Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenversorgung geschiedener Ehepartner. Hinterbliebenenversorgung. Essener Verband. “Unterstützung” geschiedener Ehepartner verstorbener Angestellter. “Kann”-Leistung in “begründeten Ausnahmefällen”. wirtschaftliche Verhältnisse des Hinterbliebenen. gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung
Orientierungssatz
1. Eine Unterstützung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 setzt ua. voraus, dass der verstorbene Angestellte den Lebensunterhalt seines geschiedenen Ehegatten “ganz oder teilweise” bestritten hat. Bei den Unterhaltsleistungen des verstorbenen Angestellten muss es sich nicht um den “überwiegenden Teil” gehandelt haben.
2. Sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 erfüllt, so entscheidet der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (§ 315 BGB), ob und in welchem Umfang er dem geschiedenen Ehepartner des verstorbenen Angestellten Unterstützung gewährt. Die Höhe des bisherigen Unterhalts und die Höhe des Witwengeldes bilden die Obergrenze für die Unterstützung.
3. § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 dient dazu, soziale Härten zu vermeiden. Diesem Zweck entspricht es, der Bedürftigkeit und der wirtschaftlichen Lage des hinterbliebenen geschiedenen Ehepartners eine entscheidende Bedeutung beizumessen.
4. Der geschiedene hinterbliebene Ehepartner, der eine Leistung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 verlangt, hat der Arbeitgeberin die ihr nicht bekannten, in seiner Sphäre liegenden Umstände mitzuteilen, die für die Entscheidung über die Gewährung einer Unterstützung von Bedeutung sind. Diese materiell-rechtliche Obliegenheit wirkt sich auf die Darlegungslast aus.
Normenkette
BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung; Leistungsordnung 1997 “A” des Essener Verbandes (LO “A” 1997) § 6 Abs. 3; BGB § 315; ZPO §§ 139, 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 09.08.2006; Aktenzeichen 6 Sa 2259/05) |
ArbG Dortmund (Urteil vom 15.09.2005; Aktenzeichen 6 Ca 3786/04) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. August 2006 – 6 Sa 2259/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin als geschiedener Ehefrau eines verstorbenen Betriebsrentners der Beklagten nach der Leistungsordnung 1997 “A” des Essener Verbandes (LO “A” 1997) eine Hinterbliebenenversorgung zusteht.
Die Klägerin heiratete am 31. August 1961 Herrn B…. Am 15. April 1962 wurde die Tochter C… und am 15. Juli 1963 die Tochter A… geboren. Die Klägerin erzog die beiden Töchter und war während der Ehe nicht berufstätig. Herr B… war bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Sie sagte ihm eine Versorgung nach den Bestimmungen der Leistungsordnung des Essener Verbandes zu und meldete ihn ab 1968 bei diesem Verband an.
Mit Urteil vom 10. November 1970 hat das Landgericht E… auf Antrag der Klägerin deren Ehe geschieden. Sie hat wegen der Verschuldensfrage Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht H… hat am 22. Juli 1971 entschieden, dass die Ehe geschieden bleibt, und ist dabei von einem Mitverschulden der Klägerin ausgegangen. Ein Versorgungsausgleich fand nach dem damals geltenden Recht nicht statt. Da sich der Ehemann der Klägerin nicht scheiden lassen wollte, hat sie nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 14. Januar 2005 einen Unterhaltsverzicht erklärt, “um die Scheidung durchzubekommen”. Gleichwohl vereinbarte ihr früherer Ehemann mit ihr kurz nach der Scheidung Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 2.000,00 bis 2.500,00 DM und später in Höhe von 2.500,00 bis 3.000,00 DM. Außerdem leistete er den ausgeurteilten Kindesunterhalt.
Mit Ablauf des 31. Dezember 1995 endete das zwischen Herrn B… und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Am 1. Januar 1996 trat er in Ruhestand. Mit Schreiben vom 3. April 1996 teilte ihm der Essener Verband mit, sein monatliches “Ruhegeld” betrage
“ab 01.01.1996 |
3800,00 DM |
abzgl. von Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (vergl. Anlage) |
|
2487,80 DM |
1312,20 DM.” |
Am 9. Mai 1998 zahlte Herr B… der Klägerin 66.500,00 DM aus einem fällig gewordenen Bausparvertrag. Am 19. Februar 2000 starb er. Zu diesem Zeitpunkt galt die LO “A” 1997. Sie enthält folgende Regelungen:
“TEIL I
Leistungen an Angestellte, die bis zum Eintritt des Leistungsfalles in einem Dienstverhältnis zu einem Mitglied des Essener Verbandes gestanden haben, und an deren Hinterbliebene
§ 1
Leistungen
Leistungen im Sinne dieser Leistungsordnung sind:
a) Ruhegeld,
b) Hinterbliebenenbezüge.
