Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status eines Rundfunkmitarbeiters
Leitsatz (redaktionell)
Wenn Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt sind, die ohne vorherige Absprache mit ihnen erstellt werden, ist dies ein starkes Indiz für ihre Arbeitnehmereigenschaft. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Sender ausdrücklich erklärt, daß die Dienstpläne unverbindlich sind oder erst in Kraft treten, wenn ihm die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprechen.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 03.03.1993; Aktenzeichen 2 Sa 601/92) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 05.03.1992; Aktenzeichen 6 Ca 7774/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Der 41 Jahre alte Kläger arbeitet seit 1976 in der Dänemark-Redaktion des beklagten D . Er wird hauptsächlich als Sprecher und Aufnahmeleiter, daneben auch als Redakteur/Moderator und gelegentlich als Übersetzer eingesetzt. Außerdem wird er als Autor tätig. Häufig schlägt der Kläger dabei die Themen selbst vor. In anderen Fällen kommt die Anregung vom Beklagten.
Die Dänemark-Redaktion erarbeitet täglich außer sonntags ein 30-minütiges Programm in dänischer Sprache, das in der Zeit von 20.00 Uhr bis 20.30 Uhr gesendet und von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr wiederholt wird.
Der Beklagte erstellt wöchentlich im voraus Einsatzpläne, aus denen der Kläger seine Sprechereinsätze und seine Einsätze als Aufnahmeleiter entnehmen kann. Eine Einzelabstimmung mit dem Kläger und den übrigen Mitarbeitern erfolgt vor Erstellung der Dienstpläne nicht. Der Kläger arbeitet, soweit er als Sprecher, Aufnahmeleiter, Moderator/Redakteur tätig wird, in den Räumen des Beklagten. Einen eigenen Schreibtisch hat er dort nicht. Jedoch stehen ihm und vergleichbaren Mitarbeitern freie Tische zur Verfügung. Außerdem nutzt der Kläger Studios und andere technische Räume des Beklagten sowie das Archiv. Der Kläger arbeitete in der Vergangenheit durchschnittlich etwa 45 Stunden pro Monat für den Beklagten. Von 1987 bis 1991 erhielt er folgende Honorare:
Jahr Urheberleistungen Mitwirkende Leistungen
1987 DM 7.550,00 DM 27.657,00
1988 DM 10.810,00 DM 24.209,00
1989 DM 13.559,00 DM 22.830,00
1990 DM 8.986,00 DM 20.684,00
1991 DM 12.475,00 DM 22.257,00
Der Beklagte hat den Kläger in der Vergangenheit als freien Mitarbeiter angesehen und ihm für die erbrachten Einzelleistungen Honorare gezahlt. Er hat auf das Vertragsverhältnis den Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im D angewendet.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, zwischen den Parteien bestehe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Er sei bei seiner Arbeit weisungsgebunden und in den Betrieb des Beklagten integriert. Die Zeiten seien ihm dabei fest vorgegeben.
Die Einsatzpläne, die ohne vorherige Rücksprache mit den Mitarbeitern aufgestellt würden, seien für Angestellte und freie Mitarbeiter gleichermaßen verbindlich. Er, der Kläger, werde in den Plänen bestimmten Schichten zugeordnet. Er ersehe aus den Dienstplänen, ob er als Redakteur, Redakteur vom Dienst, Producer oder Sprecher tätig werden solle. Auf die Gestaltung der Dienstpläne habe er keinerlei Einfluß. Es bestehe insoweit kein Unterschied zwischen freien und angestellten Mitarbeitern.
Er biete Beiträge auch nicht als freier Autor an. Vielmehr werde er von der Redaktionskonferenz oder dem Redaktionsleiter mit der Erstellung von Beiträgen beauftragt, und zwar in der Regel im Rahmen der ihm vorgegebenen Arbeitszeit oder innerhalb der Schicht, zu der er eingeteilt sei. Entsprechendes gelte auch für seine Übersetzertätigkeit, wobei er nahezu ausschließlich aktuelle Texte während seiner Arbeitszeit zu übersetzen habe. Er habe nicht die Möglichkeit, die Texte zu Hause zu bearbeiten und zu einem späteren Termin abzuliefern, weil die Übersetzungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den zu produzierenden Sendungen oder den folgenden Live-Sendungen stünden und deshalb innerhalb kürzester Zeit gefertigt werden müßten. Er arbeite in der Redaktion mit fest angestellten Mitarbeitern zusammen und sei mit seiner Tätigkeit in den Arbeitsablauf der Redaktion integriert.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein un-
befristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich auf den Standpunkt gestellt, der Kläger sei freier Mitarbeiter.
