Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung bei. irrtümlich fehlerhafter. Zahlung einer tariflichen Leistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV stellt eine Besitzstandsregelung dar, nach der der dort normierte Anspruch, je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause als Arbeitszeit vergütet zu erhalten, voraussetzt, dass der Arbeitnehmer am 31.03.1988 in einem dort genannten Schichtsystem gearbeitet hat.
2. Die Entstehung einer betrieblichen Übung ist nicht nur ausgeschlossen, wenn für die vom Arbeitgeber getätigten Leistungen eine andere Rechtsgrundlage besteht. Ihrer Begründung kann auch entgegenstehen, dass der Arbeitgeber auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage die Leistung erbringt. Zwar kommt es für die Begründung der betrieblichen Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte, die Bindung des Arbeitgebers setzt aber voraus, dass die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch in Zukunft gewährt werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 151
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 04.06.2003; Aktenzeichen 9 Sa 944/02) |
ArbG München (Urteil vom 03.09.2002; Aktenzeichen 33 Ca 19423/01) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 4. Juni 2003 – 9 Sa 944/02 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die teilweise Vergütung von Pausenzeit bei Schichtarbeit. Dabei geht es insbesondere darum, ob die Verpflichtung zur Vergütung dieser Pausenzeit, für die nach den Grundsätzen einer früheren Entscheidung des Senats in der Person des Klägers die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, arbeitsvertraglich begründet ist.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie mit etwa 115 Arbeitnehmern, seit dem 21. Februar 1990 als Offsetdrucker tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie Anwendung, ua. der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (MTV). Zudem ist in Ziff. 3 des Arbeitsvertrages vom 19. Februar 1990 bestimmt:
“Für das Arbeitsverhältnis gelten neben den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes die für den Bereich Druckindustrie abgeschlossenen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und die Bestimmungen der Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung.”
Die Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV lautet wie folgt:
“Arbeitnehmer, die in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion arbeiten, erhalten ab dem 01.04.1988 als Bestandteil der Arbeitszeit je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause bezahlt. …”
Der Senat hat in seinem Urteil vom 24. November 1999 (– 4 AZR 479/98 – BAGE 93, 26 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 35 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 28) entschieden, dass die Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV eine Besitzstandsregelung darstelle; sie setze voraus, dass der Arbeitnehmer am 31. März 1988 in einem dort genannten Schichtsystem gearbeitet habe.
Der Kläger hat vom Beginn seiner Betriebszugehörigkeit zur Beklagten an ebenso wie die anderen Arbeitnehmer bei Schichtarbeit je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause vergütet erhalten. Mit Schreiben vom 21. Juni 2000 teilte die Beklagte dem Betriebsrat ua. mit:
“Bisher haben wir unseren Mitarbeitern in 3-Schicht stets die 12-minütige Pause nach Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie bzw. § 3 Ziff. 1 Abs. 3 MTV für Angestellte der Druckindustrie in Bayern bezahlt, in der irrigen Annahme, dass wir hierzu auf Grund des Manteltarifvertrages verpflichtet seien. Zwischenzeitlich ist es endgültig durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts geklärt, dass unser Unternehmen hierzu auf Grund der tarifvertraglichen Lage nicht verpflichtet ist. Wir haben daher in der Vergangenheit diese Pause ohne Rechtsgrund bezahlt.
Nachdem nunmehr eindeutig geklärt ist, dass keinerlei Verpflichtung von Seiten unseres Unternehmens zur Zahlung dieser Pause besteht, werden wir diese ab der nächst erreichbaren Abrechnung (für Juni 2000) nicht mehr vergüten. Rückzahlungsansprüche an die betroffenen Mitarbeiter stellen wir nicht.”
