Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzprozess. Abstufung der Darlegungslast
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein Vorbringen des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess nicht völlig aus der Luft gegriffen und steht der Arbeitgeber anders als der Arbeitnehmer außerhalb der Geschehensabläufe eines rechtfertigenden Umstandes, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden, soweit der Arbeitnehmer seiner sekundären Darlegungslast nicht nachkommt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; ArbGG § 49 Abs. 3; ZPO §§ 138, 286, 363 Abs. 3, §§ 369, 547 Nr. 3, § 557 Abs. 2, § 564 S. 1, §§ 1072-1073; GVG § 169; EGV 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen Art. 10 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. November 2014 – 3 Sa 239/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Klägerin erklärten außerordentlichen Kündigung und wechselseitige Zahlungsansprüche.
Die Klägerin ist die deutsche Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft türkischen Rechts, von der sie Teppiche und Auslegware bezieht. Der Beklagte war bei der Klägerin als Vertriebsleiter Europa beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 3. August 2004 lautet:
„…
§ 7 Sonstige Leistungen, Entschädigung und Abfindung
a) Die Gesellschaft erstattet … [dem Beklagten] die Aufwendungen, die ihm in der Ausübung seiner Aufgaben entstehen, einschließlich Reise- und Bewirtungskosten, im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstgrenzen. [Der Beklagte] muss seine Auslagen belegen, soweit üblicherweise Belege erteilt werden. Im übrigen reichen Eigenbelege aus (…).
b) [Der Beklagte] hat einen Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw auch privat nutzen. …”
In einem unter dem 6. Juli 2009 abgeschlossenen Abwicklungsvertrag vereinbarten die Parteien nach vorangegangener Kündigung der Klägerin ua. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2009 und die Zahlung einer Abfindung iHv. 740.000,00 Euro. Die Rückgabe des Firmenfahrzeuges an die Klägerin sollte unverzüglich nach Erhalt der gesamten Abfindung erfolgen. Einen Teilbetrag der im Abwicklungsvertrag vereinbarten Abfindung iHv. 290.000,00 Euro erhielt der Beklagte bereits am 8. Juli 2009.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. Juli 2009, dem Beklagten am 16. Juli 2009 zugegangen, erneut und ohne Einhaltung einer Frist. Dieser erstattete am 16. Juli 2009 Strafanzeige gegen zwei Mitarbeiter der türkischen Muttergesellschaft wegen Bedrohung und Nötigung. Das ihm überlassene Firmenfahrzeug gab der Beklagte der Klägerin am 18. März 2010 zurück.
Die Klägerin hat die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 für wirksam gehalten. Der Beklagte habe in großem Umfang einen Spesenbetrug begangen, in rechtsmissbräuchlicher Weise den Abwicklungsvertrag abgeschlossen und eine unberechtigte Strafanzeige gegen Vertreter der Muttergesellschaft der Klägerin gestellt. Der Beklagte habe Ausgaben im fünfstelligen Bereich zulasten des Firmenkontos getätigt, ohne diese zu belegen. Die ihm überlassene Firmenkreditkarte sei im August 2008 iHv. 1.000,00 Euro für den Erwerb privater Bekleidung eingesetzt worden. Im Juli 2006 habe der Beklagte eine Zahlung iHv. 22.000,00 Euro an die in Aserbaidschan ansässige A und im August 2008 eine weitere Zahlung über 28.592,00 Euro an die schweizer Gesellschaft I AG veranlasst. Für beide Geschäftsvorfälle könne nach den vorhandenen Unterlagen keine Gegenleistung festgestellt werden. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 sei jedenfalls als Verdachtskündigung wirksam. Der Zahlungsantrag umfasse die Rückzahlung der gezahlten Teilabfindung iHv. 290.000,00 Euro, der an die A sowie I AG geleisteten Zahlungen sowie eine Nutzungsausfallentschädigung iHv. 5.309,70 Euro für die verspätete Rückgabe des Firmenfahrzeuges.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 345.901,70 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 290.000,00 Euro seit dem 15. Juli 2009 und aus 55.901,70 Euro seit dem 27. Oktober 2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und – soweit im vorliegenden Verfahren von Bedeutung – im Wege der Widerklage beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 aufgelöst worden ist;
- die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten eine Abfindung in Höhe von 740.000,00 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 290.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
Die Klägerin hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
Der Beklagte hat behauptet, er habe sämtliche Ausgaben gegenüber der Assistentin der Geschäftsführung abgerechnet. Nicht belegte Ausgaben seien nicht von ihm veranlasst worden. Er habe im August 2008 einen Einkaufsgutschein iHv. 1.000,00 Euro erworben, den er im Rahmen der „Kundenpflege” den Geschäftsführern eines in Belgien ansässigen Kunden überlassen habe. Die Zahlung an die A sei als Gegenleistung für die Erstellung einer Marktanalyse erfolgt, die I AG habe eine Werbebroschüre gefertigt. Er habe die Strafanzeige erst nach Zugang der Kündigung vom 14. Juli 2009 erstattet. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in Zusammenhang mit dem Abschluss des Abwicklungsvertrags liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die Klage abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nach einer teilweise im Wege der Rechtshilfe erfolgten Beweisaufnahme die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
