Normenkette

GG Art. 9 Arbeitskampf; BGB § 626; BetrVG 1972 §§ 106-108, 111-112; ZPO §§ 288, 290, 565

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 08.12.1978; Aktenzeichen 5 Sa 1195/78)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 8. Dezember 1978 – 5 Sa 1195/78 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Kläger bekämpfen mit der vorliegenden Klage fristlose Kündigungen, die die Beklagte ihnen gegenüber mit Schreiben vom 13. März 1975 im Zusammenhang mit einer von der Belegschaft ihres Betriebes durchgeführten Arbeitsniederlegung ausgesprochen hat.

Die Beklagte betreibt in E… ein Portland-Zementwerk. Zu Beginn des Jahres 1975 beschäftigte sie dort 151 Arbeitnehmer, darunter auch die Kläger. Die Belegschaft hatte einen Betriebsrat gewählt.

Bis zum Jahre 1973 waren in dem Zementwerk der Beklagten ein großer Brennofen mit einer Tageskapazität von etwa 800 Tonnen und zwei kleinere Brennöfen mit einer Tageskapazität von je etwa 400 Tonnen in Betrieb. Ende 1973/Anfang 1974 wurde ein kleinerer Brennofen stillgelegt. Im November 1974 folgte schließlich auch die Stillegung des zweiten kleineren Brennofens. Im Zusammenhang damit wurde im November 1974 das bisherige Dreischichtensystem im Betriebe der Beklagten auf ein Vierschichtensystem umgestellt, wodurch ein Abbau der bis dahin laufend geleisteten erheblichen Überstunden erreicht werden sollte.

Unter dem 7. Januar 1975 teilte die Geschäftsleitung der Beklagten dem Betriebsrat mit, “in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere im Zementabsatz und eines möglichen Wintereinbruchs” sei es notwendig, zunächst für die Betriebsabteilungen Packerei und Zementmühle für die Monate Februar und März 1975 Kurzarbeit anzumelden, und bat den Betriebsrat um Zustimmung. Betroffen von der vorgesehenen Kurzarbeit waren insgesamt 23 Arbeitnehmer, und zwar 17 Arbeitnehmer in der Packerei und sechs Arbeitnehmer in der Zementmühle. Nach Darstellung der Beklagten war damals nur für den Fall eines starken Wintereinbruchs an die Einführung von Kurzarbeit gedacht, wobei man die Zustimmung des Betriebsrats lediglich vorsorglich habe einholen wollen, um bei einem Wintereinbruch ohne Verzögerung zur Kurzarbeit übergehen zu können.

Am 21. Januar 1975 fand zunächst ein Informationsgespräch zwischen dem Betriebsrat und Vertretern der Beklagten statt. Die Unterredung blieb jedoch ohne Ergebnis. Auch in einer Betriebsratssitzung vom 28. Januar 1975 wurde die Frage der Kurzarbeit erneut mit Angehörigen der Geschäftsleitung ergebnislos erörtert. In dem Protokoll über diese Betriebsratssitzung wurde der Verlauf der Erörterungen wie folgt dargestellt:

“Punkt 2)

– Kurzarbeit –

Der Betriebsrat der Firma S… & Söhne stellte den Antrag an die Betriebsleitung, wie die Kurzarbeit vonstatten gehen soll. Die Geschäftsleitung konnte uns keine konkreten Angaben machen, weil sie zu folgenden Punkten weder dem Betriebsrat noch dem Wirtschaftsausschuß gegenüber Stellung nehmen konnte:

1) Beginn und voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit

2) Zahl der betroffenen Belegschaftsmitglieder

3) Einschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit

4) Höhe der Einsparung der Personalkosten

5) Versand und Produktion von 1974 zu 1973 – monatlich –

6) Errechnung des Rückgangs in Tonnen von 1974 zu 1973 – monatlich –

7) Lagerbestände in Tonnen von 1974 zu 1973 – monatlich –

8) Versandzahl

9) Personalkosten der Angestellten und Arbeiter in DM und %

10) Beschäftigte der Firma S… & Söhne

11) Umsatzerlöse

12) Hilfs-, Roh- und Energiekosten

13) Abschreibung, Gewinn und Verlust

Der Betriebsrat wollte wissen, wieviel alter Urlaub aus 1974 noch ansteht.

Es konnten keine konkreten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, da der Chef, Herr Franz-Clemens S… nicht anwesend war und die Herren der Geschäftsleitung die Kompetenz der Prokura nicht vertreten konnten. Die Geschäftsleitung äußerte, sie könne allein nicht darüber verfügen, sie müsse vielmehr abwarten, bis der Chef wieder anwesend wäre.

Der Betriebsrat brachte zum Ausdruck, daß ohne Beantwortung der Fragen, die dem Wirtschaftsausschuß bzw. dem Betriebsrat nicht schriftlich übergeben werden, keinerlei Zustimmung zur Kurzarbeit abgegeben wird …”

Am 14. Februar 1975 trat der Betriebsrat auf Antrag des geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagten zu einer Sitzung zusammen, bei der auch ein Gewerkschaftssekretär der IG Chemie-Papier-Keramik anwesend war. Der geschäftsführende Gesellschafter erklärte in dieser Betriebsratssitzung, weil der Betriebsrat der Einführung von Kurzarbeit nicht zugestimmt habe, müßten nunmehr 50 Arbeitnehmer entlassen werden. Nach kurzer Zeit verließ er die Betriebsratssitzung wieder und verwies den Betriebsrat zu weiteren Verhandlungen an den ebenfalls anwesenden Prokuristen, die jedoch ohne Ergebnis blieben.

Am 18. Februar 1975 wurde einer der beiden stillgelegten kleineren Brennöfen wieder angefahren, wodurch sich die Tagesproduktion des Betriebes der Beklagten von 800 Tonnen auf 1200 Tonnen erhöhte.

Am 19. Februar 1975 übermittelte die Geschäftsleitung der Beklagten dem Betriebsratsvorsitzenden folgendes Schreiben:

“Wie in der letzten Betriebsratssitzung durch Herrn S… angekündigt, stehen 50 Mann zur Massenentlassung an.

Es war durch das Verhalten des Betriebsrates und eines Gewerkschaftsfunktionärs nicht möglich, das Anhörungsverfahren fortzuführen, da der Einzelprokurist – Herr Heinz L… – als Verhandlungspartner abgelehnt wurde.

Da sich die wirtschaftliche Lage (nähere Begründungen folgen) weiter in unserer Branche verschlechtert hat, kündigen wir Massenentlassungen von weiteren 50 Personen, also insgesamt 100 an. Die Namen werden Ihnen im Anhörungsverfahren bekannt gegeben, für das Herr Dr. B… am 20. und 21.2.1975 in der Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr in seinen Räumen zur Verfügung steht.”

