Entscheidungsstichwort (Thema)
Pausenregelung im Dreischichtbetrieb
Leitsatz (amtlich)
- Hat ein Arbeitgeber in einem Dreischichtbetrieb einem Arbeitnehmer während der bezahlten Arbeitszeit ausreichend Zeit zur Einnahme der Mahlzeiten einzuräumen (MTV für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW), so erlangt dieser keinen Anspruch auf zusätzliche Pausenvergütung, wenn der Arbeitgeber während der täglichen tariflichen Arbeitszeit zweimal 11 Minuten Pause gewährt und eine unbezahlte weitere Pause von 18 Minuten einräumt (teilweise Aufgabe von BAG Urteil vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 173/87 – AP Nr 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).
- Ob die bezahlte Arbeitsfreistellung ausreichend bemessen war, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens § 3 Nr. 5
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 26.07.1989; Aktenzeichen 9 Sa 2128/88) |
ArbG Herford (Urteil vom 04.10.1988; Aktenzeichen 3 Ca 449/88) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juli 1989 – 9 Sa 2128/88 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der 38 jährige Kläger war in der Zeit vom 7. Juli 1986 bis 13. Mai 1988 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt Kunststoff-Spritzgußwerke und beschäftigt etwa 90 Arbeitnehmer. Bis 31. März 1988 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 38,5 Stunden. Er erzielte zuletzt einen Bruttolohn von 13,07 DM. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens an.
Der Kläger arbeitete in der Zeit von Januar bis März 1988 im Dreischichtbetrieb der Beklagten. Die Beklagte gewährte ihm in dieser Zeit entsprechend einer Betriebsvereinbarung vom 14. Februar 1984 in jeder Achtstundenschicht eine unbezahlte Pause von 18 Minuten Dauer und zwei bezahlte Pausen von je 11 Minuten Dauer und bezahlte demgemäß je Schicht 7,7 Stunden Arbeitszeit.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Vergütung der unbezahlten Pause von 18 Minuten je Schicht für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1988 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 254,86 DM brutto. Er hat vorgetragen, nach § 3 Nr. 5 des MTV für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 3. Juli 1984 (MTV) habe die Beklagte ihm ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu gewähren. Die beiden von der Beklagten gewährten Kurzpausen von je 11 Minuten Dauer seien zur Einnahme der Mahlzeiten nicht ausreichend. Hierfür komme nur die 18minütige Pause in Betracht, die die Beklagte demgemäß abzugelten habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 254,86 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (18. April 1988) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe je Schicht jeweils zwei bezahlte Pausen für die Einnahme von Mahlzeiten mit einer Gesamtdauer von 22 Minuten gewährt. Diese Zeit sei für die Einnahme der Mahlzeiten ausreichend. Nach den tariflichen Bestimmungen sei nicht erforderlich, daß der Arbeitgeber ausreichend Zeit zur Einnahme der Mahlzeiten in der Werkskantine gewähren müsse. Mahlzeiten könnten auch in der Umgebung des Arbeitsplatzes eingenommen werden. Abgesehen davon erleide der Kläger keinen Lohn- oder Gehaltsabzug, wenn er – wie geschehen – seine Mahlzeiten in der unbezahlten Ruhepause von 18 Minuten eingenommen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils unter Beschränkung des Zinsanspruchs auf den Nettobetrag. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung von 254,86 DM brutto nebst Zinsen verlangen. Denn nach den tariflichen Bestimmungen steht ihm kein Anspruch auf Bezahlung der 18minütigen Pause zu.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Als alleinige Anspruchsgrundlage für die Klageforderung kommt § 3 Nr. 5 des MTV vom 30. April 1980 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 3. Juli 1984 (MTV a.F.) in Betracht. Der diesen ablösende Manteltarifvertrag vom 29. Februar 1988 ist erst am 1. April 1988 in Kraft getreten und galt daher im Klagezeitraum (Januar bis März 1988) nicht. In § 3 MTV a.F. heißt es:
§ 3
Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit/Ausbildungszeit
…
5. Umkleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne der AZO (z.B. Frühstücks-, Mittags-, Kaffee-Pausen) gelten nicht als Arbeitszeit/Ausbildungszeit.
In Dreischichtbetrieben ist den Arbeitnehmern ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu gewähren.
§ 3 Nr. 5 Satz 2 MTV a.F. bedarf der Auslegung. Die Auslegung ist in erster Linie nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang vorzunehmen (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Danach steht den Arbeitnehmern in Dreischichtbetrieben zwar ein Anspruch auf eine bezahlte Pause zum Einnehmen der Mahlzeiten zu. Den Sinn der tariflichen Regelung hat der Senat darin gesehen, daß die Tarifvertragsparteien damit die besonderen Belastungen honorieren wollten, denen Arbeitnehmer in Dreischichtbetrieben mit drei unterschiedlichen Arbeitszeitrhythmen ausgesetzt sind, und auch dem Umstand Rechnung tragen wollten, daß die Pausen in solchen Betrieben oft – wie auch im Betrieb der Beklagten – zu unterschiedlichen Zeiten (zeitversetzt) genommen werden (BAG Urteil vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 173/87 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Daran hält der Senat fest. Diese Pause ist aber innerhalb der 7,7 stündigen Arbeitszeit zu gewähren. Hingegen kann aus der tariflichen Bestimmung kein Anspruch auf Bezahlung einer Pause hergeleitet werden, die außerhalb der maßgebenden Arbeitszeit (hier: 18 Minuten außerhalb der 7,7 stündigen Arbeitszeit) gewährt wird. Insoweit weist die Beklagte mit Recht darauf hin, daß die Pause “ohne Lohn- oder Gehaltsabzug” zu gewähren ist. Daraus ist zu folgern, daß der Arbeitnehmer keine zusätzliche Vergütung über die maßgebende Arbeitszeit (hier: 7,7 Stunden) hinaus erhalten soll. Soweit das Senatsurteil vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 173/87 – (AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie) mit diesen Grundsätzen nicht in Übereinstimmung steht, gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung auf.
Da die Beklagte die 18minütige Pause außerhalb der 7,7stündigen Arbeitszeit gewährt, braucht sie diese Pause nicht zu vergüten. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten gewährten bezahlten Pausen von je 11 Minuten zum Einnehmen der Mahlzeiten ausreichen. Hiergegen spricht u.a., daß es sich im Sinne der AZO um sogenannte Kurzpausen handelt (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 AZO), die zur Arbeitszeit gehören und zu bezahlen sind, aber keine echten Ruhepausen darstellen (vgl. Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl. 1987, § 12 Rz 24; Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl. 1977, § 12 Rz 68). Sie sind daher kaum geeignet, den Arbeitnehmern eine Essenseinnahme in Ruhe und ohne Hetze zu ermöglichen. Eine unzulässig kurze Pause zur Essenseinnahme innerhalb der 7,7 stündigen Arbeitszeit führt aber nur dazu, daß der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 5 Satz 2 MTV a.F. eine längere bezahlte Pause innerhalb der 7,7stündigen Arbeitszeit zur Essenseinnahme verlangen kann. Einen solchen Anspruch verfolgt der Kläger aber mit der vorliegenden Klage nicht.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen .
Unterschriften
Schaub, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Marx, Dr. Konow
Fundstellen
Haufe-Index 841030 |
BAGE, 135 |
BB 1990, 1980 |
RdA 1990, 317 |