Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 26.05.1993; Aktenzeichen 2 Sa 46/93) |
ArbG Bautzen (Urteil vom 27.01.1993; Aktenzeichen 12 Ca 668/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 26. Mai 1993 – 2 Sa 46/93 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der 1945 geborene Kläger war seit 1964 als Lehrer im Schuldienst der ehemaligen DDR beschäftigt. Er ist Diplomlehrer für Chemie und Englisch. Von 1972 bis 1977 war der Kläger ehrenamtlicher Parteisekretär an der Oberschule F.. In demselben Zeitraum war er stellvertretender Direktor seiner Schule in F. Am 1. August 1977 wurde er zum Direktor an dieser Schule ernannt. Das Direktorenamt übte der Kläger bis zum 31. März 1990 aus. Seit 1. April 1990 wurde der Kläger wieder als Lehrer beschäftigt.
Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 15. Juni 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 30. September 1992.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Aus den von ihm ausgeübten Funktionen ließe sich nicht herleiten, er sei für den Lehrerberuf persönlich ungeeignet. Als Direktor habe er keine derart herausragende Funktion ausgeübt, daß man allein daraus auf eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat schließen könne. Die Funktionen des stellvertretenden Direktors und des Direktors seien ihm nicht aus politischen Gründen zugewiesen worden. Sein seit 1. Januar 1990 erteilter Unterricht sei im Schüler- und Kollegenkreis unbeanstandet hinsichtlich politischer Äußerungen verlaufen. Nach dem negativen Ergebnis der Vertrauensabstimmung durch die Schulkonferenz im März 1990 habe er, trotz der Bitte des Lehrerkollegiums, bis Abschluß des Schuljahres die Schulleitung zu behalten, seine Abberufung als Direktor beantragt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung des Beklagten vom 15. Juni 1992 nicht beendet sei, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbesteht,
ferner – für den Fall, daß er mit dem Feststellungsantrag obsiege – den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrer für die englische Sprache bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Als stellvertretender Direktor und Direktor sei der Kläger über 18 Jahre ein Repräsentant des SED-Staates gewesen. Als Schulleiter sei es seine Aufgabe gewesen, die Kinder zur Liebe zur sozialistischen DDR zu erziehen sowie die Lehrer politisch-ideologisch anzuleiten. Der Direktor habe Einfluß zu nehmen gehabt auf die Zusammensetzung des Pädagogenkollektivs. Er sei dafür verantwortlich gewesen, daß die Tätigkeit der FDJ und der Pionierorganisation „Ernst Thälmann” auf der Grundlage der Beschlüsse des Zentralrates der FDJ durchgeführt worden seien.
Darüber hinaus sei der Kläger von 1972 bis 1977 Parteisekretär seiner Schule gewesen. Als Parteisekretär habe der Kläger bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Recht zur Mitsprache gehabt. Er habe den Direktor kontrolliert, damit dieser die Parteilinie an der Schule einhalte. Ferner sei der Parteisekretär verantwortlich gewesen für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. In diesem Sinne habe er die Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima der Schule besprochen worden sei.
Auch außerhalb der Schule habe sich der Kläger für die SED-Politik engagiert, indem er von 1968 bis 1973 Vorsitzender der Grundorganisation der Gesellschaft für Sport und Technik und von 1988 bis 1990 Vorsitzender des Ortsausschusses der Nationalen Front gewesen sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 15. Juni 1992 zum 30. September 1992 aufgelöst worden.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei für den Lehrerberuf persönlich nicht geeignet. Der berufliche Werdegang des Klägers stelle sich als eine typische Parteikarriere dar, die über einen längeren Zeitraum eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat mit sich gebracht habe. Diese Identifikation folge insbesondere aus der fünfjährigen Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär an seiner Schule. So habe es unbestritten zu den Aufgaben eines Parteisekretärs gehört, der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima der Schule zu berichten und Parteiversammlungen seiner Betriebsparteiorganisation (hier: Schule) zu leiten, in denen das politische Klima der Schule besprochen worden sei. Der Kläger habe die Tätigkeit als Parteisekretär zwar bereits 1977 beendet. Seine besondere Identifikation mit dem SED-Staat bis zur Wende ergebe sich aber aus dem weiteren Werdegang. So sei der Kläger 1977 zum Direktor der Schule berufen worden, so daß er zwangsläufig das Amt des Parteisekretärs habe aufgeben müssen. Die ungewöhnlich frühe Beförderung des Klägers zum stellvertretenden Direktor mit 27 Jahren und nach fünf Jahren Parteisekretärstätigkeit die Berufung zum Direktor mit 32 Jahren lasse den Schluß zu, daß für diese Karriere nicht nur fachliche Gründe maßgeblich gewesen seien.
Die sich aus den vom Kläger wahrgenommenen Funktionen ergebende besondere Identifikation mit dem SED-Staat, die seine persönliche Ungeeignetheit für den Lehrerberuf begründe, habe der Kläger nicht entkräftet. Die bloße beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts seit 1. Januar 1990 genüge hierfür nicht. Ein besonderes Engagement des Klägers für demokratische Institutionen habe der Kläger nicht dargetan.
