Entscheidungsstichwort (Thema)
Invalidität vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wegfall der Geschäftsgrundlage; Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolgs (§ 812 Abs 1 Satz 2 2. Fall BGB); positive Forderungsverletzung und Hinweispflicht
Leitsatz (amtlich)
- Sieht eine Versorgungsordnung erhöhte Versorgungsleistungen für Arbeitnehmer vor, deren Arbeitsverhältnis “wegen” oder “infolge” Berufsunfähigkeit beendet wird, so ist diese Regelung auch dann anzuwenden, wenn ein Arbeitnehmer, der noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufsunfähig geworden ist, deshalb ausscheidet, weil er auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht mehr die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Die Feststellung der Berufsunfähigkeit durch den Sozialversicherungsträger muß bei Ausspruch der Kündigung oder beim Abschluß des Aufhebungsvertrages noch nicht vorliegen.
- Wenn nach der Versorgungsordnung die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit und für den Zeitpunkt, in dem der Versicherungsfall eintritt, maßgebend ist, so hat der später zugegangene Rentenbescheid ebenso wie im Sozialversicherungsrecht lediglich feststellende Bedeutung.
- Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind auch dann Arbeitseinkommen i S d § 850c Abs 2 ZPO, wenn sie von einer rechlich selbständigen Pensionskasse erbracht werden. Zahlt die Pensionskasse eine Rente und der Arbeitgeber hierzu im Rahmen einer Gesamtversorgung einen Zuschuß, so sind diese Versorgungsleistungen bei der Prüfung des Aufrechnungsverbots nach § 394 BGB i Vm § 850c ZPO zusammenzurechnen, ohne daß ein Zusammenrechnungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts nötig ist. Es bleibt offen, ob das Vollstreckungsgericht außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 850e Nr 2 ZPO eine Zusammenrechnung anordnen kann.
Normenkette
BetrAVG § 1; BGB §§ 242, 394, 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall; ZPO § 850 Abs. 2, §§ 850c, 850e Nr. 2; AVG § 23 Abs. 2 S. 1, § 67 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 24.11.1988; Aktenzeichen 7 Sa 62/88) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 27.05.1988; Aktenzeichen 13 Ca 351/87) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. November 1988 – 7 Sa 62/88 – aufgehoben.
- Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Mai 1988 – 13 Ca 351/87 – werden zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1) 17/20 und die Beklagte zu 2) 3/20 mit Ausnahme der Mehrkosten, die dadurch entstanden sind, daß die Klage bei dem unzuständigen Landgericht Hamburg erhoben worden ist; diese Mehrkosten trägt der Kläger.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger verlangt eine höhere betriebliche Invaliditätsversorgung.
Der am 17. April 1949 geborene Kläger war vom 1. März 1974 bis 31. März 1986 bei der Beklagten zu 2) beschäftigt. Vom 1. November 1983 bis 31. März 1986 war er einer ihrer Geschäftsführer. Die Beklagte zu 1) ist eine Pensionskasse. Ihr gehören die Beklagte zu 2) und der Kläger als Mitglieder an.
Die Pensionskasse gewährt Invalidenpensionen, deren Voraussetzungen und Höhe in § 11 Nr. II ihrer Satzung, Stand Mai 1977, wie folgt geregelt sind:
- “
- Endet das Arbeitsverhältnis eines B-Mitgliedes mit dem A-Mitglied wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, so wird ihm eine Invalidenpension gewährt. Diese ergibt sich aus der beitragsfreien Pensionsversicherung, errechnet zum Stichtag des Ausscheidens, und herabgesetzt wegen des sofortigen Beginns auf die Sätze laut Anlage IV.
- Über das Vorliegen der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist die Entscheidung des Trägers der Sozialversicherung maßgebend, dem das Mitglied zuletzt angehört hat. Wird über die Frage von einem Träger der Sozialversicherung nicht entschieden, so hat die Kasse darüber aufgrund eines von ihr einzuholenden ärztlichen Gutachtens unter Anlehnung an die Bestimmungen des Gesetzes über die Angestelltenversicherung zu entscheiden.
