Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutz. Betriebsratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Betriebsratsmitglied in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Übernahme des Betriebsratsmitglieds in eine andere Betriebsabteilung notfalls durch Freikündigen eines geeigneten Arbeitsplatzes sicherzustellen. Ob dabei die Interessen des durch die erforderliche Freikündigung betroffenen Arbeitnehmers gegen die Interessen des Betriebsratsmitglieds und die Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats abzuwägen sind, bleibt offen.
2. Wer gegenüber dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern so auftritt, als betreibe er zusammen mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, muß sich im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG) so behandeln lassen, als bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 4-5; BGB § 242; UmwG §§ 321-323
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Juli 1999 – 3 Sa 911/98 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger (geboren 14. Juni 1971, verheiratet, ein Kind, schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50) wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma U W Optik GmbH (im Folgenden: UWO), seit 20. Juli 1992 als Lager- und Versandarbeiter beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung von und der Handel mit Sport- und Arbeitsschutzartikeln sowie optischen und artverwandten Artikeln. Der Kläger war seit 1994 Mitglied des Betriebsrats der UWO. Im Jahr 1994 wurde die UWO in verschiedene Unternehmen gespalten, darunter die Beklagte, die Sonnen- und Schutzbrillen herstellt, und als weiteres, mit der Herstellung von Schutzbekleidung befaßtes Produktionsunternehmen die U A GmbH & Co. KG, die zum 1. August 1997 unter der Firma U A GmbH (im Folgenden: UA) wieder mit der UWO verschmolzen wurde. Weiterhin entstanden die U W H GmbH & Co. KG (im Folgenden: UH) als Besitzgesellschaft sowie die Firma U B D GmbH & Co. KG (im Folgenden: UBD). Anläßlich der Umstrukturierung schlossen Geschäftsleitung und Betriebsrat der UWO am 19. Juli 1994 eine Betriebsvereinbarung, die ua. folgende Regelungen enthält:
„I. Grundsätzliche Anmerkungen
Die Geschäftsleitung und der Betriebsrat der U W Optik GmbH erklären beiderseits, daß alle Arbeitnehmer, die in die neu gegründeten Gesellschaften … überwechseln, keine arbeitsvertraglichen, betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Nachteile erleiden.
II. Überleitungsvereinbarung
Für alle Arbeitnehmer, die von der U W Optik GmbH zu einer der o.g. Gesellschaften überwechseln, werden folgende Regelungen vereinbart:
- Die bisher gültigen Einzelarbeitsverträge bleiben in der derzeit bestehenden Form gemäß § 613 a BGB mit allen Rechten und Pflichten erhalten …
- Die jeweilige Gesellschaft übernimmt die in der UVEX Winter Optik GmbH bestehenden Betriebsvereinbarungen in der zum jetzigen Zeitpunkt bestehenden Fassung …
- Die jeweilige Gesellschaft verpflichtet sich, auch alle anderen nicht in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen geregelten Rechte und erworbenen Anwartschaften anzuerkennen …
IV. Schlußbestimmungen
- Die Firma U W Optik GmbH sichert die Erfüllung der vorstehenden Vereinbarungen zu. Sie wird durch entsprechende vertragliche Regelungen sicherstellen, daß die neu gegründeten Gesellschaften alle von ihr zu erfüllenden Pflichten zusichern. Der Betriebsrat erhält eine Abschrift der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zwischen U W Optik GmbH und den Gesellschaften. Soweit die Erfüllung von Ansprüchen aus dieser Vereinbarung nicht rechtswirksam auf die Gesellschaften übertragen worden ist, verpflichtet sich die U W Optik GmbH, dafür gegenüber den von der Betriebsvereinbarung erfaßten Arbeitnehmern einzutreten.
- Geschäftsleitung und Betriebsrat stimmen darüber überein, daß der am 8. März 1994 von der Gesamtbelegschaft gewählte Betriebsrat weiterhin im Rahmen gesetzlicher Vorschriften für alle Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz zuständig bleibt.
- Die Parteien stimmen überein, daß mit dieser Betriebsvereinbarung alle betriebsverfassungsrechtlichen Fragen abschließend geregelt sind.”
