Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckungsgegenklage
Orientierungssatz
Zur Frage der Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckungsgegenklage wegen Masseunzulänglichkeit (Kläger hatte den Einwand der Masseunzulänglichkeit bereits im Erkenntnisverfahren erhoben).
Normenkette
KO § 60; ZPO § 767
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 16.05.1984; Aktenzeichen 5 Sa 10/84) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.11.1983; Aktenzeichen 18 Ca 319/83) |
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma G in D. Die Beklagte war seit 1976 als technische Angestellte in der Berliner Zweigniederlassung der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Am 12. Juli 1982 wurde der Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Der Kläger betreibt das Unternehmen der Gemeinschuldnerin seit der Konkurseröffnung mit einem Teil der Arbeitnehmer weiter. Die Verwertung der Konkursmasse, insbesondere des Betriebsgrundstücks und der Betriebs- und Geschäftsausstattung, ist noch nicht abgeschlossen. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 1982 - 9 Ca 277/82 - wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte DM 6.690,-- brutto abzüglich DM 2.325,80 netto Gehalt für die Zeit vom 12. Juli bis 30. September 1982 zu zahlen. Die gegen dieses Urteil von dem Kläger eingelegte Berufung ist durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. April 1983 - 3 Sa 644/83 - zurückgewiesen worden. In diesem Verfahren hat sich der Kläger auf Masseunzulänglichkeit berufen.
In einem weiteren Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin ist der Kläger durch Urteil vom 29. Juni 1983 - 18 Ca 215/83 - verurteilt worden, an die Beklagte DM 7.526,25 brutto abzüglich DM 2.887,20 netto Gehalt für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1982 zu zahlen. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil ist durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 7. Dezember 1983 - 1 Sa 15/83 - zurückgewiesen worden.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beseitigung der Vollstreckbarkeit der rechtskräftigen Urteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 1982 - 9 Ca 277/82 - und 29. Juni 1983 - 18 Ca 215/83 - begehrt. Er macht die Erschöpfung der Konkursmasse geltend und hat hierzu vorgetragen, das Grundvermögen sei über den Verkehrswert hinaus belastet, die Warenlager seien sicherungsübereignet und die Außenstände zur Sicherung an Banken abgetreten. Der Umfang der Aussonderungsrechte und Masseansprüche sei noch nicht festgestellt und lasse sich allenfalls schätzen. Da weder der Umfang der Konkursmasse noch der Masseansprüche feststehe, könne die nach § 60 KO auszuzahlende Quote noch nicht berechnet werden. Die Unterdeckung der Konkursmasse ergebe sich aus dem Konkursstatus vom 31. August 1983. Da die Konkursmasse nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche, sei eine Zwangsvollstreckung in die Konkursmasse unzulässig.
Der Kläger hat demgemäß beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen
des Arbeitsgerichts Berlin 9 Ca 277/82
und 18 Ca 215/83 für unzulässig zu erklä-
ren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei mit seinem Klagevorbringen in diesem Verfahren ausgeschlossen. Die jetzt vorgebrachten Einwendungen hätte er bereits in den Verfahren 9 Ca 277/82 und 18 Ca 215/83 vorbringen können. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich inzwischen nicht geändert. Auch sei keine Masseunzulänglichkeit gegeben. Der vorgelegte Konkursstatus sei nicht ausreichend, weil er z. B. nicht den Wert der Grundstücke und ähnliches aufzeige und auch nicht, worauf sich die Sicherungsübereignung beziehe. Die Forderungen gegen die Konkursmasse seien zu hoch geschätzt. Die Einnahmen aus der fortgeführten Betriebstätigkeit seien nicht genannt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger nur noch beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 1982 - 9 Ca 277/82 - für unzulässig zu erklären. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die in der Revisionsinstanz noch anhängige Vollstreckungsgegenklage mit Recht abgewiesen. Die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 1982 - 9 Ca 277/82 - kann nicht für unzulässig erklärt werden. Bei den Gehaltsansprüchen der Beklagten handelt es sich um Masseansprüche, weil sie die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens (12. Juli 1982) betreffen (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 KO) und deshalb im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden können (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl. 1983, § 57 Anm. 4). Insoweit kann der Konkursverwalter allerdings den Einwand der Masseunzulänglichkeit nach § 60 KO erheben. Der vom Kläger erhobene Einwand der drohenden Masseunzulänglichkeit ist jedoch vorliegend unzulässig. Denn er hat nicht dargetan, daß die von ihm hierzu vorgetragenen Tatsachen erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren vor dem Landesarbeitsgericht entstanden sind (§ 767 Abs. 2 ZPO).
