Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen. Mitbestimmung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
s. Parallelurteil des Senats vom 14. Februar 1995 (– 1 AZR 565/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen)
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Januar 1994 – 9 Sa 75/93 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22. Juli 1992 – 4 Ca 107/92 – abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.405,– DM brutto zu zahlen.
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger neben den sich aus dem zwischen der DAG und der Beklagten geschlossenen Entgelttarifvertrag ergebenden Vergütungsansprüchen eine außertarifliche Individualzulage in Höhe von monatlich 643,– DM brutto zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte eine Tariflohnerhöhung auf eine individualvertraglich vereinbarte übertarifliche Zulage anrechnen durfte und ob diese Anrechnung mitbestimmungspflichtig war.
Der Kläger wurde von der beklagten Kurklinik zum 1. Juni 1980 als Stationsarzt eingestellt. In einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1981 wurden die „beigefügten Vereinbarungen des Manteltarifvertrages der DAG” als Bestandteil des Vertrages bezeichnet. Das Gehalt des Klägers wurde aufgegliedert in ein Grundgehalt und „sonstige Leistungen”. Als sonstige Vereinbarungen vermerkten die Parteien „VergGr. IX”.
In den Folgejahren erhöhte die Beklagte jährlich sowohl die an den Kläger gezahlte Grundvergütung als auch die „sonstigen Leistungen” um die in den jeweiligen Entgelttarifverträgen mit der DAG vereinbarten Prozentsätze. Ab Anfang 1986 bezeichnete die Beklagte die sonstigen Leistungen in ihren Gehaltsabrechnungen als freiwillige, widerrufliche Zulage. Zum 31. März 1991 betrug das monatliche Grundgehalt des Klägers 5.755,– DM brutto und die Zulage 643,– DM brutto.
Zum 1. April 1991 erhöhte die Beklagte entsprechend der Tariflohnerhöhung dieses Jahres das Grundgehalt des Klägers um 7,5 % auf 6.187,– DM und die sonstige Leistung um denselben Prozentsatz auf 691,– DM. Der zu diesem Zeitpunkt in Kraft tretende Entgelttarifvertrag zwischen der Beklagten und der DAG führte erstmals für die Vergütungsgruppen 8 und 9 eine nach Beschäftigungsjahren gestaffelte Betriebszugehörigkeitszulage ein, wie sie bei den anderen Vergütungsgruppen schon vorher bestanden hatte. Diese Zulage beträgt für die Vergütungsgruppen 8 und 9 jeweils 2,5 % der Grundvergütung, für die anderen Vergütungsgruppen jeweils 5 % der Grundvergütung. § 3 Abs. 1 Satz 4 Entgelt-TV 1991 lautet:
„Die vertragsschließenden Parteien sind sich einig, daß in den VergGr. 8 und 9 bereits vor dem 1.4.1991 im Zusammenhang mit den Beschäftigungsjahren gezahlte freiwillige außertarifliche Zulagen angerechnet werden.”
Ohne Beteiligung des Betriebsrats rechnete die Beklagte bei Arbeitnehmern der Vergütungsgruppen 8 und 9 die Betriebszugehörigkeitszulage auf deren unterschiedlich hohe übertarifliche Zulagen in vollem Umfang an, soweit solche gezahlt wurden. Das geschah auch bei dem Kläger. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 10. Juni 1991 die Neufestsetzung seines Arbeitsentgelts dahin mit, daß ab 1. April 1991 das Grundgehalt 6.187,– DM, die Betriebszugehörigkeitszulage 477,– DM und die freiwillige Zulage 214,– DM, das Gesamtgehalt also 6.878,– DM betrage.
Der Kläger hält die Anrechnung für unwirksam. Eine Anrechenbarkeit der Zulage auf Tariflohnerhöhungen oder neu einzuführende Zulagen sei nicht vereinbart worden. Aus der jährlichen Weitergabe der Tariflohnerhöhung sei eine betriebliche Übung entstanden, wonach die Anrechnung ausgeschlossen sei. Es handele sich um eine individuelle Lohnvereinbarung, deren Herabsetzung einer Änderungskündigung bedürfe. Die Aufgliederung in Tariflohn und Zulage spreche im übrigen für die Vermutung, daß es sich um eine echte Leistungszulage handele. Die Anrechnungsmaßnahme sei zudem mitbestimmungspflichtig gewesen, weil die Tariflohnerhöhung nicht vollständig und gleichmäßig angerechnet worden sei.
Der Kläger ist der Auffassung, daß ihm neben dem Grundgehalt die Betriebszugehörigkeitszulage von 477,– DM und die vereinbarte Zulage von 643,– DM ungekürzt zustünden. Für die Zeit vom 1. April 1991 bis 30. Juni 1992 hat er eine Differenz zum tatsächlich gezahlten Gehalt in Höhe von 6.405,– DM errechnet.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.405,– DM brutto zu zahlen.
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger neben den sich aus der jeweils gültigen Fassung des zwischen der DAG und der Beklagten geschlossenen Entgelttarifvertrages bzw. MTV ergebenden Vergütungsansprüchen des Klägers eine außertarifliche Individualzulage in Höhe von 643,– DM brutto monatlich zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei der vereinbarten Zulage um eine freiwillige, jederzeit anrechenbare Zulage. Im Vorgriff auf die mögliche Einführung einer Betriebstreuezulage für die VergGr. 9 sei mit dem Kläger vereinbart worden, daß die individuelle Zulage mit künftigen Tariflohnerhöhungen verrechenbar sein solle. Die jahrelange Weitergabe der Tariflohnerhöhungen auf die übertarifliche Zulage hindere sie nicht daran, bei der erstmaligen Einführung einer Betriebstreuezulage eine Verrechnung vorzunehmen. Die Aufteilung des Gehalts in Tarifgehalt und Zulage spreche noch nicht für eine Leistungszulage, eine solche sei auch nicht vereinbart worden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats habe nicht bestanden, da sie die Tariflohnerhöhung bei allen Mitarbeitern der Vergütungsgruppen 8 und 9 voll und gleichmäßig angerechnet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anrechnung der Tariflohnerhöhung von 1991 auf die übertarifliche Zulage des Klägers jedenfalls deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht beteiligt hat. Auf die Frage, ob die Anrechnung individualrechtlich zulässig war, kommt es daher nicht an.
I. Die Ausführungen, mit denen das Landesarbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verneint, halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Ansicht vertreten, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfalle deshalb, weil durch die Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die tarifliche Betriebszugehörigkeitszulage kein Verteilungsgrundsatz geändert worden sei. Außerdem sei für eine anderweitige Anrechnung kein Regelungsspielraum verblieben. Eine Veränderung der Verteilungsgrundsätze liege nicht schon dann vor, wenn sich bei der gleichmäßigen prozentualen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung das Verhältnis der verschiedenen Zulagenbeträge notwendigerweise ändere. Es könne nicht darauf ankommen, ob die einzelnen Arbeitnehmer vor oder nach der Tariflohnerhöhung unterschiedlich hohe Zulagen erhalten. Entscheidend sei, ob eine vollständige Anrechnung erfolge und für eine anderweitige Anrechnung kein Regelungsspielraum verbleibe. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Tariflohnerhöhung hinsichtlich des Grundlohns und der Betriebszugehörigkeitszulage voll an den Kläger weiterzugeben. Deshalb habe für sie nur die Möglichkeit bestanden, die neue Zulage mit der bisher gezahlten Zulage zu verrechnen, wenn sie eine weitergehende Gehaltserhöhung vermeiden wollte. Die konkrete Durchführung der Anrechnung hätte zwar zur Folge gehabt, daß die Zulagen in unterschiedlicher Höhe aufgesogen worden seien. Trotz dieses rechnerischen Ergebnisses hätten sich aber die Grundlagen der Entgeltfindung und die Verteilungsgrundsätze durch diese Anrechnung nicht verändert.
2. Dem ist nicht zu folgen.
a) Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 (– GS 2/90 – BAGE 69, 134 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) hängt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über- und außertarifliche Zulagen von zwei Voraussetzungen ab: der Änderung der Verteilungsgrundsätze und dem Vorliegen eines Regelungsspielraums für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung.
Eine Änderung der Verteilungsgrundsätze ergibt sich, wie der Große Senat im einzelnen ausgeführt hat (a.a.O., C III 5 der Gründe), bei jeder Änderung des prozentualen Verhältnisses der Zulagen zueinander. Dabei ist es unerheblich, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung des Arbeitgebers oder automatisch erfolgt. Auch wenn die Veränderung des Verhältnisses der Zulagenbeträge sich rein rechnerisch daraus ergibt, daß eine Tariflohnerhöhung mit einem einheitlichen Prozentsatz auf unterschiedlich hohe Zulagen angerechnet wird, ist eine Änderung der Verteilungsgrundsätze und damit grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht gegeben. Dies entspricht dem Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gerade im Verhältnis der Löhne der Beschäftigten zueinander zeigt und hier die eigentliche Aufgabe des Mitbestimmungsrechts liegt.
Erst in einer zweiten Stufe ist zu prüfen, ob für eine anderweitige Anrechnung der Zulagen ein Regelungsspielraum besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn die Anrechnung zum vollständigen Wegfall aller Zulagen führt, weil dann kein Zulagenvolumen mehr vorhanden ist, das verteilt werden könnte. Gleiches gilt bei der vollen und gleichmäßigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulagen aller Arbeitnehmer, da es hier an der rechtlichen Möglichkeit einer anderen Verteilung fehlt (BAG, a.a.O., zu C III 6 der Gründe).
b) Nach dieser Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlaß sieht, haben sich durch die Anrechnung der Tariflohnerhöhung im vorliegenden Fall die Verteilungsgrundsätze geändert. Dabei ist es unerheblich, ob man – wie dies das Landesarbeitsgericht getan hat – ausschließlich auf die Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszulage abstellt oder ob man die Weitergabe der linearen Tariflohnerhöhung von 7,5 % in die Betrachtung einbezieht. Da die Beklagte übertarifliche Zulagen in unterschiedlicher Höhe gewährt, führt die Anrechnung bei beiden Betrachtungsweisen zu einer Änderung des prozentualen Verhältnisses der Zulagenbeträge. Darin liegt nach der Rechtsprechung des Großen Senats eine Änderung der Verteilungsgrundsätze.
c) Dem Landesarbeitsgericht ist auch nicht beizupflichten, soweit es das Mitbestimmungsrecht deshalb verneint hat, weil jeder anderweitigen Verteilung ein rechtliches Hindernis entgegenstehe. Da die Beklagte zuvor das Tarifgehalt einschließlich der übertariflichen Zulage bei allen Mitarbeitern um 7,5 % erhöht habe, sei ihr keine andere Gestaltungsmöglichkeit als die volle Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszulage verblieben. Alternativen hätten sich nur dann ergeben, wenn sie bereit gewesen wäre, einzelnen Mitarbeitern eine über 7,5% hinausgehende Gehaltserhöhung zu gewähren. Hierzu sei sie aber nicht verpflichtet gewesen.
aa) Stellt man – wie dies das Landesarbeitsgericht tut – allein auf die Anrechnung der neu eingeführten Betriebszugehörigkeitszulage ab und läßt die gleichzeitig in Kraft getretene lineare Tariflohnerhöhung außer Betracht, liegt allerdings eine volle und gleichmäßige Anrechnung vor, die andere Regelungsmöglichkeiten entfallen läßt. Diese Betrachtungsweise ist jedoch zu eng.
Die Anrechnung der Zulage kann nicht gewürdigt werden, ohne die gleichzeitige lineare Erhöhung um 7,5 % in die Betrachtung einzubeziehen. Die Beklagte hat diese an den Kläger und die anderen Mitarbeiter weitergegeben und sogar die übertarifliche Zulage um 7.5 % erhöht. Zwischen beiden Entscheidungen besteht ein innerer Zusammenhang. Die Betriebszugehörigkeitszulage ist nämlich nicht als Sonderzuwendung für spezielle Leistungen ausgestaltet, sondern dient nach dem zu beurteilenden Vergütungssystem ganz allgemein der Vergütung der vom Arbeitnehmer geleisteten Dienste. Die Einführung der Zulage ist deshalb nur als spezielle Erhöhung der tariflichen Vergütung für die Vergütungsgruppen 8 und 9 zu werten. Die Situation ist nicht anders, als wenn der Tariflohn in einzelnen Gehaltsgruppen nach unterschiedlichen Prozentsätzen angehoben wird. Der Arbeitgeber hat dann die Entscheidung zu treffen, wie er diese unterschiedliche Tariflohnerhöhung unter Berücksichtigung des im Betrieb praktizierten Zulagensystems umsetzt. Gerade bei einer solchen Fallgestaltung kommt dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit, der ein entscheidendes Motiv des dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eingeräumten Mitbestimmungsrechts ist, besonderes Gewicht zu.
Betrachtet man die lineare Tariflohnerhöhung um 7, 5 % und die durch die Betriebszugehörigkeitszulage bewirkte Steigerung als einheitlichen Vorgang, liegt eine vollständige und gleichmäßige Anrechnung nicht vor. Der Arbeitgeber hat in den Vergütungsgruppen 8 und 9 die lineare Erhöhung um 7,5 % voll weitergegeben, auch die Zulage um diesen Prozentsatz erhöht und erst auf den erhöhten Betrag die Zulage angerechnet. Dies bedeutet im Ergebnis nur eine teilweise Anrechnung.
Mitbestimmungsfrei wäre diese Maßnahme allerdings, wenn die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Zulage nicht nur ungekürzt weiterzuzahlen, sondern sie auch um den Prozentsatz der Tariflohnerhöhung zu erhöhen. Dann hätte sie nämlich keinen anderen Regelungsspielraum gehabt. Der Regelungsspielraum ist aber nicht erschöpft, wenn der Arbeitgeber vor der Anrechnung die übertarifliche Leistung erhöht, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein (vgl. auch Senatsurteil vom 11. August 1992 – 1 AZR 279/90 – AP Nr. 53 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Senatsbeschluß vom 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 36). Das insoweit aufgewandte Lohnvolumen könnte dann nämlich auch in anderer Weise verteilt werden – hier z.B. durch eine nur teilweise Anrechnung. Bei dieser Verteilungsentscheidung hat der Betriebsrat mitzubestimmen.
II. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Der Senat kann aufgrund des festgestellten Sachverhaltes in der Sache selbst entscheiden, so daß es einer Zurückverweisung nicht bedarf.
1. Eine Verpflichtung der Beklagten zur einseitigen Weitergabe der 7.5 % Tariflohnerhöhung bestand jedenfalls für die übertarifliche Zulage nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zwar offengelassen, ob sich eine solche Verpflichtung aus einer betrieblichen Übung ergibt. Beide Parteien gehen aber übereinstimmend davon aus, daß dies gerade nicht der Fall ist. Der Kläger trägt dem Rechnung, in dem er nur die Weiterzahlung der bis zum 1. April 1991 gezahlten Zulage begehrt (643,– DM statt 691,– DM), die spätere Erhöhung also von dem eingeklagten Fehlbetrag abzieht. Die Beklagte ist gleichfalls der Auffassung, daß die volle Weitergabe der Tariflohnerhöhung freiwillig erfolgt ist und nicht aufgrund einer sie rechtlich bindenden betrieblichen Übung, die sie gerade hinsichtlich der Erhöhung der Zulage in Abrede stellt.
War die Beklagte aber nicht verpflichtet, die übertarifliche Zulage zu erhöhen, bestand für sie ein anderweitiger Regelungsspielraum hinsichtlich der Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszulage. Sie hätte z.B. auf die Erhöhung der Zulage verzichten können. Das so eingesparte Lohnvolumen wäre dann zur Finanzierung einer differenzierten Anrechnungsentscheidung verfügbar gewesen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats war also nicht ausgeschlossen. Es wurde von der Beklagten verletzt.
2. Die unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Anrechnung (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 170 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu D II der Gründe). Der Kläger hat danach einen Anspruch auf Fortzahlung der Zulage in der vor der Anrechnung gezahlten Höhe von 643,– DM. Die unter Berücksichtigung monatlich gezahlter 214,– DM geltend gemachten 6.405,– DM für die Zeit vom 1. April 1991 bis 30. Juni 1992 sind rechnerisch nicht streitig. Der Leistungsklage war daher im begehrten Umfang stattzugeben.
Zulässig und begründet ist auch die Feststellungsklage. Der Kläger kann die Weiterzahlung der ungekürzten Zulage über den 30. Juni 1992 hinaus verlangen, weil die umstrittene Anrechnung unwirksam ist. Der Senat versteht dabei den Feststellungsantrag dahin, daß mit ihm der Leistungsantrag ergänzt und die bei Schluß der ersten Instanz noch nicht fälligen monatlichen Beträge insoweit erfaßt werden sollten, wie sie sich aus der Unwirksamkeit der streitbefangenen Anrechnung des Jahres 1991 ergeben. Die Feststellung steht also einer künftigen Anrechnung nicht entgegen. Im Streitfall wäre dann allerdings die individualrechtliche Anrechenbarkeit zu prüfen, die von den Parteien unterschiedlich beurteilt wird, im vorliegenden Verfahren aber nicht geklärt werden mußte.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, Bayer, Brunner
Fundstellen