…
§ 4
Hinterbliebenenbezüge
(1) Beim Tode eines Angestellten erhalten:
a) die Witwe oder der Witwer ein Witwen-/Witwergeld von 60 v. H. des Ruhegeldes, wenn der Verstorbene den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat (siehe hierzu auch Anlage 2),
…
(2) Die Hinterbliebenenbezüge zusammen dürfen das Ruhegeld des Angestellten nicht übersteigen. …
…
(4) Bei Wiederheirat fällt das Witwen-/Witwergeld weg.
…
…
(6) Bei Scheidung und Wiederheirat des Angestellten bleibt dem Mitglied eine Aufteilung des Witwen-/Witwergeldes auf den Ehegatten und den geschiedenen, nicht wiederverheirateten Ehegatten vorbehalten, soweit ein Versorgungsausgleich nach § 1587 BGB nicht stattgefunden hat.
…
§ 6
Regelungen in begründeten Ausnahmefällen
(1) In begründeten Ausnahmefällen kann
a) beim Ausscheiden des Angestellten aus dem Dienst Ruhegeld ganz oder teilweise gewährt werden, ohne daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 vorliegen,
b) bei sehr frühzeitigen Todes- und Invaliditätsfällen eine Anrechnung zusätzlicher Dienstjahre erfolgen,
c) Waisengeld ganz oder teilweise über das 18. bzw. 27. Lebensjahr hinaus oder für Stiefkinder gewährt werden,
d) von der Versagung des Witwen-/Witwergeldes ganz oder teilweise abgesehen werden.
(2) Bei Wegfall des Witwen-/Witwergeldes infolge Wiederheirat kann der Witwe oder dem Witwer eine einmalige Zuwendung bis zur Höhe des zweifachen Jahresbetrages des Witwen-/Witwergeldes gewährt werden.
(3) Ist der Lebensunterhalt des Ehegatten, der geschieden ist und nicht wieder heiratet, von dem verstorbenen Angestellten ganz oder teilweise bestritten worden, kann ihm, sofern ein Versorgungsausgleich nach § 1587 BGB nicht stattgefunden hat, eine Unterstützung gewährt werden. Die Unterstützung darf höchstens den bisherigen Unterhalt erreichen; sie darf das Witwen-/Witwergeld nicht übersteigen.
…
Anlage 2
Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung (§ 4 Abs. 1a)
Für die Feststellung der Hinterbliebenenbezüge ab 01.01.1986 gilt folgendes:
1. Ist ein männlicher Angestellter vor dem 01.01.1986 angemeldet worden, entfällt eine Unterhaltsprüfung.
2. Ist eine weibliche Angestellte vor dem 01.01.1986 verstorben, so erhält ihr Witwer kein Witwergeld.”
Für die Zeit ab 1. März 2000 erhält die Klägerin eine “große Witwenrente an Geschiedene” aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bundesknappschaft (nunmehr Deutsche Rentenversicherung – DRV Knappschaft-Bahn-See) hat zunächst ablehnende Bescheide erlassen. Nach Beweisaufnahme durch Einvernahme der beiden Töchter der Klägerin hat die Bundesknappschaft den geltend gemachten Rentenanspruch im Verfahren vor dem Sozialgericht Dortmund – S 31 KN 58/01 – anerkannt. Außerdem bezieht die Klägerin seit 1. Juni 2000 eine eigene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Juli 2005 beliefen sich die gesetzliche Witwenrente auf 1.516,66 Euro und die eigene Altersrente auf 1.017,89 Euro.
