Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 03.11.1988; Aktenzeichen 1 Sa 36/87)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 3. November 1988 – 1 Sa 36/87 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Seit der Berufungsinstanz streiten die Parteien nur noch darum, ob den Klägern aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung für die Monate April 1985 bis März 1987 jeweils der der Höhe nach unstreitige Betrag zusteht, der sich aus der im Zuge der Arbeitszeitverkürzung um 3,9 % erfolgten Kürzung der übertariflichen Zulage ergibt.

Die Beklagte ist eine Druckerei mit derzeit 14 gewerblichen Arbeitnehmern und vier Angestellten. Es besteht ein Betriebsrat. Die Kläger bzw. der Erblasser zu 14) sind bzw. waren als gewerbliche Arbeitnehmer seit unterschiedlichen Zeiten bei der Beklagten beschäftigt.

Den Arbeitsverhältnissen liegen die jeweils gültigen Tarifverträge der Druckindustrie für gewerbliche Arbeitnehmer zugrunde. Die Prozeßparteien sind Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Entsprechendes galt für den Erblasser der Kläger zu 14 a und 14 b.

Die mündlichen Arbeitsverträge wurden in der Regel mit etwa folgendem Schreiben bestätigt:

„Hiermit bestätigen wir, Sie mit Wirkung vom … als … eingestellt zu haben. Der vereinbarte Stundenlohn beträgt: Tariflohn Lohngruppe …, übertarifliche Zulage (jederzeit auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar)…, Gesamtstundenlohn …. Sämtliche sich aus Ihrem Arbeitsverhältnis bei uns ergebende Fragen richten sich allein nach dem Manteltarifvertrag für das Graphische Gewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in seiner jeweils gültigen Form …”

Teilweise erhielten die Kläger zusätzlich oder ausschließlich Schreiben, die etwa wie folgt lauteten:

„Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß wir Ihre Bezüge unter Bezugnahme auf den mit Ihnen geschlossenen Einzelarbeitsvertrag ab … wie folgt festsetzen können: Tariflohn …, übertarifliche Zulage (jederzeit auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar) …, Gesamt-Stundenlohn …

Wir verbinden damit die Bitte, weiterhin zur Leistungsfähigkeit unseres Betriebes beizutragen.”

Schließlich erhielten die Kläger bzw. der Erblasser der Kläger zu 14 a und 14 b am 19. Februar 1985 folgende Schreiben:

„Mit Inkrafttreten des Lohnrahmentarifvertrages am 1.10.1984 wurden Sie in die Lohngruppe … eingestuft. Ihr Tariflohn beträgt …% des Facharbeiterecklohnes … (hier ist der Betrag des Stundenlohnes eingetragen), die Erhöhung von DM … wurde auf Ihre übertarifliche Zulage angerechnet. Die neue übertarifliche Zulage beträgt DM … Gesamt-Stundenlohn brutto DM …”

Im Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der ab 6. Juli 1984 geltenden Fassung (MTV) heißt es in § 2 Ziff. 1, 1. Absatz:

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die jeweilig vereinbarte Arbeitszeit den ihm zustehenden Lohn zu bezahlen.”

§ 3 Ziff. 1, 1. Absatz des MTV lautet:

„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Ab 1. April 1985 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden.”

In § 8 Ziff. 2 des MTV heißt es:

„Als Bemessungsgrundlage für die Zuschläge gilt der Stundenlohn. Dieser errechnet sich einheitlich für den gesamten Manteltarifvertrag aus dem vereinbarten Wochenlohn für 40 Stunden (ab 1.4.1985: 38,5 Stunden), das ist der tarifliche Wochenlohn zuzüglich Leistungszulage und sonstiger übertariflicher Bezahlung ohne tarifliche Zuschläge jeder Art sowie ohne etwaige Antrittsgebühr, geteilt durch die betrieblich vereinbarte Wochenarbeitszeit. …”

Der ab 1. Oktober 1984 geltende Lohnrahmentarifvertrag

(LRTV) hat in § 3 Ziff. 1 folgenden Wortlaut:

„Zur Eingruppierung der Arbeitnehmer werden nachstehende Lohngruppen vereinbart. Die Vergütungssätze der einzelnen Lohngruppen werden in einem gesonderten Lohntarifvertrag geregelt.

