Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortgeltung tariflicher Normen nach Betriebsübergang - Freiwilligkeitsvorbehalt
Orientierungssatz
Gemäß § 613a Abs 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages (hier: Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe idF vom 27.04.1990 bzw vom 23.06.1995) geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen den neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer (§ 613a Abs 1 Satz 2 BGB). Nach einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung trifft dies jedenfalls auf die Inhaltsnormen von Tarifverträgen zu.
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgericht Hamm vom 21. August 1998 - 10 Sa 1696/97
- wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über ein 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996.
Seit dem 1. Februar 1988 ist der Kläger aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. Januar 1988 bei der jetzigen Beklagten, einem Bauunternehmen mit Sitz in Hamburg, als Baumaschinenführer/Baggerfahrer tätig. Der Arbeitsvertrag vom 28. Januar 1988 wurde mit der Beklagten mit Sitz in Hamburg abgeschlossen. Der Kläger wurde für die von der Beklagten betriebene unselbständige Niederlassung Dortmund eingestellt und war seither für diese Niederlassung tätig.
Nach Ziffer I. des Arbeitsvertrages vom 28. Januar 1988 galten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) in der jeweils gültigen Fassung.
Ziffer III. des Arbeitsvertrages lautet:
"III. Lohn
Der Mitarbeiter wird als Baumaschinenführer/Baggerführer in die Berufsgruppe M III/4 eingruppiert.
Der Lohn beträgt laut Tarif DM 17,82
außertarifliche Zulage DM -
sonstige Zulage DM -
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Gesamt: DM 17,82
=========
Die Lohnabrechnung erfolgt monatlich bis zum 15. des Folgemonats. Abschlagszahlungen werden nicht vorgenommen.
Alle über die vorgenannten Zuwendungen hinausgehenden
Zahlungen, wie Gratifikationen, Tantiemen, Prämien, sonstige
Zulagen usw., sind freiwillige Leistungen der Firma, aus deren
Zahlung für die Zukunft keine Ansprüche hergeleitet werden
können. Das gilt auch bei wiederholten Zahlungen.
Die Firma behält sich ausdrücklich vor, eine tarifliche
Lohnerhöhung oder eine sonstige Anhebung tariflicher Bezüge
mit außertariflichen Zuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld, 13.
Monatsgehalt, AT-Zulagen) ganz oder teilweise zu verrechnen.
(...)"
Beide Arbeitsvertragsparteien waren und sind kraft Verbandszugehörigkeit an die Tarifverträge des Baugewerbes gebunden.
Zum 1. Januar 1991 wurde die Niederlassung der Beklagten in Dortmund von der Beklagten, der Muttergesellschaft in Hamburg, abgespalten und rechtlich selbständig. Die ehemalige Beklagte, der Dortmunder Betrieb, trat in alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen zu der jetzigen Beklagten nach § 613 a BGB ein. Auch als selbständiger Betrieb war die ehemalige Beklagte zu keinem Zeitpunkt Mitglied in einem Arbeitgeberverband.
Der Kläger erhielt während des bestehenden Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit jeweils ein 13. Monatseinkommen nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe, zuletzt in der Fassung vom 27. April 1990 bzw. 23. Juni 1995 (TV 13. ME). Dieser Tarifvertrag wurde von der Arbeitgeberseite zum 31. Oktober 1996 gekündigt.
Auf einer Betriebsversammlung im Oktober 1996 wurden sämtliche Mitarbeiter der ehemaligen Beklagten über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens unterrichtet. Den Mitarbeitern wurde bedeutet, daß sie durch Verzicht auf das 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996 zur Sicherung der Arbeitsplätze beitragen könnten.
Die ehemalige Beklagte zahlte an keinen ihrer Mitarbeiter Ende des Jahres 1996 das tarifliche 13. Monatseinkommen.
Zum 28. Februar 1997 wurde die ehemalige Beklagte mit Sitz in Dortmund wieder mit der Muttergesellschaft in Hamburg, der jetzigen Beklagten, verschmolzen. Die ehemalige Beklagte hat seither wiederum den Status einer Niederlassung.