Bei seiner Autorentätigkeit unterliege er keinerlei Weisungen. Auch bei den anderen Aufgaben bestehe keine persönliche Abhängigkeit. Der Kläger sei programmgestaltend tätig. Deshalb habe er, der Beklagte, bei der Wahl des Vertragsverhältnisses einen größeren Spielraum. Es gebe keine Verpflichtung, zu bestimmten Zeiten tätig zu werden. Denn in den Einsatzplänen würden nur diejenigen freien Mitarbeiter aufgenommen, die nicht im voraus erklärt hätten, daß sie nicht zur Verfügung stünden. Wenn ein freier Mitarbeiter einen im Einsatzplan vorgesehenen Dienst nicht versehen wolle, könne er das der Redaktion mitteilen. Dann komme ein anderer freier Mitarbeiter zum Einsatz. Der Plan begründe daher keine Dienstleistungspflicht für die freien Mitarbeiter. Das gelte gleichermaßen für die Einsätze des Klägers als Sprecher wie auch als Aufnahmeleiter. Eine Moderatorentätigkeit im eigentlichen Sinne habe der Kläger nicht wahrgenommen. Er meine vermutlich die Zwischenansagen, die er im Rahmen seiner Sprecher- oder Aufnahmeleitertätigkeit übernehme. Der Kläger stehe in der Tat hauptsächlich für aktuelle Übersetzungen zur Verfügung. Er erhalte keine fachlichen Weisungen. Auch sei er nicht in den Betrieb des Beklagten eingebunden. Zwar müsse er als Sprecher im Sender tätig werden. Damit sei jedoch keine organisatorische Einbindung des Klägers in den Betrieb verbunden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Tätigkeit als Autor als die eines Arbeitnehmers angesehen werden könne. Denn sie gebe dem Vertragsverhältnis der Parteien nicht das Gepräge. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger sei teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, soweit er als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer und Redakteur eingesetzt werde. Soweit er als Autor tätig werde, bestünden keine arbeitsrechtlichen Bindungen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger steht in einem unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis zu dem Beklagten, allerdings nur, soweit er als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer und Redakteur eingesetzt wird.
A. Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit der Klage zu Recht bejaht. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Für den Fall, daß ein Arbeitsverhältnis festgestellt würde, wären auf dieses Vertragsverhältnis der Parteien - unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen - die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 41, 247, 250 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe).
Die Klage ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist unschädlich, daß der Kläger seine Klage auf die Statusbeurteilung beschränkt und den zeitlichen Umfang, in dem er zu beschäftigen ist, nicht zum Streitgegenstand gemacht hat. Darüber hat das angefochtene Urteil nicht entschieden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem unstreitigen Tatbestand, wonach der Kläger in der Vergangenheit durchschnittlich etwa 45 Stunden pro Monat für den Beklagten arbeitete.
In der Revisionsinstanz ist nicht mehr darüber zu befinden, ob der Kläger in seiner Autorentätigkeit Arbeitnehmer ist. Die Parteien haben nicht nur darüber gestritten, ob der Kläger überhaupt Arbeitnehmer ist, sondern auch darüber, ob er gerade als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer, Redakteur und Autor Arbeitnehmer ist. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage dahin beantwortet, daß der Kläger teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ist, soweit er als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer und Redakteur eingesetzt ist, und daß keine arbeitsrechtlichen Beziehungen bestehen, soweit der Kläger als Autor tätig wird. Das Landesarbeitsgericht hat zwar tenoriert, daß die Berufung zurückgewiesen wird. Im Ergebnis hat es aber die Klage, die sich auch auf die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft des als Autor tätigen Klägers erstreckte, teilweise abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte die nur für ihn zugelassene Revision eingelegt. Daher geht es in der Revisionsinstanz nur noch darum, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer und Redakteur Arbeitnehmer ist.
B. Dies ist mit dem Landesarbeitsgericht zu bejahen.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) aufgestellt hat. Danach unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend.
Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal da dies die einzige Norm darstellt, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, daß dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; vgl. ferner BAG Urteil vom 13. November 1991 - 7 AZR 31/91 - AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Dabei kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Denn durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - AP Nr. 59 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe).