- Die Pension gemäß Ziffer 1 wird für B-Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis mit dem A-Mitglied wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beendet wird, auf folgende Sätze erhöht, sofern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens 5 Mitgliedsjahre zurückgelegt worden sind:
- …
- Wird ein beitragsfreies B-Mitglied nach Beendigung seines Dienstverhältnisses mit dem A-Mitglied berufs- oder erwerbsunfähig, so finden Ziffern 1 bis 8 entsprechende Anwendung. Dabei beziehen sich die in Ziffer 3 genannten Sätze der Invalidenpension auf die Alterspension auf Grund der beitragsfreien Versicherung.”
A-Mitglied ist die Arbeitgeberin, B-Mitglied der Kläger.
Die Arbeitgeberin gewährt im Rahmen einer Gesamtversorgung bei Invalidität Firmenzuschüsse, die nach Nr. 8 der Gesamtversorgungsregelung der D… -Gruppe, Stand 1. Januar 1976, voraussetzen:
- “
Beendet ein Mitarbeiter nach mindestens fünfjähriger Konzerndienstzeit und mindestens fünf beitragspflichtigen Mitgliedsjahren bei der Pensionskasse B… das Arbeitsverhältnis infolge Erwerbsunfähigkeit, so errechnet sich die Gesamtversorgung zunächst nach den Ziffern 5 und 6, wobei das versorgungsfähige Einkommen beim Ausscheiden und die bis zur Altersgrenze von 65 Jahren bei männlichen, von 60 Jahren bei weiblichen Mitarbeitern fehlenden Zeiten als zusätzliche versorgungsfähige Dienstzeiten berücksichtigt werden.
…
- Beendet ein Mitarbeiter nach mindestens fünfjähriger Konzerndienstzeit und mindestens fünf beitragspflichtigen Mitgliedsjahren bei der Pensionskasse B… das Arbeitsverhältnis infolge Berufsunfähigkeit, so gilt die Regelung gemäß Ziffer 8.1 mit der Maßgabe, daß die Renten und Pensionen, die bei Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden wären, zugrunde gelegt werden.
Auf den sich aus der Gesamtversorgung ergebenden Firmenzuschuß werden angerechnet:
…
- über das Vorliegen der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend, dem der Mitarbeiter zuletzt angehört hat. Ist der Mitarbeiter bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versichert, so entscheidet die Firma aufgrund eines von ihr einzuholenden ärztlichen Gutachtens unter Anlehnung an die Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung.
- …”
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Dezember 1985 zum 30. Juni 1986. Die Rechtsanwälte des Klägers wiesen die Kündigung mit Schreiben vom 30. Dezember 1985 nach §§ 180, 174 BGB zurück. Der Kläger selbst wandte sich mit Schreiben vom 30. Dezember 1985 an den Geschäftsführer der … D… GmbH (Alleingesellschafterin der Arbeitgeberin) und übersandte eine mit “Situation Ende Dezember 1985” überschriebene Darstellung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der bisher geführten Gespräche. Der Kläger wies u.a. darauf hin, daß er sich wegen eines Gehörschadens außerstande sehe, die Funktion als Geschäftsführer der N so wie vorgesehen und abgesprochen auszufüllen.
Am 15. Januar 1986 einigte sich der Kläger mit dem Geschäftsführer und dem Personaldirektor der Alleingesellschafterin der Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1986 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 50.000,-- DM zu beenden. “Damit” sollten “alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten” sein. Vereinbarungsgemäß kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Klägers mit einem auf den 4. September 1985 rückdatierten Schreiben wegen des Gehörschadens des Klägers zum 31. März 1986.
Am 30. Januar 1986 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berufsunfähigkeitsrente. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erkannte mit Bescheid vom 29. Juli 1986 ab 1. Februar 1986 Rente wegen Berufsunfähigkeit an und ging davon aus, daß der Versicherungsfall am 30. Januar 1986 eingetreten sei. Das Versorgungsamt der Freien und Hansestadt Hamburg stellte mit Bescheid vom 29. August 1986 auf Antrag des Klägers vom 28. Dezember 1985, eingegangen am 31. Dezember 1985, fest, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Schwerhörigkeit beiderseits und eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms 60 v. H. betrage.
Die Pensionskasse berechnete die Invalidenpension des Klägers nach § 11 Nr. II.9. ihrer Satzung (Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit “nach Beendigung” des Dienstverhältnisses) und zahlte dem Kläger ab 1. April 1986 monatlich 453,70 DM. Die Arbeitgeberin gewährte ihm einen Firmenzuschuß von monatlich 12,70 DM. Bei einer Berechnung nach § 11 Nr. II.1. der Satzung (Beendigung des Arbeitsverhältnisses “wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit”) und Nr. 8.2 der Gesamtversorgungsregelung ergibt sich unstreitig eine monatliche Invalidenpension von 1.380,60 DM und ein monatlicher Firmenzuschuß von 170,-- DM.
