Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gehaltserhöhung aus betrieblicher Übung
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Oktober 1997 – 17 Sa 663/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, das Monatsgehalt des Klägers prozentual in demselben Ausmaß zu erhöhen, wie die Ruhrkohle AG (RAG) die Monatsvergütungen ihrer AT-Angestellten erhöht hat.
Der Kläger ist seit 1985 als hauptberuflicher Lehrer an einer der von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Bergberufsschulen tätig. Die Beklagte ist 1990 durch Umwandlung gemäß § 59 UmwG aus der früheren Westfälischen Berggewerkschaftskasse Bochum (WBK) entstanden. Sie ist u.a. Trägerin der als Ersatzschulen anerkannten Bergberufsschulen West, Ost und Mitte sowie der Bergfachschule. An den Bergberufsschulen werden rund 150 hauptberufliche Lehrkräfte, u.a. der Kläger, beschäftigt. Insgesamt beschäftigt die Beklagte etwa 463 Mitarbeiter, davon 175 Lehrer/Professoren, 54 AT-Angestellte, 206 Tarifangestellte und 28 Arbeiter. Für die an den Bergberufsschulen und der Bergfachschule angestellten Lehrkräfte besteht ein gesonderter Betriebsrat, der mit dem Betriebsrat des Betriebes der Beklagten in Bochum einen Gesamtbetriebsrat gebildet hat.
Die Geschäftsanteile der Beklagten wurden bis zum 31. Dezember 1992 vom Deutschen Montantechnologie für Rohstoff, Energie, Umwelt e.V. (DMT e.V.) gehalten, dessen Mitglieder u.a. die RAG und die Saarbergwerk AG sind. Der DMT e.V. hat die Funktion einer Holding. Unter seinem “Dach” gibt es zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und zwar die Beklagte sowie die DMT-Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH. Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 brachte der DMT e.V. seine Geschäftsanteile an der Beklagten in die neu gegründete CUBIS AG ein. Deren Anteile werden zu 59 % vom RWTÜV e.V., zu 39 % vom DMT e.V. und zu 2 % vom TÜV Thüringen e.V. gehalten. Als Vereinsmitglied des DMT e.V. bezuschußt die RAG auch weiterhin die drei von der Beklagten betriebenen Ersatzschulen.
Der Inhalt der Arbeitsverhältnisse, insbesondere die Vergütung der Tarifangestellten und Arbeiter der Beklagten, bestimmt sich nach dem jeweils gültigen Haustarifvertrag. Für die außertariflichen Angestellten gelten Betriebsvereinbarungen, zuletzt die Betriebsvereinbarung für nichtleitende außertarifliche Mitarbeiter vom 29. April 1992. Die hauptberuflichen Lehrkräfte erhielten zunächst auf das Grundgehalt und den Ortszuschlag eine nicht ruhegehaltsfähige Zulage in Höhe von 25 %. Mit Wirkung zum 1. Januar 1982 vereinbarten Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat der WBK die Einführung eines neuen Vergütungssystems. In der Betriebsvereinbarung vom 29. Januar 1982 wurde festgelegt, daß mit den hauptberuflichen Lehrern künftig neben dem Anstellungsvertrag ein Ergänzungsvertrag zu schließen ist. Diese Betriebsvereinbarung wurde 1986 durch eine andere Betriebsvereinbarung ersetzt. Darin heißt es unter anderem:
“3.2. …
Es ist sichergestellt, daß die Gehälter nicht unterhalb der vergleichbaren öffentlichen Lehrerbesoldung liegen. Außerdem wird im Regelfall ein angemessener Abstand zur öffentlichen Besoldung bzw. Vergütung gewahrt.
4.1 Allgemeine Gehaltsüberprüfungen
Die Gehälter der Lehrer werden – wie die der AT-Angestellten der WBK – in der Regel jährlich daraufhin überprüft, ob eine allgemeine Gehaltsanpassung unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung und der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedswerke vorzunehmen ist. Sollte WBK beabsichtigen, in einem Jahr von einer allgemeinen Anpassung der Gehälter abzusehen, sind die Gründe hierfür vor einer abschließenden Entscheidung dem Gesamtbetriebsrat zu erläutern.”
