Leitsatz (redaktionell)
Auf eine Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich, die ein ausgeschiedener Arbeitnehmer der US-Stationierungsstreitkräfte beanspruchen kann, ist gemäß § 5 Buchst a TV SozSich eine Militärrente anzurechnen, die dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer von den Vereinigten Staaten gewährt wird.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf die dem Kläger nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) zu gewährende Überbrückungsbeihilfe eine ihm von den Vereinigten Staaten gewährte Militärrente anzurechnen ist. Der am 16. September 1940 geborene Kläger, amerikanischer Staatsbürger, war von 1959 bis 1981 Angehöriger der US-Streitkräfte und bezieht seitdem eine US-Militärrente von monatlich 1.069,- US-Dollar. Seit 9. Juni 1981 war er als Fernfahrer bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis, auf das der TV AL II Anwendung fand, wurde wegen Truppenreduzierung durch Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 1994 beendet.
Mit Bescheid vom 3. Februar 1995 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich. Auf diese rechnet sie die US-Militärrente an.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die US-Militärrente falle nicht unter die nach § 5 Buchst. c TV SozSich anzurechnenden Leistungen "aus sonstigen öffentlichen Mitteln". Darunter seien nur Leistungen zu verstehen, deren Träger die Beklagte selbst sei oder hinsichtlich derer sie bereits Leistungen, z. B. in Form von Beiträgen zur Sozialversicherung, erbracht habe, denn die tarifliche Regelung bezwecke die Vermeidung einer doppelten Belastung der Beklagten. Außerdem solle der ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht von deutschen Leistungsträgern für einen Übergangszeitraum "überversorgt" werden. Eine vorübergehende Besserstellung aufgrund ausländischer Leistungen werde von der tariflichen Regelung nicht berührt. Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die von dem Kläger bezogene US-Militärpension in Höhe von monatlich 1.069,- US Dollar nicht auf die ihm nach den Bestimmungen des Tarifvertrages vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TASS) zustehende Überbrückungsbeihilfe anzurechnen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Militärrente sei eine Leistung aus sonstigen öffentlichen Mitteln i.S.d. § 5 Abs. 1 Buchst. c TV SozSich. Die tarifliche Regelung unterscheide nicht danach, ob es sich um Leistungen inländischer oder ausländischer Leistungsträger handle. Auch eine ausländische Militärrente sei eine Leistung aus öffentlichen Mitteln. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die dem Kläger von den Vereinigten Staaten gewährte Militärrente ist auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen. I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, die Militärrente sei gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c TV SozSich auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen, da es sich um Versorgungsbezüge "aus sonstigen öffentlichen Mitteln" handle. Daß diese Leistung nach ausländischem Recht gewährt werde, sei nach der tariflichen Regelung unerheblich. Die Anrechnungsvorschriften in § 5 TV SozSich dienten nicht nur zur Entlastung der öffentlichen Kassen, vielmehr verfolgten sie den Zweck, den entlassenen Arbeitnehmer für einen Übergangszeitraum höchstens so zu stellen, als wäre er ohne zusätzliches Einkommen noch bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Es komme deshalb nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer Leistungen aus deutschen oder ausländischen öffentlichen Mitteln zufließen.
II. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. 1. Die Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere ist das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Zwar hätte der Kläger eine bezifferte Leistungsklage, gerichtet auf Zahlung der ungekürzten Überbrückungsbeihilfe, erheben können. Es besteht jedoch keine generelle Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Für eine Feststellungsklage ist trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage das erforderliche Feststellungsinteresse vorhanden, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., vgl. etwa BAG Urteil vom 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - AP Nr. 14 zu § 613 a BGB, zu I 2 b der Gründe; BAGE 51, 387, 390 f. = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu A der Gründe; BGH Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118, zu 3 b der Gründe, m.w.N.). So liegt der Fall hier. Zwischen den Parteien ist nur die Anrechnung der Militärrente im Streit. Ist diese Frage geklärt, kann mit tarifgemäßer Leistung der Beklagten gerechnet werden. Zugunsten des Klägers ist von dem Grundsatz auszugehen, daß die öffentliche Hand erfahrungsgemäß trotz möglicher Leistungsklage auch auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird (st. Rspr., vgl. BGH Urteil vom 9. Juni 1983, aaO, zu 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 27. November 1986 - 8 AZR 163/84 - AP Nr. 13 zu § 50 BAT, zu I 2 der Gründe, m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/
Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 256 Rz 82). Zu einer gegenteiligen Annahme besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 2 TV SozSich für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe unstreitig vor. Auf diese Leistung ist jedoch die Militärrente des Klägers anzurechnen, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben. Allerdings ergibt sich dies schon aus § 5 Buchst. a TV SozSich.
