Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung; Fälligkeit einer Vergütung für Samstagsarbeit bei bestehendem Arbeitszeitkonto; Betriebsvereinbarung unter aufschiebender Bedingung; Betriebsverfassungsrecht; Tarifauslegung
Orientierungssatz
- Gegen den Abschluß einer Betriebsvereinbarung unter einer aufschiebenden Bedingung bestehen dann keine rechtlichen Bedenken, wenn der Eintritt der Bedingung für alle Beteiligten, auch für die Arbeitnehmer als Normunterworfene, ohne weiteres feststellbar ist.
- Die Regelung einer Betriebsvereinbarung, daß ein über die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit hinausgehendes Zeitguthaben erst am Ende eines einjährigen Verteilungszeitraums vergütet wird, ist vom Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfaßt. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen § 2 Nr. 4a des Lohnrahmen-Tarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Juli 1984.
Normenkette
BGB § 614 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 4; MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Februar 1997 § 3 Nr. 1, § 5; Lohnrahmen-Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 § 2 Nr. 4a
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Januar 2001 – 5 Sa 1124/00 – in dem Umfang aufgehoben, in dem es auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben hat.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 4. Juli 2000 – 5 Ca 1219/99 – wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Zeit, die der Kläger an zwei Samstagen im August 1999 gearbeitet hat, in ein Jahresarbeitszeitkonto einzustellen oder zeitnah zu vergüten war.
Die Beklagte betreibt eine Druckerei mit etwa 200 Mitarbeitern. Der Kläger ist seit 1988 als Rollendrucker bei ihr beschäftigt. Er war im Jahre 1999 Mitglied der IG Medien. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der von der Beklagten mit der IG Medien- Druck und Papier, Publizistik und Kunst geschlossene Firmentarifvertrag vom 17. Juni 1999 (FirmenTV) Anwendung. Dieser erklärt – ua. – die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Bundesrepublik Deutschland mit einigen Modifikationen für anwendbar. Im Betrieb galt vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Juli 2001 ferner die “Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Arbeitszeit” vom 16. Juni 1999 (BV). Nach ihrer Nr. 1 soll sie “den wechselnden Auslastungen der Firma Rechnung tragen und gleichzeitig den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten, soweit dies möglich ist, entsprechen“. Sie enthält auszugsweise folgende weitere Regelungen:
“3. Arbeitszeiten
3.1 Regelarbeitszeit/Pausen
Der Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den gültigen Tarifverträgen für die Druckindustrie. Sie beträgt zur Zeit 35 Stunden pro Woche und verteilt sich auf die Tage Montag bis Freitag. Frühester Arbeitsbeginn ist Montag 06.00 Uhr, Arbeitsende Samstag 06.00 Uhr. Die zuschlagsfreie Tagesarbeitszeit läuft von 06.00 bis 18.00 Uhr.
…
3.2 Abweichungen von der Regelarbeitszeit
Für die einzelnen Wochen können während der Laufzeit dieser Vereinbarung entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten und unter Beachtung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes von der Regelarbeitszeit abweichende Arbeitszeiten festgelegt werden. Dabei kann die Arbeit an einem Tag ganz ausfallen. Wird aber gearbeitet, beträgt die Mindestarbeitszeit sechs Stunden.
Erfolgt keine gesonderte Festlegung der Arbeitszeit, gelten folgende Zeiten als vereinbart:
Tag |
07.30 Uhr bis 15.30 Uhr |
30 Minuten Pause zwischen 11.30 Uhr und 13.00 Uhr |
Früh |
06.00 Uhr bis 14.00 Uhr |
30 Minuten Pause zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr |
Spät |
14.00 Uhr bis 22.00 Uhr |
30 Minuten Pause zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr |
Nacht |
22.00 Uhr bis 06.00 Uhr |
30 Minuten Pause zwischen 02.00 Uhr und 4.00 Uhr |
Abweichungen müssen jeweils bis zum Donnerstag der Vorwoche, 13.30 Uhr gemeinsam mit dem Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG vereinbart werden.
4. Überstunden
Überstunden sind ausschließlich Arbeitszeiten, die infolge verspäteter Ansage über die Regelarbeitszeit hinaus geleistet werden.
