Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O

 

Normenkette

BAT-O § 19; Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O Nr. 1; Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O Nr. 2

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 07.12.1994; Aktenzeichen 4 Sa 180/94)

ArbG Neuruppin (Teilurteil vom 19.01.1994; Aktenzeichen 1 Ca 1851/93)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 7. Dezember 1994 – 4 Sa 180/94 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten des Klägers.

Der 1950 geborene Kläger studierte bis zum 31. August 1973 an der Technischen Universität Dresden. Am 20. September 1973 wurde ihm der akademische Grad „Diplomforstingenieur” verliehen. Am 1. Oktober 1973 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Assistent des Generaldirektors bei der VVB Forstwirtschaft C. auf. Ab 16. September 1974 war er dort als Hauptreferent für Technologie beschäftigt. Mit Wirkung zum 31. August 1975 wurde die WB Forstwirtschaft C. aufgelöst. Deren Aufgaben wurden den Räten der Bezirke zugeordnet. Aufgrund einer Vereinbarung vom 26. August 1975 zwischen dem Kläger, der WB Forstwirtschaft C. und dem Rat des Bezirks L. wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 31. August 1975 aufgehoben. Am 1. September 1975 schloß der Kläger mit dem Rat des Bezirks L. einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit in der dortigen Abteilung Forstwirtschaft. Dieses Arbeitsverhältnis wurde durch Überleitungsvertrag zwischen dem Rat des Bezirks L., dem Rat des Bezirks C. und dem Kläger mit Wirkung zum 31. August 1981 beendet. Ab diesem Zeitpunkt übernahm der Kläger eine Tätigkeit als Sektorenleiter beim Rat des Bezirks C., Abteilung Forstwirtschaft.

Mit Schreiben des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg vom 17. Juni 1991 wurde der Kläger mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Leiters des Staatsforstbetriebs N. und mit Schreiben vom 18. November 1991 mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters des Amtes für Forstwirtschaft A. beauftragt. Am 12. Dezember 1991 schloß der Kläger mit dem beklagten Land einen Arbeitsvertrag ab. § 2 des Vertrages lautet:

„(1) Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung sowie nach den für Angestellte des Arbeitgebers im Gebiet nach Artikel 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen.

(2) Die vor dem 1.01.1991 in einem StFB oder in einer dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, Hauptabteilung Forstwirtschaft, nachgeordneten Einrichtung/Betrieb abgeleisteten Beschäftigungszeiten werden gemäß der Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und der TdL rückwirkend grundsätzlich anerkannt. Die diesbezüglichen Übergangsvorschriften gelten entsprechend.”

Mit Schreiben vom 13. November 1992 rechnete das beklagte Land eine Beschäftigungszeit des Klägers von 9 Jahren und 303 Tagen an. Die Anrechnung der Zeit vor dem 1. September 1981 lehnte das beklagte Land ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land sei verpflichtet, ihm die Zeiten seiner Tätigkeit seit dem 1. Oktober 1973 als Beschäftigungszeit im Sinne von § 19 BAT-O anzurechnen. Er sei seit 1973 immer im Bereich der in der DDR zentralistisch organisierten Forstwirtschaft beschäftigt gewesen und beim Wechsel des Arbeitsorts praktisch immer nur versetzt worden. Die fachliche Leitung habe immer bei dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR gelegen. Das beklagte Land habe auch in § 2 Abs. 2 seines Arbeitsvertrages vom 12. Dezember 1991 die vor dem 1. Januar 1991 in einem staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb oder in einer dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, Hauptabteilung Forstwirtschaft, nachgeordneten Einrichtung/Betrieb abgeleistete Zeit als Beschäftigungszeit im Sinne von § 19 BAT-O grundsätzlich anerkannt. Außerdem verletze das beklagte Land den Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch, daß es in den alten und den neuen Bundesländern zurückgelegte Zeiten anderer Arbeitnehmer als Beschäftigungszeiten anrechne.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß ihm die Beschäftigungszeiten ab 1. Oktober 1973 ununterbrochen als Dienstzeiten im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg anzuerkennen seien.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, den Beschäftigten des Landes Brandenburg könnten nur die Zeiten angerechnet werden, die im Gebiet dieses Landes abgeleistet worden seien. In der Zeit ab 1975 sei der Kläger Mitarbeiter des Rates des Bezirks L. im Bereich des heutigen Freistaates Sachsen gewesen. Dies schließe die Anrechnung der Zeiten der dortigen Tätigkeit als Beschäftigungszeit aus. Die Zeit der Tätigkeit bei der VVB Forstwirtschaft C. sei keine im Sinne von § 19 BAT-O anrechenbare Beschäftigungszeit, weil sie nicht bei demselben Arbeitgeber abgeleistet worden sei. Aus § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während das beklagte Land um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß ihm die Zeit vom 1. September 1975 bis zum 31. August 1981 in der er beim Rat des Bezirks L., Abteilung Forstwirtschaft, tätig war, als Beschäftigungszeit angerechnet wird.

