Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. tarifliche Ausschlussfrist. ordnungsgemäße Geltendmachung. Nennung des Anspruchsgrundes. Bezifferbarkeit. Fälligkeit des Anspruchs bei Unkenntnis der Rechtslage. Notwendigkeit der Geltendmachung für jeden einzelnen Anspruch. Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist
Orientierungssatz
1. Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und ggf. Rücklagen bilden können. Vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht rechnen muss, soll er geschützt werden.
2. Ausgehend von diesem Zweck ist zur ordnungsgemäßen Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist erforderlich, dass der Anspruchsgegner zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufgefordert wird. Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Darum muss der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Anspruchsgegner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend erforderlich.
3. Wird zunächst ein bestimmter Anspruch ordnungsgemäß geltend gemacht und später für denselben Zeitraum ein eigenständiger Anspruch, der auf einem anderen Lebenssachverhalt beruht und darum einen anderen Streitgegenstand zum Inhalt hat, geltend gemacht, ist für diesen Anspruch die Ausschlussfrist mit der ersten Geltendmachung nicht gewahrt. Das gilt auch, soweit sich die Ansprüche betragsmäßig decken.
4. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ein Anspruch werde erst fällig im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist, wenn ihn der Anspruchsteller annähernd beziffern könne, bezieht sich allein auf die zur Bezifferung erforderlichen Tatsachengrundlagen des Anspruchs, nicht aber auf die Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs. Die Unkenntnis der Rechtslage hat grundsätzlich ebenso wenig wie eine rechtliche Fehleinschätzung Einfluss auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und damit den Beginn der Ausschlussfrist.
Normenkette
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Allgemeiner Teil – vom 13. September 2005 § 37 Abs. 1; Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001 § 6 Abs. 1, 3 S. 2 Buchst. a, S. 4 Buchst. a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2014 – 13 Sa 18/14 – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.
3. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 2013 – 8 Ca 575/11 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.075,24 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 27. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 81 % und die Beklagte zu 19 %.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Höhe einer tariflichen Einkommenssicherungszulage.
Der Kläger ist 1967 geboren und unter Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten seit dem 1. Juli 1988 bei der beklagten Bundesrepublik beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Anwendung. Seit dem 1. September 2006 erfolgte eine Einkommenssicherung nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001. Der Kläger erhielt monatlich eine persönliche Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw in Höhe von zunächst 330,54 Euro brutto.
In der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 4. Dezember 2007 bestimmte § 6 Abs. 3 TV UmBw zur Dynamisierung der persönlichen Zulage Folgendes:
„1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. 2Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die
- eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,
- noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel
des Erhöhungsbetrages. … 4Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte
- das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,
- eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder
- zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag, nach dem Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung oder einem der Tarifverträge über den Rationalisierungsschutz vom 9. Januar 1987 eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.
…”
Eine inhaltlich gleichlautende Regelung enthält § 6 Abs. 3 TV UmBw idF des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom 10. Dezember 2010.
Aufgrund der seit dem 1. Januar 2008 erfolgten Entgelterhöhungen kürzte die Beklagte die persönliche Zulage nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw auf zuletzt 240,27 Euro brutto. Sie nahm dabei jeweils eine Kürzung um ein Drittel des auf das laufende Entgelt entfallenden Erhöhungsbetrags vor.
Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, die Zulage dürfe nur bezüglich des Erhöhungsbetrags gekürzt werden, der auf die persönliche Zulage selbst entfalle. Diesen Anspruch machte er erstmals mit Schreiben vom 25. September 2008 schriftlich geltend und hat mit seiner 2011 eingereichten Klage zunächst die sich aus dieser Rechtsauffassung ergebende Entgeltdifferenz für die Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2011 begehrt. Nachdem das Verfahren bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage geruht hatte, beruft sich der Kläger seit Aufnahme des Verfahrens mit Schriftsatz vom 6. Mai 2013, der der Beklagten am 21. Mai 2013 zugestellt worden ist, darauf, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw unmittelbar altersdiskriminierend sei, soweit danach die Zulage gekürzt werde, wenn der Arbeitnehmer wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweise, aber noch nicht mindestens 55 Jahre alt sei. Insoweit stützt sich der Kläger auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –). Die Zulage habe daher überhaupt nicht gekürzt werden dürfen. Ihm müsse deshalb die Differenz nachgezahlt werden, die sich für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2013 zu den tatsächlich gezahlten Beträgen ergebe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für den gesamten Streitzeitraum die tarifliche Ausschlussfrist bereits mit der Geltendmachung vom 25. September 2008 gewahrt. Jedenfalls handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Ausschlussfrist berufe. Aufgrund ihres Prozessverhaltens habe er darauf vertrauen dürfen, dass während des Ruhens des Verfahrens keine Fristversäumnis eintrete.
