Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 8, 20; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1, Nr. 15; PersVG-DDR §§ 79, 82 Abs. 6, § 116b Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 26.01.1993; Aktenzeichen 1 Sa 10/92) |
KreisG Chemnitz-Stadt (Urteil vom 16.04.1992; Aktenzeichen 7 Ca 5773/91) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 26. Januar 1993 – 1 Sa 10/92 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Einigungsvertrages (fortan: Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der 1948 geborene Kläger war seit August 1971 im Schuldienst als Lehrer für Mathematik und Geographie beschäftigt. Von 1979 bis 1983 war er Schuldirektor und von 1983 bis 1990 Kreisschulinspektor. Seither arbeitete er wieder als Lehrer. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. September 1991 zum 31. Dezember 1991 unter Hinweis auf die frühere Tätigkeit des Klägers als Schuldirektor und Kreisschulinspektor wegen persönlicher Nichteignung. Mit der am 8. Oktober 1991 beim Kreisgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat vorgetragen: Ein Kündigungsgrund nach dem Einigungsvertrag liege nicht vor. Der Personalrat sei nicht gehört worden. Er habe als Direktor und als Kreisschulinspektor stets Zusammenarbeit auf der Basis von Kollegialität, Vertrauen, Sachlichkeit und Realismus gepflegt. Er habe es 1986 abgelehnt, in die Bezirksschulinspektion überzuwechseln und habe 1987 zurück an die Schule gewollt. Dem sei nicht stattgegeben worden. Die bildungspolitischen Ziele habe er nicht mehr und nicht weniger als alle Kolleginnen und Kollegen vertreten müssen. Die Kündigungsfrist sei nach dem günstigeren BAT-Ost zu bemessen.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27. September 1991, zugegangen am 29. September 1991, mit dem 31. Dezember 1991 beendet wurde.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Punktion des Klägers als Direktor und Schulinspektor sei mit einer politischen Kontrolle und Lenkung verbunden gewesen.
Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers nach Durchführung einer Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Kündigung vom 27. September 1991 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Dezember 1991 aufgelöst.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers und dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kündigung gemäß Nr. 1 Abs. 4 EV gerechtfertigt, denn dem Kläger fehle die persönliche Eignung für eine Tätigkeit als Lehrer. Er habe sich in der Vergangenheit besonders mit dem SED-Staat identifiziert und dadurch Zweifel erweckt, ob er zukünftig die Grundwerte der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland glaubwürdig vermitteln könne. Sowohl als Direktor als auch als Schulinspektor habe er eine hervorgehobene besondere Stellung innegehabt, die auf ein besonderes Eintreten für den SED-Staat schließen lasse. Wer eine solche Stellung lange Zeit unbeanstandet durchgeführt habe und wie der Kläger sogar für höhere Aufgaben bei der Bezirksschulinspektion vorgesehen gewesen sei, zeige damit, daß er den SED-Staat besonders unterstützte. Dieses Eintreten für den totalitären Staat erwecke Mißtrauen. Dabei könne zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß er sich bemüht habe, seine Aufgaben kollegial, mit Vertrauen, Sachlichkeit und Realismus zu erfüllen. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe kein abweichendes Ergebnis erbracht, vielmehr habe die vernommene Zeugin zur Parteilichkeit des Klägers nichts sagen können. Ein zuständiger Personalrat habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bestanden, so daß die Wirksamkeit der Kündigung von keiner Personalratsbeteiligung abhängig gewesen sei.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Nach Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die Wirksamkeit der Kündigung ist aufgrund einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu beurteilen.
1. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2. 1 – Leitsatz 2 –).
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, unter B III 1, 2 der Gründe).
Der Regelung in Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.).
Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen der Nr. 1 Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a, aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen. Darum geht es im Streitfalle jedoch nicht.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Anwendung von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. II 1961, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit aus der Sicht der ehemaligen DDR für eine revanchistische und imperialistische verfassungsmäßige Ordnung eintreten wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 13. Oktober 1988 – 6 AZR 144/85 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Abmahnung).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die ca. vier Jahre währende Tätigkeit des Klägers als Direktor einer Schule und insbesondere die ca. sieben Jahre währende Tätigkeit des Klägers als Kreisschulinspektor Zweifel im vorstehend dargestellten Sinne begründen.
a) Inhalt des Amtes eines Schuldirektors sowie dessen Aufgaben ergeben sich u.a. aus der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen – Schulordnung – vom 29. November 1979 (GBl. I S. 433). Nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, 4. Halbsatz Schulordnung war der Direktor auch zuständig für die politische Leitung der Schule. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Schulordnung bestand die Verpflichtung des Direktors, seiner Leitungstätigkeit unter anderem die Beschlüsse der SED zugrundezulegen. Ebenso belegt § 11 Abs. 1 Satz 1 Schulordnung die enge Bindung des Schuldirektors an die Partei. Damit war dieses staatliche Amt parteinah ausgerichtet. Dementsprechend hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, es habe zu den Aufgaben des Schuldirektors gehört, mit den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR und mit der SED zusammenzuarbeiten sowie die politisch-ideologische Situation an der Schule zu kontrollieren und auf diese einzuwirken.
b) Die Tätigkeit des Schulinspektors wurde durch die Anweisung über die Stellung, die Vollmachten und die Tätigkeit der Schulinspektion und Berufsschulinspektion – Inspektionsordnung – vom 15. September 1961 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung – fortan: VuM – vom 20. November 1961 Nr. 22 S. 287 ff.) geprägt. Aus § 2 Abs. 1 Buchstaben a), b) und Abs. 2 Inspektionsordnung folgte die Pflicht zu einer politischen Überwachung und Anleitung der Schulen (Direktor, Lehrer, weitere Funktionsträger, Schüler) nebst regelmäßiger Berichtspflicht nach oben.
Nach der Zusammenstellung der auf dem Gebiet der Volksbildung geltenden Rechtsvorschriften vom 2. Januar 1985 (VuM vom 30. Januar 1985 Nr. 1 S. 1 ff.) sowie die entsprechende letztmalige Zusammenstellung aus dem Jahre 1988 (VuM vom 6. Februar 1989 Nr. 1 S. 1 ff.) ist von der weiteren Gültigkeit der Inspektionsordnung aus dem Jahre 1961 auszugehen. Zusätzlich galt seit dem 27. Dezember 1979 die Verordnung über die staatliche Inspektionstätigkeit in der sozialistischen Berufsbildung vom 29. November 1979 (GBl. I S. 453 ff.) für die Berufsausbildung der Lehrlinge sowie die Aus- und Weiterbildung der Facharbeiter und Meister. Diese Verordnung galt nicht für allgemeinbildende Schulen und sah eigene Inspektionskräfte für die Berufsbildung vor.
Die „Standpunkte und Hinweise zur Arbeitsweise der Kreisschulinspektion (Arbeitsmaterial für Schulräte und Schulinspektoren)” vom Oktober 1983 füllten die Schulinspektionsordnung aus und bestätigten sie. Danach diente die Kontroll- und Anleitungstätigkeit der Kreisschulinspektoren der Durchsetzung der schulpolitischen Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der darauf beruhenden gesetzlichen Bestimmungen und zentralen staatlichen Weisungen. Als Kreisschulinspektoren sollten parteiverbundene und in der Leitungstätigkeit erfahrene Kader eingesetzt werden. Die Kontrolle, Anleitung und Hilfe der Kreisschulinspektoren sollte sich auf die Führungstätigkeit der Direktoren bei der Entwicklung einer schöpferischen politisch-pädagogischen Atmosphäre in den Pädagogenkollektiven konzentrieren. Insbesondere hatten die Kreisschulinspektoren zu kontrollieren, in welcher Qualität und mit welcher Wirksamkeit durch die gesamte politisch-pädagogische Arbeit an der Schule die Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse vermittelt und angeeignet sowie an der Herausbildung des Klassenstandpunktes gearbeitet wurde.
3. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß der Kläger diese Indizwirkung nicht erschüttert hat. Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, er habe 1986 die Funktion in der Bezirksschulinspektion abgelehnt, sich 1987 um die Rückkehr an die Schule bemüht und eine zunehmend kritische Einstellung zum Ausdruck gebracht, sind nach der zutreffenden Würdigung des Berufungsgerichts nicht geeignet, die durch die langjährige Tätigkeit des Klägers in hervorgehobenen Positionen begründeten Zweifel zu beseitigen. Vielmehr hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß die erwogene „Beförderung” des Klägers Rückschlüsse auf die Qualität seiner vorangegangenen Arbeit als Kreisschulinspektor zuläßt. Seine Absicht, an die Schule zurückzukehren, und der entsprechende Antrag können auf die unterschiedlichsten Gründe zurückzuführen sein und entkräften nicht die Indizwirkung seiner langjährigen Tätigkeit, zumal eine vom Kläger erwartete Weiterbeschäftigung als Direktor einer Schule von keiner Distanz zum System des SED-Staates gezeugt hätte. Inwiefern der Kläger eine zunehmend kritische Einstellung zum Ausdruck gebracht haben will, ist von ihm nicht substantiiert vorgetragen worden.
II. Soweit der Kläger meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Die dahingehenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind ohne Rechtsfehler.
1. Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR –, der nahezu wörtlich übereinstimmt mit § 79 Abs. 1 BPersVG, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Vorschriften ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.
Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Chemnitz. Die Oberschule war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht.
2. Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.
3. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das Bundespersonalvertretungsgesetz galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält.
Nach Art. 8 EV trat mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt ist.
Nach der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 trat das Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) einschließlich der späteren Änderungen mit den Maßgaben in Kraft, daß – so Buchstabe a) – in Angelegenheiten der nach dem Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – Personalvertretungsgesetz – der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) gebildeten oder noch zu bildenden Personalvertretungen und Organe, die bei weiterbestehenden Dienststellen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 und 2 und des Art. 14 EV im Amt blieben, dessen Bestimmungen weiterhin, längstens bis zum 31. Mai 1993, entsprechende Anwendung finden, soweit sie nicht außer Kraft gesetzt oder obsolet werden.
Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören. Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus entgegen der Ansicht der Revision nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrats der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand November 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG mit WO, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 PersVG-DDR nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu hören, eine Zuständigkeit nicht begründet werden kann.
Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrats oder des Schulpersonalrats ergibt sich auch nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR bzw. aus § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Beide Vorschriften begründen keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung.
§ 82 Abs. 6 PersVG-DDR betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen des § 69 Abs. 3 und 4 sowie der §§ 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist.
Ist im Falle des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR und der dort aufgeführten Fälle ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet und kann daher im mehrstufigen Beteiligungsverfahren nicht mitwirken, soll nach § 82 Abs. 6 PersVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung, oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Stelle treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen.
Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht. Eine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung soll durch § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gerade nicht begründet werden.
Dieselben Überlegungen gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Er will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreispersonalrats und/oder Schulpersonalrats zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlicher erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.
Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrats bzw. Bezirkspersonalrats in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.
III. Die Revisionsbegründung wiederholt die in den Vorinstanzen erhobene Rüge der unzutreffenden Kündigungsfrist nicht. Insofern ist ein Rechts fehler auch nicht erkennbar, denn die nach § 55 Abs. 2 AGB-DDR maßgebliche Kündigungsfrist ist gewahrt worden.
C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Müller-Glöge, Wittendorfer, Sperl
Fundstellen