A. Die Revision ist nicht wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 547 Nr. 3 ZPO im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Voraussetzungen des § 547 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat das gegen den ehrenamtlichen Richter S gerichtete Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit dieser dem Teilurteil des Berufungsgerichts vorausgehenden (Zwischen-)Entscheidung ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Nach § 557 Abs. 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen. Zu diesen gehört eine nach § 49 Abs. 3 iVm. § 64 Abs. 7 ArbGG unanfechtbare Entscheidung über ein im Berufungsverfahren angebrachtes Ablehnungsgesuch. Eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen einer Revision gegen die unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter getroffene Hauptentscheidung ist danach ausgeschlossen (BGH 30. November 2006 – III ZR 93/06 – Rn. 4; zum Verfahren nach § 92 ArbGG: BAG 20. Januar 2009 – 1 ABR 78/07 – Rn. 20). Ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, kann dahinstehen. Die Klägerin hat in der Revisionsbegründung keine darauf bezogenen Tatsachen vorgetragen.
B. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Zahlung von 345.901,70 Euro gerichtete Klage zu Recht als unbegründet angesehen. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der dem Beklagten vorfristig gewährten Teilabfindung (290.000,00 Euro), der von ihm veranlassten Zahlungen an die A (22.000,00 Euro) und die I AG (28.592,00 Euro) sowie auf eine Nutzungsausfallentschädigung für den Pkw (5.309,70 Euro) besteht nicht.
I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach der im Abwicklungsvertrag vom 6. Juli 2009 getroffenen Vereinbarung mit Ablauf des 31. Juli 2009 geendet. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 14. Juli 2009 für unwirksam gehalten und eine Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten in Bezug auf den zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezahlten Abfindungsteilbetrag von 290.000,00 Euro verneint.
1. Die – rechtzeitig angegriffene – außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit ihrem Zugang beendet. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass – soweit sie von der Klägerin auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen des Beklagten gestützt wird – zu diesem Zeitpunkt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen hat.
a) Nach der genannten Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich” und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 21).
b) Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 22).
c) Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung stand. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die Grundsätze über die Darlegungslast des kündigenden Teils nicht verkannt.
aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die von der Klägerin behaupteten Abrechnungsbetrugshandlungen des Beklagten in Bezug auf die ihm zu erstattenden Aufwendungen seien als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB „an sich” geeignet, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Gleiches gilt für die gegenüber Mitarbeitern der Muttergesellschaft der Klägerin – aus ihrer Sicht nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen – erstattete Strafanzeige und das behauptete kollusive Zusammenwirken des Beklagten mit dem vormaligen Geschäftsführer der Klägerin bei Abschluss des Abwicklungsvertrags.
bb) Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint.
(1) Seine Würdigung, der Beklagte habe aufgrund der entsprechenden mehrjährigen Handhabung davon ausgehen dürfen, eine konkrete Belegabrechnung werde trotz der gegenteiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarung von der Klägerin nicht mehr verlangt, hält sich im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. An einer darauf bezogenen zulässigen Verfahrensrüge der Klägerin fehlt es gleichermaßen.
(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe ihren Vorwurf, der Beklagte habe am 21. August 2008 die ihm dienstlich zur Verfügung gestellte Kreditkarte für den Erwerb privater Bekleidung genutzt, nicht bewiesen, ist ebenso frei von Rechtsfehlern. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen in Bezug auf die Verletzung von Verfahrensrecht bei der Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter sowie der Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens sind jedenfalls unbegründet.
(a) Die Klägerin hat die von ihr behauptete Verletzung des Öffentlichkeitsgebots (§ 169 GVG)bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte belgische Gericht nicht ausreichend dargelegt.
(aa) Die Durchführung einer Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter richtet sich im Bereich der Europäischen Union (Ausnahme: Dänemark) nach der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (– EG-BewVO – ABl. L 174 vom 27. Juni 2001 S. 1). Für ihre Durchführung gelten aufgrund der Verweisung in § 363 Abs. 3 Satz 2 ZPO die §§ 1072, 1073 ZPO. Entspricht die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme den für das Prozessgericht geltenden Gesetzen, kann daraus, dass sie nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, kein Einwand entnommen werden (§ 369 ZPO).