Überstunden sind im Interesse der Beschäftigungssicherung zu vermeiden und werden nur auf freiwilliger Basis von den einzelnen Arbeitnehmern geleistet. Die Rechte des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG sind zu beachten. Überstunden werden mit den fälligen Zuschlägen bei der nächsten Abrechnung ausgezahlt.
5. Samstagsarbeit
Bei betrieblicher Notwendigkeit kann an Samstagen gearbeitet werden. Dabei darf eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche nicht überschritten werden. Die maximale Schichtdauer an Samstagen beträgt acht Stunden. Bis zum 30. Juni 2001 wird Samstagsarbeit bis zu zehn Stunden pro Beschäftigten innerhalb eines Zeitraumes von 4 Wochen ohne Samstags- bzw. Überstundenzuschläge vergütet. Etwa fällige Nachtzuschläge werden mit der nächsten Abrechnung vergütet. Die Festlegung, ob Samstagsarbeit erforderlich ist und welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind, erfolgt am Donnerstag der laufenden Woche bis 13.30 Uhr. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin hat das Recht, die Samstagsarbeit ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn er gleichzeitig einen Ausweichtermin innerhalb der nächsten vier Wochen anbietet.
…
6. Arbeitszeitkonten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit
6.1 Führung von Zeitkonten
Die im Rahmen der ungleichmäßigen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit geleisteten Plus- bzw. Minusstunden gegenüber der Regelarbeitszeit gehen unterjährig in ein Zeitkonto für den Beschäftigten ein mit dem Ziel, am Ende des Verteilzeitraumes von 52 Wochen die Regelarbeitszeit zu erreichen.
…
6.3 Ausgleich der Arbeitszeitkonten
Am Ende des Verteilzeitraums von 52 Wochen verbleibende Zeitguthaben werden mit der nächsten Abrechnung vergütet, wobei alle Stunden ab der 301. Stunde mit einem Zuschlag von 40 % zu vergüten sind.
…
8. Bezahlung
Das monatliche Einkommen der Arbeitnehmer wird unabhängig von der Anzahl der geleisteten Stunden auf der Grundlage der tariflichen Wochenarbeitszeit in Höhe des vereinbarten Lohnes/Gehaltes gezahlt. Etwa fällige, nicht in den Ziffern 4., 5. und 6.3 geregelte Zuschläge werden aufgrund der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit berechnet und mit der folgenden Abrechnung ausgezahlt.
9. Schlußbestimmungen
Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 1. Juli 1999 in Kraft unter der Voraussetzung, daß zwischen den Tarifvertragsparteien ein Firmentarif auf Grundlage der am 2. Juni 1999 vereinbarten Eckpunkte abgeschlossen wird. Sie endet zum 31.07.2001 ohne Nachwirkung.
…”
Schon im Juli 1999 kam es zwischen den Betriebsparteien zu Differenzen über die Behandlung von Samstagsarbeit. Die Beklagte stellte Arbeitsstunden, die samstags geleistet worden waren, sämtlich in das Arbeitszeitkonto ein. Der Betriebsrat verlangte demgegenüber, die an Samstagen geleistete Arbeit einschließlich angefallener Zuschläge bereits mit der nächsten Lohnabrechnung zu vergüten. In einem darüber geführten Gespräch erklärte sich die Beklagte bereit, ab August 1999 nur noch die am jeweils ersten Samstag innerhalb eines vierwöchigen Zeitraums geleisteten Arbeitsstunden in das Zeitkonto zu übernehmen und die an den folgenden Samstagen geleistete Arbeit mit der nächsten Monatsabrechnung zu vergüten. Der Betriebsrat hielt auch dies nicht für ausreichend.
Der Kläger arbeitete am Samstag, dem 7. August und am Samstag, dem 28. August 1999 jeweils acht Stunden. Die Beklagte schrieb sie seinem Arbeitszeitkonto gut.