Der Kläger hat behauptet, im Gespräch vom 15. Januar 1986 habe er dem Geschäftsführer und dem Personaldirektor der Alleingesellschafterin seiner Arbeitgeberin mitgeteilt, daß er wegen seines Gehörschadens beim Sozialversicherungsträger eine Berufsunfähigkeitsrente beantragen werde, und anschließend auch den weiteren Geschäftsführer der Arbeitgeberin hierüber unterrichtet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Berufsunfähigkeit für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ursächlich gewesen sei. Seine Versorgungsansprüche seien nicht durch die vereinbarte Abgeltungsklausel erloschen. Die Arbeitgeberin könne auch nicht mit einem Anspruch auf Rückzahlung der Abfindung aufrechnen. Der Kläger sei nicht zur Rückzahlung der Abfindung verpflichtet. Die Geschäftsgrundlage für die Zahlung der Abfindung sei nicht weggefallen. Die Abfindung sei dem Kläger zugesagt worden, damit er keine Kündigungsschutzklage erhebe.
Der Kläger hat eine höhere Invalidenpension und einen höheren Firmenzuschuß beim Landgericht Hamburg eingeklagt, das den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen hat. Nachdem der Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt worden ist, hat der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn als Versicherungspension für die Zeit ab April 1986 bis einschließlich März 1987 insgesamt 11.122,80 DM zu zahlen,
- die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Gesamtversorgungs-Firmenzuschuß ab April 1986 bis einschließlich März 1987 1.887,60 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behaupten, der Kläger habe der Arbeitgeberin nicht mitgeteilt, daß er bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berufsunfähigkeitsrente beantragen werde. Er habe sie auch nicht über den bereits gestellten Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft unterrichtet. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei nicht “infolge” oder “wegen” der Berufsunfähigkeit des Klägers beendet worden. Die Berufsunfähigkeit sei nur dann für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kausal, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Vertragsaufhebung festgestellt worden sei und der Bescheid des Sozialversicherungsträgers schon damals bekannt gewesen sei. Vorsorglich rechnet die Arbeitgeberin mit einem Anspruch auf Rückzahlung der Abfindung in Höhe von 50.000,-- DM auf. Wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei der Aufhebungsvertrag vom 15. Januar 1986 dahingehend anzupassen, daß der Kläger die erhaltene Abfindung an die Arbeitgeberin zurückzuzahlen habe. Sie sei bei Vertragsabschluß davon ausgegangen, daß die Gehörbeeinträchtigung des Klägers keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 11 Nr. II.1. der Satzung und der Nr. 8.2 der Gesamtversorgungsregelung ausgelöst habe und dem Kläger keine erhöhte Invaliditätsversorgung zustehe. Wenn die Arbeitgeberin gewußt hätte, daß der Kläger Berufsunfähigkeitsrente beantragen wolle, hätte sie das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht beendet und keine Abfindung gezahlt. Falls sich ihr Rückzahlungsanspruch nicht aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ergebe, könne er auf § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB und auf positive Forderungsverletzung gestützt werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufungen der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger gegen die Pensionskasse ein Anspruch auf eine höhere Invalidenpension und gegen die Arbeitgeberin ein Anspruch auf Zahlung eines höheren Firmenzuschusses zu.
I. Der Anspruch des Klägers gegen die Pensionskasse ergibt sich aus § 11 Nr. II.1. ihrer Satzung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete im Sinne dieser Vorschrift “wegen Berufsunfähigkeit”. § 11 Nr. II.9. der Satzung, der eine Regelung für frühere Arbeitnehmer enthält, die “nach Beendigung” ihres “Dienstverhältnisses … berufsunfähig” werden, ist nicht anzuwenden.