Daraufhin trafen die Beklagte und der Betriebsrat am 18. Juli 2000 die “Vereinbarung über die Zahlung 12-Minuten-Zeitgutschrift” in der ua. geregelt war:
- “Die Geschäftsleitung erklärt, dass sie allen Mitarbeitern, die vor dem 1. April 1988 drei- oder mehrschichtig gearbeitet haben, ohne Vorbehalt die in der Juni-Abrechnung zurückgehaltene Zeitgutschrift nachzahlt und auch weiterhin bezahlen wird. …
- Allen anderen Mitarbeitern, die diese Zeitgutschrift bisher erhalten haben, wird einschließlich Juni 2000 die Zeitgutschrift unter Vorbehalt und unter Verzicht auf die tariflichen und gesetzlichen Ausschlussfristen bezahlt. …
Personalleitung und Betriebsrat suchen zwei geeignete Personen, die Musterverfahren in dieser Sache führen, damit die individualrechtliche Seite der Ansprüche geklärt werden kann. …
Bis zum 30.06.2001 werden die Zahlungen weiterhin unter Vorbehalt und unter Verzicht auf die tariflichen und gesetzlichen Ausschlussfristen geleistet, es sei denn, die Arbeitgeberseite obsiegt vorher in den Musterverfahren.
…
Nach dem 30.06.2001 erfolgen keine Zahlungen mehr. …”
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Vergütung der von der Beklagten entsprechend dieser Vereinbarung nicht mehr vergüteten Pausenzeit. Sein Zahlungsanspruch umfasst zuletzt den Zeitraum von Juli 2001 bis Dezember 2002 in Höhe von – rechnerisch unstreitig – 1.033,93 Euro.
Der Kläger hat sich erstinstanzlich zur Begründung seiner Klage noch auf die Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV berufen. Unabhängig davon bestehe aber ein Anspruch auf die Bezahlung, da eine Regelung über die Vergütung der Pausenzeit durch konkludentes Verhalten Gegenstand des Einzelarbeitsvertrages geworden sei. Das “einzelvertragliche Arbeitsverhältnis” habe sich darauf konkretisiert, dass er immer dann, wenn er in drei- oder mehrschichtiger Produktion gearbeitet habe, 12 Minuten der gesetzlichen Pause bezahlt erhalte. Die Beklagte habe die Bezahlung der 12 Minuten der gesetzlichen Pause allen Mitarbeitern gegenüber vorgenommen, die in drei- oder mehrschichtiger Produktion gearbeitet hätten, und zwar unabhängig von einer Tarifbindung. Der Beklagten sei auch die Tarifbindung des Klägers gar nicht bekannt gewesen. Die Beklagte habe also nicht nur eine tarifliche Norm vollziehen wollen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie unter Verkennung der Tarifnorm die Zahlungen geleistet habe. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei seit dem 24. November 1999 bekannt gewesen, die Beklagte habe aber bis zum Juni 2000 die entsprechenden Zahlungen ohne jeden Vorbehalt geleistet.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.033,93 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch künftig verpflichtet ist, an den Kläger je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause zu bezahlen, wenn er in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion arbeitet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Entsprechend der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. November 1999 bestehe ein tarifvertraglicher Anspruch nicht. Auch sonst sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, da die Beklagte berechtigt gewesen sei, ihre streitgegenständlichen Zahlungen einzustellen, die sie in falscher Anwendung des Tarifvertrages erbracht habe. Sie – die Beklagte – wende auf alle Arbeitnehmer die einschlägigen Tarifverträge an, unabhängig davon, ob diese wie der Kläger Mitglied der Gewerkschaft seien. Für die gewerblichen Arbeitnehmer werde ein Standardarbeitsvertrag verwendet, wonach die Bezahlung nach Tarifvertrag erfolgen solle. Der Arbeitgeber könne auch eine langjährig gewährte übertarifliche oder außertarifliche Leistung wieder einstellen, wenn er sie in falscher Anwendung von Vorschriften erbracht habe, die einen solchen Anspruch in Wirklichkeit nicht vorsähen. Der Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus betrieblicher Übung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Für den Anspruch des Klägers auf Vergütung der Pausenzeiten, für den die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, gibt es auch keine arbeitsvertragliche Grundlage.
- Dem Kläger steht die begehrte Vergütung nicht auf Grund der Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV zu. Der Senat hat in dem Urteil vom 24. November 1999 (– 4 AZR 479/98 – BAGE 93, 26 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 35 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 28), auf das Bezug genommen wird, entschieden, die Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV stelle eine Besitzstandsregelung dar, nach der der dort normierte Anspruch, je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause als Arbeitszeit vergütet zu erhalten, voraussetze, dass der Arbeitnehmer am 31. März 1988 in einem dort genannten Schichtsystem gearbeitet habe. Diese Voraussetzung liegt bei dem Kläger unstreitig nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Der Kläger hat sich auf diese tarifvertragliche Anspruchsgrundlage in der Berufungsinstanz und in der Revisionsinstanz nicht mehr berufen.
