Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer technischen Lehrerin
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Februar 1997 – 13 (12) Sa 784/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist gemäß Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1970 seit 1. Oktober 1970 bei dem beklagten Land als Lehrerin beschäftigt; sie unterrichtet als technische Lehrerin an einer Hauptschule in Köln das Fach Textilgestaltung und zeitweilig das Fach Kunst.
Die Klägerin hat nach Abschluß einer Lehre als Damenmantelnäherin am 30. September 1963 aufgrund eines Studiums an der Höheren Fachschule für Bekleidungsindustrie in Köln in der Zeit vom 1. Oktober 1963 bis 18. März 1966 den Abschluß „staatlich geprüfte Betriebsassistentin der Bekleidungsindustrie” erworben. Die Höhere Fachschule für die Bekleidungsindustrie der Stadt Köln wurde zum 1. August 1971 in die Fachhochschule Niederrhein mit Sitz in Krefeld übergeleitet. Mit Urkunde vom 5. November 1973 des Regierungspräsidenten Köln wurde die Klägerin zur Führung der Bezeichnung „Ingenieur (grad)” ermächtigt; mit der Urkunde der Fachhochschule Köln vom 21. April 1982 erhielt die Klägerin die Berechtigung, die Bezeichnung „Diplom-lngenieur(in)” zu führen.
Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und den hierzu ergangenen bzw. noch ergehenden Durchführungsverordnungen. Mit Schreiben des Schulamts der Stadt Köln vom 22. Dezember 1970 wurde der Klägerin in Ergänzung zu ihrem Arbeitsvertrag mitgeteilt, daß sie aufgrund des Erlasses des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1970 gemäß Abschn. I e Ziff. 1 Vergütung aus der VergGr. IV b BAT erhält.
Mit Schreiben vom 11. Juni 1993 verlangte die Klägerin unter Berufung auf die nordrhein-westfälischen Lehrereingruppierungs-Richtlinien die Höhergruppierung von VergGr. IV b nach VergGr. IV a BAT im Wege des Bewährungsaufstiegs. Das Schulamt für die Stadt Köln hat dies mit Schreiben vom 21. Juli 1993 abgelehnt. Auch ausführlicher weiterer Schriftverkehr zwischen den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und dem Schulamt der Stadt Köln hatte keinen Erfolg. Der Antrag der Klägerin auf Höhergruppierung nach VergGr. IV a BAT ist schließlich mit Schreiben des Schulamtes für die Stadt Köln vom 3. Januar 1995 nach Einschaltung der Bezirksregierung Köln und des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums abgelehnt worden, weil die Klägerin mangels eines abgeschlossenen Hochschulstudiums die Voraussetzungen der Ziff. 1.2 des maßgebenden Runderlasses vom 20. November 1981 nicht erfülle.
Mit ihrer Klage vom 13. Februar 1995 macht die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT ab dem 1. Juli 1993 gerichtlich geltend. Sie ist der Ansicht, sie verfüge über die erforderliche Hochschulausbildung. Sie sei einer Fachhochschulabsolventin im Sinne von Ziff. 1.2 des Runderlasses des Kultusministers vom 20. November 1981 gleichzustellen. Eine Differenzierung zwischen dem verliehenen Diplomgrad und dessen rechtlichem Inhalt sei unzulässig. Der Runderlaß vom 20. November 1981 finde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung, da er im Arbeitsvertrag zumindest konkludent vereinbart worden sei. Dementsprechend habe sich das beklagte Land in dem ausführlichen Schriftverkehr stets mit dem Runderlaß vom 20. November 1981 befaßt.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 01.07.1993 Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es meint, die Nachdiplomierung der Klägerin sei nicht so zu verstehen, daß nunmehr davon ausgegangen werden müsse, die Klägerin habe eine Fachhochschulausbildung absolviert. Im übrigen finde der Runderlaß vom 20. November 1981 auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung; eine Vereinbarung über die Anwendung dieses Erlasses könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sich das beklagte Land im vorgerichtlichen Schriftwechsel mit diesem Erlaß auseinandergesetzt habe. Der allein anwendbare Erlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1970 (ZB 1-2-23/06-899/70) sehe einen