Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Berechnung einer Betriebsrente. Versorgungstarifvertrag. Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003
Leitsatz (redaktionell)
Der Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 29. September 2006 ist nicht dahingehend auszulegen, dass das Altersruhegeld so berechnet wird, als wäre die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt.
Normenkette
BetrAVG § 1 Auslegung; SGB VI §§ 159-160, 275c; TVG § 1; Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (VersTV 1993) §§ 1, 4, 6-7; Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 29. September 2006 (VersTV 2005) §§ 4, 6-7; Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 21. August 2009 (VersTV 2009) Teil A §§ 4, 6-7; Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Teil C § 24
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2012 – 6 Sa 194/12 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 auf die Berechnung seiner Betriebsrente.
Der im März 1946 geborene, der Gewerkschaft ver.di angehörende Kläger war bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet.
Am 29. August/20. November 1994 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der ua. bestimmt:
1. |
Herr B wird ab 01.12.1994 als Flugmeßingenieur bei SNF beschäftigt. Sein Beschäftigungsort ist K. |
2. |
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. |
…
Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.”
Der von der Beklagten mit den Gewerkschaften DAG und ÖTV abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) bestimmt ua.:
„Die nachfolgend vereinbarte Leistung, deren Finanzierung von der DFS garantiert wird, dient der Absicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei Dienstunfähigkeit sowie der Hinterbliebenen bei Tod einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters, und ersetzen die bei der BFS und dem LBA vorhandenen Versorgungssysteme. …
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Arbeitsvertrag mit der DFS abgeschlossen haben und unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen.
…
§ 4 Ruhegeldfähiges Einkommen |
(1) |
Das ruhegeldfähige Jahreseinkommen wird aus der Vergütung im letzten Beschäftigungsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bestehend aus den Grundbeträgen nach dem VTV und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem ZTV zuzügl. des jeweiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ermittelt. … |
(2) |
Das ruhegeldfähige Jahreseinkommen wird unterteilt in den Teil
- bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung und
- den diesen Durchschnitt übersteigenden Teil des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens.
|
…
(1) |
Lebenslängliches Altersruhegeld wird gewährt, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet haben und aus den Diensten der DFS ausscheiden. |
(2) |
Das jährliche Altersruhegeld beträgt
- 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden BBG zuzüglich
- 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden BBG übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens,
jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit. |
§ 7 Vorzeitiges Altersruhegeld |
(1) |
Vorzeitiges Altersruhegeld können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beanspruchen, wenn sie vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus den Diensten der DFS ausscheiden. |
(2) |
Die Höhe des vorzeitigen Altersruhegeldes errechnet sich wie das Altersruhegeld gemäß § 6 Abs. 2, wobei wegen des früheren Zahlungsbeginns eine Kürzung des bis zum Dienstaustritt erworbenen Ruhegeldes um 0,5 % für jeden Monat erfolgt, in dem der Beginn der Ruhegeldzahlung vor Erreichen des normalen Pensionierungstages liegt, maximal jedoch um 18 %.” |
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden durch § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2008 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008) vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) für das Jahr 2008 auf 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich festgesetzt und anschließend durch die Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009) vom 2. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2336) für das Jahr 2009 auf 64.800,00 Euro jährlich und 5.400,00 Euro monatlich festgesetzt. Infolge der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 und der daraus resultierenden erhöhten Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat sich die gesetzliche Altersrente des Klägers erhöht.
Im Hinblick auf die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze bemühte sich die Gewerkschaft ver.di als Rechtsnachfolgerin von DAG und ÖTV um Verhandlungen mit der Beklagten mit dem Ziel einer Änderung des VersTV 1993. Zu einer solchen kam es jedoch nicht, vielmehr wurde der VersTV 1993 von der Beklagten zum 31. Dezember 2004 gekündigt.
Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (im Folgenden: GdF) den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Dieser trat rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft. Er trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993 und ist im Wesentlichen wortgleich mit dem VersTV 1993.
Am 21. August 2009 vereinbarten die GdF und die Beklagte den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009), der ua. bestimmt:
Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.
Dieser Tarifvertrag schafft gleichzeitig in Teil B für die betriebliche Altersversorgung der DFS ein neues, am Einkommen über die gesamte Beschäftigungszeit ausgerichtetes System. Es gilt für alle Neueintritte ab dem Jahr 2005 und tritt für diese Personengruppe an die Stelle des Tarifvertrags vom 29. September 2006 (VersTV 2005).
…
Teil A |
… |
§ 4 Versorgungsfähiges Einkommen |
…
(2) |
Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt |
|
Die Splittinggrenze beträgt 64.800 Euro. Ab dem 1. November 2009 wird die Splittinggrenze jeweils im Umfang der tabellenwirksamen Tarifanpassungen zu den maßgeblichen Zeitpunkten angepasst. Es erfolgt eine kaufmännische Rundung auf volle Euro-Beträge. … |
(1) |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Regelaltersgrenze erreicht haben und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, erhalten lebenslang ein Altersruhegeld. |
(2) |
Das jährliche Altersruhegeld setzt sich zusammen
- • aus 0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten 12 Beschäftigungsmonate
zuzüglich
- • 1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit.
|
§ 7 Vorzeitiges Altersruhegeld |
(1) |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, können vorzeitiges Altersruhegeld in Anspruch nehmen. … |
Teil C Allgemeine und Schlussbestimmungen |
… |
§ 24 Inkrafttreten und Laufzeit |
(1) |
Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. Abweichend davon tritt der jeweilige § 16 zum 1. Januar 2010 in Kraft. |
(2) |
Teil A dieses Tarifvertrags tritt für den Personenkreis nach § 1 A an die Stelle des nachwirkenden Versorgungstarifvertrages vom 26. September 2006 (VersTV 2005). Teil B tritt für den Personenkreis nach § 1 B an die Stelle der Geltung des VersTV 2005. |
(3) |
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag – unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts – für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.” |
Der Kläger befand sich in der Zeit vom 1. April 1996 bis zum 31. März 2009 aufgrund eines Vorruhestandsvertrags vom 10./20. November 1994 im Vorruhestand. Dieser Vertrag bestimmt zur betrieblichen Altersversorgung:
„§ 5 Betriebliche Altersversorgung |
1. |
Der Vorruhestand endet zu dem Zeitpunkt, in dem frühestens eine gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Versorgungsleistungen beansprucht werden können (§ 7 Struktur-TV). |
2. |
Mit dem Ende des Vorruhestandes werden die Leistungen nach dem Versorgungstarifvertrag (VersTV) fällig. Diese werden zu gegebener Zeit von der DFS bzw. der Unterstützungskasse berechnet und bekanntgegeben.” |
Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und betriebliches Altersruhegeld von der Beklagten. Unter Zugrundelegung der in dem Jahr vor dem 1. April 2009 durchschnittlich geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 63.900,00 Euro (vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 jeweils 5.300,00 Euro pro Monat und vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2009 jeweils 5.400,00 Euro pro Monat) errechnete die Beklagte ein Altersruhegeld iHv. 1.939,23 Euro monatlich.