Diese Betriebsvereinbarung wurde von der Geschäftsleitung der WBK am 23. April 1986 und vom Gesamtbetriebsrat am 21. Mai 1986 unterzeichnet. Zuvor war dem Gesamtbetriebsrat ein Schreiben der Geschäftsleitung vom 24. April 1986 zugegangen, in dem es wie folgt heißt: “Ergänzend zur … Betriebsvereinbarung (vom 23. April 1986) erklärt die Geschäftsführung:
1. Die Geschäftsführung hat nicht die Absicht, die abgeschlossene WBK-Gehaltsregelung für hauptberufliche Lehrkräfte von der AT-Bezahlung der Mitgliedsunternehmen abzukoppeln.”
Die Entscheidung über eine Anpassung der Lehrergehälter erfolgte nach folgendem Schema: Zunächst fanden Tarifverhandlungen zwischen der Beklagten bzw. der WBK und der Gewerkschaft Bergbau und Energie zur Fortschreibung des Haustarifvertrages für die Arbeiter und tarifgebundenen Angestellten statt. Nach deren Abschluß verhandelte die Beklagte bzw. die WBK mit der Gewerkschaft über eine Erhöhung der Gehälter der AT-Angestellten. Nach Abschluß der beiden Verhandlungsrunden entschied die Geschäftsführung der Beklagten bzw. der WBK dann jeweils über eine Erhöhung der Lehrergehälter.
Die Entscheidung der Geschäftsführung wurde jeweils in Form einer allgemeinen Gehaltstabelle für die Lehrer bekanntgegeben. Zugleich erhielten die einzelnen Lehrer eine entsprechende Mitteilung der Beklagten bzw. der WBK. Diese lauteten regelmäßig wie folgt:
“Betr.: Dienstbezüge
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß Ihre Gesamtbezüge mit Wirkung vom … monatlich … DM betragen.”
Ab 1986 erhöhte die Beklagte bzw. die WBK die Lehrergehälter jeweils um denselben Prozentsatz wie die RAG die Gehälter ihrer AT-Angestellten. 1993 kam es aufgrund der schwierigen Absatzlage bei der RAG nicht zu prozentualen Einkommensverbesserungen. Am 25. März 1993 wurde eine Arbeitszeitverkürzung durch Gewährung von zusätzlichen Freischichten vereinbart. Am 20. Dezember 1993 wurde eine 6 %ige Einkommenssenkung bis zum 31. Dezember 1995 und die Gewährung von zusätzlichen Freischichten zur Vermeidung von betriebsbedingten Entlassungen vereinbart. Am 14. Juli 1994 wurden bei der RAG – nach Verbesserung der Absatzlage – im Tarifbereich Freischichten teilweise in Geld umgewandelt. Für den AT-Bereich wurde vereinbart, daß mit dem 1. Januar 1996 die Freischichten und die Einkommenssenkung entfallen und sich die Gehälter auf der Basis vom 1. März 1992 um 5 % erhöhen. Die Gehälter der Lehrer wurden während dieses Zeitraums von der Beklagten zum 1. Januar 1995 um 2 % angehoben.
Mit Schreiben vom 17. Januar 1996 forderte der von den Lehrkräften gebildete Betriebsrat die Beklagte bereits vor Beginn der Entgeltverhandlungen zwischen ihr und Gewerkschaft Bergbau und Energie auf, die Gehälter der Lehrer entsprechend den Gehaltserhöhungen der AT-Angestellten der RAG anzuheben. Mit Schreiben vom 16. Februar 1996 antwortete die Beklagte, ihrer Auffassung nach bestehe keine derartige Verpflichtung, insbesondere würde die “Absichtsmitteilung” vom 24. April 1986 keine zwingende Koppelung an das AT-Gehaltssystem der RAG enthalten. Zugleich erklärte sie, sie widerrufe vorsorglich die Absichtserklärung vom 24. April 1986 mit sofortiger Wirkung.