Mit seiner am 7. Dezember 1999 zugestellten Klage hat der Kläger die Auszahlung der auf 16 Arbeitsstunden entfallenden Vergütung in Höhe von – rechnerisch unstreitig – 585,60 DM (299,41 Euro) brutto nebst Zinsen verlangt. Mit der Lohnabrechnung für Juni 2000 zahlte die Beklagte ihm die Vergütung für 296 Arbeitsstunden als Zeitguthaben aus. Der Kläger hat die Klage daraufhin auf die Zahlung von Zinsen beschränkt. Er hat die Auffassung vertreten, sämtliche Samstagsarbeit sei zeitnah zu vergüten. Aus der gesonderten Regelung der Samstagsarbeit in Nr. 5 BV folge, daß diese nicht eine Abweichung von der Regelarbeitszeit iSd. Nr. 3.2 BV darstelle, sondern daß es sich bei ihr um zusätzlich zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erbrachte Überstunden nach § 5 des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Februar 1997 (MTV) handele. Die anderslautende Definition der Überstunden in Nr. 4 BV verstoße gegen § 5 MTV und sei deshalb unwirksam. Der Kläger hat behauptet, er habe an den den beiden Samstagen vorausgehenden fünf Arbeitstagen insgesamt jeweils 35 Stunden gearbeitet und sein Zeitkonto habe stets ein Guthaben ausgewiesen.
Soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4 % Zinsen aus dem sich aus 585,60 DM brutto ergebenden Nettobetrag für die Zeit ab Rechtshängigkeit bis zum 30. Juni 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, aus § 3 Nr. 1 Abs. 5 MTV ergebe sich, daß freiwillige Betriebsvereinbarungen die Arbeitszeit auch auf den Samstag verteilen dürften. In diesem Falle handele es sich bei Samstagsarbeit nicht um Überstunden. Aus Nr. 8 BV wiederum ergebe sich, daß außer Überstunden nur bestimmte Zeitzuschläge schon mit der nächsten Lohnabrechnung auszuzahlen seien, nicht aber die Grundvergütung für Arbeit an Samstagen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision bittet die Beklagte um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger besaß keinen Anspruch auf die zeitnahe Vergütung von Samstagsarbeit zusätzlich zum verstetigten Monatslohn. Damit besteht auch der mit der Klage weiterverfolgte Zinsanspruch nicht. Die gegenteilige Ansicht des Landesarbeitsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der BV.
Die Klage ist zulässig. Sie genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO. Zwar begehrt der Kläger Zinsen für einen abgeschlossenen Zeitraum. Er könnte deshalb einen bezifferten Antrag stellen. Angesichts des für die Beklagte geringen Berechnungsaufwands und der Üblichkeit der gewählten Antragsfassung im Falle eines bei Klageerhebung noch offenen Zinszeitraums ist die gewählte Formulierung des Antrags aber nicht zu beanstanden.
Zweifelhaft ist allerdings, ob der Antrag des Klägers den materiellen Klageanspruch wirklich erfaßt. Dieser richtet sich auf die Zinsen aus der Differenz zwischen dem Nettobetrag, der sich aus einer um 585,60 DM erhöhten Bruttovergütung für den Monat August 1999 ergibt, und der an den Kläger für diesen Monat tatsächlich ausgezahlten Nettovergütung. Der Klageantrag bringt dies nicht deutlich zum Ausdruck. Die daraus folgenden Probleme betreffen aber nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage.
Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB oder Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB besteht nicht. Der Vergütungsanspruch des Klägers für die am 7. und 28. August 1999 geleistete Samstagsarbeit wurde nicht vor dem 30. Juni 2000 fällig. Zwar wird der Kläger nach Kalendermonaten vergütet und ist gemäß § 614 Satz 2 BGB eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung nach Ablauf des einzelnen Zeitabschnitts zu entrichten. Die gesetzliche Regelung wurde jedoch durch die Bestimmungen in Nr. 6 und Nr. 8 BV wirksam ersetzt.
- Eine von § 614 Satz 2 BGB abweichende Fälligkeitsregelung ist rechtlich möglich. Die Vorschrift ist abdingbar (ErfK/Preis 2. Aufl. § 614 BGB Rn. 2).