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – zuletzt
beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.516,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger habe die tarifliche Ausschlussfrist versäumt. Sie handele auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist berufe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 4.071,08 Euro brutto stattgegeben. Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD-AT sei für den ursprünglichen Klagezeitraum nur in Höhe der zunächst erhobenen Klageforderung gewahrt. Darüber hinausgehende Differenzbeträge seien verfallen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat beide Berufungen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision greifen diese im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw ist zwar altersdiskriminierend. Darum hatte der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf eine uneingeschränkte Dynamisierung der persönlichen Zulage. Die vor November 2012 fällig gewordenen Ansprüche des Klägers auf Entgeltnachzahlung sind jedoch verfallen. Insoweit ist die Klage unbegründet. Die Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Ihm steht die begehrte höhere Entgeltnachzahlung von 1.445,70 Euro brutto nicht zu, sondern nur eine Nachzahlung von 1.075,24 Euro brutto für die Zeit von November 2012 bis Juni 2013.
I. Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, die wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweisen, soweit sie innerhalb dieses Personenkreises Beschäftigte wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt. Das hat für die hier allein streitbefangene Vergangenheit im Ergebnis eine „Anpassung nach oben” zur Folge, so dass der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung einer uneingeschränkt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw erworben hatte. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 (– 6 AZR 700/14 – Rn. 16 ff.) Bezug und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf.
II. Die vor November 2012 fällig gewordenen Entgeltnachzahlungsansprüche sind jedoch gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Auch das Gebot von Treu und Glauben führt zu keinem anderen Ergebnis. Schließlich ist die Beklagte mit dem Einwand des § 37 TVöD-AT auch nicht präkludiert.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Ausschlussfrist nicht erst mit Kenntnis der Entscheidungsgründe des Urteils des Senats vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –), sondern jeweils mit der gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 TVöD-AT am Monatsende eingetretenen Fälligkeit des Anspruchs auf die persönliche Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw angelaufen. Dem Kläger wäre es bereits vor Kenntnis der Entscheidung des Senats vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –) ohne Weiteres tatsächlich möglich gewesen, die nunmehr verfolgten Ansprüche auf Zahlung der uneingeschränkt dynamisierten persönlichen Zulage zu beziffern und geltend zu machen. Sämtliche dafür erforderlichen Berechnungsgrundlagen waren ihm bekannt.
a) Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und ggf. Rücklagen bilden können (BAG 13. Dezember 2007 – 6 AZR 222/07 – Rn. 18, BAGE 125, 216). Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht rechnen muss, geschützt werden (BAG 3. Juli 2013 – 4 AZR 476/12 – Rn. 44; vgl. bereits RG 27. Februar 1940 – RAG 162/39 –).
b) Ausgehend von diesem Zweck ist die Fälligkeit im Sinne der Ausschlussfrist nach einem allgemeinen und objektiven Maßstab zu bestimmen (BAG 23. August 1990 – 6 AZR 554/88 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 66, 29). Die Unkenntnis der Rechtslage hat deshalb grundsätzlich ebenso wenig wie eine rechtliche Fehleinschätzung Einfluss auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und damit den Beginn der Ausschlussfrist (für einen aus einer richtlinienkonform fortgebildeten Norm resultierenden Anspruch BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 22 f.; für die Verkennung der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung einer Bestimmung: BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 806/09 – Rn. 18; 13. Dezember 2007 – 6 AZR 222/07 – Rn. 19 f., BAGE 125, 216). Dem Anspruchsteller sind in dieser Konstellation die Tatsachen, die seinen Anspruch begründen, uneingeschränkt bekannt. Er erkennt lediglich die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen nicht und macht darum den Anspruch nicht geltend. Diese Untätigkeit fällt allein in seine Risikosphäre. Darin liegt der Unterschied zu den vom Kläger herangezogenen Fällen (vgl. BAG 19. Februar 2004 – 6 AZR 664/02 – zu I 4 b bb der Gründe), in denen es – etwa im Falle einer Gehaltsüberzahlung – dem Anspruchsteller praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit Fälligkeit geltend zu machen, weil die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Anspruchsgegners liegen.
c) Aus der ebenfalls vom Kläger angeführten Rechtsprechung, ein Anspruch werde erst fällig im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist, wenn ihn der Anspruchsteller annähernd beziffern könne (vgl. nur BAG 31. Juli 2014 – 6 AZR 759/12 – Rn. 31 sowie die vom Kläger genannte Entscheidung BAG 1. März 2006 – 5 AZR 511/05 – Rn. 14, BAGE 117, 165), folgt nichts anderes. Sie bezieht sich allein auf die zur Bezifferung erforderlichen Tatsachengrundlagen des Anspruchs, nicht aber auf die Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs (vgl. BAG 16. Mai 1984 – 7 AZR 143/81 – zu II 1 der Gründe).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Geltendmachung vom 25. September 2008 die Ausschlussfrist auch für den nunmehr streitbefangenen Anspruch auf Zahlung einer diskriminierungsfreien und darum uneingeschränkt dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw wahrte. Dies rügt die Revision der Beklagten mit Erfolg. Eine Geltendmachung dieses Anspruchs iSv. § 37 Abs. 1 TVöD-AT ist erst mit dem Wiederaufnahmeschriftsatz vom 6. Mai 2013 erfolgt.
a) Für eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD-AT ist erforderlich, dass der Anspruchsgegner zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufgefordert wird. Der Anspruchsteller muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht (vgl. BAG 20. Juni 2002 – 8 AZR 488/01 – zu II 2 e aa der Gründe). Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt (vgl. BAG 18. März 1999 – 6 AZR 523/97 – zu B II 3 a der Gründe). Das setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Anspruchsgegner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend erforderlich (vgl. BAG 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 24). Nur bei einer Geltendmachung, die diesen Anforderungen genügt, wird der Zweck tariflicher Ausschlussfristen, für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen, gewahrt.
b) Die Geltendmachung vom 25. September 2008 wahrte zwar hinsichtlich der ursprünglich zwischen den Parteien streitigen Berechnung des Abschmelzungsbetrags der persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw die tarifliche Ausschlussfrist. Anders als der Kläger behauptet, hat er nicht (nur) verlangt, dass § 6 TV UmBw „richtig angewandt” wird – was zur Geltendmachung nicht genügt hätte –, sondern konkret deutlich gemacht, dass, warum und inwieweit er die Berechnung der Zulage durch die Beklagte für unzutreffend hält. Er hat als Grund für den Widerspruch gegen die Neufestsetzung der persönlichen Zulage angegeben: „Die Verringerung um 1/3, bzw. 2/3 der persönlichen Zulage gemäß § 6 TV UmBw bezieht sich nur auf den Erhöhungsbetrag der persönlichen Zulage und nicht wie in meiner Neufestsetzung berechnet wurde, auf die Erhöhung des laufenden Entgeltes”.
c) Der nunmehr streitbefangene Anspruch auf Beseitigung der altersdiskriminierenden Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a und Satz 4 Buchst. a TV UmBw wird von der Geltendmachung vom 25. September 2008 dagegen nicht erfasst. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Anspruch, der auf einem anderen Lebenssachverhalt beruht, und damit um einen anderen Streitgegenstand (zum Streitgegenstandsbegriff vgl. BAG 25. September 2013 – 10 AZR 454/12 – Rn. 17, BAGE 146, 123). Dies steht der Wahrung der Ausschlussfrist entgegen (vgl. für die Geltendmachung der Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe, die zur Wahrung der Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung aus der niedrigeren Vergütungsgruppe grundsätzlich nicht ausreicht, BAG 3. August 2005 – 10 AZR 559/04 – zu II 1 c aa der Gründe). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, für eine Geltendmachung genüge es, wenn deutlich werde, dass der Arbeitnehmer die Kürzungen nicht akzeptiere und die Zahlung einer höheren persönlichen Zulage verlange, berücksichtigt nicht, dass die Entscheidung des Anspruchsgegners, ob er die geltend gemachte Forderung erfüllen will, gerade von der für die Forderung angeführten (rechtlichen) Begründung abhängt und je nach dem angegebenen Anspruchsgrund völlig unterschiedlich ausfallen kann (vgl. für eine Forderungsmehrheit: BAG 30. Mai 1972 – 1 AZR 427/71 – zu II 1 der Gründe; Dütz Anm. AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 50 unter II). Die Geltendmachung vom 25. September 2008 zielte ausschließlich darauf, dass der Abschmelzungsbetrag sich allein aus dem Erhöhungsbetrag der persönlichen Zulage errechne. Dies gab der Beklagten keine Veranlassung zu prüfen, ob sie dem Verlangen des Klägers aus einem ganz anderen rechtlichen Gesichtspunkt, nämlich der altersdiskriminierenden Bevorzugung eines bestimmten Personenkreises, nachkommen wollte. Sie konnte und musste sich darum auch nicht darauf einstellen, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt Nachzahlungen leisten zu müssen und dafür haushaltsrechtliche Rückstellungen zu bilden.
d) Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch nicht nur die Differenz zwischen der ursprünglichen und der aktuellen Klageforderung verfallen. Folgte man der Auffassung des Klägers, wäre die Angabe des Anspruchsgrundes zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist entbehrlich, es käme allein darauf an, einen bestimmten Betrag zu fordern. Das macht folgendes Beispiel deutlich: Fordert der Arbeitnehmer eine Nachzahlung von 1.000,00 Euro, weil Überstunden, die er in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März geleistet habe, nicht vergütet seien, wäre unter Zugrundelegung der Auffassung des Klägers eine erneute Geltendmachung für eine Forderung entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer später eine Nachzahlung von ebenfalls 1.000,00 Euro für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März fordert, weil er insoweit das geschuldete Grundentgelt nicht erhalten habe. Gerade die Angabe des Anspruchsgrundes ermöglicht aber, wie ausgeführt, dem Anspruchsgegner erst die Prüfung, ob er der Geltendmachung nachkommen will.
3. Die Geltendmachung der Nachzahlung der persönlichen Zulage für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis einschließlich Oktober 2012 ist entgegen der Annahme des Klägers auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zuzulassen.
a) Allerdings kann der Anspruchsteller dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Anspruchsgegner die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Tatsachen verhindert, ihn von der rechtzeitigen Geltendmachung abhält, weil er in ihm das Vertrauen weckt, er werde auch ohne Geltendmachung den Anspruch erfüllen, oder es pflichtwidrig unterlässt, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Frist veranlasst hätten (vgl. BAG 8. Dezember 2011 – 6 AZR 397/10 – Rn. 17, BAGE 140, 99; 13. Dezember 2007 – 6 AZR 222/07 – Rn. 28 ff., BAGE 125, 216). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat, anders als der Kläger annimmt, bei diesem durch ihre Zustimmung zur Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Klärung der ursprünglich streitigen Rechtsfrage nicht das Vertrauen geweckt, er werde während des Ruhens keine Fristen versäumen. Der Kläger hat nicht wegen des Ruhens des Rechtsstreits die Ausschlussfrist versäumt, sondern allein deshalb, weil er die altersdiskriminierende Wirkung des § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw nicht erkannt hatte und den Anspruch auf eine diskriminierungsfreie persönliche Zulage nicht geltend gemacht hatte.
b) Auch der vom Kläger angestellte Vergleich mit der Rechtsprechung in Überzahlungsfällen geht fehl. Zwar steht der Ausschlussfrist in der Regel der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn der Arbeitnehmer eine erhebliche Überzahlung nicht anzeigt, obwohl er erkennt, dass dem Arbeitgeber bei der Berechnung der Vergütung ein Irrtum unterlaufen ist (vgl. nur BAG 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – Rn. 19, BAGE 136, 54). Der Kläger übersieht jedoch, dass die vorliegende Konstellation damit nicht vergleichbar ist und darum entgegen seiner Ansicht die „wechselseitigen Mitteilungspflichten” auch keinen unterschiedlichen Maßstäben unterliegen. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs beruht in den Überzahlungsfällen darauf, dass der Arbeitnehmer die Überzahlung und damit den Irrtum des Arbeitgebers erkennt, diesem aber gleichwohl die Informationen vorenthält, die dieser zur Entdeckung des Irrtums benötigt und die ihm die Einhaltung der Ausschlussfrist ermöglichen würden (vgl. BAG 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – aaO). Vorliegend haben die Parteien aber bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –) übereinstimmend die Rechtslage unzutreffend beurteilt. Die Beklagte hat sich nicht einseitig einen Irrtum des Klägers zunutze gemacht, sondern unterlag demselben Irrtum.
4. Schließlich ist die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers mit dem Einwand des Ablaufs der Ausschlussfrist auch nicht präkludiert. Der Schriftsatz vom 21. August 2013, in dem die Beklagte erstmals die Versäumung der Ausschlussfrist gerügt hat, ist am letzten Tag der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist per Telefax bei Gericht eingegangen. Unabhängig davon wäre der Senat auch an eine zu Unrecht erfolgte Zulassung von Vorbringen gebunden, weil eine etwaige, vom Landesarbeitsgericht akzeptierte Verzögerung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 845/11 – Rn. 37).
III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, auf die kürzeren Ausschlussfristen nach dem AGG komme es nicht an, weil der Kläger keine Entschädigung oder Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG begehre, sondern die Erfüllung der Hauptleistungspflicht der Beklagten durch Zahlung einer höheren und diskriminierungsfreien Vergütung anstrebe. Das greift die Revision der Beklagten nicht an.
IV. Der Kläger hat bereits mit dem der Beklagten am 21. Mai 2013 zugestellten Wiederaufnahmeschriftsatz vom 6. Mai 2013 und nicht erst mit der bezifferten Klageerweiterung vom 19. Juni 2013 die Ausschlussfrist für die Ansprüche auf Zahlung einer ungekürzten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw für die Zeit seit November 2012 gewahrt. Das führt zu einem Nachzahlungsanspruch von 1.075,24 Euro brutto.
1. Bereits mit Schriftsatz vom 6. Mai 2013 hat der Kläger unter Bezug auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –) geltend gemacht, hinsichtlich des Personenkreises, dem der Kläger angehöre, liege eine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Er hat die Beklagte aufgefordert, die Bezüge dementsprechend neu zu berechnen und die daraus folgende Nachzahlung vorzunehmen. Damit hat er bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, welcher Forderung er sich berühmt und dass er auf der Erfüllung dieser Forderung besteht. Die Beklagte konnte nach ihrem Empfängerhorizont ohne Weiteres erkennen, um welche Forderung es sich handelte. Auch wenn der Kläger seinen Anspruch in dem Schriftsatz noch nicht beziffert hat, war für die Beklagte, die über das erforderliche Rechenwerk verfügte, die Höhe des Anspruchs mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar. Auch konnte sie die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt werden sollte, ebenso erkennen wie den Umstand, dass der Kläger den nunmehr geltend gemachten Anspruch – soweit im Rahmen der Ausschlussfrist möglich – auch rückwirkend geltend machen wollte. Der Vergangenheitsbezug ergab sich aus dem Verlangen, die Bezüge neu zu berechnen und die „Nachzahlung” vorzunehmen.
2. Der Anspruch auf die persönliche Zulage für November 2012 wurde gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT am 30. November 2012, einem Freitag, fällig. Aus den Berechnungen des Klägers, deren rechnerische Richtigkeit die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, ergibt sich für die Zeit seit November 2012 bis Juni 2013 eine Nachforderung von 1.075,24 Euro brutto. Soweit der Kläger dabei für November und Dezember 2012 statt der zunächst angegebenen Differenz von jeweils 121,52 Euro brutto in der Berufungsbegründung einen Betrag von 129,86 Euro brutto errechnet hat, steht § 37 Abs. 1 TVöD-AT dieser korrigierten Forderungshöhe nicht entgegen. Es handelt sich um einen schlichten Rechenfehler, den der Kläger korrigiert hat. Was der Kläger als Klageziel anstrebt und wie er die Forderung errechnet, konnte die Beklagte ohne Weiteres anhand der Berechnung in der Klageerweiterung erkennen, die Berechtigung dieser Forderung rechtlich und rechnerisch prüfen und sich auf die Erfüllung dieser Forderung einstellen.
V. Die Zinsentscheidung folgt aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Steinbrück, Lauth
Fundstellen
BB 2016, 1076 |
FA 2016, 221 |
ZTR 2016, 313 |
AP 2016 |
EzA-SD 2016, 8 |
EzA 2016 |
NZA-RR 2016, 330 |
öAT 2016, 123 |
ArbR 2016, 240 |
NJW-Spezial 2016, 308 |
AP-Newsletter 2016, 115 |