Lohngruppe I 80,0 % des Facharbeiter-Wochenecklohnes …”

In dem ab 1. April 1986 gültigen Lohnabkommen für die Druckindustrie wird u.a. bestimmt:

„… wird gemäß § 3 Ziffer 1 Satz 2 Lohnrahmentarifvertrag folgender Lohntarifvertrag vereinbart:

1. Mit Wirkung vom 1. April 1986 wird der tarifliche Wochenlohn (Lohngruppe V 100 %) um 4,5 % … erhöht.”

Die Tariflöhne sind wochen- und stundenweise, letztere in Klammern aufgeführt. Weiter heißt es in Ziff. 2 a dieses Lohntarifvertrages:

„Die in Klammern angeführten Stundenlöhne dienen nicht zur Errechnung der Wochenlöhne, sondern nur zur Errechnung der Aufschläge, wenn es sich um Tariflohnempfänger handelt.”

Auch frühere Lohnabkommen sprechen jeweils von tariflichen Wochenlöhnen bzw. Wochenecklöhnen.

Ab 1. April 1985 wurde die wöchentliche Arbeitszeit um 3,9 % verkürzt. Die Kläger haben für die Monate April 1985 bis März 1987 Zahlung der Differenzbeträge begehrt, die sich aus der im Zuge der Arbeitszeitverkürzung um 3,9 % erfolgten Verringerung der übertariflichen Zulage ergeben haben. Die Beträge sind im Sinne der tarifvertraglichen Ausschlußfristen rechtzeitig geltend gemacht worden und der Höhe nach unstreitig.

Dazu haben die Kläger vorgetragen, eine Anrechnung der übertariflichen Zulage auf den Lohnausgleich infolge Arbeitszeitverkürzung sei der Beklagten nicht gestattet. Die übertarifliche Zulage sei eine Leistungszulage, auch wenn die Beklagte in dem Bestätigungsschreiben von den zwischen den Parteien mündlich getroffenen Arbeitsbedingungen insoweit abgerückt sei, als darin von „übertariflicher Zulage” die Rede sei. Zuvor sei nämlich eine Vergütung nach dem Lohnabkommen angeboten und die erhöhte Entlohnung als Anreiz für eine gesteigerte Leistungsbereitschaft zu verstehen gewesen. Aufgrund der hier getroffenen Vereinbarung eines tariflichen Wochenlohnes spreche zudem eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dies auch für die übertarifliche Zulage gelte. Nicht nur nach den tarifvertraglichen Regelungen, sondern auch nach den zwischen den Parteien getroffenen einzelvertraglichen Vereinbarungen sei ein Wochenlohn zugrunde zu legen. Die tarifliche Regelung, wonach „grundsätzlich die Entlohnung nach Zeitlohn erfolgt”, sei der Ausdruck dafür, daß die Tarifvertragsparteien weder Stücklohn noch Akkordlohn noch Prämien vereinbaren wollten. Im übrigen ergebe das gesamte Tarifgefüge, daß die Tarifvertragsparteien Wochenlohn und nicht Stundenlohn für die tarifliche Arbeitszeit hätten zugrundelegen wollen und die Stundenlöhne lediglich eine besondere Bezugsgröße hätten darstellen sollen. Daher sei auch keine „Stundenzulage” vereinbart worden. Lohnmitteilungen und Abrechnungen, in denen die übertariflichen Zulagen nach Stunden aufgeschlüsselt sind, könnten nicht als Beweis für die Vereinbarung einer Stundenzulage dienen, sofern in den Mitteilungen auch die Tariflöhne im Stundensatz angegeben seien.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1.DM

5.693,37 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.405,97

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.287,40

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 2.

DM 3.527,94 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.071,73

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 1.456,21

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 3.

DM 6.220,85 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobettrag von

DM 2.338,09

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.882,76

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 4.

DM 3.148,70 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.055,72

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 1.092,98

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 5.

DM 5.335,65 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.240,22

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.095,43

seit dem 1.4.1987, an den Kläger zu 8.

DM 6.057,85 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.428,64

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.629,21

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 9.

DM 5.583,97 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.202,48

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.381,49

seit dem 1.4.1987,

an den Kläger zu 10.nebst 4 % Zinsen auf den

DM 6.056,23 brutto

Bruttobetrag von

DM 2.277,11

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.779,12

an den Kläger zu 11.

DM 4.848,01 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.029,53

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 2.818,48

seit dem 1.4.1987, an den Kläger zu 12.

DM 5.714,94 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.111,41

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.603,53

seit dem 1.4.1987, an den Kläger zu 13.