Die vom Kläger am 7. und 28. August 1999 geleistete Samstagsarbeit war gemäß Nr. 6.1 BV in sein Arbeitszeitkonto einzustellen. Obwohl sie dort in vollem Umfang als Zeitguthaben zu Buche schlug, war die Beklagte gemäß Nr. 8 BV berechtigt, den Kläger für den August 1999 zunächst nur auf der Basis der tariflichen Wochenarbeitszeit zu vergüten.
Nach Nr. 6.1 der mittlerweile außer Kraft getretenen BV gingen in das für jeden Beschäftigten eingerichtete Arbeitszeitkonto “die im Rahmen der ungleichmäßigen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit geleisteten Plus- bzw. Minusstunden gegenüber der Regelarbeitszeit” ein. Eine ungleichmäßige Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit lag vor, wenn für Arbeitnehmer das tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeitvolumen von 35 Stunden (§ 3 Nr. 1 Abs. 1 MTV) für einzelne Wochen herauf- oder herabgesetzt wurde. Eine solche Möglichkeit hatten die Betriebsparteien in Nr. 3.2 BV ausdrücklich vorgesehen. Danach konnten entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten von der Regelarbeitszeit abweichende Arbeitszeiten festgelegt werden. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, er habe in den fraglichen Wochen mit Samstagsarbeit jeweils schon bis zum Freitag 35 Stunden gearbeitet gehabt. Es handelte sich bei diesen Wochen folglich um solche mit heraufgesetztem Arbeitszeitumfang gemäß Nr. 3.2 BV.
Dafür, daß die Erhöhung des Arbeitszeitvolumens auf einer anderen Absprache der Betriebsparteien als einer solchen nach Nr. 3.2 BV beruht hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Auch der Kläger hat nicht behauptet, es habe sich etwa um die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gehandelt. Eine solche liegt bei ungleichmäßiger Verteilung des regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeitvolumens nur vor, wenn über die für eine bestimmte Woche ohnehin beschlossene Heraufsetzung des Arbeitszeitvolumens hinaus eine weitere Verlängerung der Arbeitszeit beabsichtigt ist. Zu einem solchen Grund für die vom Kläger geleistete Samstagsarbeit haben die Parteien nichts vorgetragen.
Bei den Arbeitsstunden, die auf Grund der Erhöhung der tariflichen Wochenarbeitszeit nach Nr. 3.2 BV geleistet wurden, handelte es sich um “Plusstunden” gemäß Nr. 6.1 BV. Der Umstand, daß sie an einem Samstag geleistet wurden, schloß dies entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht aus.
- Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Regelungen in Nr. 3.2 und Nr. 6 BV hätten sich nicht auf Samstagsarbeit bezogen. Dies folge aus Nr. 3.1 BV. Dort sei in Übereinstimmung mit § 3 MTV festgelegt worden, daß sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag verteile. Diesen Verteilungsrahmen habe Nr. 3.2 BV nicht auf den Samstag ausgedehnt. Samstagsarbeit sei dort nicht in die Wochenarbeitszeit einbezogen worden. Nr. 6.1 BV wiederum habe – ebenso wie Nr. 8 BV – nur an die ungleichmäßige Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit nach Nr. 3.2 BV angeknüpft. Die in Nr. 5 BV eröffnete Möglichkeit, an Samstagen zu arbeiten, habe nicht bedeutet, daß damit der Zeitrahmen für die Verteilung der Regelarbeitszeit auf den Samstag habe ausgedehnt werden sollen.
Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts läßt sich aus Nr. 3.2 BV nicht ableiten, die Betriebsparteien hätten den Samstag aus der Verteilung eines erhöhten wöchentlichen Arbeitszeitvolumens auf die einzelnen Wochenarbeitstage ausnehmen wollen. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Auslegung nicht hinreichend zwischen den Regelungsbereichen “Abweichung von der Regelarbeitszeit” und “Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage” unterschieden.
