Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung technischer Sachverständiger
Normenkette
BGB §§ 133, 157; AGBG § 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Oktober 1997 – 8 (12) Sa 596/97 – teilweise aufgehoben, soweit es der Berufung des Beklagten stattgegeben hat.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16. Januar 1997 – 6/11 Ca 6325/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche des Klägers.
Der Beklagte ist ein Verein, der Aufgaben der technischen Überwachung in den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wahrnimmt. Er gehört nicht der Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungs-Vereine an, die zumindest seit 1975 Vergütungstarifverträge abgeschlossen hat. Der Kläger ist beim Beklagten als amtlich anerkannter Sachverständiger beschäftigt. In dem am 19. September 1967 abgeschlossenen Formulararbeitsvertrag heißt es u.a.:
“…
3. Für die Dauer der Ausbildungszeit erhält der Mitarbeiter eine monatliche Pauschalvergütung von
DM 1.275,–
Nach Ablauf der Ausbildungszeit erfolgt eine Einstufung in die Gruppe LBO A 9/6. Danach setzt sich das monatliche Entgelt zusammen aus:
Grundvergütung |
835,– |
DM |
Ortszuschlag |
305,– |
DM |
Kinderzuschlag |
100,– |
DM |
Ausgleichszulage |
|
|
Soziale Arbeitnehmeranteile |
106,45 |
DM |
Gesamt |
1.346,45 |
DM |
…
5. Neben den unter Ziffer 3 genannten Vergütungen erhält der Mitarbeiter ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen.
…
9. Alle weiteren Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften des TÜV Rheinland.
…”
Seinerzeit bestand bei dem Beklagten eine “Betriebsvereinbarung über die Gehaltsregelung” von 1967, nach der die Gehaltsbemessung für alle selbständig tätigen technischen Mitarbeiter “in Anlehnung an die Besoldungsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (LBO)” erfolgen und der Beklagte bei Mitarbeitern, die in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert waren, die Arbeitnehmeranteile übernehmen sollte. Spätere Betriebsvereinbarungen behielten diese Grundsätze zunächst bei.
Bis zum 31. Dezember 1995 bezog der Kläger Grundgehalt und Ortszuschlag entsprechend der Besoldung von Landesbeamten, zuletzt nach der Besoldungsgruppe A 15. Der Beklagte erstattete dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt auch die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe.
Zum 1. Oktober 1995 trat eine Betriebsvereinbarung vom 13. Dezember 1995 (BV 1995) in Kraft, die für die Arbeitnehmer des Beklagten eine eigenständige Gehaltsregelung enthält. Sie bestimmt, daß die Gehälter im Jahr 1996 nicht und in den Jahren 1997 und 1998 um insgesamt 5 % erhöht werden sollten. Als Bestandteil des Monatsgehalts sieht sie eine Sozialzulage vor, die sich nach der Höhe der 1995 erstatteten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung bemißt. Seit dem 1. Januar 1996 berechnet der Beklagte das Gehalt des Klägers auf der Grundlage der BV 1995.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe weiterhin Anspruch auf Grundgehalt und Ortszuschlag in Höhe der Beträge, die jeweils einem Landesbeamten in der Besoldungsgruppe A 15 zustehen. Auch sei der Beklagte verpflichtet, ihm die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung für die Monate Januar bis Juni 1996 zu zahlen. Das ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag. Die BV 1995 habe diese Ansprüche nicht schmälern können.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß der Beklagte auch zukünftig verpflichtet ist, das dem Kläger gewährte monatliche Grundgehalt sowie den Ortszuschlag um den Vomhundertsatz anzupassen, um den das Grundgehalt sowie der Ortszuschlag eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 15 angepaßt werden,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 234,60 DM Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung für die Monate Januar bis Juni 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Meinung kann der Kläger nur die in der BV 1995 vorgesehene Vergütung verlangen. Der Arbeitsvertrag begründe keinen Entgeltanspruch, sondern verweise insoweit lediglich auf die jeweils bestehenden Betriebsvereinbarungen. Beide Parteien seien bei Vertragsschluß davon ausgegangen, daß allein diese in ihrer Funktion als betriebliche “Ersatz-Tarifverträge” maßgeblich sein sollten. Dem habe auch die langjährige Praxis entsprochen. Der Wirksamkeit der einschlägigen Betriebsvereinbarungen stehe nicht entgegen, daß für einen Teil der Technischen Überwachungs-Vereine Gehaltsregelungen in Tarifverträgen bestünden. Er falle nicht in deren fachlichen Geltungsbereich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Antrag zu 2) abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Antrag zu 2) weiter. Der Beklagte begehrt mit seiner Anschlußrevision die völlige Abweisung der Klage. Beide Parteien beantragen jeweils Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet, die Anschlußrevision des Beklagten unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag zu 1) stattgegeben. Darüber hinaus ist auch der Antrag zu 2) begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Insoweit bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich des Feststellungsantrags.
