zugänglich gemacht haben. Im übrigen hat die Beklagte keinerlei Tatsachen vorgetragen, die den Schluß zulassen, daß die vom Kläger gegenüber dem Vorarbeiter B. erhobenen Vorwürfe ungerechtfertigt gewesen seien.
Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Dr. Knapp, Schmalz
Fundstellen