Leitsatz (amtlich)
- Hat ein Arbeitnehmer mehrere Jahre Arbeitsleistungen ohne Barvergütung in der Erwartung erbracht, der Arbeitgeber werde ihm als Entgelt ein Haus vermachen, so hat er im Falle des vorzeitigen Todes des Arbeitgebers einen Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB (Bestätigung von BAG AP Nr. 15 zu § 612 BGB, BAG AP Nr. 2 zu § 146 KO und BAG Urteil vom 5. August 1963 – 5 AZR 79/63 – AP Nr. 20 zu § 612 BGB).
- In einem solchen Fall hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer eine zu seinen Gunsten abgeschlossene Lebensversicherung und nachträgliche Zuwendungen des Erben auf den Vergütungsanspruch anrechnen lassen muß.
- Bereitet die Aufklärung der tatsächlichen Umstände besondere Schwierigkeiten, so kann nach § 287 Abs. 2 ZPO verfahren und notfalls eine Zuwendung zur Hälfte angerechnet werden (Bestätigung von BAG 12, 311 [320] = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Urlaub und Kur).
- Das Berufungsgericht ist verpflichtet, gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 2 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine eigene Beweiswürdigung einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme vorzunehmen und im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgebend waren (Bestätigung von BAG 4, 333 [335] = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; BAG AP Nr. 1 zu § 20 HAG).
Normenkette
BGB §§ 612, 242, 202; ZPO §§ 286-287, 313 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 28.02.1963; Aktenzeichen 6 Sa 236/62) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bayern in Nürnberg vom 28. Februar 1963 – 6 Sa 236/62 N – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Beklagte ist kraft gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe seines am 9. Juni 1961 verstorbenen Vaters, des Viehhändlers Alfred T… (Erblassers). Die Klägerin bezog als Witwe eine KB-Rente von monatlich 119,– DM und eine Invalidenrente von monatlich 106,70 DM. Seit April 1958 kam sie regelmäßig zweimal wöchentlich in das Haus des Erblassers in K…, um seinen Haushalt zu versorgen. Die Klägerin selbst wohnte in E…. Im Oktober 1959 verzog sie nach K… in das Haus des Erblassers und bewohnte dort mietfrei eine eigene Drei-Zimmermansardenwohnung. Bis zur Einlieferung des Erblassers ins Krankenhaus am 11. März 1961 führte sie dessen Haushalt. Sie bezeichnete sich in der Folgezeit als Braut des Erblassers.
Anläßlich des Todesfalles erhielt die Klägerin aus einer Lebensversicherung, die der Erblasser zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte und auf die er an Prämien 1.036,75 DM eingezahlt hatte, einen Betrag von 5.000,– DM. Die Klägerin wohnte noch bis zum Oktober 1961 in der bisherigen Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt verkaufte der Beklagte das Haus in K…. Er hatte neben zwei Hausgrundstücken u. a. ein Barvermögen von 80.000,– DM geerbt.
Mit der im Oktober 1961 erhobenen Klage hat die Klägerin neben anderen von Landesarbeitsgericht rechtskräftig aberkannten Ansprüchen folgende Ansprüche geltend gemacht:
1) |
Als Entgelt für ihre Hausarbeiten an 2 Wochentagen in der Zeit vom 22. April 1958 bis 24. Oktober 1959 – 78 Wochen – einschließlich Fahrgeld pro Woche 25,– DM |
1.950,– DM |
2) |
Als Entgelt für ihre Arbeit als Haushälterin in 16 1/2 Monaten vom 24. Oktober 1959 bis 11. März 1961 monatlich 175,– DM |
2.887,50 DM |
3) |
Als Ersatz eigener geldlicher Aufwendungen für den Haushalt des Erblassers für 16 1/2 Monate monatlich 120,– DM |
1.980,– DM |
4) |
Als Ersatz ihrer Aufwendungen für Stromgeld, Wasser- und Kanalgebühren für 16 1/2 Monate je 13,– DM |
214,50 DM. |
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie habe für ihre Dienste im Haushalt des Erblassers keinerlei Entgelt erhalten. Dieser habe ihr aber in Aussicht gestellt, daß sie einmal das Haus in K… erben würde. Der Erblasser habe ihr auch nicht das notwendige Haushaltsgeld gegeben, so daß sie die laufenden Kosten des Haushalts fast vollständig aus eigener Tasche habe bezahlen müssen. Dasselbe gelte für Strom- und Wassergeld sowie Kanalgebühren. Die zu ihren Gunsten abgeschlossene Versicherung sei ein reines Geschenk des Erblassers gewesen, damit sie im Alter einen Zusatzpfennig habe. Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 11.469,42 DM zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er trägt vor, die Dienste seien der Klägerin schon vom Erblasser abgegolten worden. Das eheähnliche Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Erblasser verbiete die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Etwaige Lohnansprüche seien auch verwirkt, da diese zu Lebzeiten des Erblassers niemals geltend gemacht worden seien. Angesichts ihrer Einkommensverhältnisse sei die Klägerin auch gar nicht in der Lage gewesen, eigene Aufwendungen für den Haushalt des Erblassers zu machen. Dieser habe auch alle Einkäufe für den Haushalt selbst vorgenommen. Im übrigen müsse sich die Klägerin auf etwaige Ansprüche die Versicherungssumme von 5.000,– DM und weitere 3.500,– DM anrechnen lassen, die er ihr nach dem Tode des Erblassers gegeben habe.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage in Höhe von 7.032,00 DM [Ziff. 1) – 4) der Ansprüche der Klägerin] stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der vollen Abweisung der Klage weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
1) Ohne revisiblen Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Klägerin zum Erblasser in einem nach § 612 BGB vergütungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand. Nach der vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 15. März 1960, 24. September 1960 = AP Nr. 13 und 15 zu § 612 BGB und 25. Januar 1963 = AP Nr. 2 zu § 146 KO und das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 5. August 1963 – 5 AZR 79/63 –) schließt die Tatsache eines eheähnlichen Verhältnisses es nicht aus, daß die Beteiligten zueinander auch in einem Arbeitsverhältnis stehen und nicht nur in einem Gemeinschaftsverhältnis, dessen gegenseitigen Leistungen ohne die Erwartung einer weiteren Vergütung erbracht werden. Es kommt insoweit auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere Art, Umfang und Dauer der geleisteten Dienste. Das Landesarbeitsgericht hält für erwiesen, daß die Klägerin den Haushalt des Erblassers in der Zeit vom April 1958 bis März 1961, also rd. drei Jahre, versorgt, teilweise gekocht und umfangreiche Reinigungsarbeiten verrichtet hat. Die Klägerin hat daneben seit der Übersiedlung zum Wohnort des Erblassers einen eigenen Hausstand unterhalten. Sie hatte – wenigstens zunächst – keinen Anlaß, für den Erblasser Dienste in erheblichem Umfang ohne Vergütung zu erbringen. Denn engere menschliche Beziehungen zwischen ihr und dem Erblasser sind offenbar erst in der Zeit entstanden, nachdem die Klägerin ihre Arbeit im Haushalt des Erblassers aufgenommen hatte. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung zunächst ohne Vergütung in der Erwartung erbracht, der Erblasser werde ihr das Haus in K… vermachen. In diesem Haus hat die Klägerin noch nach dem Tode des Erblassers größere Renovierungsarbeiten auf ihre Kosten verrichten lassen in der Hoffnung, der Beklagte werde ihr das Haus noch übertragen. Kommt es in derartigen Fällen nicht zu der in Aussicht genommenen Zuwendung für eine zunächst unentgeltlich erbrachte Arbeitsleistung, so gilt eine Vergütung gemäß § 612 Abs. 1 und 2 BGB als vereinbart (BAG aaO), wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt. Gegen die Höhe der Vergütung (Posten 1) und 2) der Klageforderung) hat der Beklagte nichts vorgebracht. Das Landesarbeitsgericht hält sie für angemessen. Dagegen bestehen nach § 612 Abs. 2 BGB keine Bedenken.
2) Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht verwirkt. Bis zum Tode des Erblassers sind derartige Ansprüche als gestundet anzusehen, wie der Senat mehrfach entschieden hat (BAG AP Nr. 15 zu § 612 BGB, AP Nr. 2 zu § 146 KO und Urteil vom 5. August 1963 a. a. O.). Dann können in dieser Zeit die Ansprüche normalerweise auch nicht verwirken. Nach dem Tode des Erblassers hat die Klägerin aber alsbald Klage erhoben, als ihre Erwartungen durch den Beklagten nicht erfüllt wurden.
3) Hinsichtlich der Feststellungen des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch aus eigener Tasche die von ihr behaupteten Aufwendungen für den Haushalt in Höhe von 2.194,50 DM (Positionen 3) und 4) der Klageforderung) bestritten, die der Beklagte erstatten müsse, hat die Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben. Während das Arbeitsgericht auf Grund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme noch nähere Ausführungen darüber macht, weshalb es die behaupteten Aufwendungen für erwiesen ansieht, beschränkt sich das angefochtene Urteil auf eine formelhafte Übernahme der Beweiswürdigung erster Instanz. Das Berufungsgericht ist aber verpflichtet, gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine eigene Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und ihres Ergebnisses vorzunehmen und im Urteil die Gründe anzugeben, die nach gewissenhafter Prüfung und Abwägung für seine richterliche Überzeugungsbildung maßgebend gewesen sind (BAG AP Nr. 1 zu § 20 HAG; BAG 4, 333 [335] = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche). Hierzu hätte das Berufungsgericht umso eher Anlaß gehabt, als der Beklagte sich im Berufungsrechtszug wiederholt zum Beweis dafür, daß der Erblasser alle Einkäufe für den Haushalt selbst vorgenommen hat, auf zwei Zeugen berufen hatte. Dieser Beweis ist nicht erhoben worden. Auch hierin liegt ein Verstoß gegen § 286 ZPO. Der Beklagte hat in der Revision insoweit auch eine nach § 554 Abs. 3 Nr. 2b ZPO zulässige und – da das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruhen kann – begründete Verfahrensrüge erhoben. Schon diese Prozeßrügen führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Es wird nach Erhebung der weiter angebotenen Beweise erneut darüber zu befinden haben, ob die behaupteten Aufwendungen der Klägerin, gegebenenfalls in welcher Höhe, für erwiesen angesehen werden können.
4) Zu Recht hält das Berufungsgericht zwar den Beklagten dafür für beweispflichtig, daß die Klägerin eine Vergütung für ihre Dienste bereits erhalten hat, ihr Vergütungsanspruch also bereits erfüllt ist. Insoweit hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe eine vom Erblasser abgeschlossene Lebensversicherung in Höhe von 5.000,– DM und außerdem von ihm selbst Zuwendungen in Höhe von rd. 3.500,– DM erhalten. Die Klägerin bestreitet nicht, neben den 5.000,– DM auch noch vom Beklagten erhebliche Beträge, wenn auch nach ihrer Darstellung zum Teil für andere Zwecke, erhalten zu haben. Das angefochtene Urteil enthält nun praktisch keine Begründung dafür, aus welchen Gründen es die Anrechnung der Lebensversicherung und der weiteren, der Höhe nach im einzelnen nicht festgestellten Zahlungen auf den Vergütungsanspruch der Klägerin verneint. Dies hätte aber nicht offen bleiben dürfen, weil vor allem die zu Gunsten der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherung den verschiedensten Zwecken dienen konnte. Insbesondere sind die folgenden Möglichkeiten denkbar: a) Die Lebensversicherung sollte unmittelbar die Vergütung für die im Haushalt geleisteten Dienste sein. b) Zusätzlich zu der geschuldeten Vergütung sollte eine gewisse Alterssicherung gewährt werden, wie das Arbeitsgericht angenommen hat. c) Die Lebensversicherung sollte der Dank sein für das im Laufe der Zeit entstandene enge persönliche Freundschaftsverhältnis. Insoweit könnte der Zeitpunkt des Abschlusses der Lebensversicherung von Bedeutung sein. Eine Anrechnung auf die nach § 612 BGB zu gewährende Vergütung käme dann nicht in Betracht. d) Die Lebensversicherung zu Gunsten der Klägerin wurde sowohl in Hinblick auf die Dienste im Hauswesen als auch als Dank für das persönliche Verhältnis zum Erblasser abgeschlossen. Dann käme eine teilweise Anrechnung der Versicherungssumme in Betracht.
Sollte eine eindeutige Feststollung hinsichtlich der Anrechnung der Lebensversicherung und der Zuwendungen des Beklagten auf den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht möglich sein, so wird sich das Landesarbeitsgericht unter Umständen der Vorschrift des § 287 Abs. 2 ZPO bedienen können. Notfalls wird das Berufungsgericht davon ausgehen dürfen, daß verbleibende Unklarheiten tatsächlicher Art zwischen den Parteien je zur Hälfte zu verteilen sind, wie der Senat in der Entscheidung vom 1. März 1962 (BAG 12, 311 [320] = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Urlaub und Kur unter Ziff. IV 3) bereits ausgeführt hat.
Da das Revisionsgericht die demnach erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts und seine Beurteilung nicht selbst vornehmen kann, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
gez. Dr. Boldt, Dr. Stumpf, Dr. Auffarth, Dr. Schneider, Döring
Fundstellen