Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsakademiestudent: Auszubildender im Sinne der §§ 1, 13 MTV für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie?. Begriff des Auszubildenden iSd. § 13 MTV Metall Bayern. Berufsakademieausbildung als Berufsausbildung iSd. § 13 MTV?. Arbeitslohn. Berufsbildung. Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Berufsakademiestudenten, deren Ausbildung nach dem Berufsakademiegesetz des Landes Baden-Württemberg an der Studienakademie (Lernort Theorie) und an einer betrieblichen Ausbildungsstätte in Bayern (Lernort Praxis) stattfindet, fallen nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Angestellten und die kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 31. Oktober/2. November 1970 in der Fassung vom 1. November 1997 und haben deshalb keinen Anspruch auf die Zulage nach § 13 Ziff. 4 (III) dieses Manteltarifvertrages.
Orientierungssatz
- Ein Ausbildungsverhältnis zwischen einem Studenten einer Berufsakademie in Baden-Württemberg und einem Ausbildungsbetrieb in Bayern, bei dem die praktische Ausbildung stattfindet (§ 1 Abs. 6 des Berufsakademiegesetzes Baden-Württemberg), unterfällt nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für die Angestellten und kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metallindustrie.
- Berufsakademien sind Einrichtungen des tertiären Bildungsbereiches außerhalb der Hochschule.
- Die Ausbildung findet an der Studienakademie (Lernort Theorie) und an der betrieblichen Ausbildungsstätte (Lernort Praxis) statt. Sie führt zu einem wissenschaftlichen und berufsqualifizierenden Abschluß, der einem Fachhochschulabschluß gleichsteht.
- Das Berufsakademiestudium an einer Berufsakademie in Baden-Württemberg unterfällt nicht dem Berufsbildungsgesetz.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Gesetz über die Berufsakademie im Lande Baden-Württemberg (Berufsakademiegesetz BAG BW GBl. 2000 S. 197) §§ 1, 8; BBiG §§ 1-3, 19, 25; GG Art. 30, 70, 74-75
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf die Zulage für Auszubildende, die, wie der Kläger, das 21. Lebensjahr überschritten haben, gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV für die kaufmännischen und technischen Angestellten und für die kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie hat. Dabei geht es um die Frage, ob der Kläger als Student der Berufsakademie in M… (Baden) während seiner Ausbildung an der Berufsakademie und am Lernort Praxis bei der Beklagten als von der Berufsakademie anerkannte betriebliche Ausbildungsstätte Auszubildender iSd. Manteltarifvertrages ist.
Der am 18. März 1977 geborene Kläger ist Student der Berufsakademie in M… (Baden). Die Berufsakademien vermitteln nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufsakademien im Lande Baden-Württemberg (Berufsakademiegesetz – BAG GBl. BW 2000 S 197 im folgenden: BAG BW) eine wissenschaftliche und zugleich praxisorientierte berufliche Bildung und Weiterbildung. Sie gehören dem tertiären Bildungsbereich an. Sie bieten eine Alternative zum Studium an Fachhochschulen und an Universitäten. Ihre Ausbildung ist der Ausbildung an einer Fachhochschule des Landes Baden-Württemberg gleichwertig. Nach § 1 Abs. 6 BAG BW sind Ausbildungsbetriebe Betriebe der Wirtschaft und vergleichbare Einrichtungen. Sie können sich an der Ausbildung im Rahmen der Berufsakademie beteiligen, wenn sie geeignet sind, die vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAG BW kann zum Studium zugelassen werden, wer mit einer geeigneten Ausbildungsstätte einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hat, der den vom Kuratorium für die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses aufgestellten Grundsätzen entspricht.
Die Parteien schlossen einen bis 30. September 2001 laufenden dementsprechenden Vertrag am 22. Januar 1998. Gegenstand ist die Ausbildung am Lernort Praxis zum Ingenieur-Assistenten (BA) und zum Diplom-Ingenieur (BA) der Fachrichtung Maschinenbau. Nach dem Vertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit im Betrieb der Beklagten 35 Stunden. Außerdem sind ua. “Urlaub” (zu erteilen und zu nehmen in der Zeit der betrieblichen Ausbildung) und die Vergütung (Ziff. 5.1) unter C geregelt. Nachdem der Kläger die Ingenieur-Assistenten-Prüfung bestanden hatte, zahlte die Beklagte eine um 50 % höhere Vergütung.