Für die tariflichen Angestellten und Arbeiter wurde Anfang 1996 folgendes vereinbart: Pauschale Zahlung von 300,00 DM im Mai 1996, Erhöhung des Weihnachtsgelds um pauschal 200,00 DM sowie Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen. Im Anschluß daran wurde für den AT-Bereich der Beklagten am 15. März 1996 vereinbart, daß drei zusätzliche persönliche Freischichten gewährt wurden, die Jahressonderleistung von 6.000,00 DM auf 6.500,00 DM erhöht und zugesagt wurde, 1996 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Am 18. März 1996 beschloß die Geschäftsführung der Beklagten, für den Bereich der Lehrer 1996 zum Weihnachtsgeld von bisher 6.000,00 DM eine Zulage in Höhe von 500,00 DM zu zahlen, sowie drei zusätzliche persönliche Freischichten zu gewähren.
Der Kläger war von der WBK mit Wirkung vom 1. August 1985 als hauptberuflicher Lehrer an der Bergberufsschule Ost in Bergkamen eingestellt worden, und zwar zunächst aufgrund eines Anstellungsvertrags auf Probe sowie eines Ergänzungsvertrags vom 21. Juni 1985. Durch Anstellungsvertrag vom 14. Juli 1987 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. August 1987 auf Lebenszeit angestellt. § 3 des Anstellungsvertrages, der insoweit wörtlich mit § 3 des Anstellungsvertrages vom 21. Juni 1985 übereinstimmt, lautet u.a. wie folgt:
“Die Dienstbezüge werden nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Bestimmungen errechnet, die für vergleichbare Landesbeamte gelten.
Herr M… (so hieß der Kläger damals) wird entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 BBesO in der jeweils geltenden Fassung eingestuft.”
Zeitgleich mit der Unterzeichnung des Anstellungsvertrages vom 14. Juli 1987 erklärte der Kläger sein Einverständnis zur Fortgeltung des Ergänzungsvertrages vom 21. Juni 1995, der unter anderem folgende Regelung enthält:
Ҥ 1
Unabhängig von der Einstufung in die Besoldungsgruppe nach § 3 des Anstellungsvertrages als hauptberuflicher Lehrer erhält Herr M… ein Bruttogehalt in Höhe von z.Z. 4.200,00 DM/Monat …”
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, die Lehrergehälter entsprechend der Regelung für die AT-Angestellten der RAG zu erhöhen. Unter Berücksichtigung der zweiprozentigen Gehaltserhöhung zum 1. Januar 1995 seien die Lehrergehälter ab dem 1. Januar 1996 um weitere drei Prozent zu erhöhen. Durch die in der Vergangenheit vorgenommenen Gehaltserhöhungen für hauptberufliche Lehrkräfte analog der AT-Bezahlung der RAG, die unter keinerlei Vorbehalt gestanden hätten, sei eine entsprechende betriebliche Übung entstanden, die nicht mehr ohne weiteres beseitigt werden könne. Im übrigen sei die Betriebsvereinbarung vom 23. April 1986/21. Mai 1986 ohne die Absichtserklärung der Geschäftsführung der WBK vom 24. April 1986 nicht zustande gekommen. Dies sei bei der Auslegung zu berücksichtigen. Der Kläger hat entsprechende Zahlungs- und Feststellungsanträge gestellt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat einen Anspruch des Klägers auf Gehaltserhöhungen in bestimmtem Umfang mit folgender Begründung in Abrede gestellt: Den Regelungen zur allgemeinen Gehaltsüberprüfung in Ziff. 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1986 komme die Wirkung eines Vorbehalts zu, der das Entstehen einer betrieblichen Übung von vornherein verhindert habe. Außerdem habe sie bzw. die WBK entsprechend den vorgenannten Regelungen jeweils individuell unter Abwägung aller relevanten betrieblichen und außerbetrieblichen Umstände (gesamtwirtschaftliche Lage, wirtschaftliche Situation und Gehaltspolitik des Unternehmens etc.) die Gehälter der Lehrer überprüft und über eine Anpassung entschieden. Der Umstand, daß man dabei tatsächlich die Gehaltsentwicklung einzelner Mitgliedsunternehmen, so auch der RAG, beobachtet und teilweise übernommen habe, habe nicht zur Begründung einer entsprechenden betrieblichen Übung geführt. Hilfsweise rechnet die Beklagte für den Fall, daß sie verpflichtet sein sollte, das Gehalt des Klägers um 3 % zu erhöhen, mit dem ihr dann zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der dem Kläger mit dem Gehalt für November 1996 gewährten pauschalen Zulage zum Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 DM brutto auf.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, daß der Beklagte sein Gehalt in demselben Umfang erhöht wie die RAG die Gehälter ihrer außertariflichen Angestellten.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23. April/21. Mai 1986 in Verbindung mit dem Schreiben der Geschäftsführung vom 24. April 1986.