Am folgenden Tage, dem 20. Februar 1975, erhielt der Betriebsrat eine Liste mit den Namen von 96 zu kündigenden Arbeitnehmern, darunter auch von solchen mit besonderem Kündigungsschutz. Am 24. Februar 1975 fand wegen der angekündigten Massenentlassung eine weitere Betriebsratssitzung im Beisein des geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagten statt, die wiederum ergebnislos blieb. Im Anschluß an diese Betriebsratssitzung wurde eine Betriebsversammlung abgehalten, die in einer gespannten Atmosphäre verlief. Hierbei verlas der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten eine dem Betriebsrat am 28. Februar 1975 übermittelte schriftliche Erklärung der Geschäftsleitung zu den beabsichtigten Massenentlassungen mit Datum vom 24. Februar 1975. Darin wurden die Situation der westfälischen Zementindustrie im allgemeinen und die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens der Beklagten aus deren Sicht dargestellt. Die Beklagte führte dort u. a. aus:

“Zur Zeit wird bei der Firma S… & Söhne die Kapazität zu 3/4 genutzt, wobei in starkem Maße auf Vorrat produziert wird. Dies war erforderlich, um die anteiligen fixen Kosten in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Die Kapazitätsausnutzung in einem solchen Umfang ist aus Liquiditätsgründen nur für kurze Zeit möglich. Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo die Produktion auf 1/4 reduziert werden muß. Das bedeutet, daß das Werk nur noch mit einem Ofen weiterbetrieben wird, wozu 55 Personen erforderlich sind. Die Geschäftsleitung hofft, mit dieser reduzierten Kapazität das Werk über die strukturell bedingte Durststrecke hinwegzubringen und dadurch die Arbeitsplätze der verbleibenden Arbeitnehmer zu erhalten …”

Mit Schreiben vom 25. Februar 1975 an die Geschäftsleitung der Beklagten nahm der Betriebsrat zu den geplanten Kündigungen wie folgt Stellung:

“Der Betriebsrat hat sich in seiner heutigen Sitzung mit der angekündigten Entlassung von Arbeitnehmern befaßt und lehnt diese Maßnahme im Rahmen von § 102 BetrVG Abs. 2 und 3 ab. Als Begründung für diese Ablehnung nennen wir Ihnen die fehlenden wirtschaftlichen Daten, die zu den angekündigten Maßnahmen Veranlassung gegeben haben sollen. Aufgrund dieser fehlenden wirtschaftlichen Daten, die nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Wirtschaftsausschuß des Betriebes bisher nicht vorgelegt und erläutert wurden, sieht sich der Betriebsrat außerstande, den einschneidenden und sozial ungerechtfertigten personellen Maßnahmen zuzustimmen.

Der Betriebsrat betrachtet die geplanten Kündigungen als sozial ungerechtfertigt, da nach seiner Auffassung alle Arbeitnehmer an ihren bisherigen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt werden können.

Auch hat der Betriebsrat erhebliche Besorgnis, daß bei Durchführung der geplanten Kündigungen für die verbleibenden Belegschaftsmitglieder die Arbeitsplätze gefährdet und nicht mehr gesichert sind. Mit 32 gewerblichen Arbeitnehmern und 23 Angestellten ist die Aufrechterhaltung eines Vier-Schicht-Betriebes nicht möglich.

Der Betriebsrat weist ausdrücklich darauf hin, daß bei der Überreichung der Personalien der zur Entlassung anstehenden Personen, die dem Betriebsratsvorsitzenden am 20.2.1975 überreicht wurden, weder stichhaltige Kündigungsgründe, noch die Art der Kündigung und der korrekte Kündigungstermin mitgeteilt wurden. Aus all diesen Gründen lehnt der Betriebsrat die Zustimmung zu den Kündigungen ab und schlägt stattdessen vor, in Verhandlungen über die Einführung von Kurzarbeit einzutreten.

Der Betriebsrat ist davon überzeugt, daß mit der Einführung von Kurzarbeit Kündigungen verhindert werden können. Voraussetzung für die Zustimmung zur Kurzarbeit ist jedoch die Beantwortung der vom Betriebsrat in der Sitzung vom 28.1.1975 gestellten Fragen zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.”

Nachdem die Beklagte dem zuständigen Arbeitsamt Soest am 25. Februar 1975 die geplante Massenentlassung angezeigt hatte, sprach sie mit gleichlautenden Schreiben vom 28. Februar 1975 insgesamt 86 Arbeitnehmern fristgemäße Kündigungen aus. Zur Begründung wird in den Kündigungsschreiben ausgeführt:

“Der Minderabsatz an Zement durch die seit Monaten abgeschwächte Baukonjunktur und der sich immer mehr abzeichnende Preisverfall machen eine Produktionseinschränkung auf ¼ unserer Gesamtkapazität notwendig und zwingt uns, unseren Personalbestand in allen Bereichen auf die verminderte Produktion einzustellen.”

Das Landesarbeitsamt setzte durch Verfügung vom 18. März 1975 eine Sperrfrist für das Wirksamwerden dieser Kündigungen bis zum 11. April 1975 fest.

Ebenfalls unter dem 28. Februar 1975 schrieb die Geschäftsleitung der Beklagten an den Betriebsrat:

“Aufgrund der vorzunehmenden Massenentlassungen sind wir selbstverständlich jederzeit bereit, mit Ihnen zur Erstellung eines Sozialplanes in Verhandlungen zu treten.”

Am 5. März 1975 unterbreitete die Geschäftsleitung der Beklagten durch den Prokuristen Heinz Linten dem Betriebsrat den Vorschlag, zunächst für die Dauer von sechs Monaten für die gesamte Belegschaft Kurzarbeit einzuführen und bis Ende 1975 die Zahl der Beschäftigten auf 125 Arbeitnehmer zu reduzieren. Hierauf antwortete der Betriebsrat mit Schreiben vom 6. März 1975:

“1. Der Betriebsrat verlangt die sofortige Zurücknahme aller ausgesprochenen Kündigungen und die Zurückziehung des Antrages auf Massenentlassungen.

2. Der Betriebsrat ist bereit, über die Einführung von notwendiger Kurzarbeit zu verhandeln. Voraussetzung für die Zustimmung des Betriebsrats ist die Beantwortung der am 28. Januar 1975 gestellten Fragen. Der Betriebsrat wird sich einer notwendigen Kurzarbeit nicht verschließen, wenn hierdurch die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

3. Der Betriebsrat erklärt sich mit dem vorgesehenen Personalabbau bis Ende des Jahres einverstanden. Voraussetzung hierfür ist die Aufstellung eines Sozialplans.

4. Die geforderte Kürzung der Laufzeit der Tarifverträge auf sechs Monate wird vom Betriebsrat abgelehnt.

Der Betriebsrat erwartet die Antwort auf seine Erklärung bis heute vormittag 11.30 Uhr.”

Am 6. März 1975 kurz vor 11.30 Uhr erklärte der Prokurist Heinz L… dem Betriebsrat, die in dem vorstehenden Schreiben gesetzte Erklärungsfrist könne nicht eingehalten werden. Er schlug stattdessen einen Besprechungstermin für 14.30 Uhr desselben Tages vor. Nachdem die Geschäftsleitung zunächst um eine weitere Verschiebung der Besprechung um eine Stunde gebeten hatte, nahm sie auch diesen Termin nicht wahr, sondern sagte durch den Prokuristen L… ein Gespräch mit dem Betriebsrat für den folgenden Montag, den 10. März 1975, zu. Wenig später wurde auch dieser Termin abgesagt und schließlich ein Termin für den 11. März 1975 versprochen. Nach Darstellung der Beklagten war die Terminsverschiebung auf den 11. März 1975 erforderlich, weil dem Wirtschaftsausschuß Einblick in die Geschäftsunterlagen gegeben werden sollte und dafür die Anwesenheit ihres Wirtschaftsprüfers Dr. K… aus Dortmund, der aber vor dem 11. März 1975 nicht zur Verfügung gestanden habe, zweckdienlich erschienen sei. Die wiederholten Verschiebungen des Besprechungstermins lösten Unruhe unter der Belegschaft aus, zumal der zuletzt für den 11. März 1975 zugesagte Termin gefährdet schien, weil für diesen Tag eine Verhandlung beim Landesarbeitsamt in Düsseldorf wegen der Massenentlassung angesetzt war, an der der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten teilnehmen mußte.

Am Freitag, dem 7. März 1975, legten die Arbeitnehmer der Früh- und Tagesschicht für zwei Stunden die Arbeit nieder. Sie begaben sich geschlossen zum sogenannten Gefolgschaftshaus auf dem Werksgelände und forderten Verhandlungen mit der Geschäftsleitung. Eine Delegation dieser Arbeitnehmer sprach im Gefolgschaftshaus mit dem damaligen Rechtsberater der Beklagten, Rechtsanwalt Kl… aus L…, der die Arbeitnehmer zur Wiederaufnahme der Arbeit aufforderte. Im Anschluß daran gingen die betreffenden Arbeitnehmer wieder an ihre Arbeit.

Nachdem am Sonntag, dem 9. März 1975, in der H… halle zu E… eine öffentliche gewerkschaftliche Protestkundgebung gegen die Massenentlassung bei der Beklagten stattgefunden hatte, erschienen die Arbeitnehmer der Frühschicht am Montag, dem 10. März 1975, zwar pünktlich um 6.00 Uhr im Betrieb, nahmen jedoch ihre Arbeit nicht auf. Sie stellten an den beiden Zufahrten zum Werksgelände LKW's quer und errichteten einen Stacheldrahtverhau. Nach der Darstellung der Beklagten waren die Zufahrten zum Werksgelände völlig versperrt, während nach der Behauptung der Kläger ein Zugang noch möglich gewesen sein soll. Im weiteren Verlaufe des Tages schloß sich die gesamte Belegschaft mit Ausnahme einiger Angestellter der Arbeitsniederlegung an. Es bildete sich eine aus Vertrauensleuten bestehende Streikleitung, die im Gefolgschaftshaus tagte. An den Zufahrten zum Werksgelände wurden sogenannte Streikposten aufgestellt und Schilder mit der Aufschrift angebracht: “Wir halten den Betrieb besetzt” und “Dieser Betrieb wird bestreikt”. Damit begann eine sich über mehrere Wochen hinziehende Arbeitsniederlegung, deren Ziel es war, die Beklagte zur Rücknahme aller ausgesprochenen Kündigungen und zu Verhandlungen über Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu bewegen. Der Betriebsrat teilte der Geschäftsleitung der Beklagten am 10. März 1975 im Auftrage der streikenden Arbeitnehmer schriftlich mit, daß die Rücknahme aller Kündigungen verlangt werde und daß die streikenden Arbeitnehmer bereit seien, “unter dieser Voraussetzung und zu den ansonst üblichen Bedingungen die Arbeit sofort wieder aufzunehmen”. Der Betriebsrat selbst brachte in diesem Schreiben erneut seine Bereitschaft zum Ausdruck, auf der Grundlage seiner Erklärung vom 6. März 1975 mit der Geschäftsleitung zu verhandeln.

Als der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, Franz-Clemens S…, am Morgen des 10. März 1975 gegen 8.00 Uhr von der Aktion der Belegschaft erfuhr, gab er Anweisung, die beiden noch in Betrieb befindlichen Brennöfen abzustellen. Ferner ließ die Beklagte sofort die Überweisung der am 10. März 1975 fälligen Februarlöhne auf die Konten der Belegschaftsmitglieder sperren und ließ einige Zeit später nur die unpfändbaren Lohnteile auszahlen.

Ebenfalls noch am 10. März 1975 beantragte die Beklagte schriftlich bei dem Betriebsrat dessen Zustimmung zur fristlosen Entlassung von 43 namentlich aufgeführten Arbeitnehmern, darunter auch der Kläger, wegen Teilnahme an dem wilden Streik. Am 11. und 12. März 1975 gewährte die Beklagte dem Wirtschaftsausschuß Einsicht in die Geschäftsunterlagen. Im Anschluß hieran fand am Nachmittag des 12. März 1975 eine Besprechung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat über die ausgesprochenen Kündigungen, die Frage der Kurzarbeit und den Personalabbau statt. Entsprechend dem Hinweis der Beklagten in ihrem Schreiben an den Betriebsrat vom 10. März 1975, die Arbeitswilligen könnten sich am 12. März 1975 vor dem Verwaltungsgebäude einfinden, versammelten sich an diesem Tage um 9.00 Uhr sämtliche Belegschaftsmitglieder vor dem Bürogebäude. Es kam jedoch zu keiner Arbeitsaufnahme, zumal weiterhin die Rücknahme aller Kündigungen verlangt wurde und auch diejenigen Arbeitnehmer vor dem Verwaltungsgebäude erschienen waren, deren fristlose Entlassung die Beklagte dem Betriebsrat bereits am 10. März 1975 angekündigt hatte.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 12. März 1975 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zu der am 10. März 1975 angekündigten fristlosen Entlassung von 43 Arbeitnehmern. Zur Begründung führte der Betriebsrat in diesem Schreiben folgendes aus:

“Der Betriebsrat hat sich in seiner Sitzung vom 12.3.1975 mit dem Plan der Geschäftsleitung beschäftigt, 43 Arbeitnehmer wegen “Versperrens der Tore” fristlos zu kündigen. Der Betriebsrat kann diesen Kündigungen nicht zustimmen. Er widerspricht entschieden dieser weiteren ungerechtfertigten Maßnahme.

1. Sie haben sich beharrlich geweigert, dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigungen vom 28.2.1975 zu nennen und mit ihm die personellen Konsequenzen der wirtschaftlichen Lage zu beraten. Sie haben sich sogar geweigert, dem Betriebsrat die wirtschaftliche Situation zu erläutern. Sie haben es in hartnäckiger Weise abgelehnt, mit dem Betriebsrat über die von Ihnen selbst vorgeschlagene Kurzarbeit zu verhandeln und die Gründe für die Kurzarbeit zu belegen.

Sie haben damit in gröbster Weise gegen eine ganze Anzahl von gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Betriebsverfassungsgesetzes, verstoßen. Gegen ihr gesetzwidriges und unsoziales Verhalten haben sich die Arbeitnehmer zur Wehr gesetzt. Durch die willkürliche und völlig ungerechtfertigte Massenentlassung haben Sie die Arbeitnehmer in einen wirtschaftlichen und sozialen Notstand gestürzt. Die Arbeitnehmer haben deshalb von ihrem Widerstandsrecht Gebrauch gemacht.

Das den Arbeitnehmern zur Last gelegte Verhalten ist durch Notwehr gedeckt und deshalb in keiner Weise gesetzwidrig.

2. Der Betriebsrat bestreitet energisch, daß alle von Ihnen aufgeführten Arbeitnehmer am 10.3.1975 die Tore versperrt haben. Nach Kenntnis des Betriebsrats trifft das nur für einen kleinen Teil zu. In der Sitzung vom 12.3.1975 hat der Betriebsrat Sie daraufhin angesprochen und Aufklärung verlangt. Sie haben sich standhaft geweigert, auf die Fragen des Betriebsrats zu antworten und Beweis für Ihre Darstellung anzutreten.

3. Ihr Verhalten ist widersprüchlich. Im Schreiben vom 10.3.1975 kündigen Sie für 43 Arbeitnehmer fristlose Entlassungen an. Auf der anderen Seite fordern Sie alle Arbeitswilligen auf, sich zu melden. Damit haben Sie auch diesen 43 Arbeitnehmern Arbeit angeboten und zu erkennen gegeben, daß Sie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihnen für zumutbar und möglich halten.

4. Schließlich weisen wir darauf hin, daß sich unter den 43 benannten Arbeitnehmern Betriebsratsmitglieder und -kandidaten sowie Wahlvorstandsmitglieder befinden.”

Mit Schreiben vom 13. März 1975 entließ die Beklagte 32 der dem Betriebsrat am 10. März 1975 benannten 43 Arbeitnehmer fristlos, darunter auch die 16 Kläger des vorliegenden Verfahrens. Die Kündigungsschreiben lauteten jeweils:

“Da Sie sich am wilden Streik des 7. März 1975 beteiligt haben, kündigen wir Ihnen hiermit fristlos und erteilen Ihnen ab sofort Hausverbot. Regressansprüche gegen Sie behalten wir uns vor.”

