Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst
Orientierungssatz
1. Die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) sind zwar kein Tarifvertrag, doch können die Arbeitsvertragsparteien auch einzelvertraglich (§ 305 BGB) bei hinreichender Bestimmtheit die Geltung einer solchen Regelung vereinbaren.
2. Die dem Dienstgeber in den AVR eingeräumte Möglichkeit, statt Vergütung Freizeitausgleich zu gewähren, verletzt auch nicht die Grundsätze der Billigkeit. Sie entspricht der Regelung Nr 6 Abschnitt B Abs 4 der SR 2a zum BAT, die für die entsprechenden Angestellten im BAT-Bereich gilt, und wird auch der Rechtsprechung zu dieser Frage gerecht.
Normenkette
DCVArbVtrRL; BGB §§ 242, 315
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 20.01.1987; Aktenzeichen 7 Sa 1862/86) |
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 28.08.1986; Aktenzeichen 3 Ca 1328/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von der Klägerin geleistete Bereitschaftsdienste teilweise durch Freizeit abzugelten.
Die Klägerin ist examinierte Krankenschwester. Seit dem Jahre 1967 ist sie in dem von der beklagten Kirchengemeinde getragenen E Hospital in G tätig. Seit 16 Jahren ist sie Vertreterin der ersten OP-Schwester.
Am 27. April 1976 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag. § 2 dieses Vertrages hat u.a. folgenden Wortlaut: "Für das Dienstverhältnis gelten die 'Richt linien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes' (AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der 'Caritas-Korrespondenz' veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung.
Die AVR sind Bestandteil des Dienstvertrages und haben dem Mitarbeiter zur Kenntnisnahme zur Verfügung gestanden.
Bei Änderungen der AVR gilt jeweils die in der 'Caritas-Korrespondenz' veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne daß es einer weiteren Vereinbarung bedarf. Auch insoweit ist dem Mitarbeiter Gelegenheit zur Kenntnisnahme zu geben." Die Klägerin leistete neben ihrer normalen Arbeitszeit von Anfang an in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst. In der Zeit von Januar 1980 bis Mai 1985 entstanden bedingt durch eine angespannte Personalsituation des Hospitals durchschnittlich 249,5 Bereitschaftsdienststunden, in der Zeit von Juni 1985 bis Juni 1986 195 Stunden im Monat. Seit dem Jahresende 1985 hat sich die Anzahl der Bereitschaftsdienste ständig verringert. Im Jahre 1987 waren es ca. 10 Dienste pro Monat. Diese Bereitschaftsdienste wurden gemäß § 9 der Anl. 5 zu den AVR zunächst voll vergütet. § 9 der Anl. 5 zu den AVR hat u.a. folgenden Wortlaut:
"§ 9 Sonderregelung für die Abgeltung der Bereit-
schaftsdienste und Rufbereitschaften für Ärzte,
Zahnärzte, Hebammen, medizinisch-technische
Assistentinnen und Gehilfinnen sowie für Mit-
arbeiter im Pflegedienst
(1) In Kranken-, Heil- und Pflege- und Entbin-
dungseinrichtungen, in denen die betreuten
Personen in ärztlicher Behandlung stehen,
und in Altenpflegeheimen und Pflegebereichen
in Altenheimen erfolgt die Abgeltung des Be-
reitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft
für Ärzte, Zahnärzte, Hebammen, medizinisch-
technische Assistentinnen und Gehilfinnen sowie
für Mitarbeiter im Pflegedienst abweichend von
§ 8 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen...
(2) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die
Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich
der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeits-
zeit gewertet:
.....
(3) Für die nach Abs. (2) errechnete Arbeitszeit
wird die Überstundenvergütung nach § 1 Abs. (3)
Unterabsatz 2 der Anlage 6 a zu den AVR gezahlt.
(4) Die nach Abs. (2) errechnete Arbeitszeit kann
auch durch entsprechende Freizeit abgegolten
werden.
....."