a) Diese Zeit ist nicht nach § 19 Abs. 1 BAT-O als Beschäftigungszeit anzurechnen, weil sie nicht bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden ist. § 19 Abs. 1 BAT-O setzt voraus, daß mit derselben Person im Rechtssinne ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (allgemeine Meinung: vgl. BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 792/94 – n.v.; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1996, § 19 Rz 2; Crisolli/Ramdohr/Sieber/Meid, BAT, Stand April 1996, § 19 Anm. 1; GKÖD-Baumgärtel, Stand Mai 1996, T § 19 Rz 1; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, Stand Mai 1996, § 19 Erl. 1; PK-BAT, Mosebach, 2. Aufl., § 19 Rz 9). Daran fehlt es hier. Zwischen dem früheren Arbeitgeber des Klägers, dem Rat des Bezirks L., und dem beklagten Land besteht keine rechtliche Identität. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Umstand, daß das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft die fachliche Leitung der Abteilung Forstwirtschaft des Rates des Bezirks L. innehatte, keine rechtliche Bedeutung beigemessen. Weder eine kapitalmäßige Beteiligung noch die Ausübung der Rechts- oder Fachaufsicht sind insoweit erheblich (vgl. PK-BAT, Mosebach, 2. Aufl., § 19 Rz 9).

b) Die Zeit vor dem 31. August 1981 ist auch nicht nach § 19 Abs. 2 BAT-O i.V.m. Nr. 1 Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O anzurechnen.

Nach § 19 Abs. 2 BAT-O werden, wenn ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem anderen Arbeitgeber übernimmt, die bei der übernommenen Dienststelle zurückgelegten Zeiten unter bestimmten Voraussetzungen als Beschäftigungszeit angerechnet. Nach Nr. 1 Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O gilt als Übernahme i.S. von § 19 Abs. 2 auch die Überführung von Einrichtungen nach Art. 13 Einigungsvertrag. Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde i.S. von Art. 13 Einigungsvertrag überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-) Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (vgl. BAG Urteil vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 23/93 – AP Nr. 11 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B I 1 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92BAGE 72, 176, 179 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu I 4 der Gründe). Eine Überführung der Abteilung Forstwirtschaft des Rates des Bezirks L. auf das beklagte Land fand nicht statt. Allenfalls auf den Freistaat Sachsen kann die L. Abteilung Forstwirtschaft überführt worden sein. Darauf kommt es jedoch hier nicht an, da der Freistaat Sachsen nicht Beklagter ist.

c) Die Zeit vor dem 31. August 1981 ist auch nicht nach § 19 Abs. 2 i.V.m. Nr. 2 Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O als Beschäftigungszeit anzurechnen.

Nach Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O gelten für Angestellte der Länder als Beschäftigungszeit auch Zeiten der Beschäftigung bei nicht nach Art. 13 Einigungsvertrag überführten Einrichtungen, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat.

Der Rat des Bezirks L. war als örtliches Staatsorgan für die staatliche Leitung und Planung der Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft im Bezirk verantwortlich (vgl. § 1 Abs. 4, § 20 Abs. 1 und 3, § 27 Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Juli 1973 – GBl. I S. 313 – und für den Zeitraum ab 1. September 1985 § 10 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 und 2, § 29 Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985 – GBl. I S. 214 –. Da dieser Bezirk auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Sachsen lag, hat das beklagte Land seine Aufgaben nicht i.S. von Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O übernommen.

2. Auch die Zeit der Tätigkeit vom 1. Oktober 1973 bis zum 31. August 1975, in der der Kläger bei der VVB Forstwirtschaft C. tätig war, ist nicht als Beschäftigungszeit anzurechnen.

Eine Anrechnung nach § 19 Abs. 1 BAT-O scheidet aus den oben (unter 1 a) genannten Gründen aus. Auch nach Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O ist diese Zeit nicht zu berücksichtigen. Der VVB Forstwirtschaft C. ist weder auf das beklagte Land überführt worden noch hat dieses dessen Aufgabe übernommen. Er ist schon 1975 aufgelöst worden und konnte damit weder nach Artikel 13 EV überführt werden noch infolge des Beitritts wegfallen.

3. Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Auslegung dieser Vertragsbestimmung durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ansicht der Revision, die Verweisung in § 2 Abs. 2 Arbeitsvertrag beziehe sich nur auf Nr. 4 Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O, findet im Wortlaut des Arbeitsvertrags keine Stütze. Dieser verweist eindeutig auf die Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und der TdL und ohne Einschränkung auf „die diesbezüglichen Übergangsvorschriften”. Darunter sind die genannten Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O und nicht nur deren Nr. 4 zu verstehen.

4. Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß das beklagte Land bei anderen Angestellten, die sich in der gleichen Lage befanden. Beschäftigungszeiten angerechnet hat. Der von der Revision genannte Staatsvertrag zwischen den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, nach dem frühere Beschäftigungszeiten, die bei Arbeitgebern auf dem Gebiet des anderen Bundeslandes verbracht worden sind, anzurechnen sind, bindet das beklagte Land gegenüber dem früher im Gebiet des heutigen Freistaats Sachsen beschäftigten Kläger nicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, K.-H. Reimann, Matiaske

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089234

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge