Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Der ausbildende Arbeitgeber in der rheinland-pfälzischen Metall- und Elektroindustrie ist nach der Nummer 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz vom 11. März 1994 lediglich verpflichtet, dem Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anzubieten, sofern kein tariflicher Ausnahmetatbestand gegeben ist.
2. Die Tarifbestimmungen sehen nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ohne entsprechenden Vertrag vor.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Der Kläger wurde von der Beklagten in der Zeit vom 1. August 1991 bis 31. Januar 1995 zum Industriemechaniker in Maschinen- und Systemtechnik ausgebildet. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien fand die Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz vom 11. März 1994 kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. In deren Nummer 3 ist folgendes bestimmt:
"3. Übernahme von Auszubildenden
3.1 Auszubildende werden im Grundsatz nach er-
folgreich bestandener Abschlußprüfung für
mindestens sechs Monate in ein Arbeitsver-
hältnis übernommen, soweit dem nicht perso-
nenbedingte Gründe entgegenstehen.
Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe
der Gründe zu unterrichten.
3.2 Mit Zustimmung des Betriebsrates kann von
der Verpflichtung nach Absatz 3.1 abgewi-
chen werden, wenn das Angebot eines Ar-
beitsverhältnisses wegen akuter Beschäfti-
gungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist
oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus
Ausbildungsverträge abgeschlossen hat."
Nachdem der Kläger am 25. Januar 1995 die Abschlußprüfung bestanden hatte, lehnte die Beklagte es ab, den Kläger im Anschluß an sein Berufsausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, gemäß Nummer 3 der Tarifvereinbarung sei auch ohne entsprechenden Vertragsabschluß ein Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Juli 1995 entstanden. Gründe, die die Beklagte berechtigen könnten, ihn nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, lägen nicht vor.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem
1. Februar 1995 bis zum 31. Juli 1995 ein Ar-
beitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifvereinbarung begründe nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis, sondern lediglich einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages. Im übrigen stehe das Leistungsverhalten des Klägers während seiner Berufsausbildung der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis entgegen; auch sei für ihn kein Arbeitsplatz vorhanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger als Hauptantrag die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Hilfsweise beantragt er erstmals in der Revisionsinstanz die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet war, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag als Industriemechaniker im Vollzeitarbeitsverhältnis mit 36 Stunden pro Woche für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis zum 31. Juli 1995 abzuschließen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageantrag auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil aufgrund der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis entsteht, sondern lediglich ein Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages begründet wird. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrages ist unzulässig, weil es sich insoweit um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung handelt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht nicht abschließend zu der Frage Stellung genommen, ob die automatische Begründung eines Arbeitsverhältnisses überhaupt unter die Normsetzungsgewalt der Tarifvertragsparteien fällt. Denn bereits die Auslegung der Tarifvereinbarung ergibt, daß die Tarifvertragsparteien nur die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluß eines Arbeitsvertrages begründen wollten. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung des Tarifvertrages zutreffend entscheidend darauf abgestellt, daß die Tarifvertragsparteien die Formulierungen "Verpflichtung" und "Angebot eines Arbeitsverhältnisses" gewählt haben.
Gegenüber diesem klaren Wortlaut können die Einwendungen der Revision nicht durchgreifen, die zu Unrecht von einem nicht eindeutigen Wortlaut ausgehen. Insbesondere kann es nicht auf die von der Revision in den Vordergrund gestellte Absicht der Tarifvertragsparteien ankommen, einen effektiven Beschäftigungsschutz zu schaffen. Denn zum einen ist allein maßgeblich, welche Regelungen die Tarifvertragsparteien zur Umsetzung dieser Absicht geschaffen haben; insoweit haben sie sich erkennbar mit der Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs begnügt. Zum anderen wäre eine effektive, sich unmittelbar an das Ende des Berufsausbildungsverhältnisses anschließende Beschäftigungssicherung auch dann nicht gewährleistet, wenn die Tarifvertragsparteien eine automatische Begründung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen hätten. Denn wenn der Arbeitgeber dem nicht durch tatsächliche Beschäftigung des Auszubildenden Folge leistet, etwa weil er sich auf das Vorliegen einer der von den Tarifvertragsparteien vorgesehenen Ausnahmen beruft, könnte der Auszubildende seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung auch erst in einem möglicherweise langwierigen gerichtlichen Verfahren durchsetzen.
2. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Einer der Ausnahmefälle, in denen neue Sachanträge in der Revisionsinstanz zulässig sein könnten (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 74 Rz 27, m.w.N.), liegt nicht vor. Bei der Verpflichtung der Arbeitgeberin zum Abschluß eines Arbeitsvertrages handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand, der nicht auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt oder auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen gestützt werden kann. Das Landesarbeitsgericht hat weder Feststellungen zu der Frage getroffen, ob aufgrund personenbedingter Gründe eine Ausnahme von der Verpflichtung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger gegeben war, noch ist der Sachvortrag der Parteien zu dieser Frage unstreitig.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner Steckhan Schmidt
Günther Metzinger Niehues
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
BAGE, 367 |
BB 1997, 1540 (Kurzwiedergabe) |
BB 1997, 2280 (Leitsatz 1-2) |
DB 1997, 1137 (Kurzwiedergabe) |
DB 1998, 1669 |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 284/97 (Leitsatz 1-2) |
EzB TVG § 4, Nr 43 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ARST 1997, 146 (Kurzwiedergabe) |
ARST 1998, 40-41 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ASP 1997, Nr 7/8, 59 (Kurzwiedergabe) |
FA 1998, 30 |
FA 1998, 30 (Leitsatz 1-2) |
NZA 1998, 50 |
NZA 1998, 50-51 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
RdA 1998, 57 |
RdA 1998, 57 (Leitsatz 1-2) |
SAE 1998, 191 |
AP § 1 TVG, Nr 150 |
AP § 611 BGB, Nr 2 |
AR-Blattei, ES 400 Nr 88 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ArbuR 1997, 497 (Leitsatz 1-2) |
EzA-SD 1997, Nr 11, 3-4 (Kurzwiedergabe) |
EzA-SD 1997, Nr 22, 24 (Leitsatz 1-2) |
EzA § 4 TVG Beschäftigungssicherung, Nr 1 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzA § 4 TVG Metallindustrie, Nr 111 (Leitsatz 1-2) |