a) Betriebsvereinbarungen sind nach den für die Tarifauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen (BAG Beschluß vom 13. Oktober 1987 – 1 ABR 51/86 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, zu II 2b der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Diese folgen den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Wortlaut der Betriebsvereinbarung auszugehen. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den Regelungen der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang, in dem die auszulegende Regelung in der Betriebsvereinbarung steht. Lassen sich auch so zuverlässige Auslegungsergebnisse nicht finden, kann ohne die Bindung an eine Reihenfolge auf weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung, vorherige Betriebsvereinbarungen oder die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zurückgegriffen werden.
b) Aus Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung 1986 ergibt sich nicht, daß die Gehälter der hauptberuflichen Lehrkräfte an den bergbaulichen Schulen der Beklagten in dem Maße und zu dem Zeitpunkt angehoben werden müssen wie die Vergütungen der AT-Angestellten der RAG. In Ziffer 4.1 Satz 1 BV 1986 ist lediglich bestimmt, daß die Gehälter der Lehrer – wie die der AT-Angestellten der WBK – in der Regel jährlich daraufhin überprüft werden, ob eine allgemeine Gehaltsanpassung unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung und der wirtschaftlichen Lage der “Mitgliedswerke” vorzunehmen ist. Daraus läßt sich jedoch nur ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation anhand bestimmter Kriterien herleiten. Eine Kopplung der Lehrergehälter an die Gehaltsentwicklung der AT-Angestellten bei der RAG liegt darin nicht. Deren Entwicklung kann zwar ein Indiz für die wirtschaftliche Situation der RAG und damit einer der Mitgliedsfirmen sein. Diese ist jedoch selbst nur ein Kriterium einer gemäß dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung von der Geschäftsführung der WBK bzw. der Beklagten vorzunehmenden Gesamtabwägung und nicht allein maßgebend.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Geschäftsführung der WBK an den Gesamtbetriebsrat vom 24. April 1986. Zum einen ist dieses Schreiben nicht Bestandteil der Betriebsvereinbarung geworden, da die hierfür gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erforderliche Unterschrift des Betriebsrats fehlt. Zum anderen heißt es in dem Schreiben lediglich, die Geschäftsführung haben nicht die Absicht, die Gehaltsregelung für hauptberufliche Lehrkräfte von der AT-Bezahlung der Mitgliedsunternehmen “abzukoppeln”. Die Beklagte hat nicht zugesagt, die Lehrergehälter jeweils zum selben Zeitpunkt um den selben Prozentsatz anzuheben, wie die RAG die Gehälter ihrer AT-Angestellten erhöht. Die RAG ist in diesem Schreiben noch nicht einmal erwähnt. Die Beklagte hat sich damit weder gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, noch gegenüber den einzelnen Lehrern verpflichten wollen, deren Gehälter immer entsprechend der Gehaltsentwicklung der AT-Angestellten bei der RAG zu erhöhen. Der Gesamtbetriebsrat hat sich mit dieser Absichtserklärung begnügt; er hat nicht auf einer Änderung des Textes der Betriebsvereinbarung bestanden.
2. Ein Anspruch auf die geforderte Gehaltserhöhung ergibt sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag vom 14. Juli 1987 und dem fortgeltenden Ergänzungsvertrag vom 21. Juni 1985.
Während der Anstellungsvertrag in § 3 nur auf die besoldungsrechtlichen Bestimmungen für vergleichbare Landesbeamte verweist, nach denen der Kläger unstreitig einen geringeren Gehaltsanspruch hätte, nennt § 1 des Ergänzungsvertrages lediglich die Höhe des seinerzeit maßgebenden Bruttomonatsgehalts.