DM 5.790,62 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.519,49

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.271,13

seit dem 1.4.1987,

an die Kläger zu 14. a) und 14. b)

DM 1.533,95 brutto

nebst 4 % Zinsen seit dem 1.4.1986,

an den Kläger zu 15.

DM 5.693,37 brutto

nebst 4 % Zinsen auf den Bruttobetrag von

DM 2.405,97

seit dem 1.4.1986 sowie auf den Bruttobetrag von

DM 3.287,40

seit dem 1.4.1987

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die von ihr vorgenommenen Lohnkürzungen seien rechtmäßig. Die tarifliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit sei ohne eine Vereinbarung eines vollen Lohnausgleichs erfolgt, die Beibehaltung des tariflichen Wochenlohns sei die einzige „Lohngarantie”. Unzutreffend sei, daß der Lohnbezugszeitraum der Wochenlohn gewesen sei bzw. sei. Dagegen sprächen § 2 Ziff. 1 und Ziff. 4 a des LRTV vom 1. Oktober 1984. Das Lohnabkommen für die Druckindustrie lege den tariflichen Wochenlohn für die einzelnen Lohngruppen fest, und der Tariflohn werde pro Stunde (in Klammern) ausgewiesen. Dadurch hätten die Tarifvertragsparteien klarstellen wollen, daß die Basis der Lohnabkommen der Wochenlohn sei. Es sollten Rechnungsdifferenzen bei den Stellen hinter dem Komma vermieden werden. Die letztgenannte Bestimmung spreche ausdrücklich von Tariflohnempfängern, womit der Grundsatz noch einmal herausgestellt werde, daß Tarifverträge ihre Aussage auf tarifliche Bestimmungen beschränken müßten. Auch aus den §§ 8 Ziff. 2, 9 Ziff. 1 und 10 MTV sowie aus den Anhängen zum MTV (z.B. unter A II D Ziff. 8, 9) ergebe sich, daß Berechnungsgrundlage jeweils der Stundenlohn sei. Im übrigen sei es branchenüblich, daß Vertragsgrundlage für die Vereinbarung des Entgelts überwiegend der Stundenlohn sei. Da die Kläger somit neben dem Tarifvertrag eine übertarifliche Zulage pro Stunde erhielten, müßten sie hinnehmen, daß ohne eine entsprechende Vereinbarung die übertarifliche Zulage für 1 1/2 Stunden wegen der Verkürzung der Arbeitszeit nicht gezahlt werde. Aus der vertraglichen Vereinbarung eines Stundenlohns ergebe sich im Zusammenhang mit der Arbeitszeitverkürzung für den übertariflichen Anteil am Stundenlohn eine Kürzungsmöglichkeit. Die Kläger könnten nicht nachweisen, daß es sich bei dem übertariflichen Lohnanteil um eine Leistungszulage oder um eine zum jeweiligen Tariflohn zu zahlende übertarifliche Zulage handele.

Ursprünglich begehrten die Kläger für die Monate April 1985 bis März 1987 Zahlung der Differenzbeträge, die sich aus der im Zuge der Arbeitszeitverkürzung um 3,9 % erfolgten und im Zusammenhang mit der Anrechnung der jeweiligen Tariflohnerhöhungen zum 1. April 1985 um 2 % bzw. zum 1. April 1986 um 4,5 % erfolgten Kürzung der übertariflichen Zulage ergeben haben. Das Arbeitsgericht hat den Klagen insoweit stattgegeben, als die Kläger mit ihnen die Zahlung der von der Beklagten infolge der neuen tariflich verkürzten Arbeitszeit nicht ausbezahlten übertariflichen Lohnansprüche geltend gemacht haben. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klagen abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit die Beklagte zur Zahlung der Differenzbeträge an die Kläger zu 1) bis 5) und 8) bis 15) verurteilt wurde, zurückgewiesen. Die Witwe des Klägers zu 6) und der Kläger zu 7) sind nicht mehr am Rechtsstreit beteiligt.

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung in vollem Umfange weiter; die Kläger beantragen Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Der Revision war stattzugeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte der Klage in dem in der Revisionsinstanz noch streitbefangenen Umfang nicht stattgegeben werden.