Für die Abgrenzung entscheidend sind demnach die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung oder andere formelle Merkmale wie die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und die Führung von Personalakten. Die Arbeitnehmereigenschaft kann nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine nebenberufliche Tätigkeit (BAG Urteil vom 8. Oktober 1975 - 5 AZR 430/74 - AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 5 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 -, aaO, zu B II 3 b der Gründe). Umgekehrt spricht nicht schon der Umstand für ein Arbeitsverhältnis, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis handelt (BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 7 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, aaO, zu B II 3 c der Gründe).
Bei der Frage, in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, ist vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen (BAGE 30, 163, 169 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 der Gründe). Denn abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Eine Anzahl von Tätigkeiten kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden (BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, aaO). Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die für andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeiten folgen. Das Bundesarbeitsgericht hat diesem Gedanken in mehreren Entscheidungen maßgebliche Bedeutung beigemessen, etwa für Orchestermusiker (Urteile vom 14. Februar 1974 - 5 AZR 298/73 - und 3. Oktober 1975 - 5 AZR 427/74 - AP Nr. 12, 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ebenso Urteil vom 29. Juli 1976 - 3 AZR 7/75 - AP Nr. 41 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), für Lehrkräfte (Urteil vom 24. Juni 1992 - 5 AZR 384/91 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit), für (studentische) Hilfspfleger (Urteil vom 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 -, n.v.) und für die Tätigkeit eines Mitarbeiters des fremdsprachlichen Dienstes einer Rundfunkanstalt mit täglich routinemäßig anfallender Sprecher- und Übersetzertätigkeit (Urteil vom 3. Oktober 1975 - 5 AZR 162/74 - AP Nr. 15 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 a der Gründe; vgl. auch Urteil vom 9. März 1977 - 5 AZR 110/76 - AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 2 c der Gründe).
II. Daran ist festzuhalten. Die genannten Grundsätze sind - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend.
Programmgestaltende Mitarbeit kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden, während sich sonstige Mitarbeit an Radio- und Rundfunksendungen in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen läßt. Nur in Ausnahmefällen kann auch hinsichtlich solcher Tätigkeiten ein freies Mitarbeiterverhältnis vereinbart werden (vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1989 - 5 AZR 346/88 -, n.v.).
Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ist aber ein Arbeitsverhältnis insbesondere dann zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAG Urteil vom 9. Juni 1993 - 5 AZR 123/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu III 1 der Gründe). Das ist etwa dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird (BAG Urteil vom 7. Mai 1980 - 5 AZR 293/78 - AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit) oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluß dahingehender Vereinbarung zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich "zugewiesen" werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Ob ein Mitarbeiter einen "eigenen" Schreibtisch hat oder ein Arbeitszimmer (mit)benutzen kann, zu dem er einen Schlüssel hat, und ob er in einem internen Telefonverzeichnis aufgeführt ist, hat für sich genommen keine entscheidende Bedeutung. Anders verhält es sich, wenn der Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt ist. Dies ist ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.
Ständige Dienstbereitschaft erwartet ein Sender aber auch dann, wenn er auf die Ablehnung der Mitarbeit an einzelnen Sendungen mit dem Abbruch der Vertragsbeziehungen reagieren würde. Ein Indiz für ständige Dienstbereitschaft kann ferner darin liegen, daß ein Mitarbeiter seinen Urlaub nicht nur - wie es einige Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen vorsehen - "anzuzeigen" hat, sondern ihn jeweils genehmigen lassen muß.
Ein Arbeitsverhältnis kann ebenfalls dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter zwar das Programm (mit)gestaltet, jedoch weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegt, ihm also bei seiner Arbeit nur ein geringeres Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit bleibt.
III. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der Kläger, soweit er als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer und Redakteur eingesetzt wird, als Arbeitnehmer. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit im wesentlichen zutreffender Begründung richtig erkannt.
1. Mit den genannten Tätigkeiten wirkt der Kläger nur in geringem Umfang an der inhaltlichen Gestaltung des Rundfunkprogrammes mit. Als Sprecher verliest er vorgegebene Texte. Die persönliche Note, die er diesen durch seine Sprechweise gibt, macht ihn nicht zum programmgestaltenden Mitarbeiter. Für die Tätigkeit des Aufnahmeleiters gilt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, vergleichbares. Seine Aufgabe ist die Umsetzung der Manuskripte und vorgedruckten Beiträge in eine fertige Sendung. Dabei überwacht er das Sprechen in tatsächlicher und technischer Hinsicht und trägt dafür Sorge, daß die Sendung ordnungsgemäß abläuft. Einen geringen Einfluß auf den Inhalt der Sendung übt er nur insofern aus, als er das Verhältnis von Musik und gesprochenem Text zu bestimmen und, wenn es erforderlich ist, Beiträge zu kürzen hat. Prägend für die Tätigkeit des Aufnahmeleiters ist aber der technische Aspekt der Produktion von Sendungen nach Vorgaben, also Weisungen der Redaktionskonferenz.