- Die Regelung in Nr. 3.2 BV verhielt sich ausschließlich über Abweichungen vom Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne einer Erhöhung oder Verminderung des wöchentlich geschuldeten Arbeitszeitvolumens. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit Nr. 3.1 BV. Nach dieser Bestimmung haben die Betriebsparteien mit “Regelarbeitszeit” die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit gemeint. Derselbe Begriff kehrte in der Überschrift und im Text von Nr. 3.2 BV wieder. “Abweichungen von der Regelarbeitszeit” – so die Überschrift zu Nr. 3.2 BV – und “von der Regelarbeitszeit abweichende Arbeitszeiten” – so Nr. 3.2 Abs. 1 BV – sind damit ebenfalls Abweichungen vom tariflich vorgesehenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeitvolumen. Ein anderes Verständnis läßt die Verwendung desselben Begriffs in beiden Absätzen derselben Vorschrift nicht zu. Über die Verteilung der erhöhten oder herabgesetzten Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage enthielt Nr. 3.2 BV dagegen keine Bestimmungen. Satz 2 der Vorschrift sah vor, daß die Arbeit an einem Tag auch ganz entfallen könne. Die folgenden Sätze betrafen die tägliche Mindestarbeitszeit, falls denn gearbeitet würde, und Beginn und Ende der einzelnen Schichten, falls diese nicht gesondert festgelegt würden. Der letzte Satz schrieb vor, daß “Abweichungen” bis zum Donnerstag der Vorwoche “nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG” mit dem Betriebsrat vereinbart werden müßten; dabei kann dahinstehen, ob damit die Abweichung vom tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeitvolumen oder eine andere Festlegung der Schichtzeiten oder beides gemeint war. Keine der Bestimmungen in Nr. 3.2 BV betraf die Verteilung der (erhöhten) wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 5 BV. Dort war ausdrücklich nur vereinbart, bei betrieblicher Notwendigkeit könne an Samstagen gearbeitet werden. Aus keiner der weiteren Bestimmungen in Nr. 5 BV ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß Samstagsarbeit dabei nach dem Willen der Betriebsparteien nicht zugleich zur Ableistung eines nach Nr. 3.2 BV erhöhten wöchentlichen Arbeitszeitvolumens dienen durfte. Hätten diese eine solche – außergewöhnliche – Regelung treffen wollen, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Bestimmung ausdrücklich in den Regelungstext aufzunehmen.
Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger geleistete Samstagsarbeit den tariflichen Erfordernissen für die Zulässigkeit von Samstagsarbeit gemäß § 3 Nr. 1 MTV entsprach. Dort sind “zwingende wirtschaftliche Gründe” oder – bei Zeitungen, die die Beklagte unstreitig nicht produziert, und Zeitschriften – “betriebliche Erfordernisse” als Voraussetzung für die Gestattung von Samstagsarbeit vorgesehen. Selbst wenn die vom Kläger an den beiden Samstagen geleistete Arbeit tariflich nicht zulässig gewesen sein sollte, folgt daraus nichts für die Frage, wann sie zu vergüten war.
Samstagsarbeit war auch nicht als “Überstunden” nach Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 BV zeitnah zu vergüten. In Nr. 4 Abs. 1 und Nr. 6.1 BV hatten die Betriebsparteien unterschieden zwischen “Überstunden” als den Arbeitszeiten, die “infolge verspäteter Ansage” über die Regelarbeitszeit hinaus geleistet würden, und “Plusstunden”, die – bei rechtzeitiger “Ansage” – im Rahmen der ungleichmäßigen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit anfielen. Überstunden waren mit der nächsten Lohnabrechnung zu vergüten, Plusstunden flossen in das Zeitkonto ein. Rechtzeitig angekündigte Arbeitszeiten am Samstag stellten damit keine Überstunden iSv. Nr. 4 BV dar. Das galt jedenfalls für die hier streitigen zuschlagsfreien ersten acht Stunden von Samstagsarbeit innerhalb eines Vierwochenzeitraums.
Es kann dahinstehen, ob Nr. 4 BV, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, gegen § 5 Nr. 1 MTV verstieß. Nach dieser Tarifbestimmung sind Überstunden solche Arbeitszeiten, die über die nach § 3 MTV vereinbarte tägliche Arbeitszeit hinausgehen. Selbst wenn Nr. 4 BV der Regelung des § 5 Nr. 1 MTV widersprochen haben sollte, besagt dies nichts darüber, ob Samstagsarbeit zeitnah zu vergüten oder in das Zeitkonto des Arbeitnehmers einzustellen war. Ein möglicher Tarifverstoß hätte sich allenfalls auf die Zuschlagspflichtigkeit der betreffenden Arbeitsstunden auswirken können, nicht aber auf die Fälligkeit der für sie zu leistenden Vergütung. Er wäre auch nicht in der Lage gewesen, die Gesamtunwirksamkeit der BV herbeizuführen.
