Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Tarifvorrang vor BeschFG 1985
Leitsatz (redaktionell)
Vorrang der SR 2a MTA vor Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985; ergänzende Vertragsauslegung bei Nichteinigung der Arbeitsvertragsparteien über die nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2a MTA zu vereinbarende tarifvertragliche Grundform des befristeten Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
BeschFG 1985 Art. 1 § 1 Abs. 1; BGB §§ 620, 133, 157; KSchG § 4
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 09.03.1989; Aktenzeichen 2 Sa 474/88) |
ArbG Weiden (Urteil vom 13.07.1988; Aktenzeichen 4 Ca 295/88) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. März 1989 – 2 Sa 474/88 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die am 7. September 1944 geborene Klägerin, die seit März 1968 Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft war und mit Wirkung vom 1. Januar 1988 zur Gewerkschaft ÖTV übergetreten ist, war befristet für die Zeit vom 20. Juli 1987 bis zum 31. Mai 1988 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt.
Als Hilfsbearbeiterin in der Leistungsabteilung – Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe – war sie in die VergGr. VII des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit vom 21. April 1961 (MTA) eingruppiert.
In dem Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1987 haben die Parteien u.a. vereinbart:
„§ 1
Frau Ingrid V. wird ab 20.07.1987
1. als vollbeschäftigte Angestellte
…
4. gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 vom 26.4.1985 (BGBl. I S. 710) als Zeitangestellte für die Zeit bis zum 31.05.1988
beim Arbeitsamt W. eingestellt.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der BA vom 21. April 1961 (MTA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung; die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der Anlage 2 a gilt nicht.
…”
Die in § 2 des Arbeitsvertrages in Bezug genommene Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der Anlage 2 a lautet wie folgt:
„Zeitangestellte dürfen nur eingestellt werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen.”
Mit Schreiben vom 21. Januar 1988 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – der mit ihr abgeschlossene befristete Arbeitsvertrag rechtswidrig sei und sie daher seit dem 20. Juli 1987 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehe. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 22. Februar 1988 darauf hin, daß die Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 rechtswirksam vorgenommen worden sei und das Arbeitsverhältnis, wie vereinbart, am 31. Mai 1988 ende.
Mit der am 15. April 1988 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der mit ihr vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 1988 geltend gemacht und ihre Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen verlangt. Aufgrund der Tarifbindung der Parteien sei der im Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1987 enthaltene Ausschluß der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a zum MTA unwirksam. Bei Anwendung zwingenden Tarifrechts sei der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem BeschFG 1985 tarif- und damit rechtswidrig. Aus tarifrechtlichen Gründen habe es daher eines sachlichen Grundes bedurft, um die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Ein solcher sachlicher Befristungsgrund habe nicht vorgelegen. Die von ihr eingenommene Hilfsbearbeiterstelle in der Leistungsabteilung beim Arbeitsamt W. sei über Jahre hinweg von befristet Beschäftigten besetzt gewesen. Zur Bewerkstelligung des normalen Geschäftsganges seien zusätzliche, unbefristet eingestellte Arbeitskräfte unumgänglich notwendig.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beklagten vom 20. Juli 1987 zum Ablauf des 31. Mai 1988 rechtsunwirksam ist,
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Verwaltungsangestellte entsprechend der VergGr. VII MTA bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Klagerecht sei als verwirkt anzusehen. Auch bei Geltendmachung einer vermeintlich unwirksamen Befristung sei die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG Richtschnur. Hiervon abgesehen sei die Befristung aber auch rechtswirksam. Die Befristungsregelung des Art. 1 § 1 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 habe Vorrang vor den Sonderregelungen der Anlage 2a zum MTV für Angestellte der Bundesanstalt für Arbeit (SR 2a MTA). Die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der Anlage 2a zum MTA sei keine Tarifnorm mit eigenem normativen Regelungsgehalt, sondern sei eine deklaratorische Verweisung auf die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen. Sie könne daher die gesetzliche Befristungsregelung des Beschäftigungsförderungsgesetzes nicht verdrängen. Im übrigen habe auch ein sachlicher Grund für die Befristung vorgelegen. In der Zeit vom 20. Juli 1987 bis 30. September 1987 sei die Klägerin zur Wahrnehmung von Vertretungsaufgaben beschäftigt worden. In dieser Zeit werde erfahrungsgemäß von einem erheblichen Teil der Mitarbeiter der Jahresurlaub genommen. Während der Monate Oktober bis Mai jeden Jahres sei ein erheblicher Anstieg der Arbeitsbelastung in der Leistungsabteilung – Sachbearbeitung für Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe – zu verzeichnen. In diesem Zeitraum erhöhe sich infolge witterungs- und saisonbedingter Einflüsse die Zahl der Leistungsempfänger erheblich. Für eine zeitnahe Bearbeitung dieser Leistungsanträge sei die vorübergehende Beschäftigung zusätzlichen Personals in dieser Abteilung unabdingbar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat mit Beschluß vom 26. Juli 1989 die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Beklagte begehrt mit der Revision unverändert die Abweisung der Klageanträge. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Landesarbeitsgericht. Es bedarf noch tatsächlicher Feststellungen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Vertretungs- und Aushilfsgründen wirksam bis zum 31. Mai 1988 befristet worden ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin die angebliche Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1987 enthaltenen Befristung nicht verspätet klageweise geltend gemacht hat.
1. Die Klägerin war nicht gehalten, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Mitteilung der Beklagten vom 22. Februar 1988, daß das Arbeitsverhältnis wie vereinbart zum 31. Mai 1988 ende, die Unwirksamkeit der Befristung gerichtlich geltend zu machen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 7. März 1980 – 7 AZR 177/78 – AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 21. März 1990 – 7 AZR 192/89 –, zu I 1 der Gründe, nicht veröffentlicht) unter Anknüpfung an die Rechtsprechung des Zweiten und des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 26. April 1979 – 2 AZR 431/77 – AP Nr. 47 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag und Urteil vom 24. Oktober 1979 – 5 AZR 851/78 – AP Nr. 49 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) entschieden, daß ein Arbeitnehmer nach Erhalt einer sogenannten Nichtverlängerungsmitteilung nicht gehalten ist, die Unwirksamkeit der Befristung innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend zu machen. Die dreiwöchige (materielle) Ausschlußfrist des § 4 Satz 1 KSchG ist nur dann einzuhalten, wenn das Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt (§ 1 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG) und der Arbeitnehmer entweder im Fall der ordentlichen Kündigung geltend machen will, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, oder im Falle einer außerordentlichen Kündigung das Fehlen eines wichtigen Grundes vorbringen will. Diese Voraussetzungen liegen bei einem befristeten Arbeitsverhältnis nicht vor. Deshalb scheidet eine direkte Anwendung des § 4 KSchG aus.
Die §§ 4 und 7 KSchG finden auf eine Mitteilung des Arbeitgebers, er halte die vereinbarte Befristung aus Rechtsgründen für wirksam, auch nicht entsprechende Anwendung, weil sich eine derartige Erklärung erheblich von einer Kündigung unterscheidet (zuletzt: Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 1 der Gründe). Durch die Äußerung einer derartigen Rechtsansicht soll – im Gegensatz zur Kündigung – ein Arbeitsverhältnis nicht einseitig durch eine rechtsgestaltende Erklärung zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet werden. Wegen der mit einer wirksamen Kündigung verbundenen rechtsgestaltenden Wirkung ist es sachgerecht, daß der Gesetzgeber einen längeren Schwebezustand durch die Schaffung einer an die Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist anknüpfenden Wirksamkeitsfiktion (§ 7 KSchG) vermeiden wollte. Da der Darlegung seines Rechtsstandpunktes durch den Arbeitgeber keine rechtsgestaltende Wirkung im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zukommt, ist sie mit einer Kündigung nicht vergleichbar, so daß eine analoge Anwendung der §§ 4, 7 KSchG nicht gerechtfertigt ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß die Klägerin ihre Klagebefugnis nicht verwirkt hat.
Die Verwirkung setzt voraus, daß der Inhaber eines Anspruchs oder einer Rechtsstellung längere Zeit untätig bleibt und der andere Teil sich deshalb darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, der Rechtsinhaber werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ein befristet eingestellter Arbeitnehmer, dessen auf die Unwirksamkeit der Befristung gestütztes „Entfristungsbegehren” der Arbeitgeber abgelehnt hat, ist nicht ohne weiteres gehalten, nunmehr sein behauptetes Recht alsbald und sogar schon geraume Zeit vor dem Ende der vereinbarten Befristung geltend zu machen. Allein daraus, daß die Klägerin nach dem Hinweis der Beklagten vom 22. Februar 1988, das Arbeitsverhältnis ende am 31. Mai 1988, mit der Einreichung der Klage noch bis zum 15. April 1988 zuwartete, konnte die Beklagte nicht den Eindruck gewinnen, die Klägerin wolle sich mit der Rechtsansicht der Beklagten, die Befristung sei rechtswirksam, endgültig zufrieden geben und ihr Recht nicht mehr weiterverfolgen, zumal auch die Klageerhebung noch mehr als einen Monat vor Ablauf der für das Arbeitsverhältnis vereinbarten Frist erfolgte (so auch Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 2 der Gründe).
II. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 1988 sei aus tarifrechtlichen Gründen unwirksam, da die Beklagte weder Gründe in der Person noch sachliche Gründe im Sinn der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA vorgetragen habe und es ihr nach Nr. 2 SR 2a MTA verwehrt sei, die Befristung auf die von ihr dargelegten Vertretungs- und Aushilfsgesichtspunkte zu stützen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts haben sich die Arbeitsvertragsparteien nicht auf eine bestimmte Grundform des befristeten Arbeitsverhältnisses im Sinne der Nr. 2 Abs. 1 SR 2a MTV geeinigt. Diese Vertragslücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin zu schließen, daß unter Berücksichtigung des von der Beklagten vorgetragenen Sachgrundes davon auszugehen ist, daß die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit des in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Ausschlusses der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA als tarifvertragliche Grundform des befristeten Arbeitsverhältnisses den in Nr. 1 Buchst. c SR 2a MTA geregelten Tatbestand (Aushilfsangestellte) vereinbart hätten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, daß der im Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1987 enthaltene Ausschluß der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der SR 2a MTA unwirksam ist. Diese Protokollnotiz, bei der es sich um eine tarifvertragliche Abschlußnorm handelt, gilt im Streitfall wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien bei Abschluß des Arbeitsvertrages vom 20. Juli 1987 unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Die gesetzliche Befristungsregelung des Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 gelangt nicht zur Anwendung, da die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA gegenüber der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 für den Arbeitnehmer eine günstigere Tarifnorm darstellt, weil sie die Zulässigkeit befristeter und deshalb vom zwingenden Kündigungsschutzrecht ausgenommener Arbeitsverträge von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Gesetz.
a) Der Senat hat im Urteil vom 15. März 1989 (– 7 AZR 449/88 – AP Nr. 7 zu § 1 BeschFG 1985; bestätigt u.a. durch Urteile vom 21. März 1990 – 7 AZR 138/89 – nicht veröffentlicht, und vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen) im Anschluß an die Senatsentscheidung vom 25. September 1987 (BAGE 56, 155 = AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985) entschieden, daß die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA als für den Arbeitnehmer günstigere Tarifnorm der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 vorgeht. An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Dies gilt ebenso für die Qualifikation als eigenständige tarifvertragliche Abschlußnorm im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG.
b) Die inhaltliche Kollision der hier streitigen Protokollnotiz mit der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 ist mittels eines normativen Günstigkeitsvergleiches zu lösen. Vergleicht man den objektiven Regelungsgehalt des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 mit dem Inhalt der hier streitigen Protokollnotiz, so ergibt sich, daß die tarifliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist als die gesetzliche. Die gesetzliche Regelung läßt in dem dort festgelegten Rahmen befristete und damit nicht bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisse zu, ohne daß ein sachlicher Grund für die Befristung vorzuliegen braucht, während die Tarifnorm die Wirksamkeit der Befristung vom Vorliegen eines sachlichen oder eines in der Person des Angestellten liegenden Grundes abhängig macht. Die hier streitige Protokollnotiz stellt somit für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge strengere Voraussetzungen auf als das Gesetz, indem sie dem Arbeitnehmer einen größeren Schutz für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses bietet.
c) Wegen der beim Abschluß des Arbeitsvertrages (20. Juli 1987) bestehenden beiderseitigen Tarifbindung konnten die Arbeitsvertragsparteien die für die Klägerin gegenüber Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 günstigere Befristungsregelung der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA einzelvertraglich nicht wirksam ausschließen (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 TVG). Der in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltene Ausschluß dieser tariflichen Protokollnotiz ist daher unwirksam.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es im Hinblick darauf, daß die Klägerin gemäß § 1 des Arbeitsvertrages als „Zeitangestellte” eingestellt worden sei, nach Nr. 2 SR 2a MTA verwehrt, sich zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung auf die von ihr geltend gemachten Vertretungs- und Aushilfstatbestände zu berufen, kann ihm nicht gefolgt werden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die in § 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Formulierung, nach der die Klägerin „gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 vom 26. April 1985 (BGBl. I S. 710) als Zeitangestellte für die Zeit bis zum 31. Mai 1988 beim Arbeitsamt W. eingestellt” wird, dahin zu verstehen sei, daß damit die Arbeitsvertragsparteien die tarifvertragliche Grundform des befristeten Arbeitsvertrages im Sinne der Nr. 1 Buchst. a SR 2a MTA festgelegt hätten. Diese Vertragsauslegung ist rechtsfehlerhaft, weil sie wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt läßt. Da es sich hier – wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist – um eine bei der Beklagten übliche Vertragsgestaltung für befristete Einstellungen aufgrund des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 handelt, kann der Senat diese Vertragsbestimmung als eine typische Vertragsklausel selbst auslegen. Die Auslegung ergibt, daß der in § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien verwendete Begriff des „Zeitangestellten” im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs und nicht als Festlegung auf den engeren tariflichen Begriff des „Zeitangestellten” in Nr. 1 Buchst. a SR 2a MTA zu verstehen ist.
Nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2a MTA ist zwar im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Der Begriff des „Zeitangestellten” wird im Arbeitsvertrag der Parteien aber nicht im Zusammenhang mit der tariflichen Regelung über die Befristung von Arbeitsverhältnissen, sondern unter Hinweis auf Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 genannt. Für die Befristung des Anstellungsverhältnisses sollte also nach dem Willen der Parteien die gesetzliche und nicht die tarifliche Regelung maßgeblich sein. Dann aber kann nicht angenommen werden, daß die Parteien sich mit der Bezeichnung der Klägerin als „Zeitangestellte” auf den entsprechenden tariflichen Grundtyp des befristeten Arbeitsverhältnisses nach Nr. 1 Buchst. a SR 2a MTA festlegen wollten. Dies kann um so weniger angenommen werden, als die Parteien in § 2 ihres Arbeitsvertrages die Geltung der für Zeitangestellte grundlegenden Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA ausdrücklich ausgeschlossen haben. Dieser – wegen der beiderseitigen Tarifbindung zwar unwirksame – Ausschluß der mit der Nr. 1 Buchst. a SR 2a MTA im systematischen Zusammenhang stehenden Protokollnotiz spricht eindeutig dafür, daß die Parteien die tarifvertraglich gebotene Festlegung des Grundtyps des befristeten Arbeitsverhältnisses für entbehrlich gehalten haben und eine solche Festlegung deshalb auch nicht treffen wollten. Vielmehr sollte mit der Verwendung des Wortes „Zeitangestellte” im Arbeitsvertrag der Parteien nur deutlich gemacht werden, daß die Klägerin lediglich für die vertraglich vereinbarte Zeit und nicht auf Dauer angestellt werden sollte (vgl. hierzu auch das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 –, zu II 2 b der Gründe; ebenso das nicht veröffentlichte Senatsurteil vom 21. März 1990 – 7 AZR 517/88 –, zu I 3 c der Gründe).
b) Haben sich die Parteien hiernach nicht über die nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2a MTA erforderliche Angabe der tarifvertraglichen Grundform des befristeten Arbeitsverhältnisses geeinigt, so liegt eine Vertragslücke vor. Die Parteien sind offensichtlich davon ausgegangen, daß es wegen der Bezugnahme auf Art. 1 § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 und wegen des – allerdings unwirksamen – Ausschlusses der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA nicht erforderlich war, sich über die maßgebliche Grundform des befristeten Arbeitsverhältnisses im Sinne der Nr. 2 Abs. 1 SR 2a MTA zu einigen.
Die Lücke in einem Vertrag, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entsteht, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden (BGH Urteil vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83 – BGHZ 90, 69, 74; BGH Urteil vom 30. Oktober 1974 – VIII ZR 69/73 – BGHZ 63, 132, 136; BAG Urteil vom 8. November 1972 – 4 AZR 15/72 – AP Nr. 3 zu § 157 BGB; BAG Urteil vom 16. November 1979 – 2 AZR 1052/77 – AP Nr. 1 zu § 154 BGB; Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine ergänzende Vertragsauslegung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit des vertraglichen Ausschlusses der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA sich auf ein befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis im Sinne der Nr. 1 Buchst. c SR 2a MTA geeinigt hätten. Für eine derartige Annahme spricht, daß sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung von vornherein auf die Gründe der Urlaubsvertretung und saisonbedingter Mehrarbeit berufen hat.
III. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus den von der Beklagten vorgebrachten Vertretungs- und Aushilfegesichtspunkten sachlich gerechtfertigt ist. Da hierzu noch entsprechende Tatsachenfeststellungen notwendig sind, bedurfte es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Da nicht abzusehen ist, zu welchen Tatsachenfeststellungen das Berufungsgericht gelangen wird, sieht der Senat von weiteren Hinweisen ab.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Stappert, Schmalz
Fundstellen