Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalrabatt aufgrund Gesamtzusage
Leitsatz (amtlich)
- Hat der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Personalrabatt zugesagt, ohne sich den Widerruf vorzubehalten, so kann er die Vergünstigung nicht mit der Begründung einstellen, die Gewährung freiwilliger Leistungen liege in seinem billigen Ermessen.
- Auch die – pauschale – Behauptung, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens habe die Senkung der Personalkosten notwendig gemacht, rechtfertigt den Widerruf einer vorbehaltlos erteilten Zusage nicht.
Normenkette
BGB §§ 611, 133
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 23.11.1993; Aktenzeichen 16 Sa 1291/93) |
ArbG Duisburg (Urteil vom 29.07.1993; Aktenzeichen 2 (1) Ca 1171/93) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. November 1993 – 16 Sa 1291/93 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Weitergewährung von Personalrabatten.
Die Klägerin ist gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 10./12. Januar 1984 seit dem 1. März 1984 als Verkäuferin im plaza-SB-Warenhaus in D… beschäftigt. Die plaza-SB-Warenhauskette gehörte seinerzeit zur co…op-AG. In dem Arbeitsvertrag heißt es:
- “…
- Auf diesen Vertrag finden die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen, die Betriebsordnung sowie die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung. Gleiches gilt, soweit Tarifbindung besteht, für die jeweils geltenden Tarifverträge.
- …
- Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Nebenabsprachen sind unwirksam.”
Die Mitarbeiter erhielten aufgrund eines Schreibens der Geschäftsleitung vom 28. Mai 1979 auf bestimmte Artikel Personalrabatt in Höhe von 10 %. In diesem Schreiben hatte sich die Geschäftsleitung vorbehalten, die Rabattgewährung jederzeit abzuändern oder einzustellen.
Am 31. Januar 1984 erließ die Geschäftsleitung des plaza-SB-Warenhauses D… eine Betriebsordnung, in der es heißt:
Zum Abschluß einer Sondervereinbarung ist es nicht gekommen.
Am 17. November 1986 gab die co…op-AG Frankfurt/Main eine schriftliche “Information zum Mitarbeiterrabatt” heraus, die auszugsweise wie folgt lautet:
“Mitarbeiter der co…op…AG konnten bisher bei Einkäufen von Non Food Artikeln in den plaza SB-Warenhäusern sowie in den Baumärkten und in den Sportfachgeschäften Bienefeld einen Mitarbeiterrabatt in Höhe von 10 Prozent erhalten.
Alle Mitarbeiter folgender Unternehmen erhalten ab sofort den erweiterten Mitarbeiterrabatt:
Die Klägerin nahm seit Beginn ihrer Tätigkeit den zehnprozentigen Personalrabatt in Anspruch, der allen dort tätigen Arbeitnehmern gewährt wurde.
Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten des co…op Konzerns übernahm die Beklagte etwa 1990/91 u. a. das plaza-SB-Warenhaus D….
Durch Mitarbeiterinformation vom 2. April 1992 teilte die Beklagte mit, sie habe sich “entschlossen, den bisher für Einkäufe von Non-Food-Artikeln gewährten pauschalen Personalrabatt mit Wirkung ab 6. April 1992 aufzuheben”. Mit Schreiben vom 9. April 1992 stellte sie diese Maßnahme vorerst zurück. Mit Rundschreiben vom 14. Dezember 1992 teilte sie mit, daß der Personalrabatt am 31. Dezember 1992 auslaufe. Seit Januar 1993 gewährt sie keinen Personalrabatt mehr.
In den Monaten Januar bis März 1993 kaufte die Klägerin Waren bei der Beklagten, für die früher Personalrabatt gewährt worden war. Der Kaufpreis betrug insgesamt 498,00 DM. Sie begehrt von der Beklagten den bisher gewährten Personalrabatt in Höhe von 10 % des Verkaufspreises.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Durch die Gewährung des Personalrabatts seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses sei eine betriebliche Übung entstanden; die Rabattgewährung sei Bestandteil ihres Arbeitsvertrages geworden. Die Beklagte könne die Vergünstigung nicht einseitig widerrufen, sondern allenfalls durch Änderungskündigung beseitigen. Die Beklagte habe sich auch nicht vorbehalten, den in der Betriebsordnung geregelten Personalrabatt zu widerrufen. Die Berufung der Beklagten auf wirtschaftliche Notwendigkeiten sei unsubstantiiert. Die Beklagte befinde sich auch nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Überdies ergebe sich ihr Anspruch aus der “Information zum Mitarbeiterrabatt” vom 17. November 1986.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 49,80 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Sie habe die Gewährung des Personalrabatts rechtswirksam widerrufen, da es sich hierbei um eine freiwillige Leistung gehandelt habe. Grundsätzlich stehe es im freien Belieben des Arbeitgebers, freiwillige Leistungen einzustellen und zu widerrufen. Hier sei die Gewährung nach Ziffer 10.1 der Betriebsordnung vom 31. Januar 1984 “von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens” abhängig gewesen. Darauf habe sie ihren Widerruf gestützt. Der co…op-Konzern sei im Übermaß verschuldet gewesen und habe lebensfähige Teile veräußern müssen. In diesem Rahmen habe sie, die Beklagte, die plaza-SB-Warenhäuser übernommen. Diese hätten jedoch mit erheblichem Aufwand saniert werden müssen. Das sei umso dringlicher gewesen, als kurze Zeit nach Übernahme ein Konjunktureinbruch erfolgt sei, der gerade den Einzelhandel besonders getroffen habe. Daher hätten die bei den plaza-Häusern überdurchschnittlich hohen Personalkosten reduziert werden müssen. Dem habe sie durch Streichung von Sonderleistungen, u. a. beim Personalrabatt, Rechnung getragen. Eine Gesamtzusage liege nicht vor. Denn die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, daß eine Leistung auf Dauer gewährt werden solle.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Weitergewährung des Personalrabatts in Höhe von 10 % zuerkannt. Allerdings ergibt sich dieser Anspruch nicht aus betrieblicher Übung, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, sondern aus dem Schreiben der co…op-AG vom 17. November 1986. Die Annahme des darin liegenden Angebots brauchte nicht ausdrücklich erklärt zu werden (§ 151 BGB).
Da es sich um eine typische Erklärung handelt, kann sie vom Revisionsgericht voll nachgeprüft werden (ständige Rechtsprechung, z. B. BAG Urteil vom 1. März 1972 – 4 AZR 200/71 – AP Nr. 11 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
1. Empfänger dieser Erklärung waren alle Arbeitnehmer der co…op-AG und deren Tochterunternehmen, zu denen auch die Klägerin gehörte, sowie die Arbeitnehmer weiterer drei Konzerngesellschaften. Letztere sollten – wie bisher schon die Arbeitnehmer der co…op-AG – den zehnprozentigen Personalrabatt erstmals erhalten, und zwar in allen dort namentlich aufgeführten Warenhäusern, Märkten und Geschäften. Für die bisher schon anspruchsberechtigten Arbeitnehmer der co…op-AG wurde der Personalrabatt auf Einkäufe in Geschäften anderer konzernangehöriger Gesellschaften erweitert.
2. Die Auslegung nach den Maßstäben des § 133 BGB (BAG Urteil vom 2. März 1973 – 3 AZR 325/72 – AP Nr. 36 zu § 133 BGB) ergibt, daß es sich trotz der Bezeichnung als “Information” um eine rechtsgeschäftliche Erklärung handelt. Einschränkungen oder Vorbehalte enthält die Erklärung nicht. Widerrufsvorbehalte müssen aber – wie für die betriebliche Übung seit langem anerkannt ist (BAGE 23, 213, 221 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; Urteil des Senats vom 20. März 1985 – 5 AZR 50/84 – DB 1985, 1482; BAGE 40, 126, 134 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 1b der Gründe) – unmißverständlich kundgetan werden. Das Schreiben vom 17. November 1986 enthält keinerlei Hinweise darauf, daß die Gewährung des Personalrabatts von der wirtschaftlichen Lage abhängig sein soll. Daraus ergibt sich: Den bislang nicht anspruchsberechtigten Arbeitnehmern der anderen Konzerngesellschaften wurde damit ein unbedingter Anspruch auf Gewährung des 10 %-igen Personalrabatts eingeräumt. Ein gleicher Anspruch wurde auch den schon früher anspruchsberechtigten Arbeitnehmern der co…op-AG zuerkannt.