1. Der Antrag zu 1) ist dahin zu verstehen, daß es dem Kläger ausschließlich darum geht, auf der Grundlage des bei Inkrafttreten der BV 1995 erreichten Gehaltsniveaus weiterhin an der Entwicklung der Beamtenbesoldung teilzunehmen, die darin besteht, daß Grundgehalt und Ortszuschlag (seit 1997 Familienzuschlag) von Zeit zu Zeit angehoben werden. Dies ergibt sich aus seinem gesamten Vorbringen, denn er wendet sich nur dagegen, daß nach der BV 1995 die frühere Anbindung an die Gehaltsentwicklung der Beamten nicht mehr bestehen soll. Der Antrag umfaßt dagegen nicht auch die Feststellung der Eingruppierung nach Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe, denn diese hängt von individuellen Gegebenheiten beim Kläger und seiner Beschäftigung ab. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit, beide gehen vom status quo aus.
2. Mit diesem Inhalt genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insbesondere ist das Fehlen einer Angabe zur Dienstaltersstufe unschädlich, weil diese Angabe für die zwischen den Parteien streitige Anbindung an die allgemeine Gehaltsentwicklung der Beamten unerheblich ist.
3. Es besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Der Kläger muß sich nicht auf eine Leistungsklage verweisen lassen. Hier ist die Feststellungsklage der einfachere Weg, um den Rechtsfrieden zwischen den Parteien wiederherzustellen. Sie ist nämlich geeignet, auch künftige Ansprüche des Klägers auf Erhöhung seines Gehalts entsprechend der Entwicklung der Beamtenbesoldung zu klären.
II. Die Anträge sind begründet. Der Kläger hat auch über den 1. Oktober 1995 hinaus Anspruch auf Erhöhung seines Grundgehalts und Ortszuschlags entsprechend den für nordrhein-westfälische Landesbeamte der Besoldungsgruppe A 15 jeweils geltenden Vorschriften. Außerdem kann er die Erstattung der von ihm für die Monate Januar bis Juni 1996 entrichteten Beitragsanteile zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung verlangen. Das ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag des Klägers. Die BV 1995 hat in diese Ansprüche nicht eingegriffen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag zutreffend dahin ausgelegt, daß er hinsichtlich der Vergütung nach Besoldungsgruppe A 15 eine konstitutive und dynamische Verweisung auf die beamtenrechtliche Besoldungsentwicklung enthält. Diese Auslegung unterliegt nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2a aa der Gründe) in vollem Umfang der Nachprüfung durch den Senat, da es sich bei dem Vertrag – jedenfalls in den streitbefangenen Teilen – um eine typische Vereinbarung handelt. Er ist als Formular abgefaßt, und die maschinenschriftliche Einfügung der Besoldungsgruppe enthält eine gleichförmige, in einer Vielzahl von Fällen verwandte Vertragsbestimmung.
a) Für den vom Landesarbeitsgericht bejahten Anspruch des Klägers spricht schon der Wortlaut von Nr. 3 des Vertrages. Die Formulierung “Für die Dauer der Ausbildungszeit erhält der Mitarbeiter … Nach Ablauf der Ausbildungszeit erfolgt eine Einstufung in die Gruppe LBO A 9/6. Danach setzt sich das monatliche Entgelt zusammen aus …” ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Dessen Zusammensetzung und damit auch Höhe wird konstitutiv durch die im folgenden bezeichneten Gehaltsbestandteile (Grundvergütung, Ortszuschlag usw.) bestimmt, wobei die jeweils mit Schreibmaschine neben die vorgedruckten Bestandteile gesetzten Beträge erkennbar nur über das bei Vertragsschluß aktuelle Vergütungsniveau informieren sollen. Die hinsichtlich der Grundvergütung genannte Gruppe “LBO A 9/6” hat erkennbar die Landesbesoldungsordnung von Nordrhein-Westfalen als das sachlich und nach dem Sitz des Beklagten auch örtlich einschlägige Besoldungsrecht für Landesbeamte zum Gegenstand. Dieses war seinerzeit noch ausschließlich landesrechtlicher Natur; von der im Jahr 1971 in Art. 74a GG begründeten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landesbeamten hat der Bund erst mit Gesetz vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S. 1173) Gebrauch gemacht. Eine andere Bedeutung als “Landesbesoldungsordnung” kann der Abkürzung “LBO” gerade in einer Entgeltvereinbarung mit einem Unternehmen nicht beigelegt werden, das mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betraut und nach § 6 Abs. 6 der Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung (vom 2. Dezember 1959, geändert durch Verordnung vom 1. August 1961 – GVBl. NW S. 266) verpflichtet ist, den Sachverständigen eine an die Bezüge im Landesdienst angeglichene Vergütung zu gewähren. Eine weitere Bestätigung ergibt sich daraus, daß die für die Beamtenbesoldung typischen Vergütungsbestandteile Grundgehalt und Ortszuschlag vereinbart sind.