Die IG Chemie-Papier-Keramik hat das vorstehend geschilderte Verhalten der Belegschaft der Beklagten von Anfang an moralisch, politisch, juristisch und finanziell unterstützt. Allerdings hat die Gewerkschaft die Aktion der Belegschaft weder als gewerkschaftlichen Streik beschlossen, noch hat sie sie nachträglich offiziell als von ihr getragenen Arbeitskampf übernommen. Sie hat den streikenden Belegschaftsmitgliedern auch keine satzungsmäßige Streik- oder Gemaßregeltenunterstützung gezahlt. Sie hat ihnen aber eine in ihrer Satzung für andere Streikfälle vorgesehene sogenannte “Notlagenunterstützung” gewährt, die erstmals am 18. März 1975 an die Belegschaftsmitglieder ausgezahlt wurde. Am 11. März 1975 schrieb die Verwaltungsstelle N… der IG Chemie-Papier-Keramik an alle Betriebsratsvorsitzenden und Vertrauensleuteleiter ihres Bereichs:

“Mitteilung über den Arbeitskampf bei S… & Söhne, E…

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben bereits mit Schreiben vom 6.3.1975 darüber informiert, daß der Inhaber der Firma S… & Söhne, E…, ohne zwingende wirtschaftliche Gründe und gegen den Willen des Betriebsrates 86 Arbeiter und Angestellte entlassen hat. Gegen diese Entlassungen richten sich seit Wochen unsere Bemühungen. Der Kampf der Belegschaft fand ihren Höhepunkt in einer öffentlichen Protestveranstaltung, die am Sonntag mehr als 2000 Menschen, nicht nur aus der Stadt E…, darunter Vertreter aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, der Parteien, der Gewerkschaften, der Betriebe, unserer Verwaltungsstelle und der Bürgerschaft vereinigten. Der Protest in der Öffentlichkeit richtete sich nicht nur gegen das Vorgehen der Firma S… allein, sondern sollte zugleich auf die gegenwärtig bedrohliche Situation in der Zementindustrie aufmerksam machen. Diese Protestkundgebung wurde zu einem Tribunal gegen einen diktatorischen Unternehmer, der unter Mißachtung der gesetzlichen und sozialen Normen seine Machenschaften gegen die sozial schwächere Belegschaft betreiben will.

Um unserer Forderung nach Zurückziehung aller Kündigungen Nachdruck zu verleihen, legten heute morgen, 10. März 1975, 6.00 Uhr, die Arbeitnehmer der Früh- und Tagschicht die Arbeit nieder und besetzten den gesamten Betrieb. Sie verschlossen mit betriebseigenen LKW's und anderen Fahrzeugen die Eingangstore zum Werk und legten die Produktion völlig lahm. Über den Betriebsrat wurde dem Arbeitgeber im Laufe des Tages das Streikziel schriftlich mitgeteilt. Die Streikenden fordern die sofortige Zurücknahme aller Entlassungen und erklärten sich bei dieser Maßnahme zur sofortigen Wiederaufnahme bereit. Dieses Angebot wurde mit der fristlosen Entlassung aller Arbeitnehmer beantwortet. Dennoch setzten die Arbeitnehmer der Firma S… & Söhne ihren Kampf fort und erwarten hierbei die solidarische Unterstützung aller Arbeitnehmer in der Verwaltungsstelle N….

Es bleibt zu erwähnen, daß sich die Spät- und Nachtschicht der Kampfmaßnahme anschlossen. Außer einigen kaufmännischen Angestellten streikt somit die gesamte Belegschaft der Firma S… & Söhne, einschließlich der technischen und einem Teil der kaufmännischen Angestellten. Der Streik ist unbefristet. Der Kampf wird bis zur Zurücknahme aller Kündigungen geführt.

Wir bitten Euch, den Kolleginnen und Kollegen der Firma S… Eure Solidaritätsadressen zukommen zu lassen. Jedes Zeichen von Solidarität stärkt die Front der um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Arbeiter und Angestellten.”

Die Kläger wie auch die übrigen an der Aktion beteiligten Belegschaftsmitglieder erhielten während der Dauer der Arbeitsniederlegung außer der oben erwähnten gewerkschaftlichen Notlagenunterstützung weitere Unterstützungszahlungen aus einem sogenannten Solidaritätsfond, der aus Spenden aufgebracht und von der Streikleitung verwaltet wurde.

Mit ihren am 21. März 1975 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klagen haben sich die Kläger gegen ihre fristlose Entlassung gewandt. Sie haben geltend gemacht, der Beklagten stehe kein die fristlose Entlassung rechtfertigender wichtiger Kündigungsgrund zur Seite. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung könne ihnen nicht vorgeworfen werden. Die Beklagte habe sie nicht mehrmals ergebnislos zur Arbeitsaufnahme aufgefordert. Vielmehr hätten sie der Beklagten seit dem 10. März 1975, insbesondere aber auch am 12. März 1975, ständig ihre Arbeitskraft angeboten. Die Beklagte habe dieses Arbeitsangebot jedoch nicht angenommen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten habe schon am Morgen des 10. März 1975 grundlos die Öfen abstellen lassen und damit jede Produktion unmöglich gemacht. Die ihnen vorgeworfene Beteiligung an dem Streik vom 7. März 1975 und an der am 10. März 1975 begonnenen Arbeitsniederlegung rechtfertige die fristlose Kündigung nicht. Die Aktion der Belegschaft könne nicht als wilder Streik gewertet werden. Vielmehr habe sich die Belegschaft durch Zurückhalten der Arbeitsleistungen gegen die ständigen und offenkundigen Rechtsverstöße der Beklagten zur Wehr gesetzt und dadurch von ihrem Notwehrrecht Gebrauch gemacht. Zu diesen Aktionen sei die Belegschaft gezwungen gewesen, weil die Beklagte durch ihr ständiges rechtswidriges Verhalten zu erkennen gegeben habe, daß ihr der Betrieb und das Schicksal ihrer Arbeitnehmer gleichgültig seien.

Die Kläger haben deshalb beantragt

festzustellen, daß die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 13. März 1975 nicht aufgelöst sind.

Durch Versäumnisurteil vom 30. April 1975 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Nunmehr haben die Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 30. April 1975 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Sie hält die fristlosen Entlassungen der Kläger für gerechtfertigt und hat vorgetragen:

Durch ihre Beteiligung an dem wilden Streik und der Werksbesetzung hätten die Kläger den Arbeitsfrieden so stark gestört, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihnen unzumutbar geworden sei. Sämtliche Kläger hätten sich solidarisiert und die Arbeit niedergelegt. Sie hätten sich einer beharrlichen Arbeitsverweigerung schuldig gemacht. Ihre erklärte Bereitschaft, die Arbeit erst nach Zurücknahme der ausgesprochenen 86 Kündigungen wieder aufzunehmen, stelle kein ausreichendes Arbeitsangebot dar. Die Arbeitsniederlegung am Morgen des 10. März 1975 sei auch nicht etwa spontan erfolgt, sondern aufgrund eines am Vortage von Gewerkschaftsvertretern unter Mitwirkung des Betriebsrats aufgestellten Plans. Es habe sich mithin um eine genau vorbereitete und im einzelnen abgesprochene kollektive rechtswidrige Aktion gehandelt. Das müsse bei der Beurteilung der Teilnahme der Kläger an dieser Aktion erschwerend ins Gewicht fallen.

Das Arbeitsgericht hat sein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. Oktober 1975 das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klagen mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten als “Handelnde der ersten Stunde” an einer nicht zu billigenden rechtswidrigen Werksbesetzung teilgenommen und der Beklagten dadurch die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse mit ihnen auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen unzumutbar gemacht.