Gegen diese Berechnung hat sich der Kläger unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (– 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214und – 3 AZR 471/07 –)aufgestellten Grundsätze gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, seine Ruhegeldansprüche richteten sich nicht nach dem VersTV 2009 oder dem VersTV 2005, sondern nach dem VersTV 1993. § 5 des Arbeitsvertrags enthalte eine statische Verweisung auf diesen Tarifvertrag. Der VersTV 1993 sei durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Im Rahmen einer ergänzenden Auslegung sei diese Lücke dahin zu schließen, dass sein Altersruhegeld unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde, wobei der durch die erhöhte Beitragsabführung erworbene Erhöhungsbetrag bei der gesetzlichen Rente anzurechnen sei. Für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. Juli 2011 errechne sich ein Differenzbetrag iHv. insgesamt 6.720,00 Euro brutto.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.720,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 240,00 Euro seit dem 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010, 1. Januar 2011, 1. Februar 2011, 1. März 2011, 1. April 2011, 1. Mai 2011, 1. Juni 2011, 1. Juli 2011 und 1. August 2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch iHv. 4.480,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 160,00 Euro seit dem 1. Mai 2009 und den jeweils folgenden Monatsersten bis zum 1. August 2011 weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seinen Anspruch auf Berechnung seines Altersruhegelds nach dem VersTV 1993 erstmals auf eine Weitergeltung des VersTV 1993 nach § 4 Abs. 5 TVG gestützt. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Für die Berechnung des Altersruhegelds des Klägers ist der VersTV 2009 maßgeblich. Der Arbeitsvertrag des Klägers verweist auf den jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifvertrag. Das war bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 der rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene VersTV 2009. Danach errechnet sich kein höheres als das von der Beklagten gezahlte Altersruhegeld. Der VersTV 2009 ist durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ebenso wenig lückenhaft geworden wie der VersTV 2005. Auf die Weitergeltung des VersTV 1993 nach § 4 Abs. 5 TVG kann der Kläger seinen Anspruch in der Revision nicht stützen.
I. Das Altersruhegeld des Klägers ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht nach dem VersTV 1993, sondern nach dem VersTV 2009 zu berechnen. Der Arbeitsvertrag der Parteien verweist dynamisch auf den jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifvertrag und damit bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 auf den VersTV 2009. Zwar hat die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls nach dem VersTV 2005 ermittelt und nach dem rückwirkenden Inkrafttreten des VersTV 2009 zum 1. Januar 2009 das Altersruhegeld des Klägers nicht neu berechnet. Dies ist jedoch unerheblich, da die Berechnung des Altersruhegelds nach dem VersTV 2005 mit der im Jahr vor dem Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 durchschnittlich geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 63.900,00 Euro für den Kläger günstiger ist als unter Zugrundelegung der im VersTV 2009 bestimmten Splittinggrenze iHv. 64.800,00 Euro.
1. Der VersTV 2009 wird von der Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien erfasst. Dies ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich des in Bezug genommenen VersTV 2009. Das gilt unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits bei Eintritt in den Vorruhestand zum 1. April 1996 oder erst bei Eintritt in den Ruhestand zum 1. April 2009 geendet hat. Dies hat der Senat in einem weiteren Rechtsstreit zwischen den Parteien mit Urteil vom 17. Juni 2014 entschieden und ausführlich begründet (BAG 17. Juni 2014 – 3 AZR 386/13 – Rn. 26 ff.). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
2. Es ist unerheblich, dass die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 nach dem VersTV 2005 und damit gemäß § 7 Abs. 2, § 6 Abs. 2 iVm. § 4 Abs. 2 VersTV 2005 unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2009 iHv. 63.900,00 Euro und nicht unter Zugrundelegung der in § 4 Abs. 2 VersTV 2009 bestimmten Splittinggrenze iHv. 64.800,00 Euro berechnet hat. Da der VersTV 2009 erst am 21. August 2009 abgeschlossen wurde, galt bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand noch der VersTV 2005, auf dessen Grundlage die Beklagte das Altersruhegeld zutreffend berechnet hat. Nach dem VersTV 2009 hätte der Kläger ein geringeres Altersruhegeld zu beanspruchen.