Die theoretische Ausbildung an der Berufsakademie fand in zusammenhängenden Abschnitten statt. Die vom Kläger absolvierten Praxis- und Theoriephasen gestalteten sich vom Beginn seiner Ausbildung bis zum Ende wie folgt:
1. September 1998 bis 23. Oktober 1998: |
1. |
Praxisphase (8 Wochen) |
26. Oktober 1998 bis 12. Februar 1999: |
1. |
Theoriephase (12 Wochen) |
15. Februar 1999 bis 30. April 1999: |
2. |
Praxisphase (11 Wochen) |
3. Mai 1999 bis 23. Juli 1999: |
2. |
Theoriephase (12 Wochen) |
26. Juli 1999 bis 1. Oktober 1999: |
3. |
Praxisphase (10 Wochen) |
4. Oktober 1999 bis 23. Dezember 1999: |
3. |
Theoriephase (12 Wochen) |
27. Dezember 1999 bis 28. April 2000: |
4. |
Praxisphase (18 Wochen) |
1. Mai 2000 bis 21. Juli 2000: |
4. |
Theoriephase (12 Wochen) |
24. Juli 2000 bis 29. September 2000: |
5. |
Praxisphase (10 Wochen) |
2. Oktober 2000 bis 22. Dezember 2000: |
5. |
Theoriephase (12 Wochen) |
25. Dezember 2000 bis 16. Februar 2001: |
6. |
Praxisphase (8 Wochen) |
19. Februar 2001 bis 18. Mai 2001: |
6. |
Theoriephase (12 Wochen) |
21. Mai 2001 bis 28. September 2001: |
7. |
Praxisphase (19 Wochen) |
Die Beklagte, die Mitglied des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V. ist, zahlte dem Kläger, der seit 1. Dezember 1998 Mitglied der IG-Metall ist, nicht die in § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV festgelegte Zulage für Auszubildende, die bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben.
Der Kläger verlangt wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit für den Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis 31. August 2000 die auf Grund seines Alters sich ergebende Zulage gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 des MTV. Er hat die Auffassung vertreten, es handele sich zwar nicht um eine klassische Lehre, jedoch betrage der zeitliche Anteil seiner Beanspruchung im Betrieb im Verhältnis zur schulischen Bildung 50:50. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien für die Studierenden in der Berufsakademie keine Regelung hätten treffen wollen. Die Ausbildung habe einen Berufsabschluß vorgesehen, der weder ein Hochschul- oder Fachhochschulabschluß noch ein Abschluß der Ausbildung für ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis sei. Die Tätigkeit wie Maschinenbau werde fast ausschließlich für die private Wirtschaft ausgeübt. Es liege auch kein Dreiecksvertrag vor, sondern ein zweiseitiger privatrechtlicher Ausbildungsvertrag. Er sei nicht Praktikant, Werkstudent oder Volontär. Die Ausbildung erfolge im dualen System. Es würden jeweils drei Monate Praxisphase und drei Monate Theoriephase im Wechsel durchgeführt. Auch bei einem normalen Berufsausbildungsvertrag gelte das Berufsbildungsgesetz nur für den Betrieb, und die Ländergesetze gölten für die Berufsschulen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.323,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. März 2000 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 29. Februar 2000 3.906,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 4. November 1999 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.644,00 DM für die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 31. August 2000 nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. September 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht Auszubildender und damit nicht Arbeitnehmer iSd. § 13 MTV. Das Rechtsverhältnis für die Praxisphasen der Berufsakademieausbildung sei tarifvertraglich nicht geregelt. Das Rechtsverhältnis sei kein Ausbildungsverhältnis iSd. MTV. Das Studium führe zu einem akademischen Abschluß. Der Anwendungsbereich des MTV sei auf klassische Berufsausbildungsverhältnisse nach dem BBiG beschränkt. Sie habe nicht volle tarifliche Leistungen, von der “Alterszulage” abgesehen, erbracht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge in modifizierter Form – Zinsen aus dem Bruttobetrag, Zinsstaffel – weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit sie zulässig ist.
Die Revision ist unzulässig, soweit Zinsen nunmehr aus dem Bruttobetrag und Zinsen zu geänderten Zeitpunkten und in abgewandelter Höhe verlangt werden.
Die Einführung neuer Ansprüche in die Revisionsinstanz im Wege der Klageänderung, Klageerweiterung ist unzulässig. Es handelt sich auch nicht um eine Klarstellung. Vielmehr werden andere Zeitpunkte des Zinsbeginns und andere Prozentsätze sowie Zinsen aus dem Bruttobetrag statt bisher aus den sich aus den Bruttobeträgen ergebenden Nettobeträgen verlangt.
Die im übrigen zulässige Revision ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zulage für Auszubildende, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV.
- Die Klage ist zulässig. Die Streitgegenstände sind hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger verlangt für jeden Monat des Zeitraums vom 1. Dezember 1998 bis 31. August 2000 die von ihm für jeden Monat betragsmäßig errechnete Zulage.
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht die in § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV ausgewiesene Zulage nicht zu. Daran ändert die beiderseitige Verbandszugehörigkeit nichts. Der Kläger fällt als Studierender an der Berufsakademie M… (Baden) während der Ausbildung an der Berufsakademie und am Lernort Praxis in der betrieblichen Ausbildungsstätte nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des MTV. Er ist weder Angestellter noch Auszubildender iSd. MTV; ein Ausbildungsverhältnis iSd. MTV liegt nicht vor.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bott, Wolter, Friedrich, Kiefer, Valentien
Fundstellen
BAGE 2004, 131 |
BB 2003, 692 |
BB 2003, 906 |
DB 2003, 946 |
ARST 2003, 237 |
FA 2003, 122 |
SAE 2003, 275 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 22 |
EzA |