Dieses erste Berufungsurteil hat der Senat durch Urteil vom 14. Februar 1978 – 1 AZR 103/76 – aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der Senat hat damals in Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht ausgesprochen, daß es sich bei der Arbeitsniederlegung vom 10. März 1975 um einen rechtswidrigen Streik gehandelt habe und daß die Beteiligung an diesem Streik deshalb eine Arbeitsvertragspflichtverletzung gewesen sei, die als solche einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB bilden könne. Der Senat vermißte in dem ersten Berufungsurteil jedoch eine auf die einzelnen Kläger bezogene vollständige Aufklärung und Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände. Insbesondere beanstandete der Senat, daß das Landesarbeitsgericht von drei wesentlichen Entlastungsgesichtspunkten zugunsten der Kläger (Frage der Erkennbarkeit des Rechtsirrtums, Solidarität, vorangegangenes rechtswidriges Verhalten der Beklagten) nur das eigene Verhalten der Beklagten und dieses auch nur unzureichend berücksichtigt habe. Zur Nachholung noch erforderlicher tatsächlicher Feststellungen über den Geschehensablauf im Ganzen sowie über die Beteiligung der einzelnen Kläger und zur danach vorzunehmenden allseitigen Interessenabwägung hat der Senat die Sache damals an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aufgrund der erneuten Berufungsverhandlung hat das Landesarbeitsgericht nunmehr das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes verneint und die Berufung der Beklagten gegen das den Klagen stattgebende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen.

Gegen dieses zweite Berufungsurteil wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Die Kläger beantragen Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis mit Recht in der Teilnahme der Kläger an der Arbeitsniederlegung ab dem 10. März 1975 keinen ihre fristlose Entlassung rechtfertigenden wichtigen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gesehen.

I. Zu den zwischen den Parteien früher streitig gewesenen Fragen der ordnungsmäßigen Klageerhebung, der Passivlegitimation der Beklagten, der Anwendung einer im Betriebe der Beklagten eingeführten Arbeitsordnung und der ordnungsmäßigen Anhörung des Betriebsrats vor dem Ausspruch der streitbefangenen Kündigungen hat der Senat bereits in dem in dieser Sache ergangenen ersten Revisionsurteil vom 14. Februar 1978 – 1 AZR 103/76 – (AP Nr. 59 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) Stellung genommen. Er hat dort ausgeführt, daß die Kläger ihre Klagen ordnungsgemäß innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhoben haben, daß die Beklagte trotz der zwischenzeitlichen Verpachtung ihres Betriebes in E… weiterhin passivlegitimiert ist und daß die Kündigungen nicht schon wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 5 der Arbeitsordnung mangels der dort vorgesehenen Zustimmung des Betriebsrats zu den Kündigungen und auch nicht etwa wegen nicht ordnungsmäßiger Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam sind. Hierauf kann im einzelnen verwiesen werden.

II. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens geht es nur noch um die Frage, ob die Kläger durch ihr Verhalten ab dem 10. März 1975 der Beklagten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gegeben haben. In dem Kündigungsschreiben der Beklagten wird zwar die “Beteiligung an dem wilden Streik des 7.3.1975” als Kündigungsgrund genannt. Maßgebend und allen Beteiligten erkennbar war aber das Geschehen ab dem 10. März 1975, worauf der Senat bereits in dem ersten Revisionsurteil hingewiesen hat.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Revisionsurteil des Senats davon aus, daß es sich bei der Arbeitsniederlegung der Kläger um einen rechtswidrigen Streik gehandelt hat und daß ihre Arbeitsverweigerung deshalb an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Ob ein solcher wichtiger Kündigungsgrund bei den einzelnen Klägern aber auch tatsächlich vorliegt, kann nur aufgrund einer Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.

Das Landesarbeitsgericht hat eine Interessenabwägung vorgenommen. Es hat dabei auch die in dem zurückverweisenden Senatsurteil angeführten Gesichtspunkte zugunsten der Kläger berücksichtigt und ist nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, daß der Beklagten die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse mit den Klägern trotz deren Beteiligung an dem rechtswidrigen Streik bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen noch zumutbar gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Revision, die die vorgenommene Interessenabwägung für fehlerhaft und unvollständig hält. Der Revision ist zuzugeben, daß die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts recht knapp ausgefallen ist und daß die von ihm angestellten Erwägungen auch nicht in allen Punkten frei von rechtlichen Bedenken sind. Gleichwohl können die Rügen der Revision letztlich nicht durchgreifen.

1. Die Revision macht zunächst geltend, es bestünden Zweifel, ob der Schriftsatz der Beklagten vom 30. November 1978 nebst Anlagen überhaupt vom Landesarbeitsgericht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden sei, da er – wie sich aus der neuen Paginierung ergebe – wahrscheinlich ursprünglich einmal in einer anderen Akte enthalten gewesen sei. Diese Rüge greift nicht durch. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 8. Dezember 1978 lag der Schriftsatz vom 30. November 1978 nebst Anlagen in der letzten mündlichen Berufungsverhandlung vor. Das Landesarbeitsgericht hat im übrigen den in diesem Schriftsatz gebrachten Vortrag der Beklagten auch im Tatbestand des angefochtenen Urteils berücksichtigt.

2. Unbegründet ist auch die weitere Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe gegen den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es die Schriftsätze der Beklagten aus der Revisionsinstanz nicht angefordert und bei der Entscheidungsfindung verwertet habe. Das Landesarbeitsgericht brauchte von sich aus die Akten des Revisionsverfahrens nicht beizuziehen. Durch die Zurückverweisung kehrt die Sache in die Berufungsinstanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 565 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren folgt – von der Bindung nach § 565 Abs. 2 ZPO abgesehen – denselben Regeln wie die erste Berufungsverhandlung. Dabei muß auch das Revisionsurteil entsprechend § 526 ZPO vorgetragen bzw. nach § 137 Abs. 3 ZPO in Bezug genommen werden. Es wäre deshalb Sache der Beklagten gewesen, sich nach der Zurückverweisung der Sache auf einen von ihr in der Revisionsinstanz eingereichten Schriftsatz zu berufen, wenn sie ein darin enthaltenes Vorbringen vom Berufungsgericht beachtet wissen wollte. Selbst die Revision hat aber nicht einmal vorgetragen, welches Vorbringen der Beklagten in einem in den Revisionsakten enthaltenen Schriftsatz das Landesarbeitsgericht hätte beachten müssen.

3. Zur Feststellung des Anteils jedes einzelnen Klägers an der Arbeitsniederlegung vom 10. März 1975 ist das Landesarbeitsgericht von den zu Protokoll vom 27. Oktober 1975 hierzu abgegebenen Erklärungen der einzelnen Kläger, die im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben sind, ausgegangen. Diese zutreffend als Parteivortrag gewerteten Erklärungen der einzelnen Kläger hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 288 ZPO als von der Beklagten zugestanden angesehen, wobei es das Geständnis der Beklagten in der folgenden, zu gerichtlichem Protokoll vom 27. Oktober 1975 gegebenen Erklärung ihres Prozeßbevollmächtigten sieht:

“Ich muß davon ausgehen, daß die Angaben der Parteien, so wie sie hier heute gegeben worden sind, richtig sind. Ich behalte mir lediglich vor, anhand der Stempelkarten, die ich gleich noch erhalte, die Zeitangaben zu überprüfen.”

Die Revision rügt zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht in dieser Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerrufliches gerichtliches Geständnis im Sinne des § 288 ZPO gesehen hat. Ein Geständnis muß unzweideutig sein. Die Erklärung, eine Tatsache nicht bestreiten zu wollen, genügt regelmäßig nicht (BGH, JZ 1962, 252). Überhaupt ist bei der Prüfung, ob eine Erklärung ein Geständnis darstellt, eine vorsichtige Beurteilung geboten (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 39. Aufl., § 288 Anm. 1C). Die protokollierte Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, die sehr zurückhaltend formuliert ist, besagt nur, daß die Angaben der Kläger mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht bestritten werden könnten. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer Erklärung, die Angaben der Kläger entsprächen der Wahrheit. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Unrecht der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten eine Geständniswirkung beigelegt und daraus gefolgert, daß die Beklagte nunmehr mit entgegenstehendem Vorbringen ausgeschlossen sei, insbesondere mit ihrer Behauptung, die Arbeitsniederlegung der Kläger am 10. März 1975 sei nicht spontan entstanden, sondern geplant gewesen.

Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts hat jedoch für das von ihm gefundene Ergebnis keine Bedeutung. Die für das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nämlich keinen von den protokollierten Erklärungen der Kläger abweichenden und für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Sachverhalt vorgetragen. Zum speziellen Anteil der einzelnen Kläger an den Aktionen der Belegschaft vom 10. März 1975 hat sie überhaupt keinen spezifizierten Sachvortrag gebracht. Sie hat lediglich allgemein behauptet, diese Aktionen seien vorher geplant gewesen, ohne jedoch näher anzugeben, ob und inwiefern die einzelnen Kläger des vorliegenden Rechtsstreits an dieser Planung beteiligt gewesen sein sollen. Insbesondere läßt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, ob und inwiefern die einzelnen Kläger etwa Initiatoren der Arbeitsniederlegung waren. Die Beklagte hat insoweit nur vorgetragen, nach der von der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik und insbesondere von dem Gewerkschaftssekretär Bo… initiierten öffentlichen Protestkundgebung vom 9. März 1975 habe man sich im Café P… in E… getroffen und dort unter Leitung des Gewerkschaftssekretärs und unter maßgeblicher Beteiligung des Betriebsratsvorsitzenden Kö… durch Handaufheben beschlossen, am nächsten Morgen das Werk zu besetzen (S. 46, 47 des dem Schriftsatz der Beklagten vom 30. November 1978 als Anlage beigefügten Schriftsatzes vom 28. Juli 1977 in der Sache 1 Ca 1167/76 ArbG Paderborn). Auch wenn man unterstellt, daß die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits den angeblich am Vortage gefaßten Beschluß kannten, als sie am Morgen des 10. März 1975 die Arbeit niederlegten, kann dies nicht zu einer für sie ungünstigeren Beurteilung ihres Verhaltens führen, als wenn sie sich erst am Morgen des 10. März 1975 spontan und unüberlegt zur Arbeitsniederlegung entschlossen hätten. Handelten sie in Befolgung eines unter der Leitung des zuständigen Gewerkschaftssekretärs und unter maßgeblicher Beteiligung des Betriebsratsvorsitzenden gefaßten Beschlusses, so konnten sie immerhin annehmen, daß für die Rechtmäßigkeit der beschlossenen Aktion zumindest gute Gründe sprachen.

Legt man die protokollierten Erklärungen der einzelnen Kläger über ihre Beteiligung an der Arbeitsniederlegung, die sich die Beklagte ausdrücklich hilfsweise zu eigen macht, zugrunde, so ergibt sich, daß bei Streikbeginn morgens um 6.00 Uhr nur die Kläger zu 1) (Bol…), zu 2) (C…), zu 5) (G…), zu 8) (Kr…), zu 10) (R…), zu 11) (Rü…) und zu 14) (Si…) im Betriebe anwesend waren. Die übrigen Kläger erschienen erst später im Betrieb, als ihre Arbeitskollegen bereits mit dem Streik begonnen hatten. Aus den Angaben auch der schon zu Beginn des Streiks anwesenden Kläger läßt sich nicht erkennen, daß sich der eine oder andere von ihnen bei der Einleitung oder Durchführung des Streiks besonders hervorgetan hätte. Der Kläger zu 5) (G…) hat allerdings eingeräumt, daß er den von ihm gefahrenen LKW vor dem Nebentor des Betriebsgeländes quergestellt und das Tor damit versperrt habe. Ebenso hat der Kläger zu 8) (Kr…) erklärt, er habe den sonst von ihm gefahrenen Wagen quer vor das Haupttor gestellt, jedoch so, daß auf jeden Fall noch ein LKW das Tor hätte passieren können. Ihren Angaben ist aber nicht zu entnehmen, daß sie dies auf eigene Initiative getan hätten. Sie haben den Entschluß zur Querstellung der Fahrzeuge vor den Werkstoren als allgemeinen Beschluß der streikenden Belegschaftsmitglieder dargestellt.

4. Der Senat hatte an dem ersten Berufungsurteil bemängelt, daß es ohne nähere tatsächliche Feststellungen die Arbeitsniederlegung zugleich als Werksbesetzung charakterisiert habe. Nach der Zurückverweisung der Sache hat sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 30. November 1978 gegen die in dem Revisionsurteil zum Ausdruck gebrachte Auffassung gewandt, es habe sich bei den von ihr ausgesprochenen Kündigungen um “Arbeitskampfkündigungen” gehandelt; dies sei nicht der Fall gewesen, weil es hier nicht um einen regulären Arbeitskampf gegangen sei, sondern um eine Betriebsbesetzung. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Arbeitnehmer hätten sich eigenmächtig die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und das gesamte Betriebsgelände verschafft, indem sie die Werkstore durch quergestellte Arbeitsgeräte versperrt und damit dem eigentlich Berechtigten bzw. dessen Bevollmächtigten wochenlang jeglichen Zugang zum Betrieb verwehrt hätten. Alle Kläger hätten sich der gebildeten Streikleitung unterstellt und seien deshalb auch sämtlich gleichgewichtig für das grob rechtswidrige Geschehen verantwortlich.

Das Landesarbeitsgericht ist der Frage der Werksbesetzung überhaupt nicht weiter nachgegangen. Es hat hierzu ausgeführt, die Einwendungen der Beklagten gegen die vom Bundesarbeitsgericht gefundene Wertung der Kündigungen als “Kampfkündigungen” müßten wegen der aus § 565 Abs. 2 ZPO zu entnehmenden Bindungswirkung des Revisionsurteils unbeachtlich bleiben. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts wird von der Revision mit Recht bekämpft. Die Bezeichnung der streitbefangenen Kündigungen als “Kampfkündigungen” in dem zurückverweisenden Senatsurteil bedeutet nur, daß die Kündigungen als Reaktion auf eine kollektive Arbeitskampfmaßnahme ausgesprochen worden sind. Sie besagt nichts darüber, ob es sich bei diesem Arbeitskampf um eine schlichte Arbeitsniederlegung oder darüber hinausgehend um eine Werksbesetzung handelt. Es wäre nach den Ausführungen des Revisionsurteils gerade Aufgabe des Landesarbeitsgerichts gewesen, die Frage der Werksbesetzung in tatsächlicher Hinsicht näher aufzuklären.

Die unterlassene Aufklärung erweist sich jedoch im Ergebnis als unschädlich. Auch wenn man von einer Werksbesetzung entsprechend dem Vorbringen der Beklagten ausgeht, kann die Beteiligung der Kläger hieran bei Abwägung aller Umstände die ausgesprochenen fristlosen Kündigungen nicht rechtfertigen. Der Unrechtsgehalt einer Werksbesetzung geht zwar über den einer bloßen rechtswidrigen Arbeitsniederlegung hinaus. Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, daß die streikenden Arbeitnehmer den Inhabern der Beklagten oder einem ihrer Bevollmächtigten bis zum Ausspruch der hier streitbefangenen Kündigungen am 13. März 1975 tatsächlich den Zutritt zum Werksgelände verwehrt hätten. Im übrigen hat das zurückverweisende Revisionsurteil des Senats der Frage des Vorliegens einer Werksbesetzung auch nur unter dem zugunsten der Kläger in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Solidarität besondere Bedeutung beigemessen. Der Senat hat dort (zu B 6 der Entscheidungsgründe) ausgeführt, im Rahmen einer kollektiven Arbeitsniederlegung sei es für den einzelnen Arbeitnehmer sehr schwer, sich von einer derartigen Maßnahme zu distanzieren; er stehe regelmäßig in einer psychologischen Drucksituation; allerdings gelte das nur für eine “einfache” Teilnahme an einer Arbeitsniederlegung; werde ein Arbeitnehmer aber im Rahmen einer rechtswidrigen Arbeitsniederlegung besonders aktiv und gehe er etwa bei einer derartigen Aktion sogar über Maßnahmen hinaus, die im Rahmen eines dem Ziele nach rechtmäßigen Streiks zulässig sind und die als Fabrikbesetzung bezeichnet werden können, so könne sich dieser Arbeitnehmer nicht mehr auf eine Solidarisierung mit seinen Arbeitskollegen berufen; um so problematischer werde dann auch die Frage eines unverschuldeten Rechtsirrtums. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat aber auch nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gar nicht vorgetragen, die Kläger dieses Prozesses oder einzelne von ihnen hätten sich mit Maßnahmen der Werksbesetzung gegenüber den übrigen Streikenden besonders hervorgetan. Sie hat vielmehr behauptet, sämtliche streikenden Belegschaftsmitglieder hätten sich der gebildeten Streikleitung unterstellt und sich damit insgesamt an der Werksbesetzung beteiligt.