Die Klägerin hat von der Beklagten Versorgungsleistungen in Höhe von 60 % des Ruhegeldes verlangt, das Herrn Bögershausen zustehen würde. Davon hat sie die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Hälfte abgezogen. Die Beklagte hat sich geweigert, der Klägerin eine Unterstützung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 zu gewähren.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 eine Unterstützung in dieser Höhe verlangen. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 reiche es aus, dass der verstorbene Arbeitnehmer “teilweise” den Lebensunterhalt seines geschiedenen Ehegatten bestritten habe. Der weite Anwendungsbereich sei auch sachgerecht. Die Ablehnung der geforderten Versorgung sei ermessensfehlerhaft. Die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung sei der “Normalfall”. § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 beschränke die vorgesehene Versorgung nicht auf soziale Härtefälle. Auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin komme es nicht an. Selbst wenn diese zu berücksichtigen seien, dürften die finanziellen Belastungen nicht außer Acht gelassen werden. Auch die Ausgaben für “Miete/ETW” in Höhe von 869,70 Euro seien zu berücksichtigen. Eine drastische Reduzierung des Lebensstandards, wie es bei der Klägerin der Fall sei, wolle die Leistungsordnung vermeiden. Das Verhältnis der Ehedauer zu der bei der Beklagten zurückgelegten Beschäftigungszeit des verstorbenen Arbeitnehmers spiele für die Ermessensentscheidung ebenso wenig eine Rolle wie ein Mitverschulden des hinterbliebenen früheren Ehepartners an der Ehescheidung.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen,
a) an die Klägerin 24.955,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
b) an die Klägerin monatlich 574,65 Euro ab dem 1. Januar 2004 zu zahlen,
2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 19. Februar 2000 eine Unterstützung gem. § 6 Abs. 3 der Leistungsordnung A… des Essener Verbandes zu gewähren,
3. die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, der Klägerin eine Abrechnung über die Höhe der Leistungsordnung A… des Essener Verbandes zu gewährenden Unterstützung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nach der Systematik der Leistungsordnung und dem Zweck der in § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 vorgesehenen Unterstützung müsse der verstorbene Arbeitnehmer den Lebensunterhalt seiner geschiedenen früheren Ehepartnerin überwiegend bestritten haben. Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung erfüllt wären, bestünde die Klageforderung nicht. Die Gewährung einer Unterstützung sei eine Kann-Leistung. Die Beklagte habe mit der ablehnenden Entscheidung ihren Ermessensspielraum nicht überschritten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die geforderte Leistung zu gewähren.
I. Der geltend gemachte Anspruch kann nicht auf § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 gestützt werden. Nach dieser Vorschrift “kann” geschiedenen Ehegatten eine “Unterstützung” gewährt werden. Die Voraussetzungen für eine derartige “Unterstützung” liegen zwar vor. Über die Gewährung dieser Leistung entscheidet aber die Beklagte nach billigem Ermessen. Im vorliegenden Fall hält die Ablehnung einer “Unterstützung” einer Ermessenskontrolle stand.
1. Eine “Unterstützung” nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 kommt nur in Betracht, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind:
– Der geschiedene Ehegatte des verstorbenen Angestellten hat nicht wieder geheiratet.
– Ein Versorgungsausgleich nach § 1587 BGB hat nicht stattgefunden.
– Der verstorbene Angestellte hat den Lebensunterhalt seines geschiedenen Ehegatten “ganz oder teilweise bestritten”.
Die ersten beiden Voraussetzungen sind unproblematisch. Auch die dritte Voraussetzung liegt vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil wurde der Lebensunterhalt der Klägerin von Herrn B… “teilweise” bestritten. Entgegen der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auffassung muss es sich bei den Unterhaltsleistungen des verstorbenen Angestellten nicht um den “überwiegenden Teil” gehandelt haben. Die wortgetreue Auslegung des Begriffs “teilweise” widerspricht weder der Systematik noch dem erkennbaren Regelungszweck.
a) Wenn der verstorbene Angestellte einen bestimmten Anteil zum Lebensunterhalt eines Hinterbliebenen geleistet haben muss, ist dies in der LO “A” 1997 klar zum Ausdruck gebracht worden. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. a) LO “A” 1997 hängt der Anspruch einer Witwe oder eines Witwers auf Hinterbliebenenversorgung davon ab, dass der verstorbene Angestellte den Familienunterhalt “überwiegend” bestritten hat. Im Gegensatz dazu verwendet § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 die Formulierung “ganz oder teilweise”. Es gibt keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei diesem unterschiedlichen Wortlaut um ein Versehen handelt und mit “ganz oder teilweise” ebenfalls “überwiegend” gemeint war. Die Formulierung “ganz oder teilweise” wird auch in § 6 Abs. 1 Buchst. a), c) und d) LO “A” 1997 verwandt und zwar im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs.
b) Für diese unterschiedliche Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 4 Abs. 1 Buchst. a) LO “A” 1997 einerseits und § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 andererseits gibt es einleuchtende Gründe. § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 enthält für geschiedene Ehegatten des verstorbenen Angestellten eine eigenständige Regelung. Sie trägt den familienrechtlichen Änderungen durch die Ehescheidung Rechnung. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts gelten bei wortgetreuer Auslegung des Begriffs “teilweise” für die Versorgung geschiedener Ehegatten nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 keine geringeren Anforderungen als für die Versorgung einer Witwe nach § 4 LO “A” 1997.