Mit der am 28. Januar 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.865,55 DM brutto nebst 4 %
Zinsen aus dem sich hieraus ergebenen Nettobetrag seit dem 10.
Februar 1997 zu zahlen.
Die Klage war zunächst gegen die frühere Beklagte, die vormals selbständige Dortmunder Niederlassung gerichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist das Passivrubrum auf die jetzige Beklagte und Revisionsklägerin umgestellt worden.
Die Beklagte hat gemeint, zwar seien die Tarifnormen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs von der jetzigen Beklagten auf das zwischenzeitlich als Arbeitgeberin fungierende Tochterunternehmen gem. § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Vertragsinhalt geworden, jedoch stehe dem Anspruch der zeitweilig verdrängte arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Dieser sei nach Ablauf der einjährigen Veränderungssperre wieder aufgelebt.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und im Urteil die Revision zugelassen. Die Beklagte beantragt in ihrer Revision Klageabweisung, der Kläger die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht das 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996 zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger könne seinen Anspruch nicht unmittelbar auf den Tarifvertrag über das 13. Monatseinkommen vom 27. April 1990 in der Fassung vom 23. Juni 1995 (TV 13. ME) stützen, da im Arbeitsvertrag nur auf den BRTV Bezug genommen worden sei. Jedoch bestehe ein Anspruch auf die Leistung aus § 2 TV 13. ME, da die Tarifbindung durch den Betriebsübergang auf die zwischenzeitliche Beklagte, die selbständige Dortmunder Niederlassung, nicht entfallen sei. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses seien beide Parteien tarifgebunden gewesen, so daß die Bestimmungen des Tarifvertrags unmittelbar anwendbar gewesen seien. Durch den Betriebsübergang auf die selbständige Dortmunder Niederlassung zum 1. Januar 1991 seien die Normen des Tarifvertrags zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gem. § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB geworden. Ein anderer Tarifvertrag habe nicht gegolten. Nach einem Jahr habe zwar die zwingende Wirkung der Fortgeltung geendet, aber der einmal eingetretene vertragliche Inhalt sei individualrechtlich nicht abgeändert worden, weder einverständlich noch durch Änderungskündigung. Der Freiwilligkeitsvorbehalt berühre diesen Anspruch nicht. Es könne dahinstehen, ob er sich überhaupt auf tarifliche Ansprüche beziehe. Möglicherweise ergebe die Auslegung, daß nur über- bzw. außertarifliche Leistungen freiwillig sein sollten. Jedenfalls aber habe der Vorbehalt gegen § 4 Abs. 3 TVG verstoßen und sei daher unwirksam, weil es sich um eine ungünstigere Regelung gehandelt habe. Nach Ablauf der Jahresfrist sei der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht wieder aufgelebt. Ein wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtiges Rechtsgeschäft werde nicht dadurch wieder wirksam, daß das gesetzliche Verbot nachträglich aufgehoben werde oder wegfalle. Eine Neuvornahme im Sinne des § 141 BGB sei erforderlich gewesen, aber nicht erfolgt. Vielmehr sei nach Ablauf der Jahresfrist das 13. Monatseinkommen weitergewährt worden. Die Kündigung des Tarifvertrags zum 31. Oktober 1996 sei unerheblich.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und weitgehend in der Begründung zu folgen.