Daß die streitige Samstagsarbeit nicht schon mit der nächsten Lohnabrechnung zu vergüten war, folgt außerdem aus Nr. 5 Abs. 1 Satz 5 und Nr. 8 Satz 2 BV. Nr. 5 Abs. 1 Satz 5 BV sah vor, daß “etwa fällige Nachtzuschläge” für Samstagsarbeit mit der nächsten Abrechnung vergütet würden. Diese Bestimmung wäre überflüssig gewesen, wenn Samstagsarbeit ohnehin stets mit der nächsten Lohnabrechnung vergütet werden sollte. Die ausdrückliche Erwähnung der Nachtzuschläge läßt nur den Schluß zu, daß die Grundvergütung für Samstagsarbeit in das Arbeitszeitkonto einzustellen war.
Nach Nr. 8 Satz 2 BV waren “etwa fällige, nicht in den Ziff. 4., 5. und 6.3 geregelte Zuschläge” mit der folgenden Abrechnung auszuzahlen. Auch dies zeigt, daß außer Überstunden iSv. Nr. 4 BV lediglich Zuschläge zeitnah vergütet werden sollten.
- Für die Auslegung ist ohne Bedeutung, daß in dem von der Beklagten am 7. Juni 1999 erstellten Entwurf einer BV unter Nr. 3 zwar ausdrücklich vorgesehen war, bei Wochenendarbeit sollten die geleisteten Arbeitsstunden in das Zeitkonto des Mitarbeiters eingehen, sich eine entsprechende ausdrückliche Regelung in der späteren BV aber nicht wiederfand. Die schließlich vereinbarte BV entsprach in vielerlei Hinsicht nicht dem Entwurf der Beklagten. Aus dem Wegfall bestimmter Entwurfsformulierungen läßt sich deshalb für das zutreffende Verständnis der tatsächlich vereinbarten Regelungen kein inhaltlich zwingender Schluß ziehen.
Die maßgeblichen Bestimmungen der BV verstießen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die BV vom 16. Juni 1999 war nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil sie gar nicht wirksam vereinbart worden wäre. Zwar hieß es in Nr. 9 BV, “diese Betriebsvereinbarung (trete) zum 1. Juli 1999 unter der Voraussetzung in Kraft, daß zwischen den Tarifvertragsparteien ein Firmentarif auf Grundlage der … vereinbarten Eckpunkte abgeschlossen” würde. Diese Bedingung trat aber noch vor dem 1. Juli 1999 ein. Der betreffende Firmentarifvertrag wurde am 17. Juni 1999 unterzeichnet und trat seinerseits mit sofortiger Wirkung in Kraft.
Gegen den Abschluß einer Betriebsvereinbarung unter einer aufschiebenden Bedingung bestehen jedenfalls dann keine rechtlichen Bedenken, wenn der Eintritt der vereinbarten Bedingung für alle Beteiligten, auch für die Arbeitnehmer als Normunterworfene, ohne weiteres feststellbar ist (ErfK-Hanau/Kania 2. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 47). Dies war bei dem hier als Bedingung vereinbarten Inkrafttreten des Firmentarifvertrags der Fall.
Die BV konnte in Nr. 3.2 wirksam Regelungen zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit treffen. Zwar unterliegen Regelungen über den Umfang der von den Arbeitnehmern geschuldeten Arbeitszeit – abgesehen von den Fällen des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG – nicht der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats(BAG 18. August 1987 – 1 ABR 30/86 – BAGE 56, 18 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 23). Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, wie sie hier vorlag, können aber auch materielle Arbeitsbedingungen sein. Dies folgt aus § 77 Abs. 3 und § 88 BetrVG (BAG 18. August 1987 aaO).