Die Parteien streiten nur noch darum, ob den Klägern die übertarifliche jederzeit auf Tariflohnerhöhungen anrechenbare

Zulage auch nach der ab 1. April 1985 erfolgten Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 38,5 Wochenstunden in der bisherigen auf die Woche bezogenen Höhe zusteht oder nicht. Nur für den aus dem Rechtsstreit inzwischen ausgeschiedenen Kläger zu 7) konnte das Landesarbeitsgericht davon ausgehen, daß dem damaligen Kläger der bisherige Gesamtlohn in voller Höhe weiter zustand, da es festgestellt hatte, daß ihm unstreitig aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 26. Februar 1957 ein Monatsgehalt zu zahlen war. Demgemäß wurde insoweit auch die Revision von der Beklagten zurückgenommen. Für die anderen Kläger liegt jedoch eine solche Vereinbarung über die Vergütung in Form eines Monatsgehaltes nicht vor. Das Landesarbeitsgericht stellt vielmehr fest, daß die Löhne mündlich vereinbart worden sind und nur für einen Teil der Kläger schriftliche Bestätigungen über diese Vereinbarung vorliegen, wonach die Löhne jeweils als vereinbarte Stundenlöhne bestätigt worden sind, die als Gesamtstundenlohn ausgewiesen worden sind und sich zusammensetzten aus dem Tariflohn für eine Stunde und einer ebenfalls auf die Stunde bezogenen tariflichen Zulage, die jederzeit auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar sein sollte. Für diese Kläger zu 1) bis 5) und 8) bis 15) läßt aber das Landesarbeitsgericht ausdrücklich dahingestellt, ob die mit der Beklagten vereinbarte Zahlung der sogenannten übertariflichen Zulage eine Entlohnung für Stundenarbeitsleistung darstellen sollte. Es begründet dies damit, daß die dieser Individualabrede vorrangigen tariflichen Regelungen der Druckindustrie für gewerbliche Arbeitnehmer den Tariflohn jeweils bezogen auf die Wochenarbeitsleistung festlegten. Es meint dann weiter, daß, solange die Tarifvertragsparteien wie hier für den Bereich der Druckindustrie hinsichtlich der Entlohnung an die Wochenarbeitszeit anknüpften, auch die überobligatorischen Lohnzahlungen der Arbeitgeber nicht entsprechend der Verringerung der wöchentlichen Arbeitsstunden anteilig gemindert werden könnten, wenn sie sich als Teil des Tariflohnes darstellten. Damit hat aber das Landesarbeitsgericht nicht auf die hier allein streitentscheidende Frage der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eines übertariflichen Wochenlohnes oder einer übertariflichen Stundenlohnvereinbarung abgestellt, sondern geht davon aus, daß aus Rechtsgründen übertarifliche Zulagen „Teil des Tariflohnes darstellen” und „dieser Individualabrede vorrangigen tarifvertraglichen Regelungen der Druckindustrie” folgen müßten.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die tarifvertragliche Ausgestaltung des Tariflohnes als Wochenlohn ist nicht maßgeblich dafür, ob Grundlage der übertariflichen Zulage der Stunden- oder der Wochenlohn ist. Das richtet sich vielmehr allein, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nach den Einzelarbeitsverträgen. Maßgeblich ist deshalb die Auslegung der einzelvertraglichen Abreden, die vom Landesarbeitsgericht noch vorgenommen werden muß.

Dabei haben die Vorinstanzen durchaus zutreffend erkannt, daß auch die Tariflohnerhöhung um 3,9 % aus Anlaß der Arbeitszeitverkürzung eine auf übertarifliche Zulagen anrechenbare Tariflohnerhöhung ist (vgl. BAGE 55, 322 = AP Nr. 58 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG Urteil vom 16. September 1987 – 4 AZR 265/87 – AP Nr. 15 zu § 4 TVG Effektivklausel, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, und ständig vgl. die nicht veröffentlichten Urteile vom 16. September 1987 – 4 AZR 206/87 –, – 4 AZR 329 bis 331/87 –, vom 28. Oktober 1987 – 4 AZR 242/87 –, – 4 AZR 372/87 –, – 4 AZR 477/87 –, – 4 AZR 523/87 –, – 4 AZR 524/87 –, vom 24. Februar 1988 – 4 AZR 565/87 –, – 4 AZR 574/87 –, – 4 AZR 575/84 –, – 4 AZR 582/87 –). Insbesondere gehen auch die Vorinstanzen dazu zutreffend davon aus, daß mit Bezug auf diese Rechtsprechung eine solche Anrechnung automatisch erfolgen kann und diese nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und auch nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. Demgemäß wurde zutreffend bereits vom Arbeitsgericht die Lohnerhöhung in Höhe von 2 %, die nicht zum Ausgleich der Verkürzung der Wochenarbeitszeit gewährt worden ist, auf die übertariflichen Lohnteile angerechnet.