Es ist bereits zweifelhaft, ob eine nur drohende Masseunzulänglichkeit eine nach § 767 Abs. 2 ZPO zulässige Einwendung darstellt. Das Bundesarbeitsgericht hat bisher nur entschieden, daß eine Vollstreckungsgegenklage auf eine festgestellte Masseunzulänglichkeit, bei der sich die Quote nach § 60 Abs. 1 KO errechnen läßt, gestützt werden kann (BAG 31, 288 = AP Nr. 1 zu § 60 KO). Denn nur in diesem Fall steht fest, daß der Anspruch der Gläubiger vom Konkursverwalter in einem bestimmten Umfang nicht erfüllt zu werden braucht. Bei nur drohender Masseunzulänglichkeit steht aber noch nicht fest, in welchem Umfang der Konkursverwalter Leistungen erbringen muß. Könnte der Konkursverwalter allein wegen drohender Masseunzulänglichkeit die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung erreichen, könnte der Gläubiger weder aus dem rechtskräftigen Urteil vollstrecken noch wegen der Rechtskraft neue Klage erheben, selbst wenn sich nachträglich keine völlige Massearmut herausstellt und die Masseforderung zumindest mit einer bestimmten Quote zu befriedigen wäre. Deshalb käme für die rechtskräftig festgestellten Gehaltsforderungen der Beklagten bei drohender Masseunzulänglichkeit in Fortentwicklung der vom Bundesarbeitsgericht für das Erkenntnisverfahren aufgestellten Grundsätze allenfalls eine Aussetzung des Verfahrens über die Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO in Betracht (vgl. BAG 31, 288 = AP Nr. 1 zu § 60 KO). Dieser Frage braucht aber hier nicht näher nachgegangen zu werden.
Der von dem Kläger erhobene Einwand der Masseunzulänglichkeit ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Danach sind Einwendungen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Einwand der Masseunzulänglichkeit bereits im Erkenntnisverfahren erhoben. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben diesen Einwand wegen mangelnder Substantiierung zurückgewiesen. Deshalb kann der Kläger den Einwand der Masseunzulänglichkeit nur auf Tatsachen stützen, die nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren (5. April 1983) entstanden sind. Das ist nicht geschehen. Der Kläger hat zwar einen Konkursstatus vom 31. August 1983 vorgelegt. Es ist aber nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen, daß und inwiefern die diesem Konkursstatus zugrunde liegenden Tatsachen erst nach dem 5. April 1983 entstanden sind.
Dem Konkursverwalter ist zwar eine angemessene Einarbeitungszeit zuzubilligen, bis er sich einen Überblick über den Stand der Masse verschafft (vgl. BAG 31, 288 = AP Nr. 1 zu § 60 KO). Erst wenn dies geschehen ist, kann er beurteilen, ob Masseunzulänglichkeit vorliegt. Mit der entsprechenden Feststellung des Konkursverwalters sind die Gründe entstanden, auf denen der Einwand der Masseunzulänglichkeit im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO beruht. Der Zeitpunkt der Feststellung der Masseunzulänglichkeit ist damit in das pflichtgemäße Ermessen des Konkursverwalters gestellt (vgl. auch Böhle-Stamschräder/Kilger, aaO, § 60 Anm. 2). Entschließt er sich aber, den Einwand der Masseunzulänglichkeit in einem Rechtsstreit zu erheben, gibt er damit zu erkennen, daß er die Masseunzulänglichkeit festgestellt hat. Dann ist er im eigenen Interesse gehalten, die Tatsachen vorzutragen, die diese Einwendung begründen können. Mit Tatsachen, die danach bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren bereits entstanden waren, ist er dann im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß dies aus dem Sinn des § 767 Abs. 2 ZPO folgt. Es würde dem Sinn des § 767 Abs. 2 ZPO widersprechen, wenn man einen in dem Vorverfahren unsubstantiierten Einwand noch einmal zuließe und dem Kläger der Vollstreckungsgegenklage nunmehr die Möglichkeit eröffnete, eine entsprechende Substantiierung vorzunehmen. Es würde auch dem Grundsatz der Prozeßökonomie und dem Wesen der Rechtskraft widersprechen, es einer rechtskräftig unterlegenen Partei zu ermöglichen, im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage eine neue Beurteilung eines bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts aufgrund eines ergänzenden Vorbringens zu erzwingen.
Auf die Frage, ob mit dem Konkursstatus vom 31. August 1983 überhaupt eine drohende Masseunzulänglichkeit dargelegt ist und ob der Status vom 31. August 1983 auch eine Masseunzulänglichkeit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (16. Mai 1984) belegen kann, kommt es nicht mehr an.
Die Rechtskraft des vorliegenden Urteils steht einer Vollstreckungsgegenklage nicht entgegen, wenn die Masseunzulänglichkeit und die der Beklagten zustehende Quote endgültig festgestellt sind.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Polcyn Dr. Börner
Fundstellen
KTS 1986, 132-134 (ST1) |
RdA 1987, 124 |
ZIP 1986, 1338 |
ZIP 1986, 1338-1339 (ST1-2) |
AP § 767 ZPO (ST1-2), Nr 5 |