1. Die Voraussetzungen des § 11 Nr. II.9. der Satzung sind nicht erfüllt. Der Kläger ist nicht nach, sondern vor Beendigung seines Dienstverhältnisses berufsunfähig geworden.
a) Sozialversicherungsrechtlich kommt es für die Frage, wann ein Versicherter berufsunfähig geworden ist, weder auf den Zugang des Rentenbescheides noch auf die Antragstellung an. Nach § 67 AVG ist die Berufsunfähigkeit nicht davon abhängig, ob ein Antrag auf Rentengewährung gestellt wird. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist lediglich für den Beginn der Rentenzahlung von Bedeutung. Wenn der Antrag später als drei Monate nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit gestellt wird, hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Berufsunfähigkeitsrente vom Beginn des Antragsmonats an zu gewähren (§ 67 Abs. 2 AVG). Wird der Antrag früher gestellt, so ist die Berufsunfähigkeitsrente vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem der Versicherungsfall eintrat (§ 67 Abs. 1 AVG).
b) Auch nach der Satzung der Pensionskasse kommt dem Rentenbescheid des Sozialversicherungsträgers keine anspruchsbegründende, sondern lediglich feststellende Bedeutung zu. Die Satzung hat den sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Berufsunfähigkeit übernommen. Weder dem Wortlaut und der Systematik des § 11 Nr. II der Satzung noch dem Regelungszweck läßt sich entnehmen, daß die Satzung die Anerkennung der Berufsunfähigkeit von einem zusätzlichen, einschränkenden Merkmal abhängig macht. § 11 Nr. II.2. der Satzung legt nur fest, wie die Berufsunfähigkeit festgestellt wird. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit knüpft die Satzung an die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers an.
c) Maßgebend für die Frage, wann Berufsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Zeitpunkt, der im Rentenbescheid des Sozialversicherungsträgers angegeben ist. Der Bescheid läßt keine Unklarheit darüber aufkommen, wann der Kläger berufsunfähig geworden ist. Danach besteht kein Grund, den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit abweichend vom Sozialversicherungsrecht festzulegen. Vielmehr entspricht es dem Wortlaut und der Zielsetzung des § 11 Nr. II.2. der Satzung, auch insoweit auf die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers abzustellen.
Nach dem Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist die Berufsunfähigkeit bereits am 30. Januar 1986 eingetreten, während das Arbeitsverhältnis erst am 31. März 1986 endete, so daß die Voraussetzungen des § 11 Nr. II.9. der Satzung nicht erfüllt sind.
2. Der vorliegende Fall ist dem in § 11 Nr. II.1. der Satzung ausdrücklich geregelten Tatbestand aufgrund einer sinn- und zweckgerechten entsprechenden Auslegung gleichzustellen.
a) Der Kläger ist noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, also im Dienste der Beklagten zu 2), berufsunfähig geworden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wußte die Arbeitgeberin zwar nicht, daß der Kläger berufsunfähig war. Das spricht gegen die unmittelbare Anwendung der Norm. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses stand aber in engstem Zusammenhang mit dem Leiden, das zu einer Anerkennung des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit führte, und das der Arbeitgeberin bei Abschluß des Aufhebungsvertrages bekannt war.
Der Kläger hatte in seiner mit Schreiben vom 30. Dezember 1985 übersandten Darstellung der “Situation Ende Dezember 1985” unter Bezugnahme auf frühere Gespräche auf seinen Hörverlust hingewiesen, der zunächst habe überspielt werden können, sich jedoch zunehmend verstärkt habe. Er teilte der Arbeitgeberin mit, daß nach ärztlicher Diagnose wegen einer kaum therapierbaren Innenohrschädigung im Jahre 1975 eine mittlere Schwerhörigkeit und im Jahre 1985 hochgradige Schwerhörigkeit vorgelegen habe. Er sehe sich wegen der mit dem Gehörschaden verbundenen Probleme, vor allem wegen der Schwierigkeiten beim Selektieren einzelner Informationen aus einem allgemeinen Geräuschpegel, außerstande, seine Funktion als Geschäftsführer vereinbarungsgemäß auszufüllen. Der Personaldirektor der Alleingesellschafterin habe ihm erklärt, daß wegen der nur noch eingeschränkten Einsatzmöglichkeit des Klägers eine anderweitige Verwendung im Konzern nahezu aussichtslos sei.