Ob eine sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebende indirekte Lohnerhöhung auf den übertariflichen Lohnteil anrechenbar ist, richtet sich allein danach, ob der übertarifliche Lohnanteil für einen Wochenzeitabschnitt vereinbart worden ist oder nur pro Stunde festgelegt wurde. Wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 28. Oktober 1987 (– 4 AZR 523/87 – und – 4 AZR 524/87 –) ausgeführt hat, führt die Vereinbarung eines Lohnes für einen bestimmten Zeitabschnitt dazu, daß eine Arbeitszeitverkürzung die effektive Lohnhöhe trotz kürzerer Arbeitszeit unberührt läßt. Während bei einem Stundenlohn der bisherige übertarifliche Lohnteil des Klägers in voller Höhe erhalten bleibt, müßte er bei einem Wochenlohn entsprechend gekürzt werden. Dazu ist mit dem Arbeitsgericht auf das Urteil des BAG vom 23. Juni 1965 (BAGE 17, 204 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Wochenlohn) zu verweisen. Zu dieser streitentscheidenden Frage hat das Landesarbeitsgericht im Gegensatz zum Arbeitsgericht keinerlei Feststellungen getroffen, sondern glaubt zu Unrecht, daß es diese Frage dahingestellt lassen könnte. Wenn nach den einzelnen vorliegenden Bestätigungsschreiben ein übertariflicher Lohn als Gesamtlohn vereinbart worden ist und dieser Gesamtlohn nur als Stundenlohn ausgewiesen worden ist, könnte das bedeuten, daß, wie die Beklagte meint, dieser übertarifliche Lohn nur stundenbezogen gewährt werden sollte. Daß der tarifliche Wochenlohn dabei jemals unterschritten worden sei, ist von den Klägern selbst nicht behauptet worden. Eine solche Stundenlohnvereinbarung würde aber zur Anrechnung führen, da anderenfalls auch die übertarifliche Zulage zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung um 3,9 % jeweils erhöht werden müßte.

Man kann aber auch mit den Klägern und dem Arbeitsgericht aus der jahrzehntelangen Praxis in der Druckindustrie nach den Umständen des Einzelfalles zu dem Ergebnis kommen, daß mit den Klägern ein wöchentlicher Lohn vereinbart werden sollte und er nur zur Berechnung stundenweise ausgewiesen worden ist. Dann würde sich die Festlegung eines Stundenlohnes nur auf die Berechnung von Aufschlägen beziehen, wie das unter Ziffer 2 des ab 1. April 1986 gültigen Lohnabkommens vom 16. Mai 1986 festgelegt worden ist. Dafür kann auch sprechen, daß in den Bestätigungsschreiben jeweils der tarifliche Stundenlohn angegeben ist, obwohl er nur eine Berechnungsgrundlage darstellt und für den Tariflohn der Wochenlohn maßgeblich ist.

Da aber allein aus der Tatsache, daß der Tariflohn ein Wochenlohn ist, nicht darauf geschlossen werden kann, daß auch der übertarifliche Lohn ein Wochenlohn sein muß, sondern durchaus ein Stundenlohn sein kann, muß nach den Umständen der ohnehin zum größten Teil nur mündlichen Vereinbarungen festgestellt werden, ob ein übertariflicher Wochenlohn oder ein übertariflicher Stundenlohn gezahlt werden sollte. Dafür können die Vertragsverhandlungen, die Lohnabrechnungen, die Art der Lohnzahlung und sonstige Umstände maßgeblich sein, die die Parteien auch noch in der Tatsacheninstanz vortragen können.

Der Rechtsstreit war deshalb zur Klärung der Frage, ob die einzelvertragliche Abrede auf den Wochenlohn abstellt oder ob es sich um eine übertarifliche Stundenlohnvereinbarung handelt, an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ggf. wird bei Verurteilung der Beklagten zu berücksichtigen sein, daß Zinsen den Klägern nur aus den den zuerkannten Bruttobeträgen entsprechenden Nettobeträgen zustehen (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II und seither ständig). Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision mit zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Wiese, Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073438

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