1. a) Der Kläger kann seinen Anspruch nicht unmittelbar aus dem TV 13. ME herleiten. Dessen Normen waren im Jahre 1996 nicht mehr unmittelbar und zwingend anwendbar auf das Arbeitsverhältnis der Parteien. Zwar war der Kläger noch tarifgebunden, nicht aber seine damalige Arbeitgeberin, das verselbständigte Tochterunternehmen der jetzigen Beklagten. Dieses unterfiel zwar auch dem fachlichen Geltungsbereich des in Frage kommenden Tarifvertrags, da es sich ebenfalls um einen Betrieb des Baugewerbes handelte. Dies allein reicht jedoch nicht aus, den ursprünglich kraft Verbandszugehörigkeit des Mutterunternehmens unmittelbar geltenden Tarifvertrag fortgelten zu lassen. Nach allgemeiner Meinung wird hierfür jedenfalls für Inhaltsnormen vorausgesetzt, daß eine beiderseitige Tarifgebundenheit besteht. Auf Arbeitgeberseite muß der neue Arbeitgeber im Fall eines Verbandtarifvertrags Mitglied des tarifschließenden Verbandes sein (vgl. MünchArbR-Wank Bd. 2 § 120 Rn. 172 mwN; Kania DB 1995, 625 ff.). Da dies nicht der Fall war und der Tarifvertrag über das 13. ME auch nicht allgemeinverbindlich war, kommt eine normative Geltung nicht in Betracht.
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Tarifnormen auch nicht kraft einzelvertraglicher Bezugnahme zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sind, da die Parteien im Arbeitsvertrag lediglich auf den BRTV, nicht aber auf die übrigen Tarifverträge des Baugewerbes Bezug genommen haben.
2. Der Kläger hat einen Anspruch auf das begehrte 13. Monatseinkommen, da der ursprüngliche tarifvertragliche Anspruch zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist (a), nicht abgeändert worden ist (b) und vom vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt nicht erfaßt wird (c).
a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß durch die Ausgründung der Dortmunder Niederlassung als rechtlich selbständige juristische Person ein Betriebsübergang gem. § 613 a BGB stattgefunden hat.
Gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung trifft dies jedenfalls auf die Inhaltsnormen von Tarifverträgen zu, zu denen die hier streitige Anspruchsgrundlage gehört.
Die rechtlich-dogmatische Einordnung der Fortgeltung der Normen nach Satz 2 des § 613 a Abs. 1 BGB ist in der Vergangenheit nicht eindeutig und klar vorgenommen worden. Im allgemeinen wird von einer "Transformation" des Kollektivrechts in den Arbeitsvertrag gesprochen (vgl. Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 8. Aufl. § 119 II; BAG 16. Mai 1995 - 3 AZR 535/94 - AP TVG § 4 Ordnungsprinzip Nr. 15 = EzA BGB § 613 a Nr. 127). Wank (MünchArbR § 120 Rn. 168 ff. und NZA 1987, 505 ff.) spricht einerseits von einer individualrechtlichen Fortgeltung der Tarifvorschriften, die vorher normativ gegolten haben, andererseits aber von der "zwingenden Anordnung der Fortgeltung des Tarifvertrages" (aaO Rn. 185) bzw. von einer "fingierten Individualvereinbarung". Mit einer rein individualrechtlich wirksamen Erklärungsweise wird aber die zwingende Wirkung der Veränderungssperre nicht erklärbar. Hierauf haben Zöllner (DB 1995, 1401 ff.), Heinze (DB 1998, 1861 ff.) und Moll (RdA 1996, 275, 276 f.) zu Recht hingewiesen (so auch Rieble Arbeitsmarkt und Wettbewerb Rn. 1244, der im übrigen die normative Tariflehre ablehnt und einem vertraglichen Tarifverständnis folgt). Die Einordnung der Fortgeltung einschlägiger Regelungen als zunächst zwingende - nach einem Jahr dispositive - gesetzlich angeordnete Fortgeltung der bisherigen Tarifnormen für die übergegangenen Arbeitsverhältnisse läßt es wesentlich plausibler erscheinen, warum Tarifvertragsnormen, die schon im Zeitpunkt des Betriebsübergangs dispositiven Charakter hatten, der einjährigen Veränderungssperre nicht unterliegen (so auch Schaub aaO Ziff. 3; MünchKomm-Schaub 3. Aufl. Bd. 4 § 613 a BGB Rn. 131). Henssler (FS Schaub S 317) spricht von einer "mittelbaren" Fortgeltung der Tarifinhalte beim Betriebserwerber. Für die gesetzlich angeordnete Fortgeltung spricht auch eher die der Vorschrift des § 613 a BGB zugrundeliegende