Die Arbeitgeberin hatte spätestens durch dieses Schreiben des Klägers vom 30. Dezember 1985 davon Kenntnis erlangt, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge seines Gebrechens erheblich gesunken war. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Berufsunfähigkeit hing nur noch vom Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ab. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AVG setzt die Berufsunfähigkeit voraus, daß die Resterwerbsfähigkeit geringer ist als die Hälfte der Vollerwerbsfähigkeit eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten. Der im Schreiben des Klägers vom 30. Dezember 1985 geschilderte Sachverhalt ließ dies als wahrscheinlich erscheinen. Die Arbeitgeberin, die mit einer Berufsunfähigkeit rechnen mußte, löste das Arbeitsverhältnis ausdrücklich wegen des Gehörschadens auf. Die mit dem Gebrechen des Klägers verbundenen Leistungsausfälle waren für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend und für die noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eingetretene Berufsunfähigkeit zumindest mitursächlich.
b) Eine entsprechende Anwendung des § 11 Nr. II.1. der Satzung trägt dem Zweck dieser Bestimmung Rechnung, der sich bereits aus ihren Tatbestandsmerkmalen ergibt. Danach sollen Arbeitnehmer, die ihre Arbeitskraft im Dienste eines der Pensionskasse angehörenden Arbeitgebers verbraucht haben, eine erhöhte Invaliditätsversorgung erhalten, wenn ihre Leistungsfähigkeit bis zur Berufsunfähigkeit gesunken ist und das Arbeitsverhältnis deshalb beendet wird. Dieser Regelungszweck gebietet es, jedenfalls die Arbeitnehmer mit einzubeziehen, die wegen ihrer Krankheiten oder Gebrechen nicht mehr die volle vereinbarte Arbeitsleistung erbringen können und aufgrund dieser Leistungsminderung sowohl aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden als auch noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses berufsunfähig werden.
II. Der Anspruch des Klägers gegen die Arbeitgeberin auf einen höheren Firmenzuschuß ergibt sich aus Nr. 8.2 der Gesamtversorgungsregelung. Diese Bestimmung ist ebenso auszulegen wie § 11 Nr. II.1. der Satzung der Pensionskasse. Die Regelungen stimmen inhaltlich überein und ergänzen sich. Die Arbeitgeberin gewährt im Rahmen einer Gesamtversorgung einen Firmenzuschuß zur Invalidenpension der Pensionskasse.
III. Die Ansprüche des Klägers auf höhere Invalidenpension und höheren Firmenzuschuß sind nicht aufgrund der am 15. Januar 1986 vereinbarten Abgeltungsklausel erloschen. Die Abgeltungsklausel erfaßt zwar “alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis”. Ein Verzicht auf Versorgungsansprüche liegt jedoch, soweit er überhaupt zulässig ist, nur dann vor, wenn dies eindeutig zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. BAG Urteil vom 27. Februar 1990 – 3 AZR 213/88 – mit weiterem Nachweis). Die Bedeutung der Versorgungsansprüche für den Arbeitnehmer erfordert eine unmißverständliche Erklärung, die im vorliegenden Fall fehlt. Der Wortlaut der Abgeltungsklausel spricht sogar mehr gegen als für ihre Anwendbarkeit. Der Anspruch auf Invalidenpension richtet sich nicht gegen die Arbeitgeberin und beruht nicht unmittelbar auf dem Arbeitsverhältnis, sondern auf der B-Mitgliedschaft bei der Pensionskasse. Der von der Arbeitgeberin gewährte Firmenzuschuß ergänzt diese Invalidenpension. Die Beklagten sind selbst nicht davon ausgegangen, daß der Kläger auf seine Versorgungsansprüche gänzlich verzichtet hat, sondern haben Invalidenpension und Firmenzuschuß gewährt.
IV. Die Forderungen des Klägers sind auch nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).
1. Die Aufrechnungserklärung der Arbeitgeberin kann schon mangels Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung nicht die Tilgung des gegen die Pensionskasse gerichteten Anspruchs auf Invalidenpension bewirken (§ 387 BGB).
2. Die Aufrechnung der Arbeitgeberin gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Zahlung eines höheren Firmenzuschusses ist zwar zulässig. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auf Rückzahlung der Abfindung besteht jedoch nicht.
a) Die Aufrechnung ist nicht nach § 394 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 850c ZPO ausgeschlossen.
aa) Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind nach § 850 Abs. 2 ZPO Arbeitseinkommen im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften, auch wenn sie von einer selbständigen Pensionskasse erbracht werden. Der Kläger erhält im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung von der Pensionskasse eine Invalidenpension und von seinem früheren Arbeitgeber einen Firmenzuschuß.
bb) Nach § 850e Nr. 2 ZPO sind mehrere Arbeitseinkommen auf Antrag vom Vollstreckungsgericht bei der Pfändung zusammenzurechnen. Ein Zusammenrechnungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts fehlt. Ob das Vollstreckungsgericht außerhalb eines Vollstrekkungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 850e Nr. 2 ZPO wegen einer Abtretung oder Aufrechnung eine Zusammenrechnung anordnen kann, ist umstritten (für eine analoge Anwendung: Denck, MDR 1979, 450, 452; Grunsky, ZIP 1983, 908, 910; ablehnend LG Flensburg, Beschluß vom 13. September 1967 – 1 T 81/67 – MDR 1968, 58; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 850e Rz 44; Wieczorek/Schütze, ZPO, 2. Aufl., § 850e Anm. B IIa; Stöber, Forderungspfändung, 8. Aufl., Rz 1149).
Es kann dahingestellt bleiben, welcher Ansicht zu folgen ist. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls kein Zusammenrechnungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts notwendig. Der Kläger bezieht zwar die betriebliche Altersversorgung von zwei rechtlich selbständigen Schuldnern. Sowohl die Invalidenpension also auch der Firmenzuschuß gehen jedoch auf ein und dasselbe Arbeitsverhältnis zurück. Sie sind nicht nur Bestandteil der vom Arbeitgeber zugesagten betrieblichen Altersversorgung, sondern ergänzen sich zu einer Gesamtversorgung und sind dadurch noch enger miteinander verknüpft. Der rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang dieser Leistungen gebietet es, sie im Rahmen des Aufrechnungsverbots nach § 394 BGB in Verbindung mit § 850c ZPO nicht als mehrere, sondern als ein Arbeitseinkommen zu betrachten und dem Kläger nicht für beide Versorgungsteile, also zweimal die volle Freigrenze einzuräumen. Die Schwierigkeiten, deren Vermeidung § 850e Nr. 2 ZPO bezweckt, treten hier nicht auf. Die beiden Schuldner wissen voneinander. Ihre Leistungen sind aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt. Innerhalb der Gesamtversorgung bildet die von der Pensionskasse geschuldete Invalidenpension den Ausgangspunkt und Hauptbezug, so daß der unpfändbare Betrag ihm zu entnehmen ist. Dies entspricht auch der Wertung des § 850e Nr. 2 Satz 2 ZPO. Der Firmenzuschuß hat, wie seine Bezeichnung unterstreicht, ergänzende Funktion.
cc) Der Kläger, der für die Einwendung des § 394 BGB darlegungsund beweispflichtig ist, hat nicht vorgetragen, daß die Invalidenpension den unpfändbaren Betrag nicht deckt. Das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB in Verbindung mit § 850c ZPO erfaßt daher den Anspruch des Klägers auf den erhöhten Firmenzuschuß nicht.
b) Der Kläger ist jedoch nicht verpflichtet, die anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhaltene Abfindung an die Arbeitgeberin zurückzuzahlen.
aa) Die Geschäftsgrundlage für die bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Abfindung ist nicht weggefallen.
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut (BAGE 52, 273 = AP Nr. 7 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage, m.w.N.; BGH Urteil vom 23. Oktober 1957 – V ZR 219/55 – BGHZ 25, 390, 392). Dabei ist die Feststellung der Umstände, auf die der Geschäftswille aufbaut, kein psychologischer, sondern ein wertender Vorgang, so daß sowohl die subjektive als auch die objektive Geschäftsgrundlage erfaßt werden.
Die Arbeitgeberin hat die Voraussetzungen einer für die Abfindungsvereinbarung wesentlichen Zweckstörung nicht schlüssig dargelegt. Nach Nr. 2 des Schreibens der Beklagten zu 2) vom 4. September 1985 trug die Abfindung der “langen Firmenzugehörigkeit” und der “durch den Gehörschaden bedingten Situation” Rechnung. Sie diente “zum Ausgleich der durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Nachteile”. Die Arbeitgeberin hatte bereits mit Schreiben vom 19. Dezember 1985 versucht, das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1986 zu kündigen. Der Kläger hatte diese Kündigung unter Hinweis auf §§ 180, 174 BGB zurückgewiesen. Ihm war in erster Linie am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, sei es auch durch Umsetzung im Konzern, gelegen. Dazu war die Arbeitgeberin nicht bereit. Der Kläger hatte angekündigt, daß er versuchen werde, seine Beschäftigung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, und sich gezwungen sehe, alle ihm zu Gebote stehenden Maßnahmen gegen eine Kündigung auszuschöpfen.
