Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 20; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 09.12.1992; Aktenzeichen 2 Sa 144/92)

ArbG Bautzen (Urteil vom 16.07.1992; Aktenzeichen 8 Ca 4/92)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 9. Dezember 1992 – 2 Sa 144/92 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Einigungsvertrages (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.

Die 1944 geborene Klägerin war seit 1963 im Schuldienst tätig. Sie erwarb im Jahre 1972 den Abschluß als Diplom-Lehrerin für Deutsch. Sie arbeitete seit 1974 an der 5. Polytechnischen Oberschule in Kamenz und erteilte in letzter Zeit vorwiegend Deutschunterricht.

Die Klägerin war 1973 bis 1974 Vertrauensfrau der Gewerkschaft und von August 1978 bis 1989 ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an ihrer Schule. Dort waren zuletzt von 54 Lehrern 20 Mitglied der SED. Die Funktion als ehrenamtlicher Parteisekretär übte die Klägerin in den Jahren 1986 bis 1987 nicht aus, weil sie in dieser Zeit an der Bezirksparteischule in Dresden studierte.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. März 1992 zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 27. März 1992 zu.

Mit ihrer am 6. April 1992 beim Kreisgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, sie sei als Vorsitzende der Betriebsparteiorganisation nur auf der Ebene der kleinsten Parteiorganisation tätig gewesen. Sie habe selbst keinen Einfluß und keine Entscheidungskompetenz gehabt. Sie habe den Direktor ihrer Schule weder kontrolliert noch auf Einhaltung der Parteilinie überwacht. Auch die politische Bildung der Schüler und Lehrer habe sie nicht verantwortlich in ihrer Funktion als Parteisekretär durchgesetzt. Zweifel an ihrer Verfassungstreue seien nicht begründet. Für ihre politische Glaubwürdigkeit spreche, daß ihr seit 1. Januar 1990 erteilter Unterricht als Lehrer im Schüler- und Kollegenkreis unbeanstandet hinsichtlich politischer Äußerungen verlaufen sei. Im übrigen sei der Personalrat vor der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Sie hat die Ansicht vertreten, das Land habe die Kündigungsfrist gemäß § 9 der Arbeitsordnung für Pädagogische Kräfte mißachtet. Sie hat behauptet, sie habe zu keinem Zeitpunkt die Kompetenz besessen, Anträge auf Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik zu bescheiden. Sie sei hierzu auch nicht hinzugezogen worden. Zur Übernahme des Amtes als Parteisekretär habe sie sich entschlossen, als ihr Ehemann von seiner Funktion im Lehrerberuf ungerechtfertigt abberufen worden sei. Sie habe es besser machen wollen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht beendet wird, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

ferner – für den Fall. daß die Klägerin mit dem Feststellungsantrag obsiegt – den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Klägerin sei als Parteisekretär Mitglied der Schulleitung gewesen. Sie habe Mitsprache bei jeder politischen Entscheidung des Direktors gehabt. Sie habe den Direktor überwacht und kontrolliert, damit dieser auch die vorgegebenen politischen Ziele realisiere. Ferner habe sie Mitsprachen bei Prämiierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt. Daneben habe es zu ihren Aufgaben gehört, die Parteiversammlungen zu leiten, in denen ständig das politische Klima der Schule besprochen worden sei. Darüber hinaus sei sie verantwortlich gewesen für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Sie sei mitverantwortlich gewesen für die politischen Inhalte der Pionierversammlungen, FDJ-Nachmittage sowie für den Wehrunterricht. Sie habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule berichtet. Ferner habe sie über den Direktor Disziplinarmaßnahmen gegen Oppositionelle einleiten können. Ebenso habe der Parteisekretär mitgewirkt, wenn es darum gegangen sei, über Anträge bezüglich Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden. Schließlich habe sich der Parteisekretär an der Werbung für militärischen Berufsnachwuchs beteiligt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Kündigung vom 20. März 1992 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30. Juni 1992 aufgelöst.