Angesichts dessen greift der Einwand des Beklagten nicht durch, daß im Vertrag von “Vergütung” die Rede ist, obwohl das Beamtenrecht nur Besoldung kennt. Entscheidend ist, daß mit der Landesbesoldungsordnung das einschlägige Regelwerk hinreichend deutlich bezeichnet ist. Die Verwendung des Begriffs “Vergütung” mag darauf zurückzuführen sein, daß Angestellte betroffen sind, die im Rechtssinne nicht wie Beamte besoldet werden können.
Der Wortlaut spricht auch für den dynamischen Charakter der Verweisung. Wird wie vorliegend die Höhe der Vergütung durch die Angabe einer Entgeltgruppe festgelegt, dann bezieht sich diese Verweisung mangels einer entgegenstehenden Bestimmung auf das Entgelt, das jeweils dieser Gruppe entspricht. An der Entwicklung dieses Entgelts nimmt der Arbeitnehmer teil.
b) Erfolglos wendet der Beklagte gegen dieses Verständnis ein, daß bei Vertragsschluß die Betriebsvereinbarung über die Gehaltsregelung von 1967 bestand, nach der die Gehaltsbemessung in Anlehnung an die Landesbesoldungsordnung erfolgen sollte. Weder verweist der Arbeitsvertrag insoweit auf die jeweils bestehende Betriebsvereinbarung, noch kann aus ihrer Existenz allein abgeleitet werden, Nr. 3 des Vertrages sei lediglich deklaratorisch zu verstehen.
aa) Der Wortlaut der Nr. 3 bietet keinen Anhaltspunkt für eine Verweisung auf Betriebsvereinbarungen. Er läßt nicht einmal erkennen, daß einschlägige Betriebsvereinbarungen bestehen. Auch ein Rückgriff auf Nr. 9 ändert nichts an diesem Befund. Allerdings gelten danach für “alle weiteren Rechte und Pflichten” die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen. Aufgrund dieser Einschränkung umfaßt die Verweisung aber nur im Arbeitsvertrag nicht eigenständig geregelte Gegenstände. Für die hier zu beantwortende Frage, ob Nr. 3 hinsichtlich der Bezugnahme auf die Landesbesoldungsordnung eine solche Regelung enthält, ist Nr. 9 danach unergiebig.
Gegen die Annahme, in Nr. 3 des Arbeitsvertrages werde auf Betriebsvereinbarungen verwiesen, spricht auch der Zusammenhang mit Nr. 5, in der Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld “nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen” vorgesehen sind. Sollte sich das monatliche Arbeitsentgelt, wie der Beklagte meint, ebenfalls ausschließlich nach Betriebsvereinbarungen richten, dann wäre es nicht erklärlich, warum das in Nr. 3 nicht in gleicher Weise wie in Nr. 5 zum Ausdruck gebracht worden und nicht einmal ergänzend auf die Betriebsvereinbarungen verwiesen worden ist.
bb) Die in Nr. 5 und Nr. 9 des Vertrags enthaltenen Verweisungen stehen auch der Auslegung entgegen, Nr. 3 begründe keinen Anspruch, sondern beschränke sich auf eine Information über die durch Betriebsvereinbarung geschaffene Rechtslage. Ein solches Verständnis käme möglicherweise in Betracht, wenn die Parteien im Arbeitsvertrag Betriebsvereinbarungen gar nicht erwähnt hätten und daher angenommen werden könnte, sie hätten deren generellen Geltungsanspruch stillschweigend vorausgesetzt und insoweit konstitutive Vereinbarungen für entbehrlich gehalten. Verweisen die Parteien des Arbeitsvertrags indessen, wie das hier geschehen ist, nur für einen Teil der darin angesprochenen Gegenstände auf Betriebsvereinbarungen, obwohl es auch für andere Arbeitsbedingungen Regelungen in Betriebsvereinbarungen gibt, legt das die Annahme nahe, daß für die von diesen Bezugnahmen nicht abgedeckten Bereiche der Vertrag maßgeblich sein soll. So verhält es sich hier mit der Anbindung des Monatsgehalts an die Landesbesoldungsordnung.
cc) Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das Argument des Beklagten, beiden Parteien sei die Existenz der einschlägigen Betriebsvereinbarungen bei Vertragsschluß bekannt gewesen. Es sei daher nicht anzunehmen, daß deren Regelungen durch konstitutive Vereinbarungen im Arbeitsvertrag hätten überlagert werden sollen. Allerdings wird der Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse daran haben, ein nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohnehin für das Arbeitsverhältnis geltendes kollektives Regelwerk zusätzlich noch vertraglich zu vereinbaren, da es sonst überflüssig würde. Dieser Einwand verliert jedoch entscheidend an Gewicht, wenn wie hier nur ein Teil der Gehaltsregelung Inhalt des Arbeitsvertrags ist und im übrigen die Betriebsvereinbarungen ihre Bedeutung für das Arbeitsverhältnis behalten, zum Beispiel hinsichtlich der Eingruppierung und der Berechnung des Dienstalters.
c) Selbst wenn sich die konstitutive Anbindung des Gehalts an die Entwicklung der Beamtenbesoldung nicht hinreichend deutlich aus Wortlaut und Regelungszusammenhang des Arbeitsvertrages ergäbe, so würde zu dieser Auslegung jedenfalls der allgemeine Rechtsgrundsatz führen, welcher der Unklarheitenregel des § 5 AGBG zugrunde liegt. Diese besagt, daß Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Aufstellers gehen. Zwar findet das AGBG nach seinem § 23 Abs. 1 auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung. Das schließt indessen nicht aus, daß allgemeine Rechtsgedanken, die in diesem Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben, auch für Arbeitsverhältnisse gelten. Dazu gehört die erwähnte Unklarheitenregel. Sie war schon vor Inkrafttreten des AGBG allgemein anerkannt und gilt auch für Formulararbeitsverträge (z.B. BAG Urteil vom 16. Oktober 1991 – 5 AZR 35/91 – AP Nr. 1 zu § 19 BErzGG, zu II 2b der Gründe; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge, 3. Auflage, § 611 Rz 234). Sie besagt für den vorliegenden Fall, daß sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, die von ihm verwendeten Formularverträge seien hinsichtlich der Verweisung auf das Besoldungsrecht der Beamten unklar und deshalb sei davon auszugehen, daß sich das Gehalt allein nach den Betriebsvereinbarungen richten solle. Eine solche Regelung wäre nämlich wegen der im Vergleich zum Einzelvertrag leichteren Abänderbarkeit von Betriebsvereinbarungen für den Beklagten günstiger.
2. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings verkannt, daß sich aus dem Arbeitsvertrag ein Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung ergibt. In Nr. 3 sind ausdrücklich “Soziale Arbeitnehmeranteile” genannt. Mit diesem Begriff können nur die in den späteren Formulararbeitsverträgen des Beklagten korrekt so bezeichneten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeint sein. Es ist nicht ersichtlich, welche andere Bedeutung “Arbeitnehmeranteile” sonst haben könnte. Diese Bestimmung ist gleichfalls konstitutiv und verweist nicht lediglich auf die beim Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarungen. Insoweit ist auf die vorstehend (1.) zum Anspruch auf Grundgehalt und Ortszuschlag angestellten Erwägungen zu verweisen.
Die Regelung ist auch insoweit dynamisch, als sie sich auf die Beiträge in deren jeweiliger Höhe bezieht. Das folgt aus dem Wortlaut, der ohne Einschränkung die Arbeitnehmeranteile nennt; diese unterliegen aber mit der Beitragshöhe ständigen Änderungen. Allein dieses Verständnis wird dem erkennbaren Zweck der Nr. 3 des Arbeitsvertrages gerecht, entsprechend den in § 6 Abs. 6 der Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung enthaltenen Vorgaben eine beamtengleiche Vergütung des Klägers zu bewirken. Beamte haben keine Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu entrichten, so daß die Übernahme der Arbeitnehmeranteile durch den Beklagten nur folgerichtig ist.
3. In diese vertraglichen Ansprüche konnte die BV 1995 nicht eingreifen. Insoweit gilt das Günstigkeitsprinzip (BAGE 63, 211, 219 = AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe). Die Voraussetzungen, unter denen durch Betriebsvereinbarung ausnahmsweise Ansprüche einzelner Arbeitnehmer verschlechtert werden können, sofern die Neuregelung einem kollektiven Günstigkeitsvergleich standhält, liegen hier nicht vor. Das folgt schon daraus, daß es nicht um Sozialleistungen geht, sondern um das im Austauschverhältnis mit der geschuldeten Arbeitsleistung stehende eigentliche Entgelt (BAGE 62, 360, 372 = AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, zu III 2b der Gründe). Hinzu kommt, daß die neue Regelung entsprechend ihrem Zweck zu Einsparungen führt und damit auch bei kollektiver Betrachtung weniger günstig ist als der Anspruch auf Anbindung an die Besoldungsentwicklung der Landesbeamten und auf Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe.
Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die in den Betriebsvereinbarungen enthaltenen Gehaltsregelungen nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sind, weil insoweit Tarifverträge bestehen oder üblich sind.
Unterschriften
Rost, Hauck, Wißmann, Gnade, Bayer
Fundstellen