Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung technischer Sachverständiger

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; AGBG § 5

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 10.06.1997; Aktenzeichen 13 Sa 114/97)

ArbG Köln (Urteil vom 31.10.1996; Aktenzeichen 4 Ca 5564/96)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Juni 1997 – 13 Sa 114/97 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Kläger.

Der Beklagte ist ein Verein, der Aufgaben der technischen Überwachung in den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wahrnimmt. Er gehört nicht der Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungs-Vereine an, die zumindest seit 1975 Vergütungstarifverträge abgeschlossen hat. Die Kläger sind beim Beklagten als amtlich anerkannte Sachverständige beschäftigt. In den am 24. September 1971 bzw. am 23. September 1969 abgeschlossenen Formulararbeitsverträgen der Kläger zu 1 und zu 5 heißt es u.a.:

“…

3. Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttoentgelt, das sich wie folgt zusammensetzt:

Grundgehalt nach der Vergütungsgruppe LBO A

DM

Ortszuschlag

DM

Kinderzuschlag

DM

Sozialzuschlag

DM

Stellenzulage

DM

Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung

DM

Insgesamt

DM

(Die Vergütungsgruppe nebst Dienstaltersstufe, der Gesamtbetrag des Gehalts sowie die Beträge des Grundgehalts, des Ortszuschlags, der Arbeitnehmeranteile und, soweit relevant, des Kinderzuschlags und der Stellenzulage sind jeweils maschinenschriftlich eingefügt.)

5. Neben dem unter Ziffer 3 genannten monatlichen Bruttoentgelt erhält der Mitarbeiter ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen.

9. Für das Arbeitsverhältnis gelten im übrigen die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen des TÜV Rheinland, soweit ihre Anwendung auf den Mitarbeiter nicht nach Inhalt oder persönlichem Geltungsbereich entfällt.

…”

In den am 30. Mai 1973 bzw. am 19. November 1973 abgeschlossenen Formulararbeitsverträgen der Kläger zu 2 und zu 4 ist u.a. folgendes bestimmt:

“…

3. Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter eine monatliche Bruttovergütung nach der Gehaltsgruppe LBO A …, die sich wie folgt zusammensetzt:

Nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildungszeit

Grundgehalt

DM

Ortszuschlag

DM

Kinderzuschlag

DM

Stellenzulage

DM

DM

DM

Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung

DM

Insgesamt

DM

4. Außer der unter Ziffer 3 genannten monatlichen Bruttovergütung erhält der Mitarbeiter ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen des TÜV Rheinland.

8. Für das Arbeitsverhältnis gelten im übrigen die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen des TÜV Rheinland, soweit ihre Anwendung auf den Mitarbeiter nicht nach Inhalt oder persönlichem Geltungsbereich entfällt.

…”

Auch in diese Formulare sind die Gehaltsgruppe nebst Dienstaltersstufe sowie die einzelnen Beträge jeweils maschinenschriftlich eingetragen.

Der am 5. April 1967 abgeschlossene Formulararbeitsvertrag des Klägers zu 3 lautet auszugsweise wie folgt:

“…

3. Für die Dauer der Probezeit/Ausbildungszeit erhält der Mitarbeiter eine monatliche Pauschalvergütung von

DM 1.700,00

Nach Ablauf der Probezeit/Ausbildungszeit erfolgt eine Einstufung in die Gruppe LBO A 13/5. Danach setzt sich das monatliche Entgelt zusammen aus

Grundvergütung

1.321,00 DM

Ortszuschlag

290,00 DM

Kinderzuschlag

DM

Ausgleichszulage

100,00 DM

DM

DM

Soziale Arbeitnehmeranteile

8,45 DM

Gesamt

1.719,45 DM

5. Neben den unter Ziffer 3 genannten Vergütungen erhält der Mitarbeiter ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen.

9. Alle weiteren Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften des TÜV Rheinland.

…”

Bei dem Beklagten bestand eine “Betriebsvereinbarung über die Gehaltsregelung” von 1967, nach der die Gehaltsbemessung für alle selbständig tätigen technischen Mitarbeiter “in Anlehnung an die Besoldungsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (LBO)” erfolgen und der Beklagte bei Mitarbeitern, die in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert waren, die Arbeitnehmeranteile übernehmen sollte. Spätere Betriebsvereinbarungen behielten diese Grundsätze zunächst bei.

Bis zum 31. Dezember 1995 bezogen die Kläger Grundgehalt und Ortszuschlag entsprechend der Besoldung von Landesbeamten, zuletzt nach der Besoldungsgruppe A 15. Der Beklagte erstattete den Klägern bis zu diesem Zeitpunkt auch die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe.

Zum 1. Oktober 1995 trat eine Betriebsvereinbarung vom 13. Dezember 1995 (BV 1995) in Kraft, die für die Arbeitnehmer des Beklagten eine eigenständige Gehaltsregelung enthält. Sie bestimmt, daß die Gehälter im Jahr 1996 nicht und in den Jahren 1997 und 1998 um insgesamt 5 % erhöht werden sollten. Als Bestandteil des Monatsgehalts sieht sie eine Sozialzulage vor, die sich nach der Höhe der 1995 erstatteten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung bemißt. Seit dem 1. Januar 1996 berechnet der Beklagte das Gehalt der Kläger auf der Grundlage der BV 1995.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, sie hätten weiterhin Anspruch auf Grundgehalt und Ortszuschlag in Höhe der Beträge, die jeweils einem Landesbeamten in der Besoldungsgruppe A 15 zustehen. Auch sei der Beklagte verpflichtet, ihnen die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung in der jeweils maßgeblichen Höhe zu erstatten. Das ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag. Die BV 1995 habe diese Ansprüche nicht schmälern können.

Die Kläger haben, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

festzustellen, daß der Beklagte auch über den 1. Oktober 1995 verpflichtet ist,

1. das den Klägern gewährte monatliche Grundgehalt sowie den Ortszuschlag um den Vomhundertsatz anzupassen, um den das Grundgehalt sowie der Ortszuschlag eines Landesbeamten NW der Besoldungsgruppe A 15 angepaßt werden,

2. die von den Klägern zu zahlenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe zu erstatten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Meinung können die Kläger nur die in der BV 1995 vorgesehene Vergütung verlangen. Der jeweilige Arbeitsvertrag begründe keinen Entgeltanspruch, sondern verweise insoweit lediglich auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen. Die Parteien seien bei Vertragsschluß davon ausgegangen, daß allein diese in ihrer Funktion als betriebliche “Ersatz-Tarifverträge” maßgeblich sein sollten. Dem habe auch die langjährige Praxis entsprochen. Der Wirksamkeit der einschlägigen Betriebsvereinbarungen stehe nicht entgegen, daß für einen Teil der Technischen Überwachungs-Vereine Gehaltsregelungen in Tarifverträgen bestünden. Er falle nicht in deren fachlichen Geltungsbereich.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit einem am 31. Oktober 1996 verkündeten Urteil abgewiesen. Das mit Gründen versehene, vom Vorsitzenden aber noch nicht unterschriebene Urteil wurde den Klägern am 13. Januar 1997 zugestellt. Mit einem am 31. Januar 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das erstinstanzliche Urteil unterschrieben und den Klägern am 21. März 1997 erneut zugestellt. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter. Die Kläger bitten, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag der Kläger stattgegeben.

I. Die von Amts wegen zu prüfenden (BAGE 24, 75, 79 = AP Nr. 58 zu § 233 ZPO) Prozeßfortsetzungsbedingungen liegen hier vor. Dem steht nicht entgegen, daß das den Klägern vor Einlegung der Berufung zugestellte Urteil nicht unterschrieben war. Die Berufung war zulässig, sie ist fristgemäß eingelegt worden. Sobald ein Urteil verkündet ist, kann unabhängig von seiner ordnungsgemäßen Zustellung Berufung eingelegt werden (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 66 Rz 11, 15; GK-ArbGG/Stahlhacke § 66 Rz 7, 10). Hier lag ausweislich des Protokolls der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 31. Oktober 1996 ein ordnungsgemäß verkündetes erstinstanzliches Urteil vor, als die Kläger Berufung einlegten.