Für das Begehren des Klägers gibt es auch keine arbeitsvertragliche Grundlage, weder auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie noch auf Grund einer betrieblichen Übung.
1. Die Anwendbarkeit des MTV auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme begründet den Anspruch nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe dem Kläger mit der Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge nur die Ansprüche gewähren wollen, die tarifrechtlich bestünden; insoweit handele es sich um eine Gleichstellungsabrede. Bestehe ein tariflicher Anspruch nicht, so sei der Arbeitgeber auch nicht auf Grund der Bezugnahme auf den MTV zur Leistung verpflichtet.
b) Das ist zutreffend. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme sollen die in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelungen unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Inhalt des Arbeitsverhältnisses sind somit die sich nach der zutreffenden Auslegung des Tarifvertrages ergebenden Rechte und Pflichten. Danach hat der Kläger, wie dargelegt, keinen Anspruch auf die Vergütung der Pausen. Die gegen diese Auffassung vorgebrachte Rüge des Klägers geht fehl. Er macht geltend, aus der Bezugnahme auf den Tarifvertrag im Sinne einer Gleichstellungsabrede könne nichts zu seinen Lasten hergeleitet werden. Sie bedeute nicht, dass die Beklagte nicht für alle Mitarbeiter, die nach dem 1. April 1988 eingestellt worden seien, bewusst und gewollt durch faktisches Verhalten die 12 Minuten der gesetzlichen Pause “als bezahlt” vereinbart habe, und zwar sowohl für die tarifgebundenen wie auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer; eine Besserstellung gegenüber dem Tarifrecht sei jederzeit möglich. Dieser Einwand des Klägers betrifft nicht die Begründung des Anspruchs durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme, sondern die Frage, ob durch die tatsächliche Vergütung der Pausenzeit durch die Beklagte eine arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers begründet worden ist.
2. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der Pausenzeit ist auch nicht dadurch begründet worden, dass die Beklagte dem Kläger ebenso wie den anderen Arbeitnehmern in Schichtarbeit bis einschließlich Juli 2001 diese Pausenzeit vergütet hat.
a) Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob man – wie in Konstellationen der vorliegenden Art üblich – auf den Gesichtspunkt der betrieblichen Übung abstellt, für die rechtsgeschäftliche Grundsätze gelten, oder ob man – wie das Landesarbeitsgericht – von vornherein allein auf rechtsgeschäftliche Grundsätze abstellt. Dagegen ist der von dem Kläger nach wie vor vertretene Begriff der “Konkretisierung” nicht einschlägig. Von einer Konkretisierung wird üblicherweise im Zusammenhang mit der Frage gesprochen, ob sich die Art der zu leistenden Arbeit gegenüber den Regelungen im Arbeitsvertrag konkretisiert und somit zu einer Einschränkung des Direktionsrechts geführt hat, die nicht allein durch den Zeitablauf begründet wird, sondern zusätzlicher Umstände bedarf (vgl. dazu ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 801 mwN). Darum geht es aber vorliegend nicht. In der Sache betrifft aber auch die Argumentation des Klägers die Frage, ob nach vertraglichen Grundsätzen eine Verpflichtung der Beklagten begründet worden ist, die Pausenzeit zu vergüten.
b) Unter betrieblicher Übung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (zB 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213 = AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 2; 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Nach diesen Grundsätzen ist eine betriebliche Übung, die Pausenzeiten unabhängig von der tarifvertraglichen Regelung zu vergüten, nicht entstanden. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen dem Zeitraum bis zur Entscheidung des Senats vom 24. November 1999, dem weiteren Zeitraum bis zur vorübergehenden Einstellung der Vergütungszahlung Ende Mai 2000 gemäß dem Schreiben an den Betriebsrat vom 21. Juni 2000 und schließlich dem Zeitraum bis zur endgültigen Einstellung der Zahlungen ab Ende Juni 2001 gemäß der Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom 18. Juli 2000.
aa) Durch die Vergütung der Pausenzeit bis zur Verkündung des Urteils des Senats am 24. November 1999 (– 4 AZR 479/98 – BAGE 93, 26 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 35 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 28) ist keine betriebliche Übung entstanden.