Bei seinen gelegentlichen Übersetzungen, die überdies mit seiner Tätigkeit als Sprecher und Aufnahmeleiter in Zusammenhang stehen, verhält es sich ebenso. Es sind in deutscher Sprache vorgegebene Inhalte korrekt ins Dänische zu übertragen. Der inhaltliche Gestaltungsspielraum ist dabei gering. Allein bei seinen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sehr viel selteneren Einsätzen als Redakteur wirkt der Kläger maßgeblich auch an der inhaltlichen Gestaltung von Sendungen mit. Die Tätigkeit als Autor ist hier nicht mehr zu würdigen, da feststeht, daß der Kläger insoweit nicht Arbeitnehmer ist.
2. Der Beklagte verfügt über die Arbeitsleistung des Klägers in mehrfacher Hinsicht. Er bestimmt zunächst, ob der Kläger als Sprecher, Aufnahmeleiter, Übersetzer oder Redakteur tätig wird; er bestimmt weiter die zu sprechenden und zu übersetzenden Texte und gibt ihm als Aufnahmeleiter das Konzept der Sendung vor. Nur als Redakteur ist er inhaltlich freier.
Der Beklagte erwartet ständige Dienstbereitschaft des Klägers. Abgesehen davon, daß diese Feststellung des Landesarbeitsgerichts nach § 561 Abs. 2 ZPO bindend ist, ergibt sich dies zwanglos bereits aus der unstreitigen Aufstellung von Dienstplänen ohne vorherige Abstimmung mit dem Kläger und ihrer weitgehenden Durchführung. Die einseitige Aufstellung von Dienstplänen ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden kann.
Zu Unrecht macht die Revision geltend, der Kläger sei nicht verpflichtet, die für ihn in den Dienstplänen vorgesehenen Einsätze zu übernehmen. Das ist - zumindest in dieser Allgemeinheit - nicht richtig. Aus der jahrelangen Durchführung der Dienstpläne ergibt sich, daß sie in aller Regel für beide Parteien verbindlich sind. Das dem Kläger unter Umständen eingeräumte Recht, Einsätze gelegentlich abzulehnen, schließt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht aus. In vielen Bereichen ist es üblich, daß der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht.
Auch eine ausdrückliche Erklärung, wonach die Dienstpläne unverbindlich sind, oder erst in Kraft treten, wenn ihm die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprechen, könnte daran nichts ändern. Wer einseitig Dienstpläne aufstellt, die in der Praxis auch befolgt werden, und gleichzeitig erklärt, diese seien unverbindlich, verhält sich im Regelfall widersprüchlich. Entscheidend ist dann das tatsächliche Verhalten, also die Aufstellung von Dienstplänen und die darin liegende Verfügung über die Arbeitskraft der Mitarbeiter. Die Auffassung der Revision läuft darauf hinaus, daß vertragliche Vereinbarungen über die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze erst dadurch zustande kommen, daß die Mitarbeiter nicht widersprechen. Das ist lebensfremd. Die Mitarbeiter leisten die vorgesehenen Einsätze, weil sie im Dienstplan enthalten sind und nicht, weil sie in jedem Einzelfall darüber vertragliche Vereinbarungen abschließen. Die Aufstellung von Dienstplänen kann auch dann ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sein, wenn die Betreffenden ihr Erscheinen zu den vorgesehenen Terminen jeweils durch ein Kreuz hinter ihrem Namen zu bestätigen haben (BAG Urteil vom 3. Oktober 1975 - 5 AZR 427/74 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
3.a) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings ausgeführt, der Beklagte habe den freien Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt, den Umfang ihrer Tätigkeit und auch die zeitliche Lage ihrer Einsätze dadurch selbst zu bestimmen, daß sie der Redaktion mitteilen könnten, sie stünden zu bestimmten Zeiten nicht zur Verfügung. Diese Freiheit hätten angestellte Mitarbeiter nicht. Weiter heißt es in dem angefochtenen Urteil, der Beklagte erwarte von den freien Mitarbeitern wie von den festangestellten, daß sie ihre Urlaubspläne unter Berücksichtigung der Belange der Redaktion aufeinander abstimmten. Sieht man beides in Zusammenhang, so ergibt sich daraus zunächst, daß die sogenannten freien Mitarbeiter eine größere Freiheit darin haben, die Dauer ihres Urlaubs zu bestimmen. Unter Umständen läßt sich daraus auch die Feststellung des Landesarbeitsgerichts ableiten, daß es ihnen auch freisteht, ihren Einsatz an bestimmten Wochentagen auszuschließen. Das kann hier dahinstehen.