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung des „Beklagten vom 20. März 1992 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30. Juni 1992 beendet. Demgemäß könne die Klägerin keine Weiterbeschäftigung beanspruchen. Die Klägerin sei nicht persönlich geeignet im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. Zur persönlichen Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes gehöre es insbesondere, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne. Diesen Anforderungen werde im allgemeinen nicht derjenige gerecht, der sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert habe. Die Klägerin sei rund zehn Jahre lang ehrenamtlicher Parteisekretär an ihrer Schule gewesen. Es habe zu ihren unbestrittenen Aufgaben gehört, der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und Parteiversammlungen, in denen das politische Klima der Schule besprochen wurde, zu leiten. Sie habe den Direktor der Schule kontrollieren und überwachen sowie Einfluß auf die politische Bildung der Kinder. Jugendlichen und Lehrer nehmen können. Ferner habe sie Einfluß darauf nehmen können, wenn es um Anträge auf Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland gegangen sei. Die Übernahme des Amtes eines Parteisekretärs sei deshalb als besondere Identifikation mit der SED und dem SED-Unrechtsstaat zu werten. Es sei unerheblich, ob die Klägerin bestimmte Aufgaben nicht wahrgenommen haben will, denn nach außen habe sie als Parteisekretär den SED-Staat mit allen Funktionen und Merkmalen repräsentiert. Die Klägerin habe keine besonderen Umstände vorgetragen, die geeignet seien, ihre besondere Identifikation mit dem SED-Staat zu entkräften. Sie habe das Amt freiwillig übernommen. Insbesondere wenn sie geltend mache, sie habe es besser als ihr Ehemann machen wollen, folge daraus, daß sie sich mit den Zielen des SED-Staates voll und ganz identifizierte. Auch wenn sie in einzelnen Punkten Kritik geübt und ihre Stellung als Parteisekretär nicht rigoros im Sinne des SED-Staates ausgenutzt haben sollte, habe sie ihr Amt jedoch so geführt, daß die SED keine Veranlassung gesehen habe, sie abzuberufen. Es sei nicht vorstellbar, daß die Klägerin ihr Amt als Parteisekretär mehr als zehn Jahre habe führen können, wenn sie sich nicht darin im Sinne des SED-Staates bewährt hätte. Daß die Klägerin seit 1990 ihren Unterricht in politischer Hinsicht unbeanstandet erteilt habe, beweise nur, daß sie sich der heutigen politischen Situation angepaßt habe. Die aus ihrer Vergangenheit herrührenden Zweifel daran, daß sie sich in Krisenzeiten für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einsetzen werde, seien damit aber nicht beseitigt.

Die Kündigung sei nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam. Der Bezirkspersonalrat beim Oberschulamt Dresden sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme über die Sozialdaten, Ausbildung, Abschlüsse, Dauer der Tätigkeit sowie die einzelnen Funktionen zu DDR-Zeiten, gegebenenfalls über Stellungnahmen der Eltern, Schüler und des Schulpersonalrats unterrichtet worden. Die für die Klägerin maßgebende Kündigungsfrist nach § 55 Abs. 2 AGB-DDR 1990 sei eingehalten. § 9 der Arbeitsordnung für Pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 sei mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages außer Kraft getreten. Die Regelung von Kündigungsfristen in § 9 der Arbeitsordnung für Pädagogische Kräfte gehöre nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht, Dieses zähle zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe hinsichtlich der Kündigungsfristen von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht. Damit habe § 9 der Arbeitsordnung nicht über den 2. Oktober 1990 hinaus gegolten.

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

I. Die Klägerin hat klargestellt, daß der Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Auf das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen weitergehenden Antrag kommt es daher nicht an.

II. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die Wirksamkeit der Kündigung ist aufgrund einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu beurteilen.

1. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2,1 – Leitsatz 2 –).

Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, unter B III 1, 2 der Gründe).

Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind. mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, aaO). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a, aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen. Darum geht es im Streitfalle jedoch nicht.

Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. II 1961, 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit aus der Sicht der ehemaligen DDR für eine revanchistische und imperialistische verfassungsmäßige Ordnung eintreten wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 13. Oktober 1988 – 6 AZR 144/85 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Abmahnung).

2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die ca. zehn Jahre währende Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär an einer Oberschule Zweifel im vorstehend dargestellten Sinne begründet. Der Parteiapparat unterhalb der Ebene der SED-Kreisleitung umfaßte auch die ehrenamtlichen Parteisekretäre an Schulen. Sie waren immer Mitglied der Schulleitung, hatten Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen. Der Parteisekretär kontrollierte und überwachte den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele. Er leitete die Parteiversammlung. Er war verantwortlich für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Er hatte über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten. Er war damit Repräsentant der staatstragenden Partei SED in der Schule. Wurde dieses wichtige Amt wiederholt ausgeübt, ist die besondere Identifikation des ehrenamtlichen Parteisekretärs mit den Zielen des SED-Staates indiziert.

Das Berufungsgericht hat weiter in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die Klägerin diese Indizwirkung nicht erschüttert habe. Die allgemeinen Ausführungen der Klägerin über die Wahrnehmung ihres Amtes als ehrenamtlicher Parteisekretär sind nicht geeignet, die durch die Wahrnehmung des Amtes begründeten Zweifel zu erschüttern. Sie sind derartig allgemein gehalten, daß sie begründete Zweifel nicht auszuräumen vermögen. Der Darlegung konkreter Fehlverhaltensweisen durch den Beklagten bedurfte es deshalb nicht. Das Berufungsgericht konnte dementsprechend davon absehen, die vom Beklagten konkret vorgetragenen Vorwürfe im einzelnen zu würdigen.

III. Die Personalratsbeteiligung wird in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu sind rechtlich nicht zu beanstanden.

IV. Die Kündigungsfrist wird in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt. Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts hierzu sind nicht zu beanstanden. § 9 der Arbeitsordnung für Pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 hat seine Geltung mit Ablauf des 2. Oktober 1990 verloren.

C. Über den als uneigentlichen Eventualantrag gestellten Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist nicht zu entscheiden, denn der Feststellungsantrag ist unbegründet.

D. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Müller-Glöge, Wittendorfer, Sperl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079674

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