Die Arbeitgeberin erreichte mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung der Abfindung von 50.000,-- DM, daß der Kläger, der eine Schlüsselposition innehatte, ohne Kündigungsschutzprozeß und noch vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 1986 ausschied. Durch die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ersparte sich die Arbeitgeberin die Vergütung für drei Monate. Mit der Vereinbarung, das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1986 zu beenden, übernahm der Kläger einerseits das Risiko, weder eine Berufsunfähigkeitsrente noch einen neuen, adäquaten Arbeitsplatz zu erhalten und auch mit der ins Auge gefaßten selbständigen Tätigkeit nicht den erhofften Erfolg zu erzielen. Andererseits mußte der Kläger durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst bei Bestehen eines Anspruchs auf Invalidenpension und Firmenzuschuß erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Ohne Abschluß des Aufhebungsvertrages hätte der Kläger gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin vorgehen können.
Nach diesen für die Vereinbarung der Abfindung wesentlichen Umständen und der mit dem Aufhebungsvertrag verbundenen Risikoverteilung verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, die Arbeitgeberin an der Vereinbarung festzuhalten. Der Arbeitgeberin wird kein unzumutbares Opfer abverlangt. Die Zahlung der Abfindung ist nicht objektiv sinnlos geworden.
bb) Der Arbeitgeberin steht kein Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolgs (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Fall BGB) zu. Die Parteien hatten sich nicht darauf geeinigt, daß die Leistung der vereinbarten Abfindung vom Eintritt eines bestimmten Zweckes abhängt. Die Beklagte zu 2) hat nicht schlüssig vorgetragen, daß wenigstens stillschweigend eine solche Übereinstimmung zwischen den Parteien zustande kam. Davon, daß dem Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen auf Invalidenpension und Firmenzuschuß rechtliche Bedeutung für die Zahlung der Abfindung zukommt, war bei Abschluß der Vereinbarung vom 15. Januar 1986 nicht die Rede.
cc) Selbst wenn der Kläger die Arbeitgeberin, wie sie behauptet hat, vor Abschluß des Aufhebungsvertrages nicht von seiner Absicht unterrichtet hatte, Berufsunfähigkeitsrente zu beantragen, kann die Arbeitgeberin nicht Schadenersatz aus positiver Forderungsverletzung verlangen. Der Kläger war nicht verpflichtet, der Arbeitgeberin diese Absicht von sich aus mitzuteilen. Er hatte die Arbeitgeberin über seinen Gehörschaden, dessen erhebliche Verschlechterung und die dadurch ausgelösten Leistungsausfälle unterrichtet. Nach der Schilderung des Klägers mußte die Arbeitgeberin mit der Möglichkeit einer Berufsunfähigkeit rechnen. Wenn sie einem bevorstehenden Rentenantrag Bedeutung für die Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung beimaß, lag es an ihr, den Kläger zu fragen. Jeder Verhandlungspartner ist für die Wahrnehmung seiner eigenen Interessen verantwortlich und hat deutlich zum Ausdruck zu bringen, welche Umstände er für den Vertragsabschluß als entscheidend ansieht.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, § 100 Abs. 2, § 91a ZPO, § 48 Abs. 1 ArbGG, § 281 Abs. 3 ZPO. Die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts entstandenen Mehrkosten sind nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Soweit die Klageanträge nicht für erledigt erklärt worden sind, sind die Beklagten unterlegen (§§ 91, 100 Abs. 2 ZPO). Sie haben die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit entsprechend ihrer Beteiligung am Rechtsstreit zu tragen, als die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Arbeitgeberin und die Pensionskasse trifft nach § 242 BGB die Nebenpflicht, die komplizierte Rentenberechnung, die sie ohnehin vornehmen, dem vorsorgungsberechtigten Arbeitnehmer bei Unklarheiten zu erläutern. Die darauf gerichtete Klage war begründet (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Heither, Dr. Wittek, Kremhelmer, Matthiessen, Weinmann
Fundstellen
Haufe-Index 841010 |
RdA 1991, 60 |