Bewährungsaufstieg in Abschn. I nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Das beklagte Land bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die mit Schreiben des beklagten Landes vom 22. Dezember 1970 erfolgte Festlegung der Vergütung der Klägerin auf VergGr. IV b BAT nach dem Erlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1970, Abschn. I e Ziff. 1 sei die vertraglich vereinbarte Vergütung. Aufgrund der eindeutigen Bezeichnung des Erlasses vom 21. September 1970 und der auf der Grundlage dieses Erlasses bestimmten Vergütung der Klägerin sei die Anwendung des Runderlasses vom 20. November 1981 ausgeschlossen. Vertraglich vereinbart sei lediglich Abschn. I e Ziff. 1 des Erlasses vom 21. September 1970, der einen Bewährungsaufstieg nicht vorsehe. Soweit im Arbeitsvertrag der Klägerin auf die ergangenen bzw. noch ergehenden Durchführungsverordnungen verwiesen werde, erfasse das nicht die Eingruppierungserlasse des beklagten Landes oder die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Soweit sich das beklagte Land im vorprozessualen Schriftverkehr mit dem Runderlaß vom 20. November 1981 auseinandergesetzt habe, führe das nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung der Anwendung dieses Erlasses, da ein entsprechender Verpflichtungs- und Bindungswille des beklagten Landes nicht zu erkennen sei. Aber auch wenn der Erlaß vom 20. November 1981 zugrunde gelegt werde, könne die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT aus Ziff. 1.2 dieses Erlasses nicht herleiten, da sie nicht über die dort vorausgesetzte Ausbildung verfüge. Die Klägerin habe kein abgeschlossenes fachspezifisches Studium an einer Hochschule aufzuweisen. Das von der Klägerin an der Höheren Fachschule für die Bekleidungsindustrie in Köln absolvierte Studium habe im übrigen auch nicht drei Jahre gedauert. Ebensowenig rechtfertige die Nachgraduierung bzw. Nachdiplomierung der Klägerin die Annahme, diese sei nunmehr so zu behandeln, als habe sie ein abgeschlossenes fachspezifisches Studium absolviert. Der Runderlaß vom 20. November 1981 stelle in Ziff. 1.2 nicht auf die Berechtigung zur Führung des Diplomgrades ab, sondern auf das abgeschlossene Hochschulstudium.
Der Senat folgt den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis und weitgehend in der Hilfsbegründung.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT; ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus dem Runderlaß vom 20. November 1981 im Wege des Bewährungsaufstiegs.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (statt vieler: BAG Urteil vom 15. November 1995 – 4 AZR 489/94 – AP Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.; zuletzt BAG Urteil vom 5. März 1997 – 4 AZR 390/95 – AP Nr. 58 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT nicht aus dem Erlaß vom 21. September 1970 hergeleitet werden kann, da dieser einen Bewährungsaufstieg nicht vorsieht.
3. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht bei Anwendung des Erlasses vom 20. November 1981, wie das Landesarbeitsgericht in seiner Hilfsbegründung zutreffend ausgeführt hat.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob allein der Erlaß vom 21. September 1970 für das Arbeitsverhältnis der Klägerin vereinbart ist und der Erlaß vom 20. November 1981 keine Anwendung findet. Im Arbeitsvertrag der Klägerin, der in § 2 die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 und die hierzu ergangenen bzw. noch ergehenden Durchführungsverordnungen in Bezug nimmt, ist ein bestimmter Erlaß des beklagten Landes zur Eingruppierung der angestellten Lehrer nicht ausdrücklich vereinbart. Auch aus dem Schreiben des Schulamtes der Stadt Köln vom 22. Dezember 1970, wonach die Klägerin aufgrund des Erlasses des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1970 gemäß Abschn. I e Ziff. 1 Vergütung aus der VergGr. IV b erhält, ist – im Gegensatz zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts – nicht herzuleiten, daß ausschließlich der Erlaß vom 21. September 1970 und aus diesem auch nur der Abschn. I e Ziff. 1 gelten solle.
Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach die Klägerin als Lehrkraft im Sinne der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen anzusehen ist und aufgrund dieser Tarifnorm aus der Vergütungsordnung zum BAT ausgenommen ist. Die Klägerin kann daher ihren Anspruch nur dann auf die Runderlasse des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen stützen, wenn ein solcher Erlaß oder der jeweilige Erlaß Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist. Hierzu ist der Arbeitsvertrag nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Die Auslegung kann der Senat selbst und unbeschränkt vornehmen, soweit es sich bei dem Arbeitsvertrag um einen allgemein verwendeten Formularvertrag handelt. Bei der Vertragsauslegung sind zunächst die Vorstellungen der Erklärenden zugrunde zu legen. Diese finden insoweit Berücksichtigung, als sie in der Erklärung und im Gesamtzusammenhang mit dem Vertragsschluß einen wahrnehmbaren Ausdruck gefunden haben. Dabei ist auf die Interessenlage der vertragschließenden Parteien und die Zwecke des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Die Auslegung ist so vorzunehmen, wie dies Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern und der Empfänger das Vertragsangebot verstehen konnte (BAG Urteil vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 156/92 – AP Nr. 27 zu § 23 a BAT; BAG Urteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 623/93 – AP Nr. 35 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
4. Auch wenn unter Anwendung dieser Grundsätze zugunsten der Klägerin von der Vereinbarung des Runderlasses vom 20. November 1981 auszugehen ist, folgt daraus kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT im Wege des Bewährungsaufstiegs gemäß Ziff. 1.2.
Ziff. 1.2 des Runderlasses des Kultusministeriums des beklagten Landes vom 20. November 1981 lautet wie folgt:
(…) Lehrer in der Tätigkeit von Lehrern der Primärstufe oder der Sekundarstufe I
1.2 ohne Ausbildung nach Fallgruppe 1.1 mit abgeschlossenem Studium an einer Hochschule nach § 1 Hochschulrahmengesetz (HRG), die überwiegend Unterricht in mindestens einem wissenschaftlichen Fach erteilen IV b
nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe IV a
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der Ziff. 1.2 nicht, da sie kein abgeschlossenes fachspezifisches Studium an einer Hochschule nach § 1 HRG absolviert hat. Das Studium der Klägerin an der Höheren Fachschule für Bekleidungsindustrie in Köln rechtfertigt nicht die Annahme eines abgeschlossenen Studiums an einer Hochschule nach § 1 HRG. Die Höhere Fachschule für Bekleidungsindustrie ist keine Hochschule in diesem Sinne; auch aus der Überleitung der Höheren Fachschule für Bekleidungsindustrie Köln in die Fachhochschule Niederrhein zum 1. August 1971 kann nicht gefolgert werden, daß die bereits abgeschlossene Ausbildung der Klägerin in den Jahren 1963 bis 1966 nunmehr als abgeschlossenes Hochschulstudium anzusehen ist.
Auch soweit die Klägerin mit Urkunde der Fachhochschule Köln vom 21. April 1982 nach Art. IV Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen vom 21. Juli 1981 nachdiplomiert worden ist, kann daraus eine Gleichstellung der Klägerin insofern, daß ihre Ausbildung nunmehr Hochschulqualität aufweise, nicht hergeleitet werden. Zu Recht weist insoweit das beklagte Land darauf hin, daß für die Eingruppierung nach Ziff. 1.2 des Runderlasses vom 20. November 1981 nicht auf die Berechtigung, einen Diplomgrad zu führen, abgestellt wird, sondern auf die absolvierte Ausbildung. Die Ausbildung der Klägerin ist aber keine Hochschulausbildung. Die Nachdiplomierung rechtfertigt es nicht, die Ausbildung der Klägerin nunmehr als eine solche mit Hochschulqualität anzusehen. Die Nachdiplomierung hat für die vergütungsrechtlichen Regelungen in den Runderlassen des nordrhein-westfälischen Kultusministers keine Bedeutung, da dies in den Vergütungsbestimmungen nicht vorgesehen ist (vgl. BAG Urteil vom 17. Juli 1997 – 6 AZR 634/95 – AP Nr. 59 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). In Ziff. 1.2 des Runderlasses vom 20. November 1981 ist nicht auf die Führung eines Diplomgrades abgestellt, sondern auf den Abschluß eines Studiums an einer Hochschule. Die Berechtigung der Klägerin zur Führung des Diplomgrades bedeutet daher nicht, daß die Klägerin nunmehr auch so behandelt werden muß, als hätte sie ein entsprechendes Hochschulstudium abgeschlossen.
Eine Höhergruppierung bei gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen sieht der Runderlaß des Kultusministeriums des beklagten Landes vom 20. November 1981 nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Hauck, Böck, Thiel, Tirre
Fundstellen