II. Der Klageantrag ist zulässig.

1. In seinem ersten Teil ist er dahin zu verstehen, daß es den Klägern ausschließlich darum geht, auf der Grundlage des bei Inkrafttreten der BV 1995 erreichten Gehaltsniveaus weiterhin an der Entwicklung der Beamtenbesoldung teilzunehmen, die darin besteht, daß Grundgehalt und Ortszuschlag (seit 1997 Familienzuschlag) von Zeit zu Zeit angehoben werden. Dies ergibt sich aus ihrem gesamten Vorbringen, denn sie wenden sich nur dagegen, daß nach der BV 1995 die frühere Anbindung an die Gehaltsentwicklung der Beamten nicht mehr bestehen soll. Der Antrag umfaßt dagegen nicht auch die Feststellung der Eingruppierung nach Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe, denn diese hängt von individuellen Gegebenheiten bei den Klägern und deren Beschäftigung ab. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit, beide gehen vom status quo aus.

Was die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung angeht, so begehren die Kläger die Erstattung ihrer Pflichtbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung in voller Höhe anstelle der auf dem Stand von 1995 eingefrorenen Beträge, nach denen sich die in der BV 1995 vorgesehene Sozialzulage bemißt. Auch dies folgt aus den ausschließlich gegen die Anwendung der entsprechenden Regelung der BV 1995 gerichteten Angriffen.

2. Mit diesem Inhalt genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insbesondere ist das Fehlen von Angaben zur Dienstaltersstufe unschädlich, weil diese Angabe für die zwischen den Parteien streitige Anbindung an die allgemeine Gehaltsentwicklung der Beamten unerheblich ist.

3. Für den Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Die Kläger müssen sich nicht auf eine Leistungsklage verweisen lassen. Hier ist die Feststellungsklage der einfachere Weg, um den Rechtsfrieden zwischen den Parteien wiederherzustellen. Sie ist nämlich geeignet, auch künftige Ansprüche der Kläger auf Erhöhung ihres Gehalts entsprechend der Entwicklung der Beamtenbesoldung und der Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu klären.

III. Der Antrag ist begründet. Die Kläger haben auch über den 1. Oktober 1995 hinaus Anspruch auf Erhöhung ihres Grundgehalts und Ortszuschlags entsprechend den für nordrhein-westfälische Landesbeamte der Besoldungsgruppe A 15 jeweils geltenden Vorschriften sowie auf Erstattung der von ihnen zu entrichtenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Das ergibt sich aus ihren Arbeitsverträgen. Die BV 1995 hat in diese Ansprüche nicht eingegriffen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Arbeitsverträge zutreffend dahin ausgelegt, daß sie hinsichtlich der Vergütung nach Besoldungsgruppe A 15 eine konstitutive und dynamische Verweisung auf die beamtenrechtliche Besoldungsentwicklung enthalten. Diese Auslegung unterliegt nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2a aa der Gründe) in vollem Umfang der Nachprüfung durch den Senat, da es sich bei den Verträgen – jedenfalls in den streitbefangenen Teilen – um typische Vereinbarungen handelt. Sie sind als Formulare abgefaßt, und die maschinenschriftliche Einfügung der Besoldungsgruppe enthält eine gleichförmige, in einer Vielzahl von Fällen verwandte Vertragsbestimmung.