Denn in keinem Fall trifft die Annahme der Revision zu, das Landesarbeitsgericht habe allgemein festgestellt, der Kläger habe die Möglichkeit, den Umfang der Tätigkeit und die zeitliche Lage der Einsätze eigenverantwortlich zu bestimmen. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gehen vielmehr dahin, daß die freien Mitarbeiter wie der Kläger zwar - bei Urlaub nach Abstimmung mit den anderen Mitarbeitern und der Redaktion - die Zeiten angeben können, in denen sie nicht zur Verfügung stehen, daß aber in diesem Rahmen der Beklagte die zeitliche Lage der Einsätze und zum Teil auch den Umfang der Tätigkeit bestimmt.
Das Recht des Mitarbeiters, die Dauer des Urlaubs und damit auch die Gesamtdauer der Arbeitszeit in bestimmten Grenzen selbst festzulegen, schließt ein Arbeitsverhältnis nicht aus. Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter bestimmen kann, daß er an bestimmten (Wochen)Tagen nicht zur Verfügung steht, oder wenn er bestimmte Einsätze ablehnen kann (vgl. BAG Urteil vom 3. Oktober 1975 - 5 AZR 427/74 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob es sich um eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung handelt. Selbst wenn der Kläger im Umfang eines vollzeitbeschäftigten Angestellten zur Arbeit herangezogen würde, wäre er Arbeitnehmer. Auch vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer können mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren, daß sie nur an bestimmten (Wochen)Tagen oder an bestimmten Tagen nicht eingesetzt werden. Es trifft allerdings zu, daß dies bei Teilzeitbeschäftigten häufiger vorkommt als bei Vollzeitbeschäftigten. Bei Teilzeitarbeit besteht dafür auch ein größeres praktisches Bedürfnis. Das ändert aber nichts daran, daß ein Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn Dauer und zeitliche Lage der Arbeitszeit nicht von vornherein festliegen, sondern vom Arbeitgeber innerhalb bestimmter vom Arbeitnehmer gesetzten Grenzen festgelegt werden müssen.
4. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch zu Recht angenommen, daß sich der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet. Der Kläger ist über viele Jahre durchgehend beschäftigt worden. Die Parteien haben keine Befristung vereinbart. Das macht die Revision auch nicht geltend.
Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit spricht nicht gegen die Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zum einen wirkt der Kläger nur zu einem geringen Teil seiner Arbeitszeit an der inhaltlichen Gestaltung des Programms mit. Zum anderen bestand wegen der langdauernden Betrauung des Klägers auch mit programmgestaltenden Aufgaben für den Beklagten kein Bedürfnis nach einem Wechsel, während auf der anderen Seite die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers mit den Jahren immer stärker geworden ist (BVerfGE 59, 231, 271 = AP Nr. 1 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit, zu C III 2 der Gründe).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke
Hansen Köhne
Fundstellen
BAGE 76, 21-31 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BAGE, 21 |
BB 1994, 1224 |
EBE/BAG 1994, 101-104 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BR/Meuer BGB § 611, 16-02-94, 5 AZR 402/93 (Leitsatz und Gründe) |
NZA 1995, 21-24 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RzK, I 4a Nr 61 (Leitsatz 1 und Gründe) |
USK, 9432 (Leitsatz und Gründe) |
WzS 1995, 344 (Kurzwiedergabe) |
AP § 611 BGB Rundfunk, Nr 15 |
AR-Blattei, ES 110 Nr 38 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AfP 1994, 248 |
BAGUV, RdSchr 60/1995 (Gründe) |
EzA-SD 1994, Nr 13, 6-8 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff, Nr 52 (Leitsatz 1 und Gründe) |
HVBG-INFO 1995, 814-819 (Leitsatz 1 und Gründe) |
MDR 1994, 1129 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SVFAng Nr 93, 31 (1995) (Leitsatz) |
SozSich 1996, 398 (red. Leitsatz 1) |