Nr. 3.2 BV verstieß auch nicht gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dies folgt aus der Öffnungsklausel in Satz 2 der Vorschrift. Die Möglichkeit, einen von den tariflichen Vorgaben abweichenden Umfang der geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit festzulegen, sehen die betreffenden Tarifverträge selbst vor. Gemäß Nr. 2.1 Firmen-TV iVm. § 3 Nr. 1 letzter Absatz MTV sind “Arbeitszeitverteilungspläne über mehrere Wochen” zulässig. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden (§ 3 Nr. 1 Abs. 1 MTV) kann danach durch Betriebsvereinbarung ungleichmäßig auf mehrere Wochen verteilt werden. In Nr. 4 der tariflichen Durchführungsbestimmungen zu § 3 MTV ist von einer über mehrere Wochen unterschiedlichen Verteilung der Arbeitszeit ausdrücklich die Rede. Ein bestimmter Verteilungszeitraum ist tariflich nicht vorgesehen. Die Betriebsparteien hatten ihn in Nr. 6.1 und Nr. 6.3 BV auf 52 Wochen – offensichtlich beginnend mit Inkrafttreten der BV – festgesetzt. Dagegen bestehen nach dem MTV keine Bedenken.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 ArbZG iVm. § 7 Abs. 1 Nr. 1b ArbZG läßt eine solche Regelung ebenfalls zu.
Auch Nr. 8 BV ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ihr zufolge erhielten die Arbeitnehmer während des einjährigen Ausgleichszeitraums unabhängig vom Stand ihres Arbeitszeitkontos auf der Basis von 35 Wochenarbeitsstunden und der für sie zutreffenden Lohngruppe einen gleichbleibenden, verstetigten Monatslohn. Im Falle eines am Monatsende negativen Zeitkontos wirkte sich dies als Vorschußleistung durch den Arbeitgeber, im Falle eines Zeitguthabens als Stundung durch den Arbeitnehmer aus – eine Stundung bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem das Zeitkonto ausgeglichen wäre, längstens bis zum Ende des Ausgleichszeitraums.
Eine derartige Bestimmung ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien auch ohne ausdrückliche tarifliche Ermächtigung gedeckt. Die Regelungsbefugnis folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Es handelt sich um eine Vereinbarung über die “Zeit der Auszahlung der Arbeitsentgelte”. Der Mitbestimmung unterliegt in diesem Zusammenhang die Festlegung der Zeiträume, nach denen das Entgelt für geleistete Arbeit gezahlt werden soll (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 87 Rn. 176 mwN).
Nr. 8 BV verstieß nicht gegen tarifliche Bestimmungen. Nach Nr. 2.1 Firmen-TV iVm. § 2 Nr. 4a Lohnrahmen-Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 kann zwar der Lohnzahlungszeitraum entweder nur die Woche, mehrere Wochen oder der Kalendermonat sein; er wird durch Betriebsvereinbarung festgelegt. Durch die verstetigte Monatsentlohnung der Arbeitnehmer auf der Basis der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit ist dieser Bestimmung aber Genüge getan. Sie schließt es nicht aus, daß ein darüber hinausgehendes Zeitguthaben möglicherweise erst nach einem Jahr vergütet wird. Dies ergibt sich, wenn nicht schon aus einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 2 Nr. 4a Lohnrahmen-Tarif-vertrag selbst, so jedenfalls aus Nr. 4 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zu § 3 MTV. Dort heißt es, im Fall einer über mehrere Wochen unterschiedlichen Verteilung der Arbeitszeit sei die über die tarifliche Wochenarbeitszeit hinausgehende Zeit vorrangig durch volle freie Tage auszugleichen. Die Tarifvertragsparteien haben es folglich für zulässig angesehen, daß ein Zeitguthaben ggf. erst am Ende eines Verteilungszeitraums – und dann sogar vorrangig durch Freizeit – ausgeglichen wird.
Sonstige Gründe, die gegen die Wirksamkeit der maßgeblichen Bestimmungen der BV sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
Unterschriften
Wißmann, Schmidt, Kreft, Rath
Wißmann für den in Urlaub befindlichen Dr. Blank
Fundstellen
DB 2002, 1896 |
ARST 2002, 282 |
NZA 2002, 1112 |
EzA-SD 2002, 12 |
EzA |
NJOZ 2003, 1391 |