a) Für den vom Landesarbeitsgericht bejahten Anspruch spricht schon der Wortlaut von Nr. 3 des Vertrages. Die dort verwandten Formulierungen “Für seine Tätigkeit erhält …” (in den Verträgen der Kläger zu 1, 2, 4 und 5) bzw. “Für die Dauer der Probezeit/Ausbildungszeit erhält der Mitarbeiter eine monatliche Pauschalvergütung von DM 1.700,00. Nach Ablauf der Probezeit/Ausbildungszeit erfolgt eine Einstufung in die Gruppe LBO A 13/5. Danach setzt sich das monatliche Entgelt zusammen aus …” (im Vertrag des Klägers zu 3) sind typisch für die Begründung von Entgeltansprüchen. Deren Zusammensetzung und damit auch Höhe wird konstitutiv durch die im folgenden bezeichneten Gehaltsbestandteile (Grundgehalt, Ortszuschlag usw.) bestimmt, wobei die jeweils mit Schreibmaschine neben die vorgedruckten Bestandteile gesetzten Beträge erkennbar nur über das bei Vertragsschluß aktuelle Vergütungsniveau informieren sollen. Die hinsichtlich des Grundgehalts genannten Vergütungsgruppen “LBO A …” haben erkennbar die Landesbesoldungsordnung von Nordrhein-Westfalen als das sachlich und nach dem Sitz des Beklagten auch örtlich einschlägige Besoldungsrecht für Landesbeamte zum Gegenstand. Dieses war seinerzeit noch ausschließlich landesrechtlicher Natur; von der im Jahr 1971 in Art. 74a GG begründeten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landesbeamten hat der Bund erst mit Gesetz vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S. 1173) Gebrauch gemacht. Eine andere Bedeutung als “Landesbesoldungsordnung” kann der Abkürzung “LBO” gerade in einer Entgeltvereinbarung mit einem Unternehmen nicht beigelegt werden, das mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betraut und nach § 6 Abs. 6 der Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung (vom 2. Dezember 1959, geändert durch Verordnung vom 1. August 1961 – GVBl. NW S. 266) verpflichtet ist, den Sachverständigen eine an die Bezüge im Landesdienst angeglichene Vergütung zu gewähren. Eine weitere Bestätigung ergibt sich daraus, daß die für die Beamtenbesoldung typischen Vergütungsbestandteile Grundgehalt und Ortszuschlag vereinbart sind.

Angesichts dessen greift der Einwand des Beklagten nicht durch, daß in den Verträgen der Kläger zu 1 und zu 5 von “Vergütungsgruppe” die Rede ist, obwohl das Beamtenrecht nur Besoldungsgruppen kennt. Entscheidend ist, daß mit der Landesbesoldungsordnung das einschlägige Regelwerk hinreichend deutlich bezeichnet ist. Die Verwendung des – in den jüngeren Verträgen der Kläger zu 2 und zu 4 nicht mehr enthaltenen – Begriffs “Vergütungsgruppe” mag darauf zurückzuführen sein, daß Angestellte betroffen sind, die im Rechtssinne nicht wie Beamte besoldet werden können.

Der Wortlaut spricht auch für den dynamischen Charakter der Verweisung. Wird wie vorliegend die Höhe der Vergütung durch die Angabe einer Entgeltgruppe festgelegt, dann bezieht sich diese Verweisung mangels einer entgegenstehenden Bestimmung auf das Entgelt, das jeweils dieser Gruppe entspricht. An der Entwicklung dieses Entgelts nimmt der Arbeitnehmer teil.

b) Erfolglos wendet die Revision gegen dieses Verständnis ein, daß bei Vertragsschluß Betriebsvereinbarungen über die Gehaltsregelung von 1967 bzw. von 1972 bestanden, nach denen die Gehaltsbemessung in Anlehnung an die Landesbesoldungsordnung erfolgen sollte. Weder verweisen die Arbeitsverträge insoweit auf die jeweils bestehende Betriebsvereinbarung, noch kann aus ihrer Existenz allein abgeleitet werden, Nr. 3 der Verträge sei lediglich deklaratorisch zu verstehen.