aa) Zu Recht hat die Klägerin auf Anlage 2 der LO “A” 1997 hingewiesen. Nach dieser Übergangsregelung entfällt bei der Witwenversorgung die in § 4 Abs. 1 Buchst. a) LO “A” 1997 vorgesehene Unterhaltsprüfung vollständig, wenn ein männlicher Angestellter – wie hier Herr B… – vor dem 1. Januar 1986 zum Essener Verband angemeldet worden ist. Geschiedene Ehegatten erhalten nur dann eine “Unterstützung”, wenn der verstorbene Angestellte zu ihrem Lebensunterhalt beitrug. In diesem Umfang findet bei ihnen eine Unterhaltsprüfung statt.
bb) Selbst wenn der verstorbene männliche Angestellte erst nach dem 1. Januar 1986 beim Essener Verband angemeldet wurde, gibt es keinen stichhaltigen Grund, die Voraussetzungen für die Unterstützung geschiedener hinterbliebener Ehegatten zu verschärfen und entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 zu verlangen, dass der verstorbene Angestellte den Lebensunterhalt seines geschiedenen Ehegatten “überwiegend” bestritt. § 4 Abs. 1 Buchst. a) LO “A” 1997 stellt bei der Witwenrente auf den “Familienunterhalt” ab. Dagegen kommt es bei der Unterstützung geschiedener hinterbliebener Ehegatten nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 auf deren Lebensunterhalt an. Dieser veränderte Anknüpfungspunkt berücksichtigt die Folgen der Ehescheidung. Da die bisherige Familie nicht mehr besteht, ist eine eigenständige Regelung für die geschiedenen hinterbliebenen Ehepartner geboten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – jedenfalls in der Regel – nur derjenige seinem geschiedenen Ehegatten unterhaltspflichtig ist, der bisher überwiegend den Familienunterhalt bestritten hatte. Ein überwiegendes Bestreiten des Familienunterhalts kann auch dann vorliegen, wenn die Ehefrau ihren eigenen Lebensunterhalt überwiegend selbst bestritt. Außerdem zwingen Ehescheidungen häufig zu einem veränderten Erwerbsverhalten, insbesondere wenn die Ehefrau wie im vorliegenden Fall während des Bestehens der Ehe nicht berufstätig war. Die Sonderregelungen für geschiedene Ehegatten des verstorbenen versorgungsberechtigten Angestellten sind demnach sachgerecht.
2. Sind wie im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 erfüllt, so entscheidet der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (§ 315 BGB), ob und in welchem Umfang er dem geschiedenen Ehegatten des verstorbenen Angestellten Unterstützung gewährt. Die Höhe des bisherigen Unterhalts und die Höhe des Witwengeldes bilden die Obergrenze für die Unterstützung. Dies ergibt sich unmissverständlich aus den Formulierungen “darf höchstens … erreichen” bzw. “darf … nicht übersteigen”.
Die Beklagte muss nicht die Höchstgrenzen ausschöpfen, sondern “kann” bis zu diesen Beträgen Unterstützung gewähren. Der Ausdruck “kann” kennzeichnet in der juristischen Terminologie Ermessensleistungen. Sie beruhen auf einer Leistungsbestimmung des Arbeitgebers, die nach § 315 Abs. 3 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt. Im vorliegenden Fall hält die von der Beklagten getroffene Entscheidung, die Klägerin nicht nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 zu unterstützen, dieser Überprüfung stand.
a) Welche Kriterien bei dieser Leistungsbestimmung berücksichtigt werden dürfen, hängt insbesondere von der Ausgestaltung der Versorgungsordnung ab. Die Überschrift des § 6 LO “A” 1997 lautet: “Regelungen in begründeten Ausnahmefällen”. Auch die Unterstützungsvorschriften des Absatzes 3 für den geschiedenen Ehegatten des verstorbenen Angestellten gehören zu diesen Ausnahmeregelungen. Folgerichtig enthält § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 nur Obergrenzen, sieht aber keine Regelleistungen vor. Über die Leistungen wird einzelfallbezogen entschieden. Dabei darf der Ausnahmecharakter berücksichtigt werden.