5. Das Landesarbeitsgericht hat nunmehr – wie in dem zurückverweisenden Senatsurteil gefordert – das dem Streikgeschehen voraufgegangene eigene Verhalten der Beklagten berücksichtigt, das zur Entstehung der explosiven Lage im Betriebe beigetragen habe. Dabei knüpft es an die Ausführungen des Revisionsurteils an, wonach es nicht bedeutsam ist, ob die Beklagte für ihr schnell wechselndes Verhalten hinsichtlich der zu treffenden wirtschaftlichen Maßnahmen objektiv gesehen wirtschaftlich vertretbare oder sogar zwingende Gründe gehabt hat, sondern daß sie diese Gründe der Arbeitnehmerschaft, vertreten durch den Betriebsrat, nicht oder doch nicht rechtzeitig deutlich gemacht hat. Diesen Ausführungen des Senats entnimmt das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß die Berücksichtigung des nunmehr detaillierteren Vortrages der Beklagten über die wirtschaftliche Vernünftigkeit ihrer Maßnahmen ausgeschlossen ist. Unrichtig ist dagegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß es auch den Tatsachenvortrag der Beklagten über ihre angeblichen Bemühungen um eine – letztlich vom Betriebsrat abgeblockte – Verständigung mit der Belegschaft nicht berücksichtigen dürfe. Dieser Rechtsfehler ist jedoch unschädlich; denn die Beklagte hat insoweit nichts Erhebliches vorgetragen. In ihrem Schriftsatz vom 30. November 1978 verweist sie hierzu auf ihren als Anlage beigefügten Schriftsatz vom 28. Juli 1977. Dort ist auf den Seiten 17 ff. vorgetragen worden, daß die Belegschaft auf den Betriebsversammlungen vom 1. März 1973, vom 12. Dezember 1973 und 20. Mai 1974 über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens unterrichtet worden sei. Das war aber lange vor den hier maßgeblichen Geschehnissen vom Februar/März 1975.

6. In diesem Zusammenhang bekämpft die Revision auch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe sich gesetzwidrig verhalten, weil sie den Wirtschaftsausschuß nicht rechtzeitig unterrichtet und vor dem Ausspruch der 86 Kündigungen vom 28. Februar 1975 nicht mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandelt habe.

a) Die Revision rügt, daß das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Beklagten übergangen habe, wonach es einen Wirtschaftsausschuß zu keinem für die Entscheidung erheblichen Zeitpunkt gegeben habe. Unstreitig hat der Betriebsrat jedoch bereits in der Betriebsratssitzung vom 28. Januar 1975, an der auch Vertreter der Geschäftsleitung der Beklagten teilnahmen, eine Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses über die in dem Sitzungsprotokoll im einzelnen aufgeführten Fragen verlangt. Die Information des Wirtschaftsausschusses über diese Fragen hat der Betriebsrat in der Folgezeit wiederholt, und zwar mit Schreiben an die Beklagte vom 28. Februar und vom 6. März 1975, angemahnt. Unstreitig gewährte die Beklagte dem Wirtschaftsausschuß sodann am 11. und 12. März 1975 erstmals Einsicht in die Geschäftsunterlagen. Jedenfalls zu dieser Zeit bestand also ein Wirtschaftsausschuß. Die Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses ist Sache des Betriebsrats (§ 107 Abs. 2 BetrVG). Sollte im Januar 1975 ein Wirtschaftsausschuß noch nicht bestanden haben, hätte der Betriebsrat ihn jederzeit errichten können, wenn die Beklagte bereit gewesen wäre, dem Wirtschaftsausschuß die vom Betriebsrat verlangten Informationen zu geben. Die Beklagte hat auch gar nicht geltend gemacht, daß die verzögerte Unterrichtung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten ihres Unternehmens darauf zurückzuführen sei, daß der Betriebsrat die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nicht rechtzeitig bestimmt hätte. Vielmehr lag es an der Beklagten, daß der Wirtschaftsausschuß erst am 11. und 12. März 1975 unter Vorlage der Geschäftsunterlagen über die wirtschaftliche Situation informiert wurde.

b) Die Revision macht ferner geltend, bei den Maßnahmen der Beklagten habe es sich um eine bloße Personalreduzierung ohne Stillegung von Betriebsanlagen gehandelt, die nach damals herrschender Ansicht keine zum Versuch eines Interessenausgleichs und zur Aufstellung eines Sozialplans verpflichtende Betriebsänderung in der Form der Betriebseinschränkung nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG gewesen sei, so daß der Beklagten kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, wenn sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht versucht habe. Demgegenüber ist auf folgendes hinzuweisen:

Die Beklagte hatte bereits vor der Massenentlassungsaktion zwei Öfen abgestellt und dadurch die Kapazität erheblich vermindert. Am 18. Februar 1975 setzte sie einen dieser Öfen wieder in Gang. Sie hat dazu auf Seite 37 des ihrem Schriftsatz vom 30. November 1978 beigefügten Schriftsatzes vom 28. Juli 1977 vorgetragen:

“Für die Geschäftsleitung war nun klar, daß ein vernünftiger Interessenausgleich und der damit notwendig verbundene Abbau der Belegschaft längere Zeit dauern würde. Aus Kostengründen war die damalige Situation seit November 1974 – bei gleichen Lohnkosten um 50 % verminderte Produktion – nicht haltbar. Auf lange Sicht mußte die Belegschaft der verminderten Produktion angepaßt werden. Massenentlassungen mußten somit in jedem Falle vorbereitet werden. Bis zur Wirksamkeit dieser Maßnahme – Kündigungsfristen betrugen bis zu einem halben Jahr – war es deshalb betriebswirtschaftlich dringend erforderlich, die vorhandene Personalkapazität vernünftig einzusetzen. Dies konnte durch Herstellung eines Klinkervorrats für die Zeit nach Durchführung der Entlassungen geschehen. Deshalb wurde von der Geschäftsleitung die Wiederingangsetzung des zweiten Ofens geplant und am 18.2.1975 durchgeführt. Dieser Ofen war betriebsbereit konserviert, so daß das Aggregat sofort anlaufen konnte.”

Aus diesem Vortrag ergibt sich klar, daß nach Durchführung der Massenentlassungsaktion dieser zweite wieder in Gang gesetzte Ofen endgültig stillgelegt werden sollte. Damit war nicht nur eine Personalreduzierung, sondern auch eine Einschränkung der sächlichen Betriebskapazität geplant, so daß auch nach der damals im rechtswissenschaftlichen Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung ein Interessenausgleich und die Aufstellung eines Sozialplans in Frage kam (vgl. hierzu BAG AP Nrn. 3 und 4 zu § 111 BetrVG 1972, letztere Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Dabei mußte der Interessenausgleich noch vor der Durchführung der Betriebsänderung, also jedenfalls noch vor dem am 28. Februar 1975 erfolgten Ausspruch der 86 Kündigungen, versucht werden. Daß sie einen solchen Versuch unternommen hätte, hat die Beklagte nirgends vorgetragen. Nach ihrer eigenen Darstellung hat sie sich dem Betriebsrat gegenüber lediglich mit Schreiben vom 28. Februar 1975 bereit erklärt, einen Sozialplan auszuhandeln, was übrigens zeigt, daß sich die Beklagte durchaus der Sozialplanpflichtigkeit der vorgenommenen Betriebseinschränkung und damit auch ihrer Pflicht zum vorherigen Versuch eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat nach § 112 BetrVG bewußt war. Auch zur Führung von Sozialplanverhandlungen hat sie sich aber erst bereit erklärt, als sie durch den Ausspruch der Massenkündigungen bereits vollendete Tatsachen geschaffen hatte.