(bb) Die Klägerin stützt den behaupteten Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot auf den Umstand, dass die ihren Prozessbevollmächtigten begleitende Rechtspraktikantin den Sitzungssaal auf Anweisung des ersuchten Richters während der Beweisaufnahme nicht betreten durfte. Die Revision legt aber nicht dar, dass die Rechtspraktikantin nach den Normen der EG-BewVO im konkreten Fall an der Beweisaufnahme teilnehmen durfte. Ob ihr Prozessbevollmächtigter darüber hinaus verpflichtet gewesen wäre, die aus ihrer Sicht unzutreffende Verfahrensweise des belgischen Gerichts gegenüber diesem zu beanstanden, kann daher dahinstehen. Daneben läge auch nach nationalem Verfahrensrecht kein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot vor. Die Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter wird von § 169 Satz 1 GVG nicht erfasst (Zöller/ Lückemann ZPO 30. Aufl. § 169 GVG Rn. 9).
(b) Soweit die Revision beanstandet, die Klägerin habe vor dem belgischen Gericht keine Fragen an die Zeugen stellen dürfen, ist ihre Verfahrensrüge unzulässig. Sie hat nicht dargetan, dass die Handhabung des ersuchten Richters gegen das nach Art. 10 Abs. 2 EG-BewVO für die Erledigung des Ersuchens anwendbare belgische Verfahrensrecht verstößt. Zudem hat sie keine zulässigen Fragen formuliert, die sie an die Zeugen gerichtet hätte oder konkrete erläuterungsbedürftige Punkte aufgezeigt.
(c) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe in der Übergabe des Geschenkgutscheins an die Geschäftspartner der Klägerin zu Unrecht keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat nach § 299 Abs. 2 StGB gesehen, genügt ihr Vorbringen in der Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Die Klägerin legt nicht dar, aus welchen Gründen die tatrichterliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts gegen § 286 ZPO verstößt. Dazu genügt der pauschale Hinweis auf ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 5. Juli 2011 allein nicht. Es wird in der Revisionsbegründung nicht ausgeführt, dass der dort gehaltene Vortrag unstreitig geblieben ist. Ebenso wird nicht erkennbar, auf welche Weise sich die Klägerin den von ihr stets bestrittenen Vortrag des Beklagten über die Verwendung der 1.000,00 Euro zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht haben will.
(3) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch die vom Beklagten verantworteten Zahlungen an die A iHv. 22.000,00 Euro und an die I AG von 28.592,00 Euro nicht als Grund für die außerordentliche Kündigung vom
14. Juli 2009 angesehen.
(a) Die Klägerin hat sich zur Rechtfertigung ihrer außerordentlichen Kündigung darauf berufen, der Beklagte habe Zahlungen an die A und die I AG veranlasst, ohne dass diesen eine Gegenleistung für die Klägerin zugrunde gelegen habe. Der Beklagte hat dies bestritten und vorgetragen, die A habe eine Marktanalyse für die Klägerin durchgeführt und die I AG eine Produktpräsentation für eine Geschäftspartnerin erstellt, die dieser im Rahmen der geschäftlichen Beziehungen zur Verfügung gestellt worden sei.
(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe die von ihr aufgestellte Behauptung, den von der A und der I AG ausgestellten Rechnungen habe keine Gegenleistung gegenüber gestanden, nicht bewiesen, ist frei von revisiblen Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat insbesondere die Grundsätze über die sekundäre Behauptungslast nicht verkannt oder zulasten der Klägerin fehlerhaft angewandt.
(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tat- sachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund aus- schließen. Allerdings kann den Arbeitnehmer schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers – soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen” ist – iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substanziiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 41).
(bb) Danach hatte zunächst die Klägerin die dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Zahlungen an die A und die I AG darzulegen. Es scheint schon fraglich, ob das Landesarbeitsgericht überhaupt zugunsten der Klägerin die Grundsätze über die sekundäre Darlegungspflicht des Beklagten heranziehen durfte. Die Klägerin hat sich nach der Ablösung ihres vormaligen Geschäftsführers B zur Rechtfertigung der Kündigung auf den Hinweis beschränkt, Unterlagen über die Dienstleistungen der vorgenannten Firmen seien bei ihr nicht vorhanden und Herr B habe auf Nachfrage mitgeteilt, er habe keine Kenntnis von den fraglichen Geschäftsvorfällen. Allein das Nichtvorhandensein von Belegen über geschäftliche Beziehungen zur A und I AG zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung belegt nicht, dass es diese nicht gegeben hat. Die Zahlungen an die vorgenannten Firmen waren Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Klägerin. Diese konnte nach ihr vorliegenden Unterlagen bei den mit der Buchführung betrauten Personen sowie den rechnungsausstellenden Firmen weitere Nachforschungen anstellen. Dies kann indes dahinstehen. Aufgrund des vom Beklagten gehaltenen Vortrags über die Auftragsvergabe und -abwicklung war die Klägerin zu weiteren Nachforschungen in der Lage. Eines weitergehenden Vortrags des Beklagten bedurfte es jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt des Berufungsgerichts nicht mehr. Der frühere Geschäftsführer der Klägerin hat im Rahmen seiner Aussage angegeben, die Geschäftsvorfälle mit der A und der I AG seien ihm erinnerlich. Dem ist die Klägerin nicht gegenbeweislich entgegengetreten. Da sich die vertraglichen Beziehungen zu den vorgenannten Firmen nicht außerhalb des Geschäftsbetriebs der Klägerin vollzogen haben, oblag dieser wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Gegenleistung.