Richtlinie der EG vom 14. Februar 1977 (77/187/EWG, ABl. Nr. L 61/26), die in Art. 3 Abs. 2 fordert, daß kollektivrechtliche Bedingungen durch einen Betriebsübergang aufrechterhalten werden müssen. Diese Fortgeltung geschieht kraft Gesetzes. Zu Recht führt Heinze (aaO S 1862) aus, daß ein Vergleich zu der systematischen Einordnung von nachwirkenden Tarifnormen auch für § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB von Bedeutung ist. Ein abgelaufener und damit außer Kraft getretener Tarifvertrag verliert grundsätzlich jede rechtliche Wirkung, weshalb auch die Fortgeltung der Rechtsnormen des abgelaufenen Tarifvertrags nicht auf diesem selbst beruht, sondern der Rechtsgrund der Nachwirkung allein das Gesetz ist (BAG 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 8 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 3). § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ist durchaus vergleichbar mit § 4 Abs. 5 TVG. Die Vorschrift ordnet ausdrücklich an, daß die Tarifnormen des Tarifvertrags unter den geregelten Voraussetzungen - als arbeitsvertraglicher Inhalt - weitergelten. Rechtsgrund der Weitergeltung ist also weder der Tarifvertrag noch infolge irgendwie gearteter Transformation der Arbeitsvertrag, sondern allein die gesetzliche Anordnung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. auch BAG 16. Mai 1995 - 3 AZR 535/94 - AP TVG § 4 Ordnungsprinzip Nr. 15 = EzA BGB § 613 a Nr. 127; ähnlich Gaul ZTR 1989, 432, 436). Mit dieser dogmatischen Einordnung läßt sich auch eher die in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretene Auffassung vereinbaren, die von einem "Einfrieren" der tarifvertraglichen Normen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausgeht (BAG 13. September 1994 - 3 AZR 148/94 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 11 = EzA BGB § 613 a Nr. 125; Schiefer NJW 1998, 1817, 1821). Da die Rechtsgrundlage (Gesetz statt Tarifvertrag) sich geändert hat, kann die dynamische Weiterentwicklung der Tarifvertragsnormen bzw. die in ihnen enthaltene dynamische Verweisung auf anderweitige Rechtsquellen nicht mehr wirksam sein (sogenannte statische Verweisung, vgl. Kempen BB 1991, 2006, 2009; Kania DB 1994, 529 f.).
Damit galt der Tarifvertrag über das 13. Monatseinkommen kraft Gesetzes als arbeitsvertraglicher Inhalt mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs weiter.
b) Der Ablauf der einjährigen Veränderungssperre nach dem Betriebsübergang hat hieran nichts geändert. Eine Veränderung ist nicht vorgenommen worden.
Die Vorschrift, wonach die fortgeltenden Tarifnormen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen, kann nur solche Veränderungen meinen, die mit individualrechtlichen Gestaltungsmitteln erreicht werden können. Dies sind insbesondere Änderungskündigung und Änderungsvertrag. Einwirkungen durch kollektivrechtliche Änderungen sind in § 613 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 BGB geregelt. Die frühere Beklagte hat weder eine Änderungskündigung ausgesprochen noch hat sie mit dem Kläger einen abändernden Vertrag abgeschlossen.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß in oder nach der Betriebsversammlung vom Oktober 1996 keine einzelvertragliche Abrede über einen Verzicht des Klägers auf das 13. Monatseinkommen getroffen worden ist. Die frühere Beklagte hatte dort lediglich auf die schwierige wirtschaftliche Situation hingewiesen und erklärt, daß allein durch einen Verzicht der Mitarbeiter auf das 13. Monatseinkommen Arbeitsplätze gesichert werden könnten. Auch wenn, wie die frühere Beklagte vorgetragen hatte, dies die weitaus größte Zahl der Mitarbeiter eingesehen haben sollte, liegt hierin noch keine Abmachung mit dem Kläger.
c) Der im Arbeitsvertrag unter III. enthaltene Vorbehalt, wonach alle über "die vorgenannten Zuwendungen hinausgehenden Zahlungen, wie Gratifikationen, Tantiemen, Prämien, sonstige Zulagen usw." freiwillige Leistungen seien, aus deren Zahlung für die Zukunft keine Ansprüche hergeleitet werden könnten, berührt den hier streitigen Anspruch nicht.