3. Schließlich läßt sich ein Anspruch des Klägers auf die geforderte Gehaltserhöhung auch nicht aus einer betrieblichen Übung herleiten.
a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mußte und durfte. Will der Arbeitgeber verhindern, daß aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muß er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend; erforderlich ist jedoch, daß der Vorbehalt klar und unmißverständlich kundgetan wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Urteil vom 16. April 1997 – 10 AZR 705/96 – AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 1a der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
b) Die Klärung der Frage, ob aus einem wiederholten tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers eine betriebliche Übung und damit ein Anspruch des Arbeitnehmers auf zukünftige Gewährung der Leistung erwächst, ist in erster Linie eine tatrichterliche Aufgabe. Das Revisionsgericht kann insoweit nur überprüfen, ob der angenommene Erklärungswert des tatsächlichen Verhaltens den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB entspricht und mit den Gesetzen der Logik und den allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar ist und ob das Berufungsgericht alle wesentlichen Umstände des Falles berücksichtigt hat. Zu beurteilen ist, ob das Landesarbeitsgericht anhand der von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls (§ 561 Abs. 2 ZPO) zu einem zutreffenden Auslegungsergebnis gelangt ist (vgl. BAG Urteil vom 16. April 1997, a a O, zu II 1b der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
c) Das Landesarbeitsgericht hat das Bestehen einer betrieblichen Übung ohne Rechtsfehler verneint. Diese Bewertung ist möglich und naheliegend.
Es trifft zu, daß die Beklagte und zuvor die WBK die Gehälter ihrer hauptberuflichen Lehrer bis zum Jahr 1992 jeweils genau in dem Umfang angehoben hat, wie die Gehälter der vergleichbaren AT-Angestellten der RAG erhöht worden sind. Diese Übereinstimmung kann kein Zufall sein; das macht die Beklagte auch nicht geltend.
Der Kläger durfte aus diesem Verhalten jedoch nicht den Schluß ziehen, die WBK bzw. die Beklagte hätten auf Dauer von einer eigenen Entscheidung über Zeitpunkt und Höhe der Gehaltsanpassung absehen und sich regelmäßig der Entscheidung der RAG anschließen wollen. Für den Kläger erkennbar beruhten die regelmäßigen Gehaltserhöhungen auf der Verpflichtung der WBK bzw. der Beklagten aus Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23. April/21. Mai 1986, die Gehälter der Lehrer wie der AT-Angestellten jährlich darauf zu überprüfen, ob eine Gehaltserhöhung vorzunehmen ist. Der Kläger erhielt jährlich entsprechende Mitteilungen, aus denen deutlich wurde, daß es hinsichtlich der Gehaltserhöhungen keinen wie auch immer gearteten Automatismus gab, sondern darüber jeweils neu entschieden wurde. Die Beklagte wandte dabei die in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung getroffene Regelung an.
Aus dem an den Gesamtbetriebsrat gerichteten Schreiben der Geschäftsleitung vom 24. April 1986 ergibt sich nichts anders. Der Kläger gehörte nicht zu den Adressaten dieses Schreibens. Weder ist darin eine rechtsgeschäftliche Erklärung gegenüber dem Kläger zu sehen, noch handelt es sich um einen Umstand, der entscheidend für das Bestehen einer betrieblichen Übung spricht.
d) Nach alledem setzte die Beklagte mit den Gehaltserhöhungen für den Kläger ersichtlich nur die sich aus Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung ergebende Verpflichtung um. Eine betriebliche Übung, wonach die Beklagte verpflichtet ist, die Lehrergehälter unabhängig von Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung jeweils entsprechend der Gehaltsentwicklung der AT-Angestellten bei der RAG zu erhöhen, konnte daher nicht entstehen.
Auf die Frage, ob die Grundsätze der betrieblichen Übung hier nur mit den Einschränkungen Anwendung finden, die im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten, kommt es daher nicht mehr an.
Unterschriften
VorsRi a. BAG Griebeling ist erkrankt und kann daher nicht unterschreiben
Reinecke
Kreft, Müller, Buschmann
Fundstellen