3. Die Revision vertritt die Ansicht, Anspruchsgrundlage für die Gewährung des Personalrabatts an die Klägerin seien weiterhin die Schreiben der plaza-Handelsgesellschaft vom 28. Mai 1979 und die Betriebsordnung vom 31. Januar 1984 gewesen, die durch das Schreiben vom 17. November 1986 nur modifiziert worden seien. Der Widerrufsvorbehalt habe danach weiterbestanden und sei wirksam ausgeübt worden. Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden: Es handelt sich um ein Schreiben der Konzernmuttergesellschaft und nicht der Geschäftsleitung des örtlichen Warenhauses, von der die Betriebsordnung vom 31. Januar 1984 stammte. Der Personalrabatt sollte auf die Arbeitnehmer anderer weiterer Konzerngesellschaften und auf Einkäufe bei anderen Konzerngesellschaften ausgeweitet werden. Der Personalrabatt sollte aber auch – für die Arbeitnehmer der verschiedenen Konzerngesellschaften erkennbar – auf eine konzernweit einheitliche neue Rechtsgrundlage gestellt werden. Das Schreiben erwähnt zwar die bisherige Praxis, nicht aber die bisherigen Rechtsgrundlagen für die Gewährung des Personalrabatts in den einzelnen Märkten und Geschäften. Diese sollten in Zukunft keine Bedeutung mehr haben. Die Auslegung der Beklagten würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, daß den Arbeitnehmern der anderen neu in die Rabattgewährung einbezogenen Konzerngesellschaften ein unbedingter Anspruch auf Gewährung des Personalrabatts, den Arbeitnehmern der Muttergesellschaft aber nur ein Anspruch unter Vorbehalt eingeräumt worden wäre. Für eine derart unterschiedliche Behandlung fehlt jeder Anhalt.
4. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht die Schriftformklausel der Ziff. 15 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 10./ 12. Januar 1984 nicht entgegen.
Die Parteien können bei einer Vertragsänderung zugleich den Schriftformzwang aufheben. Die Aufhebung braucht nicht ausdrücklich zu geschehen; es genügt auch eine stillschweigende Einigung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist nicht erforderlich, daß die abändernde Vereinbarung mit dem ausdrücklichen Willen getroffen wird, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten. Es reicht vielmehr aus, daß die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben (BAG Urteil vom 4. Juni 1963 – 5 AZR 16/63 – AP Nr. 1 zu § 127 BGB; Urteil vom 10. Januar 1989 – 3 AZR 460/87 – AP Nr. 57 zu § 74 HGB; BGH Urteil vom 2. Juli 1975 – VIII ZR 223/73 – DB 1975, 1648).
Das ist hier der Fall. Der Personalrabatt ist ständig gewährt worden. Die Konzernmuttergesellschaft wollte die Maßgeblichkeit ihres Schreibens vom 17. November 1986 nicht von der Einhaltung der in den örtlichen Märkten vereinbarten Schriftformklauseln abhängig machen.
5. Im übrigen könnte die Beklagte den Widerruf auch nicht auf die Betriebsordnung vom 31. Januar 1984 stützen. Das hat das Landesarbeitsgericht in seiner Hilfsbegründung richtig erkannt.
Diese Betriebsordnung ist dahin auszulegen, daß dem Arbeitgeber zwar ein Widerrufsrecht nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) zustehen soll, jedoch begrenzt auf Gründe wirtschaftlicher Art (“wirtschaftliche Situation des Unternehmens”).
Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe durch Streichung des Personalrabatts Personalkosten sparen wollen. Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar. Ohne genaue Angaben läßt sich nicht erkennen, ob und ggf. welche Kosten sich durch den Wegfall des Rabatts einsparen lassen. Die Einräumung eines Personalrabatts kann für den Arbeitgeber sogar von Vorteil sein, wenn er dadurch einen Umsatz erzielt, den er sonst nicht erzielen würde.
Unterschriften
Griebeling, Dr. Kalb, Schliemann, Reinecke, Kreienbaum
Fundstellen
Haufe-Index 870840 |
BB 1995, 2171 |
NJW 1996, 75 |
NZA 1995, 1194 |