aa) Der Wortlaut der Nr. 3 bietet keinen Anhaltspunkt für eine Verweisung auf Betriebsvereinbarungen. Er läßt nicht einmal erkennen, daß einschlägige Betriebsvereinbarungen bestehen. Auch ein Rückgriff auf Nr. 9 ändert nichts an diesem Befund. Allerdings gelten danach “im übrigen” (so die Verträge der Kläger zu 1, 2, 4 und 5) bzw. für alle “weiteren Rechte und Pflichten” (so der Vertrag des Klägers zu 3) die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen. Aufgrund dieser Einschränkung umfaßt die Verweisung aber nur im Arbeitsvertrag nicht eigenständig geregelte Gegenstände. Für die hier zu beantwortende Frage, ob Nr. 3 hinsichtlich der Bezugnahme auf die Landesbesoldungsordnung eine solche Regelung enthält, ist Nr. 9 danach unergiebig.

Gegen die Annahme, in Nr. 3 der Arbeitsverträge werde auf Betriebsvereinbarungen verwiesen, spricht auch der Zusammenhang mit Nr. 5 bzw. Nr. 4, in der Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld “nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen” vorgesehen sind. Sollte sich das monatliche Arbeitsentgelt, wie der Beklagte meint, ebenfalls ausschließlich nach Betriebsvereinbarungen richten, dann wäre es nicht erklärlich, warum das in Nr. 3 nicht in gleicher Weise wie in Nr. 5 bzw. Nr. 4 zum Ausdruck gebracht worden und nicht einmal ergänzend auf die Betriebsvereinbarungen verwiesen worden ist.

bb) Die in Nr. 5 bzw. Nr. 4 und Nr. 9 der Verträge enthaltenen Verweisungen stehen auch der Auslegung entgegen, Nr. 3 begründe keinen Anspruch, sondern beschränke sich auf eine Information über die durch Betriebsvereinbarung geschaffene Rechtslage. Ein solches Verständnis käme möglicherweise in Betracht, wenn die Parteien im Arbeitsvertrag Betriebsvereinbarungen gar nicht erwähnt hätten und daher angenommen werden könnte, sie hätten deren generellen Geltungsanspruch stillschweigend vorausgesetzt und insoweit konstitutive Vereinbarungen für entbehrlich gehalten. Verweisen die Parteien des Arbeitsvertrags indessen, wie das hier geschehen ist, nur für einen Teil der darin angesprochenen Gegenstände auf Betriebsvereinbarungen, obwohl es auch für andere Arbeitsbedingungen Regelungen in Betriebsvereinbarungen gibt, legt das die Annahme nahe, daß für die von diesen Bezugnahmen nicht abgedeckten Bereiche der Vertrag maßgeblich sein soll. So verhält es sich hier mit der Anbindung des Monatsgehalts an die Landesbesoldungsordnung.

cc) Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das Argument des Beklagten, den Parteien sei die Existenz der einschlägigen Betriebsvereinbarungen bei Vertragsschluß bekannt gewesen. Es sei daher nicht anzunehmen, daß deren Regelungen durch konstitutive Vereinbarungen im Arbeitsvertrag hätten überlagert werden sollen. Allerdings wird der Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse daran haben, ein nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohnehin für das Arbeitsverhältnis geltendes kollektives Regelwerk zusätzlich noch vertraglich zu vereinbaren, da es sonst überflüssig würde. Dieser Einwand verliert jedoch entscheidend an Gewicht, wenn wie hier nur ein Teil der Gehaltsregelung Inhalt des Arbeitsvertrags ist und im übrigen die Betriebsvereinbarungen ihre Bedeutung für das Arbeitsverhältnis behalten, zum Beispiel hinsichtlich der Eingruppierung und der Berechnung des Dienstalters.