Die Militärrente erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung. Sie ist keine Leistung i.S.d. § 4 Ziff. 1 TV SozSich, sondern eine andere Leistung, auf die der Kläger für Zeiten des Bezuges der Überbrückungsbeihilfe gegen den bisherigen Arbeitgeber einen Anspruch hat. Arbeitgeber der bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer ist der jeweilige Entsendestaat (BAG Beschluß vom 9. Februar 1993 - 1 ABR 43/92 - AP Nr. 17 zu Art. 56 ZA-NATO-Truppenstatut). Der bisherige Arbeitgeber des Klägers sind daher die Vereinigten Staaten. Von ihnen erhält er die Militärrente. Daß es sich bei ihr nicht um eine Leistung aus dem beendeten Arbeitsverhältnis handelt, ist für den Anrechnungstatbestand des § 5 Buchst. a TV SozSich unerheblich. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Regelung.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und deshalb nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (st. Rspr., vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 20. März 1996 - 4 AZR 906/94 - AP Nr. 36 zu § 23 a BAT, zu 2.2.1 der Gründe; Senatsurteil vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 784/95 - AP Nr. 22 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 12. November 1997
- 10 AZR 206/97 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 2 der Gründe). Sofern hiernach zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu erzielen sind, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und die praktische Tarifübung ebenso berücksichtigt werden wie die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse (BAG, aaO).
b) Nach dem Wortlaut des § 5 Buchst. a TV SozSich wird die Militärrente von der tariflichen Bestimmung erfaßt. Diese spricht von "anderen Leistungen", auf die der Arbeitnehmer gegen den bisherigen Arbeitgeber Anspruch hat. Eine Differenzierung nach dem Rechtsgrund der Leistung enthält die Tarifnorm nicht. Auch aus der Bezeichnung des Anspruchsgegners als "bisherigen Arbeitgeber" folgt nicht, daß die Leistung im Zusammenhang mit dem bisherigen Arbeitsverhältnis stehen muß. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung.
Der TV SozSich bestimmt, daß Arbeitnehmer, die aus den in § 2 Ziff. 1 TV SozSich genannten Gründen entlassen werden, möglichst sofort wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden sollen und schreibt vor, daß der Arbeitnehmer sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden sowie an zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß erforderlichen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung teilzunehmen hat (§ 3 TV SozSich). Dem aus dieser Regelung deutlich werdenden Bestreben, die Leistungsdauer der Überbrückungsbeihilfe der aus ihrer Bezeichnung ersichtlichen Zwecksetzung gemäß möglichst zu verkürzen, entsprechen die Regelungen über die Begrenzung der Höhe dieser Leistung auf den zur Überbrückung des Leistungszeitraums erforderlichen Leistungsbedarf. § 4 Ziff. 1 TV SozSich sieht deshalb vor, daß die Überbrückungsbeihilfe sowohl zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte als auch zu Sozialleistungen (Arbeitslosen- geld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld, Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung und Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall) gewährt wird. Den Leistungsbedarf haben die Tarifvertragsparteien in der Weise festgelegt, daß die Höhe der Überbrückungsbeihilfe sich aus dem Unterschied zwischen bestimmten Prozentsätzen einer Bemessungsgrundlage (§ 4 Ziff. 4 TV SozSich) und den in § 4 Ziff. 1 genannten Einkünften des entlassenen Arbeitnehmers ergibt. Die Bemessungsgrundlage entspricht grundsätzlich der tariflichen Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II, die dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand (§ 4 Ziff. 3 a TV SozSich). Gemäß § 4 Ziff. 4 TV SozSich