Am 21. Mai 1986 wurde der Klägerin ebenso wie den übrigen OP-Schwestern nach Aufstockung des OP-Personals mitgeteilt, ab 1. Juni 1986 werde die Anzahl der Bereitschaftsdienste mit Rücksicht auf die verbesserte Personalausstattung schrittweise abgebaut und die geleisteten Dienste ebenfalls schrittweise nicht mehr vergütet, sondern durch Freizeit abgegolten. Unstreitig wurden in der Zeit von August 1986 bis Januar 1989 Bereitschaftsdienststunden lediglich in den Monaten August bis November 1986, Januar 1987, September bis November 1987 und Januar 1988 teilweise mit Freizeit ausgeglichen. In allen anderen Monaten wurde der Bereitschaftsdienst voll vergütet. Von den in den Monaten mit Freizeitausgleich insgesamt geleisteten 535,10 Bereitschaftsdienststunden wurde lediglich für 173 Stunden (= 32,33 %) Freizeitausgleich gewährt, der Rest ebenfalls vergütet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch die jahrelange Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Bereitschaftsdiensten je Monat und deren Vergütung habe sich die Beklagte für die Zukunft ihr gegenüber gebunden, sowohl eine entsprechende Anzahl von Bereitschaftsdiensten zuzuweisen als auch diese zu vergüten. Eine Änderung dieser Praxis sei nur durch eine Änderungskündigung möglich. Die AVR seien im übrigen erst nach Jahren zum Vertragsinhalt geworden und hätten den bis dahin gewachsenen Vertragsinhalt nicht ändern können. Darüber hinaus müsse die Beklagte die beiderseitigen Interessen nach den Grundsätzen der Billigkeit wahren. Dies sei nicht geschehen, denn die Vergütung der Bereitschaftsdienste habe bis zu einem Drittel der Gesamtbezüge betragen, worauf sie sich wirtschaftlich eingerichtet habe. Eine Umstellung der bisherigen Praxis habe allenfalls über einen Stufenplan angemessen vorgenommen werden können. Die Ankündigungsfrist von nicht einmal zwei Wochen sei hierfür zu kurz.
Die Klägerin hat zunächst beantragt
1. festzustellen, daß das beklagte Kranken-
haus verpflichtet ist, sie im Jahresdurch-
schnitt mit 224 Bereitschaftsstunden monat-
lich zu beschäftigen;
2. festzustellen, daß die von der Klägerin
abzuleistenden Bereitschaftsstunden nicht
in Freizeit auszugleichen, sondern mit der
üblichen Bereitschaftsdienstvergütung zu
bezahlen sind.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ausgeführt, die Zahl der Bereitschaftsdienste richte sich allein nach den betrieblichen Erfordernissen und dem vorhandenen Personalbestand. Im Juni 1985 sei der OP-Bereich einerseits vergrößert worden, andererseits sei der Personalbestand auf 16 Stellen aufgestockt worden. Das bedinge eine anderweite Verteilung der Bereitschaften, da alle Arbeitnehmer verpflichtet seien, Bereitschaftsdienst wahrzunehmen. Sie sei auch gemäß § 9 Abs. 4 der Anlage 5 zu den AVR berechtigt, die durch den Bereitschaftsdienst angefallene Arbeitszeit durch Freizeit abzugelten. Hieran sei sie durch die frühere finanzielle Abgeltung bei niedrigerem Personalbestand nicht gehindert. Die Ausübung des in den AVR vorgesehenen Wahlrechts beschränke sich nämlich nicht auf die erstmalige Entscheidung, sondern dieses könne je nach den sachlichen und personellen Erfordernissen wahrgenommen werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die auf den Klageantrag zu 2) beschränkte Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihren Klageantrag zu 2). Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte ist berechtigt, den von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienst auch durch Freizeit auszugleichen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte könne nach § 9 Abs. 4 der Anl. 5 zu den AVR bestimmen, daß Bereitschaftsdienst durch Freizeit ausgeglichen werde. Die AVR seien von Anfang an Vertragsgegenstand gewesen, denn der Klägerin sei schon vor dem Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrages am 27. April 1976 bekannt gewesen, daß die Beklagte diese Vertragsrichtlinien seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1969 anwendet und ihre Vergütung danach ausrichtet. In jedem Fall habe sich die Klägerin mit einer möglichen Vertragsänderung und damit der Einbeziehung der AVR mit ihrer Unterschrift des Vertrages vom 27. April 1976 einverstanden erklärt. Nach der für das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendenden Vorschrift des § 9 Abs. 3 und 4 der Anl. 5 zu den AVR sei es Sache des Dienstgebers, nach den dienstlichen Notwendigkeiten und personellen Möglichkeiten darüber zu entscheiden, ob für zu leistenden Bereitschaftsdienst Freizeitausgleich oder Vergütung gewährt werde. Für ihr Verlangen, die frühere Vergütungsregelung auch in Zukunft beizubehalten, könne sich die Klägerin nicht auf eine dementsprechende betriebliche Übung berufen. Zwar habe die Beklagte in der Vergangenheit Bereitschaftsdienststunden stets vergütet und nicht durch Freizeit ausgeglichen. Dadurch habe sie sich jedoch nicht in der Ausübung ihres Wahlrechts gebunden, denn die Klägerin habe angesichts der Personalsituation aus diesem Verhalten der Beklagten nicht auf einen Bindungswillen schließen können. Vielmehr habe die Klägerin davon ausgehen müssen, daß bei Änderung des Personalbestandes, insbesondere einer Erhöhung des OP-Personals, von der Beklagten auch die Möglichkeit des Freizeitausgleichs wahrgenommen werde. Vor Vergrößerung des Personalbestandes habe die Beklagte nämlich gar keine Gestaltungsmöglichkeit gehabt. Darüber hinaus sei in der Wahlmöglichkeit der AVR stets ein entsprechender Vorbehalt zu sehen, bei ausreichendem Personalbestand an Stelle finanzieller Vergütung des Bereitschaftsdienstes dessen Ausgleich durch Freizeit vorzunehmen.
Die Ausübung des Bestimmungsrechtes durch die Beklagte habe auch den Grundsätzen billigen Ermessens (§ 315 BGB) entsprochen. Die Freizeitgewährung entspreche nicht nur den Grundsätzen der Arbeitszeitordnung, sondern sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ein Gebot des Arbeitsschutzes. Hinter diesen von der Beklagten beachteten Forderungen müßten die ausschließlich finanziellen Belange der Klägerin zurückstehen, zumal sie keinen Anspruch darauf habe, durch die Teilnahme am Bereitschaftsdienst ihre Verdienstmöglichkeiten zu verbessern. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, einen Stufenplan einzuhalten, da sie sich an der jeweiligen aktuellen Personalsituation ausrichten müsse.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten den Revisionsangriffen stand.
II. Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 ZPO). Die Klägerin erstrebt die Feststellung, die Beklagte sei nicht berechtigt, geleisteten Bereitschaftsdienst mit Freizeit auszugleichen. Zwar kann nach § 256 ZPO nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden; bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können dagegen nicht Streitgegenstand eines Feststellungsbegehrens sein (BGHZ 22, 43, 48; 68, 331, 332; BAGE 48, 327 = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAGE 47, 238 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht). Eine Feststellungsklage muß sich aber nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im ganzen erstrecken. Es genügt vielmehr, wenn allein einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht in Streit sind (BAGE 39, 295 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972; 47, 238, aaO, m.w.N.). Das ist der Fall, denn die Klägerin will festgestellt wissen, ob die Beklagte berechtigt ist, Bereitschaftsdienste auch durch Freizeit auszugleichen. Ein in diesem Rechtsstreit ergehendes Urteil ist damit geeignet, den Streit zwischen den Parteien und die dadurch entstandene tatsächliche Unsicherheit zu beseitigen.
III. Der Klageantrag ist jedoch nicht begründet.
1.a) Die AVR sind zumindest seit Abschluß des Vertrages vom 27. April 1976 zwischen den Parteien Gegenstand des Arbeitsvertrages. Nach § 2 Abs. 2 und 3 dieses Vertrages sind sie in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil des Dienstvertrages. Nach § 7 des Vertrages bestehen außer der in § 6 ausdrücklich vereinbarten Beschränkung der regelmäßigen Arbeitszeit keine weiteren Sondervereinbarungen. Diese Vereinbarung ist rechtswirksam. Die AVR sind zwar kein Tarifvertrag (BAG Beschluß vom 24. September 1980, BAGE 34, 182, 184 = AP Nr. 9 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Urteil vom 14. August 1985 - 5 AZR 154/84 - nicht veröffentlicht), doch können die Arbeitsvertragsparteien auch einzelvertraglich (§ 305 BGB) bei hinreichender Bestimmtheit die Geltung einer solchen Regelung vereinbaren (BAG Urteil vom 6. April 1977 - 4 AZR 723/75 - AP Nr. 96 zu §§ 22, 23 BAT = AR-Blattei, Öffentlicher Dienst III A, Entsch. 169).
Die dem Dienstgeber in den AVR eingeräumte Möglichkeit, statt Vergütung Freizeitausgleich zu gewähren, verletzt auch nicht die Grundsätze der Billigkeit. Sie entspricht der Regelung Nr. 6 Abschn. B Abs. 4 der SR 2 a zum BAT, die für die entsprechenden Angestellten im BAT-Bereich gelten und wird, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch der Rechtsprechung zu dieser Frage gerecht (BAGE 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT). Davon abgesehen, ist die Möglichkeit Freizeitausgleich statt Vergütung zu gewähren, bereits durch Kommissionsbeschluß vom 20. September 1974 mit Geltung vom 1. Oktober 1974 in § 9 der Anlage 5 zu den AVR eingefügt worden. Sie bestand also schon bei Abschluß des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien.
b) Nach § 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Anlage 5 zu den AVR ist die Klägerin verpflichtet, auf Anordnung der Beklagten Bereitschaftsdienst zu leisten, der nach § 9 der Anlage 5 zu den AVR abgegolten wird, da die Klägerin unstreitig im Pflegedienst tätig ist. Dabei werden die Bereitschaftsdienststunden - entsprechend der Regelung im BAT - nach § 9 Abs. 2 a der Anl. 5 zu den AVR je nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen zwischen 15 v.H. und 55 v.H. als Arbeitszeit gewertet. Hinzu kommen weitere 25 v.H. bis 45 v.H. je nach der Zahl der Bereitschaftsdienste im Kalendermonat (§ 9 Abs. 2 b der Anl. 5 zu den AVR).