c) Selbst wenn sich die konstitutive Anbindung des Gehalts an die Entwicklung der Beamtenbesoldung nicht hinreichend deutlich aus Wortlaut und Regelungszusammenhang der Arbeitsverträge ergäbe, so würde zu dieser Auslegung jedenfalls der allgemeine Rechtsgrundsatz führen, welcher der Unklarheitenregel des § 5 AGBG zugrunde liegt. Diese besagt, daß Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Aufstellers gehen. Zwar findet das AGBG nach seinem § 23 Abs. 1 auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung. Das schließt indessen nicht aus, daß allgemeine Rechtsgedanken, die in diesem Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben, auch für Arbeitsverhältnisse gelten. Dazu gehört die erwähnte Unklarheitenregel. Sie war schon vor Inkrafttreten des AGBG allgemein anerkannt und gilt auch für Formulararbeitsverträge (z.B. BAG Urteil vom 16. Oktober 1991 – 5 AZR 35/91 – AP Nr. 1 zu § 19 BErzGG, zu II 2b der Gründe; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge, 3. Auflage, § 611 Rz 234). Sie besagt für den vorliegenden Fall, daß sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, die von ihm verwendeten Formularverträge seien hinsichtlich der Verweisung auf das Besoldungsrecht der Beamten unklar und deshalb sei davon auszugehen, daß sich das Gehalt allein nach den Betriebsvereinbarungen richten solle. Eine solche Regelung wäre nämlich wegen der im Vergleich zum Einzelvertrag leichteren Abänderbarkeit von Betriebsvereinbarungen für den Beklagten günstiger.

2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt, daß sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag Ansprüche der Kläger auf Erstattung ihrer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung ergeben. In Nr. 3 der Verträge der Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sind ausdrücklich die “Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung” genannt. Diese Bestimmung ist gleichfalls konstitutiv und verweist nicht lediglich auf die beim Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarungen. Insoweit ist auf die vorstehend (1.) zum Anspruch auf Grundgehalt und Ortszuschlag angestellten Erwägungen zu verweisen. Gleiches gilt für die im Vertrag des Klägers zu 3 angeführten “Sozialen Arbeitnehmeranteile”. Dieser Begriff kann nicht anders verstanden werden als die in den anderen Vertragsmustern korrekt so bezeichneten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung. Es ist nicht ersichtlich, was mit “Arbeitnehmeranteilen” sonst gemeint sein könnte.

Die Regelung ist auch insoweit dynamisch, als sie sich auf die Beiträge in deren jeweiliger Höhe bezieht. Das folgt aus dem Wortlaut, der ohne Einschränkung die Arbeitnehmeranteile nennt; diese unterliegen aber mit der Beitragshöhe ständigen Änderungen. Allein dieses Verständnis wird dem erkennbaren Zweck der Nr. 3 der Arbeitsverträge gerecht, entsprechend den in § 6 Abs. 6 der Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung enthaltenen Vorgaben eine beamtengleiche Vergütung der Kläger zu bewirken. Beamte haben keine Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu entrichten, so daß die Übernahme der Arbeitnehmeranteile durch den Beklagten nur folgerichtig ist.

3. In diese vertraglichen Ansprüche konnte die BV 1995 nicht eingreifen. Insoweit gilt das Günstigkeitsprinzip (BAGE 63, 211, 219 = AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe). Die Voraussetzungen, unter denen durch Betriebsvereinbarung ausnahmsweise Ansprüche einzelner Arbeitnehmer verschlechtert werden können, sofern die Neuregelung einem kollektiven Günstigkeitsvergleich standhält, liegen hier nicht vor. Das folgt schon daraus, daß es nicht um Sozialleistungen geht, sondern um das im Austauschverhältnis mit der geschuldeten Arbeitsleistung stehende eigentliche Entgelt (BAGE 62, 360, 372 = AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, zu III 2b der Gründe). Hinzu kommt, daß die neue Regelung entsprechend ihrem Zweck zu Einsparungen führt und damit auch bei kollektiver Betrachtung weniger günstig ist als der Anspruch auf Anbindung an die Besoldungsentwicklung der Landesbeamten und auf Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe.

Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die in den Betriebsvereinbarungen enthaltenen Gehaltsregelungen nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sind, weil insoweit Tarifverträge bestehen oder üblich sind.

 

Unterschriften

Rost, Hauck, Wißmann, Gnade, Bayer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628857

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