(cc) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet.
(aaa) Dies gilt zunächst für die von der Revision angebrachte Rüge, das Landesarbeitsgericht habe dem im Schriftsatz vom 20. Juni 2011 enthaltenen Beweisantritt auf Vernehmung des Zeugen Y nicht entsprochen. Die in das Wissen dieses Zeugen gestellten Tatsachen waren nach dem Entscheidungsweg des Landesarbeitsgerichts nicht beweisbedürftig. Dieses hat die Aussage des früheren Geschäftsführers B, deren Glaubhaftigkeit der Zeuge Y mit seiner Aussage infrage stellten sollte, als unergiebig angesehen.
(bbb) Das Landesarbeitsgericht musste auch nicht den von der Klägerin benannten Zeuge Am vernehmen, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben,
„auch nur ansatzweise den eigenen Vortrag substanziieren zu können”. Eine mit diesem Ziel durchgeführte Beweisaufnahme wäre auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinausgelaufen. Die Revision zeigt keine greifbaren Anhaltspunkte auf, auf deren Grundlage die Klägerin zumindest hätte vermuten dürfen, dass der Zeuge Auskunft über Tatsachen geben kann, die für die geschäftlichen Beziehungen der Klägerin zur Firma A im Jahr 2006 von Bedeutung sind.
(ccc) Die weiteren gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft und sie nicht als durchgreifend erachtet (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO).
2. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Juli 2009 ist auch mangels eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, soweit sie von der Klägerin auf den Verdacht von schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Beklagten gestützt wird.
a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 21).
b) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung mangels Vorliegens eines dringenden Tatverdachts für unwirksam gehalten. Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände seien zu pauschal, um einen solchen zu begründen oder würden von ihr auf nicht beweisbare Vermutungen gestützt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts lässt unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin zeigt in der Revisionsbegründung einen solchen nicht auf. Vielmehr weist der Beklagte in seiner Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass auch das Verhalten der Klägerin, die sich nach Abschluss des Abwicklungsvertrags unstreitig „auf die Suche nach Kündigungsgründen gemacht” hat, die Annahme rechtfertigen könnte, sie habe absichtlich Zahlungsvorgänge mit ausländischen Gesellschaften ausgewählt, um dem Beklagten eine darauf bezogene Rechtfertigung zu erschweren. Dies schließt gleichermaßen die Dringlichkeit eines gegenüber dem Beklagten bestehenden Tatverdachts aus.
3. Die außerordentliche Kündigung der Klägerin ist auch nicht wegen der am 16. Juli 2009 vom Beklagten erstatteten Strafanzeige und der Umstände, die zum Abschluss des Abwicklungsvertrags geführt haben, gerechtfertigt. Die darauf bezogene tatrichterliche Würdigung lässt einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen. Gegenteiliges macht auch die Klägerin in der Revisionsbegründung nicht mehr geltend.
II. Das Landesarbeitsgericht hat nach den vorstehenden Ausführungen eine Verpflichtung des Beklagten zur Rückgewähr der von der Klägerin an die A (22.000,00 Euro) und die I AG (28.592,00 Euro) gezahlten Beträge sowie einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung iHv. 5.309,70 Euro zutreffend verneint. Darauf bezogene Rügen hat die Revision nicht erhoben.
C. Die Revision der Klägerin ist auch in Bezug auf die vom Beklagten mit der Widerklage verfolgten Ansprüche unbegründet. Dies betrifft zunächst seinen auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom
14. Juli 2009 gerichteten Feststellungsantrag. Dieser erweist sich ebenso als begründet wie der Antrag zu 2., der auf die Zahlung der restlichen, im Abwicklungsvertrag vom 6. Juli 2009 vereinbarten Abfindungssumme gerichtet ist.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Koch, Niemann, Berger, Torsten Falke, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 9806008 |
EzA 2017 |
ArbR 2016, 531 |