beträgt die Überbrückungsbeihilfe im ersten Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 %, vom zweiten Jahr an 90 % des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage und den Leistungen gemäß § 4 Ziff. 1 und 2 TV SozSich. Daraus ergibt sich, daß die finanzielle Absicherung des entlassenen Arbeitnehmers darin bestehen soll, diesem nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt Einkünfte in der Höhe zu gewährleisten, die er im fortbestehenden Arbeitsverhältnis bei den Stationierungsstreitkräften als tarifliche Grundvergütung bezogen hätte - nach Ablauf eines Jahres geringfügig vermindert gemäß § 4 Ziff. 4, § 4 Ziff. 3 a (2) TV SozSich. In diesem Umfang soll der Lebensunterhalt des Arbeitnehmers durch die Überbrückungsbeihilfe gesichert werden. Auch die Anrechnungsregelungen in § 5 TV SozSich tragen diesem Leistungszweck Rechnung. Durch sie soll verhindert werden, daß der Arbeitnehmer aufgrund der Überbrückungsbeihilfe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den Stationierungsstreitkräften infolge von Leistungen, die der bisherige Arbeitgeber, der neue Arbeitgeber oder öffentliche Leistungsträger zu erbringen haben, höhere Einkünfte erzielt als die zuletzt im Arbeitsverhältnis bezogene tarifliche Grundvergütung. Die Einkommenseinbuße soll durch die Überbrückungsbeihilfe nur insoweit ausgeglichen werden, als nicht bereits der bisherige Arbeitgeber oder öffentliche Leistungsträger Leistungen zu erbringen haben, die dem gleichen Zweck dienen wie die Überbrückungsbeihilfe. Deshalb sind "andere Leistungen", auf die der Arbeitnehmer gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber Anspruch hat, jedenfalls dann, wenn sie demselben Zweck dienen wie die Überbrückungsbeihilfe, nämlich der Sicherung eines monatlichen Einkommens in tariflich bestimmter Höhe zur Deckung des Lebensunterhalts, auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen. Dazu gehört auch die vom bisherigen Arbeitgeber gewährte Militärrente. Sie ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen eine Versorgungsleistung. Als solche ist sie dazu bestimmt, anstelle der entfallenen Militärbezüge den Lebensunterhalt des ausgeschiedenen Armeeangehörigen abzusichern.
Daß die Militärrente dem Kläger bereits während des Arbeitsverhältnisses bei den Stationierungsstreitkräften gewährt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Tarifvertragsparteien haben in § 5 TV SozSich keine Beschränkung der Anrechnung auf Leistungen vorgenommen, die der Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen kann, wie dies z. B. in § 2 Abs. 7 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 für die unter den BAT-O, MTArb-O und BMT-G-O fallenden Arbeitnehmer geregelt ist (vgl. Senatsurteile vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 - BAGE 80, 158 = AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR und vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 695/95 - AP Nr. 31 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR). Die Überbrückungsbeihilfe dient nicht dazu, die Höhe der zuletzt während des Arbeitsverhältnisses effektiv erzielten Einkünfte zu sichern, vielmehr soll der Einkommensverlust, bezogen auf die zuletzt erzielte tarifliche Grundvergütung, unter Berücksichtigung der demselben Zweck wie die Überbrückungsbeihilfe dienenden Leistungen, auf die der Arbeitnehmer gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber und öffentlichen Leistungsträgern einen Anspruch hat, ausgeglichen werden. Deshalb sind auch Leistungen, die der Arbeitnehmer schon während des Arbeitsverhältnisses bei den Stationierungsstreitkräften vom Arbeitgeber oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen hat, wie die Militärrente des Klägers, auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
BB 1999, 164 |
FA 1999, 33 |
NZA 1999, 217 |
RdA 1999, 227 |
AP, 0 |