7. Vergeblich wendet sich die Revision schließlich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kläger hätten die Rechtswidrigkeit ihrer Aktion nicht oder doch nicht gehörig erkennen können. Sie verweist hierzu auf den Vortrag der Beklagten, wonach deren Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Kl…, die Belegschaft schon bei dem Warnstreik vom 7. März 1975 auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens hingewiesen habe, und rügt, daß das Landesarbeitsgericht dieses Vorbringen nicht berücksichtigt habe. Das erwähnte Vorbringen der Beklagten kann jedoch als richtig unterstellt werden. Auch wenn man annimmt, Rechtsanwalt Kl… habe der Belegschaft eine entsprechende Rechtsbelehrung erteilt, läßt sich daraus kein gravierender Schuldvorwurf gegen die Kläger herleiten. Als juristische Laien mußten sie in dieser gesetzlich nicht geregelten Frage auf ihre in solchen Dingen bewanderte Gewerkschaft vertrauen. Diese aber hat ihre Aktion von Anfang an mit Rat und Tat unterstützt. Auch der Betriebsrat vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte durch ihre voraufgegangenen Maßnahmen die Belegschaft in eine Notwehrsituation gebracht habe, die die kollektive Arbeitsniederlegung rechtfertige. Nicht zuletzt mußte ferner auch die breite öffentliche Sympathie, die ihnen entgegengebracht wurde, die Kläger in ihrer Auffassung bestärken, daß sie sich im Recht befänden. Das läßt ihr Verhalten in einem erheblich milderen Licht erscheinen.

8. Nach alledem haben die Kläger zwar an einem rechtswidrigen Arbeitskampf teilgenommen, bei dem auch unterstellt werden kann, daß es sich um eine Werksbesetzung gehandelt hat. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß sie hierbei initiativ geworden wären oder sich sonst in irgendeiner Weise über die schlichte Teilnahme hinaus hervorgetan hätten. Demgegenüber hat aber die Beklagte durch ihr vorwerfbares Verhalten entscheidend zum Entstehen der explosiven Lage in ihrem Betriebe beigetragen, die schließlich zum Ausbruch des Arbeitskampfes führte.

Schon bei der geplanten Einführung von Kurzarbeit für 23 Arbeitnehmer der Packerei und der Zementmühle im Januar 1975 hat die Beklagte Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes außer acht gelassen. Sie hat zwar den Betriebsrat um die nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erforderliche Zustimmung zu der vorgesehenen Kurzarbeit gebeten, sich jedoch geweigert, dem Betriebsrat oder dem Wirtschaftsausschuß konkrete Angaben zur wirtschaftlichen Situation ihres Unternehmens zu machen und zu den damit im Zusammenhang stehenden Fragen, die der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 28. Januar 1975 der Geschäftsleitung vorlegte und auf deren Beantwortung es ihm für seine Entschließung über die beantragte Zustimmung zur Kurzarbeit ankam, Stellung zu nehmen. Damit hat die Beklagte gegen die ihr nach § 106 Abs. 2 BetrVG obliegende Pflicht verstoßen, den Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen. Hierdurch wurde es dem Betriebsrat, der wiederum auf eine Unterrichtung durch den Wirtschaftsausschuß angewiesen ist (vgl. §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 3 BetrVG), unmöglich gemacht, sich selbst ein zutreffendes Bild über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu machen und sich von der Notwendigkeit der von der Beklagten angestrebten Kurzarbeit zu überzeugen. Unter diesen Umständen mußte die in der Betriebsratssitzung vom 14. Februar 1975 abgegebene Erklärung des geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagten, weil der Betriebsrat der Einführung von Kurzarbeit nicht zugestimmt habe, müßten nunmehr 50 Arbeitnehmer entlassen werden, und die wenige Tage später folgende Erhöhung der Zahl der zu Entlassenden auf insgesamt 100 Arbeitnehmer den Eindruck erwecken, daß hier ohne zwingende Notwendigkeit die wirtschaftliche Existenz des größten Teils der Belegschaft willkürlich aufs Spiel gesetzt und dafür auch noch der Betriebsrat verantwortlich gemacht werden sollte. Es mußte nämlich unverständlich erscheinen, daß die im Februar 1975 verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Kurzarbeit von 23 Arbeitnehmern der Packerei und der Zementmühle im Februar 1975 die Kündigung von nunmehr 100 Arbeitnehmern, also von zwei Dritteln der Gesamtbelegschaft, unumgänglich gemacht hätte. Die Zweifel an der Notwendigkeit dieser Entlassungen mußten sich noch erheblich verstärken, als der Prokurist L… namens der Geschäftsleitung der Beklagten dem Betriebsrat am 5. März 1975 den Vorschlag unterbreitete, zunächst für die Dauer von sechs Monaten für die gesamte Belegschaft Kurzarbeit einzuführen und bis zum Ende des Jahres 1975 die Zahl der Beschäftigten auf 125 Arbeitnehmer zu reduzieren. Wenn die Beklagte diesen Weg für gangbar hielt, um die Arbeitsplätze von 125 Arbeitnehmern ihres Betriebes zu erhalten, so hat sie damit selbst deutlich zu erkennen gegeben, daß Kündigungen in dem von ihr dem Betriebsrat angezeigten und dann auch verwirklichten Umfang nicht notwendig waren.

Schließlich hat die Beklagte auch die sie bei einer geplanten Betriebsänderung treffenden Verpflichtungen aus den §§ 111, 112 BetrVG unbeachtet gelassen. Nach diesen Vorschriften hätte die Beklagte den Betriebsrat rechtzeitig vor der Durchführung der auf die Betriebseinschränkung abzielenden Maßnahmen, also vor dem Ausspruch der Kündigungen, umfassend unterrichten, mit ihm die geplante Betriebsänderung beraten und die Herbeiführung eines Interessenausgleichs versuchen sowie mit dem Betriebsrat einen Sozialplan vereinbaren müssen. Das alles hat die Beklagte nicht getan. Sie ist vielmehr unmittelbar, nachdem sie dem Betriebsrat mit Schreiben vom 19. Februar 1975 die beabsichtigte Entlassung von insgesamt 100 Arbeitnehmern eröffnet hatte, zur Durchführung dieser Maßnahme übergegangen. Erst als sie durch die Kündigung von 86 Arbeitnehmern vollendete Tatsachen geschaffen hatte, erklärte sie sich dem Betriebsrat gegenüber zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Sozialplan bereit.

Durch dieses grobe Fehlverhalten hat die Beklagte auch entscheidend zur Entstehung des Rechtsirrtums der Kläger beigetragen, die Beklagte habe die Belegschaft in eine Notwehrsituation gedrängt, die es ihr erlaube, sich mit den Mitteln des Arbeitskampfes gegen die ausgesprochenen 86 Kündigungen zur Wehr zu setzen.

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß es der Beklagten zuzumuten gewesen sei, ihre Arbeitsverhältnisse mit den Klägern wenigstens noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen fortzusetzen, und daß die ausgesprochenen fristlosen Kündigungen daher mangels eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinne von § 626 BGB unwirksam sind.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Seidensticker, Matthes, Keller, Dr. Frey

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1767479

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