a) Auf der Grundlage des VersTV 2005 hat die Beklagte das (vorzeitige) Altersruhegeld nach §§ 7 und 6 iVm. § 4 Abs. 2 VersTV 2005 unter Berücksichtigung der im Jahr vor dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand durchschnittlich geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 63.900,00 Euro mit 1.939,23 Euro brutto – unstreitig – zutreffend berechnet. Eine andere Berechnung ist nicht deshalb geboten, weil die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI mit Wirkung zum 1. Januar 2003 „außerplanmäßig” angehoben worden war. Der VersTV 2005 ist dadurch nicht lückenhaft geworden. Eine ergänzende Auslegung des VersTV 2005 dahingehend, dass das Altersruhegeld des Klägers so berechnet wird, als wäre die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt, kommt daher nicht in Betracht. Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze hatte auf den VersTV 2005 keine Auswirkungen. Da die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei Abschluss des Tarifvertrags bereits erfolgt war, kann die Regelung zur Beitragsbemessungsgrenze in §§ 4 und 6 VersTV 2005 aus der Sicht der Normunterworfenen nur so verstanden werden, dass mit der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung die bei Abschluss des Tarifvertrags gültige und damit die bereits durch § 275c SGB VI angehobene Beitragsbemessungsgrenze gemeint ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien auf eine andere als die zu diesem Zeitpunkt geltende und sich künftig ändernde Beitragsbemessungsgrenze Bezug nehmen wollten (BAG 23. April 2013 – 3 AZR 23/11 – Rn. 25).
b) Die Beklagte war zwar wegen des rückwirkenden Inkrafttretens des VersTV 2009 zum 1. Januar 2009 grundsätzlich verpflichtet, das Altersruhegeld des Klägers auf der Grundlage dieses Tarifvertrags neu zu berechnen und dabei die Splittinggrenze iHv. 64.800,00 Euro nach § 4 Abs. 2 VersTV 2009 zugrunde zu legen. Dies hätte wegen des um 900,00 Euro geringeren die Splittinggrenze übersteigenden ruhegeldfähigen Einkommens zu einem geringeren Altersruhegeld geführt, denn diese 900,00 Euro hätten lediglich noch mit einem Steigerungssatz von 0,4 vH und nicht von 1,2 vH in Ansatz gebracht werden können. Die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 hatte auf den VersTV 2009 schon deshalb keine Auswirkungen, weil die Berechnung des Altersruhegelds nach dem VersTV 2009 nicht von der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängt. Der VersTV 2009 legt in § 4 Abs. 2 VersTV 2009 eine eigenständige, von der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängige Splittinggrenze fest.
II. Der Kläger kann seinen Klageanspruch auch nicht auf eine ergänzende Auslegung seines Arbeitsvertrags und seines Vorruhestandsvertrags stützen. Beide Verträge enthalten keine Regelung zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und können schon deshalb durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 nicht lückenhaft geworden sein.
III. Auf die tarifrechtliche Weitergeltung des VersTV 1993 nach § 4 Abs. 5 TVG kann der Kläger eine abweichende Berechnung seines Altersruhegelds nach dem VersTV 1993 in der Revision nicht stützen. Hierbei handelt es sich um eine in der Revision unzulässige Klageerweiterung (vgl. ausführlich BAG 17. Juni 2014 – 3 AZR 386/13 – Rn. 35 f.). Der Kläger hat die Geltung des VersTV 1993 für die Berechnung seines Altersruhegelds erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch auf die Nachwirkung des zum 31. Dezember 2004 gekündigten VersTV 1993 nach § 4 Abs. 5 TVG gestützt. Damit hat er einen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt (vgl. hierzu BAG 25. August 2010 – 4 AZR 14/09 – Rn. 12 mwN; 11. Mai 2005 – 4 AZR 315/04 – zu I 4 der Gründe, BAGE 114, 332). Dies ist in der Revision nicht zulässig. In den Vorinstanzen hatte er seinen Klageanspruch ausschließlich auf die aus seiner Sicht statische Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf den VersTV 1993 gestützt. Auf die normative Geltung des VersTV 1993 und dessen Weitergeltung nach § 4 Abs. 5 TVG hatte er sich nicht berufen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Schlewing, Spinner, Heuser, Busch
Fundstellen
Haufe-Index 7253877 |
AP 2015 |