§ 6 Abs. 3 LO “A” 1997 dient dazu, soziale Härten zu vermeiden. Dies wird dadurch unterstrichen, dass diese Leistung als “Unterstützung” bezeichnet wird. Bei der Hinterbliebenenversorgung für Witwen, Witwer und Waisen spricht die Leistungsordnung von Witwen-, Witwer- und Waisengeld oder von Hinterbliebenenbezügen. Mit dem abweichenden Begriff “Unterstützung” wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine andersartige Leistung handelt. “Unterstützen” bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch unter anderem “jmdm. (der sich in einer schlechten materiellen Lage befindet) durch Zuwendungen helfen” (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: unterstützen).
b) Dem Zweck der in § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 vorgesehenen Unterstützung entspricht es, der Bedürftigkeit und der wirtschaftlichen Lage des hinterbliebenen geschiedenen Ehepartners entscheidende Bedeutung beizumessen. Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei angenommen, der Klägerin könne aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse eine Unterstützung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 versagt werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beläuft sich das Renteneinkommen der Klägerin auf “ca. 2.534,55 Euro”. Dieses Renteneinkommen ist, worauf das Berufungsurteil zutreffend hingewiesen hat, überdurchschnittlich hoch. Zwar macht die Klägerin zu Recht geltend, dass nicht allein die Einnahmen, sondern auch die Ausgaben zu berücksichtigen seien. Inwieweit die Ausgaben eine Unterstützung nach § 6Abs. 3 LO “A” 1997 auslösen, hängt vor allem von Art, Anlass und Höhe ab. Beispielsweise muss die Beklagte nicht einen aufwendigen Lebensstil unterstützen. Ebenso wenig muss die Beklagte die Anschaffung von Immobilien und die damit verbundene Vermögensbildung mittelbar durch eine Unterstützung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 fördern. Im vorliegenden Fall beruht der größte Ausgabeposten (869,70 Euro) auf der Anschaffung einer Eigentumswohnung.
Außerdem müssen, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, den für die Unterstützung maßgeblichen Ausgaben alle Einnahmen gegenübergestellt werden. Da die Einnahmequelle unerheblich ist, spielen beispielsweise auch Zinseinnahmen eine Rolle. Das Vermögen der geschiedenen Ehefrau des verstorbenen Angestellten darf berücksichtigt werden, soweit dessen Verwertung zumutbar ist. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass ein ausreichender Vortrag zu allen Einkunftsarten und zum gesamten Vermögen fehlt. Die Beklagte hat zwar die Beweislast für die Billigkeit der von ihr getroffenen Leistungsbestimmung zu tragen (vgl. ua. BAG 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – zu II 3c bb (2) der Gründe, BAGE 101, 91; 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – zu I 3 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 55; BGH 5. Juli 2005 – X ZR 60/04 – zu II 2c aa der Gründe, NJW 2005, 2919). Der geschiedene hinterbliebene Ehegatte, der eine Leistung nach § 6 Abs. 3 LO “A” 1997 verlangt, hat aber der Arbeitgeberin die ihr nicht bekannten, in seiner Sphäre liegenden Umstände mitzuteilen, die für die Entscheidung über die Gewährung einer Unterstützung von Bedeutung sind. Diese materiell-rechtliche Obliegenheit wirkt sich auf die Darlegungslast aus.
Die Klägerin hat gerügt, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es ihren Vortrag für unzureichend erachtet habe, seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verletzt. Diese Verfahrensrüge ist unzulässig. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) ZPO musste die Klägerin in der Revisionsbegründung nicht nur angeben, welchen gebotenen Hinweis das Gericht unterließ. Sie musste auch ausführen, wie sie darauf geantwortet hätte (vgl. ua. BAG 30. April 1991 – 3 AZR 394/90 – zu I 1 der Gründe; 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 – zu II 3e aa der Gründe, BAGE 109, 145). Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden (BAG 5. Juli 1979 – 3 AZR 197/78 – zu II 1b der Gründe, BAGE 32, 56; 19. Januar 2006 – 6 AZR 600/04 – zu II 2 der Gründe, BAGE 117, 14). Ein ausreichender Vortrag fehlt jedoch auch in der Revisionsbegründungsschrift.
c) Da die Ablehnung einer Unterstützung bereits auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin gestützt werden konnte (so die Beklagte im Schriftsatz vom 9. März 2005), kommt es auf die von ihr später vorgebrachten (vgl. Berufungserwiderung vom 2. Mai 2006, S. 3 ff.) zusätzlichen, vom Landesarbeitsgericht aufgegriffenen Begründungen nicht mehr an.
II. Die Hilfsanträge sind nicht zur Entscheidung gestellt. Sie sind an die zulässige innerprozessuale Bedingung geknüpft, dass die Zahlungsanträge als unzulässig abgewiesen werden. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.
Unterschriften
VorsRiBAG Dr. Reinecke ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert.
Kremhelmer
Kremhelmer, Zwanziger, Knüttel, Suckale
Fundstellen
DB 2009, 1192 |
FamRZ 2009, 1214 |
AP, 0 |
EzA-SD 2009, 10 |