Freiwilligkeitsvorbehalte sind grundsätzlich zulässig (vgl. etwa BAG 28. Februar 1996 - 10 AZR 516/95 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 192 = EzA BGB § 611 Gratifikation Prämie Nr. 139). Sie können aber begrifflich nur solche Leistungen erfassen, auf die nicht aus anderen Gründen ein Rechtsanspruch besteht. Insoweit ist der Beklagten darin zuzustimmen, daß der Freiwilligkeitsvorbehalt vor dem Betriebsübergang überhaupt keine Bedeutung für die tarifvertraglichen Ansprüche hatte. Wegen der beiderseitigen Tarifbindung galten die Tarifnormen unmittelbar und zwingend und die Leistungen aus dem Tarifvertrag wurden gerade nicht freiwillig erbracht. Dies hat sich auch nach dem Betriebsübergang nicht geändert, da aufgrund der gesetzlichen Fortgeltungswirkung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB die vormalige Beklagte weiterhin verpflichtet war, die zuvor tariflich normierten Ansprüche zu erfüllen. Sie hätte zwar die Möglichkeit gehabt, im Wege einer arbeitsvertraglichen Gestaltung ihre Verpflichtung abzulösen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Verpflichtungen wurden dadurch nicht zu einer freiwilligen Leistung. Eine freiwillige Leistung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Leistung hat. Denn bei einem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Leistungsgewährung nicht mehr frei, so daß auch keine freiwillige Leistung vorliegen kann (Krauß Widerruf von Arbeitgeberleistungen S 232). Dem entspricht, daß ein Freiwilligkeitsvorbehalt vor Entstehen einer Rechtsbindung erklärt werden muß.
Da der Freiwilligkeitsvorbehalt die hier streitige Leistung niemals erfaßt hat, konnte er auch nicht wieder "aufleben", wie die Beklagte meint. Die von der Beklagten zitierte Fundstelle bei Löwisch/Rieble (TVG § 4 Rn. 52) besagt nichts anderes. Danach "wirken Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis wie arbeitsrechtliche Gesetze. Sie gestalten nicht den Inhalt des Arbeitsvertrages (vgl. aber § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern überlagern und verdrängen ihn, soweit er ihnen widerspricht. Enden die Normen des Tarifvertrages, lebt - im Unterschied zu Gesetzen - die Regelung des Arbeitsvertrages wieder auf." Da die Tarifnormen aber weder "geendet" haben, sondern kraft Gesetzes weitergalten, noch jemals vom Freiwilligkeitsvorbehalt berührt waren, kann die Beklagte aus der zitierten Literaturmeinung kein Argument herleiten.
Folgte man der Ansicht der Beklagten, würde ein "Wiederaufleben" des Freiwilligkeitsvorbehalts in Wahrheit das Neuentstehen eines Widerrufsvorbehalts für bereits entstandene Ansprüche bedeuten. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt unterscheiden sich jedoch in Natur und Wirkung und müssen jeweils klar vertraglich erkennbar sein. Der Freiwilligkeitsvorbehalt hätte sich allein auf Leistungen beziehen können, die die frühere Beklagte über die tarifvertraglich normierten Ansprüche hinaus gewährt hätte, beispielsweise ein 14. Monatseinkommen oder sonstige zusätzliche Leistungen.
Die vom Landesarbeitsgericht erwogene Auslegung, daß der Arbeitsvertrag von vornherein mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt nicht tarifliche Ansprüche erfassen wollte, findet in den oben stehenden Ausführungen eine weitere Stütze.
3. Der Höhe nach ist der Anspruch unstreitig, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Freitag
Böck Marquardt Thiel
Tirre
Fundstellen