(1) Die Entstehung einer betrieblichen Übung ist nicht nur ausgeschlossen, wenn für die vom Arbeitgeber getätigten Leistungen eine andere Rechtsgrundlage besteht (BAG 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 16). Ihrer Begründung kann auch entgegenstehen, dass der Arbeitgeber auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage die Leistung erbringt. Zwar kommt es für die Begründung der betrieblichen Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte; die Bindung des Arbeitgebers setzt aber voraus, dass die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch in Zukunft gewährt werden (Senat 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191 = AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 3 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 29; BAG 25. Juli 2001 – 10 AZR 758/00 – EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2). Dies ist für die Fallgestaltungen in den vorgenannten Zeiträumen zu verneinen.
(2) In dem Zeitraum bis zum 24. November 1999 liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Vergütung der Pausenzeit durch die Beklagte erfolgte dem Umfang und der Höhe nach exakt entsprechend der tariflichen Regelung in der Durchführungsbestimmung (1a) zu § 3 MTV. Deshalb stellte sich die Vergütung der Pausenzeit aus der Sicht der Arbeitnehmer als Erfüllung der sich aus dem MTV ergebenden Verpflichtung dar, zumal der MTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nur auf Grund der beiderseitigen Tarifgebundenheit, sondern auch auf Grund der – üblichen – arbeitsvertraglichen Bezugnahme Anwendung findet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger davon ausgehen konnte, die Beklagte habe mit der Vergütung der Pausenzeit nicht nur die tarifvertragliche Regelung vollziehen, sondern unabhängig davon eine eigenständige arbeitsvertragliche Verpflichtung begründen wollen.
bb) Eine betriebliche Übung ist auch nicht durch die Weitergewährung der Vergütung für die Pausenzeit nach der Entscheidung des Senats vom 24. November 1999 bis zu deren vorläufigen Einstellung zum Ende Mai 2000 entstanden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob und ggf. ab wann die Beklagte von der Entscheidung des Senats vom 24. November 1999 Kenntnis erlangt hat, sondern darauf, wie der Kläger die weitere Vergütung der Pausenzeit verstehen konnte. Es fehlt aber an jeglichem Vortrag des Klägers dazu, dass und ggf. aus welchen Umständen er darauf geschlossen hat und hat schließen können, dass die Beklagte ihren Irrtum hinsichtlich der tarifvertraglichen Verpflichtung zur Vergütung der Pausenzeit erkannt habe und durch die weitere Vergütung der Pausenzeit eine von der tariflichen Regelung unabhängige arbeitsvertragliche Verpflichtung habe begründen wollen. Der Kläger macht in der Revision im Hinblick auf die Zeit nach dem 24. November 1999 lediglich geltend, es gehe zu Lasten der Beklagten, wenn sie das “Richterrecht”, dh. die am 24. November 1999 verkündete Entscheidung des Senats nicht kenne. Die Beklagte habe die Vergütung der Pausenzeit bewusst und gewollt fortgesetzt, auch nachdem die Entscheidung des Senats am 24. November 1999 verkündet worden sei. Daraus ergibt sich nicht, warum der Kläger aus der weiteren Vergütung der Pausenzeit nach dem 24. November 1999 hat schlussfolgern können, dass die Beklagte eine arbeitsvertragliche Verpflichtung im Sinne einer betrieblichen Übung unabhängig von der tarifvertraglichen Regelung begründen wollte.
cc) Schließlich ergibt sich die betriebliche Übung auch nicht aus der – vom Landesarbeitsgericht nicht gesondert gewürdigten – weiteren Gewährung der Vergütung für die Pausenzeit ab Juni 2000 bis Juni 2001. Das folgt schon daraus, dass die Zahlung entsprechend der – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in seinem Sachvortrag auch dem Kläger bekannten – Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom 18. Juli 2000 erfolgt ist. Dort ist ausdrücklich festgelegt, dass die Vergütung für Juni 2000 ebenso wie die weiteren Zahlungen bis einschließlich 30. Juni 2001 unter Vorbehalt erfolge und dass in dem zu führenden Musterverfahren die “individualrechtliche Seite der Ansprüche” geklärt werden solle. Daraus ergibt sich eindeutig, dass mit diesen weiteren unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen keine arbeitsvertragliche Verpflichtung begründet werden sollte.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Bott, Wolter, Jungermann, Görgens
Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann ist seit dem 8. Juli 2004 Justizminister des Freistaates Thüringen.
Bott
Fundstellen