B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne dieser Bestimmung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volks Souveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
a) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361, 364 f. = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B III 1, 2 der Gründe).
b) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – BAGE 72, 176, 182 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
c) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
d) Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert – auf der Grundlage des Parteivortrags – eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß des 1. Senats vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu C I 3 b aa der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser – der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden – Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
e) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 5 der Gründe).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers für den Lehrerberuf nach Abs. 4 Ziff. 1 EV angenommen.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aus der vom Kläger von 1972 bis 1977 ausgeübten ehrenamtlichen Tätigkeit als Parteisekretär seiner Schule auf seine besondere Identifikation mit den Zielen der SED geschlossen. Die Parteisekretäre hatten als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit diesen Zielen besonders identifiziert hat, was ihn für eine Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 –, a.a.O., zu B II 3 a der Gründe).
Der Indizwirkung steht nicht entgegen, daß der Kläger bereits 1977, also 15 Jahre vor Ausspruch der Kündigung das Amt des Parteisekretärs aufgegeben hat. Zwar kann nach einem längeren Zeitablauf auch die früher wiederholt ausgeübte Tätigkeit eines Parteisekretärs keine Indizwirkung mehr entfalten. Dies gilt aber nicht, wenn das Amt des Parteisekretärs nur deshalb abgegeben wurde, um das Amt des Direktors zu übernehmen und wenn die gesamte Tätigkeit als Parteisekretär und Direktor als einheitliche „Parteikarriere” anzusehen ist.
Der Kläger war von 1972 bis 1977 nicht nur Parteisekretär, sondern gleichzeitig stellvertretender Direktor seiner Schule. Parteiamt und stellvertretendes Schulleiteramt waren bei ihm deshalb bereits 1972 verbunden. Als der Kläger dann 1977 mit 32 Jahren Direktor der Schule wurde, hat er das Amt des Parteisekretärs abgegeben. Für den Kläger war damit das Amt des Parteisekretärs die Vorstufe zum Amt des Direktors. Beide Ämter waren in der DDR grundsätzlich getrennt, so daß die Abgabe des Parteisekretärsamtes als eine logische Folge der Beförderung zum Direktor und keineswegs als Abkehr von der SED zu verstehen war.
Zwar begründet die bloße langjährige Ausübung des Amtes des Schuldirektors in der ehemaligen DDR keine Zweifel an der Eignung für den Lehrerberuf. Der Schulleiter hatte nicht wie der Schulparteisekretär überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken. Das staatliche Amt des Schuldirektors in der ehemaligen DDR war aber nicht nur für den organisatorischen Ablauf des Schulgeschehens zuständig, sondern parteinah ausgerichtet (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 233/93 – n.v., zu B 2 b der Gründe; Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 426/93 – n.v., zu B II 2 d aa der Gründe). Deshalb ging die einmal durch die langjährige Ausübung des Parteisekretärsamtes begründete Indizwirkung einer besonderen Identifikation mit dem SED-Staat in der Regel nicht durch die anschließende bloße langjährige Ausübung des Direktorenamtes verloren.
Im Streitfall kommt hinzu, daß der Kläger das Direktorenamt unstreitig auch parteinah ausübte. Die Schulkonferenz versagte ihm deshalb in einer Abstimmung im März 1990 das Vertrauen als Direktor. Die parteinahe Amtsführung des Klägers wird auch in der Stellungnahme des Personalrats vom 1. April 1990 an den Bezirkspersonalrat deutlich. Danach sei der Kläger in Ausübung seiner Tätigkeit als Direktor „bestrebt gewesen, die Bildungs- und Erziehungsziele der SED durchzusetzen”, „habe sich zur Ideologie der SED bekannt” und „habe versucht, eventuelle Zweifel bei Kollegen mit Nachdruck auszuräumen”. Als Direktor „habe er sich proportional mehr für ideologische Arbeit als für andere Bereiche engagiert”.
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Indizwirkung nicht entkräftet. Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die geeignet wären, seine besondere Identifikation mit den Zielsetzungen der SED und die daraus noch im Kündigungszeitpunkt zu folgernde Ungeeignetheit für den Lehrerberuf zu entkräften. Die bloße beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts seit der Wende genügt hierfür nicht. Der Kläger hat weder ein besonderes Engagement für demokratische Institutionen dargetan noch ein eindeutiges Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennen lassen.
3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen als unwirksam angesehen. Die Rüge mangelnder Unterrichtung des Personalrats hat der Kläger bereits in der Berufungsinstanz nicht mehr aufrechterhalten. Dort war zwischen den Parteien außer Streit gestellt worden, daß der Bezirkspersonalrat auch über die Tätigkeit des Klägers als Parteisekretär von 1972 bis 1977 unterrichtet worden war.
4. Das Landesarbeitsgericht hat auch die Kündigungsfrist nach § 55 Abs. 2 AGB-DDR richtig berechnet. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigungsfrist entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach fand entgegen der Ansicht der Revision weder die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte noch die des § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 –, a.a.O., zu B III der Gründe). Der Beklagte hat die maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gemäß § 55 Abs. 2 AGB-DDR eingehalten.
C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Krause, Rosendahl
Fundstellen