c) Für diese so berechnete Arbeitszeit "wird" nach § 9 Abs. 3 die Überstundenvergütung gezahlt, sie "kann" nach § 9 Abs. 4 der Anl. 5 zu den AVR aber auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden. Daraus folgt, daß der Dienstgeber zwischen Vergütung und Freizeitausgleich wählen kann. Weder besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers allein auf Vergütung noch allein auf Freizeitausgleich. Vielmehr hat der Dienstgeber die Pflicht, je nach den dienstlichen Notwendigkeiten entweder die Überstundenvergütung zu zahlen oder entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.
2. Mit der Anordnung von Freizeitausgleich an Stelle von Vergütung greift die Beklagte nicht in vertragliche Rechte der Klägerin ein. Zu Unrecht meint die Revision, die Beklagte habe sich durch die jahrelange Vergütung der Bereitschaftsdienststunden ihres Wahlrechts aufgrund betrieblicher Übung begeben.
a) Eine betriebliche Übung liegt vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, daß ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Aufgrund dieser Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen dann vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAGE 49, 151, 159 = AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972, zu 4 der Gründe; BAGE 23, 213, 217 ff. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, ständige Rechtsprechung). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 8; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG = DB 1986, 230; BAGE 49, 290, 295 f. = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 16; BAGE 51, 113 = AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; jeweils m.w.N.) kommt es dabei für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Für die Bindungswirkung der betrieblichen übung entscheidend ist daher die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB).
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist keine betriebliche Übung dahingehend entstanden, daß die Beklagte Bereitschaftsdienst nur noch vergüten darf. Die Beklagte hat, solange eine Mangelsituation auf dem Personalsektor bestand, zwar von der Möglichkeit, Bereitschaftsdienst durch Freizeitgewährung auszugleichen, keinen Gebrauch gemacht und allein die Vergütung gezahlt. Daraus konnte die Klägerin aber nicht auf einen entsprechenden allgemeinen Bindungswillen der Beklagten schließen.
Aus der Tatsache, daß Vergütung und Freizeitausgleich gleichgewichtig nebeneinander stehen, mußte sie entnehmen, die Beklagte werde bei ausreichendem Personalbestand auch die Möglichkeit des Freizeitausgleichs wahrnehmen. Schon wegen der ausdrücklichen Regelung in den AVR konnte die Klägerin aus der fortlaufenden Vergütung der Bereitschaftsdienststunden während des ihr bekannten Personalmangels nicht den Willen der Beklagten entnehmen, sie werde auch bei veränderten Umständen, insbesondere Verbesserung des Personalbestandes, in aller Zukunft keinen Freizeitausgleich gewähren.
3. Die Beklagte hält mit der schrittweisen Einführung von Freizeitausgleich für die Bereitschaftsdienststunden anstelle von deren ausschließlicher Vergütung auch die Grenzen billigen Ermessens ein (§ 315 BGB).
a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (vgl. nur BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 743/76 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, m.w.N.). Ob das geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese ist in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachzuprüfen (BAG, aaO, m.w.N.).
b) Wie in der Revisionsinstanz unstreitig geworden ist, hat die Beklagte in der Zeit von August 1986 bis Januar 1989 nur in neun von 30 Monaten von der Möglichkeit Freizeitausgleich zu gewähren Gebrauch gemacht. Auch in diesen neun Monaten hat sie nur im Durchschnitt 32,33 % der von der Klägerin durch Bereitschaftsdienst erbrachten Arbeitszeit mit Gewährung dementsprechender Freizeit ausgeglichen.
c) Bei dieser Sachlage hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend hervorgehoben, § 9 Abs. 4 der Anlage 5 zu den AVR stelle ein Gebot des Arbeitsschutzes dar (BAGE 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT). Die finanziellen Interessen der Klägerin, die bisherige volle Vergütung der Bereitschaftsdienststunden auch in Zukunft zu erhalten, und dadurch ihre Verdienstmöglichkeiten durch Bereitschaftsdienst zu verbessern, greifen demgegenüber hier nicht durch. Bei dem geringen Umfang des Freizeitausgleichs kann auch der Umstand nicht zu einer anderen Beurteilung führen, daß die Klägerin seit einiger Zeit Alleinverdienerin ist und für den gesamten Unterhalt ihrer Familie aufzukommen hat. Sonstige Umstände, die das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt hätte, hat die Revision nicht dargetan.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Schneider
zugleich für den durch
Urlaub an der Unterschrifts-
leistung verhinderten Richter
Dörner
Wendlandt Carl
Fundstellen
Haufe-Index 440707 |
ZTR 1989, 320-320 (ST1-2) |