Nach der Spaltung schlossen die Beklagte und die UA mit der UBD jeweils „Dienstleistungsverträge”, wonach die UBD Leistungen hinsichtlich der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung und der Personalabteilung der Gesellschaften einschließlich der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat übernahm. Der bei der UBD angestellte, über Prokura der Produktionsgesellschaften verfügende und unternehmensübergreifend als Personalleiter bezeichnete Mitarbeiter Dr. M trat seitdem in Personalangelegenheiten als zeichnungsberechtigter Vertreter auf. Er unterzeichnete sämtliche schriftlich erklärten Personalmaßnahmen (ua. Kündigungen, Aufhebungsverträge, Versetzungen und Betriebsratsanhörungen) allein oder mit einem anderen Vertretungsberechtigten und fungierte als Ansprechpartner des Betriebsrats. Gemäß der Regelung unter II 2 der Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 wendeten die Gesellschaften jedenfalls überwiegend die von der UWO geschlossenen Betriebsvereinbarungen weiter an. Sie nutzten eine auch anderen Unternehmen zu Verfügung stehende, von einem selbständigen Unternehmen geführte Kantine.
Nach der Spaltung wurde der Kläger von der Beklagten, die etwa 260 Arbeitnehmer beschäftigt, in deren Lager übernommen. Das Arbeitsverhältnis unterlag aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit den Tarifverträgen für die Kunststoff verarbeitende Industrie in Bayern. Während die UA zum 10. März 1997 für ihr Lager zwei neue Arbeitnehmer einstellte, schloß die Beklagte ihr Lager zum 15. Mai 1997 und übertrug diese Funktion an die Firma S. Mangels Beschäftigungsmöglichkeit in ihrem Unternehmen entließ sie die im Lager beschäftigten Arbeitnehmer. Nachdem die Hauptfürsorgestelle mit Bescheid vom 22. August 1997 zugestimmt und der Betriebsrat am 25. August 1997 widersprochen hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 28. August zum 30. September 1997. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Im Jahr 1998 wurden für die einzelnen Unternehmen selbständige Betriebsräte gewählt. In diesem Jahr wurde das von der Firma S betriebene Lager an die Beklagte zurückübertragen.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei nach §§ 321 – 323 UmwG unwirksam. Er müsse im Lager der Firma UA weiterbeschäftigt werden. Die von der UWO abgespaltenen Unternehmen unterhielten einen Gemeinschaftsbetrieb. Die Betriebsstruktur sei im Jahr 1994 nicht wesentlich geändert worden. Die UH habe die Unternehmen beherrscht. Die unternehmerischen Entscheidungen seien zentral getroffen worden. Die personellen und sozialen Arbeitgeberfunktionen hätten in einer Hand gelegen. Die Personalpolitik sei wie alle Fragen der Produktion und des Absatzes einmal im Monat in Geschäftsführerbesprechungen mit der UH festgelegt worden. Gegen die Unabhängigkeit der einzelnen Unternehmen sprächen schon die Stellung des Herrn Dr. M und die sonstige Verflechtung der Unternehmen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.1997 zum 30.09.1997 nicht aufgelöst wurde,
- hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Lager-/Versandarbeiter tatsächlich bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes bestritten. Sie hat geltend gemacht, der Betriebsrat sei für sie nicht zuständig gewesen. Die Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 sei ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Es bestehe keine unternehmensübergreifende einheitliche Leitungsstruktur im sozialen und personellen Bereich. Die UH stelle nur Rahmenrichtlinien auf, ohne in das Tagesgeschäft der Einzelgesellschaften einzugreifen. Diese seien insbesondere in ihrer Personalpolitik völlig unabhängig. So würden Einstellungen, Kündigungen, Versetzungen, Sozialplanabschlüsse und Fragen des Personalbedarfs bzw. der Personalplanung unabhängig von der UH jeweils von den Geschäftsführern der Einzelgesellschaften entschieden. Die UH sei als reine Kontrollgesellschaft ausgestaltet, die finanzielle Kontrolle über die untergeordneten Gesellschaften ausübe, ohne in Bezug auf das Tagesgeschäft Einfluß auf Produktion, Absatz und Personalpolitik zu nehmen. Sie koordiniere die unternehmerischen Ziele der Einzelgesellschaften im Hinblick auf Synergieeffekte und erteile ggf. finanzielle Zielvorgaben. Auf welchem Weg diese Vorgaben erreicht würden, bleibe allein den rechtlich wie tatsächlich unabhängigen Geschäftsführern der Einzelgesellschaften überlassen. Die UH sei damit auf die Wahrnehmung einer unternehmenspolitischen Richtlinienkompetenz beschränkt, um eine einheitliche Zielrichtung des Konzerns sicherzustellen. Herr Dr. M setze lediglich die von den einzelnen Geschäftsführern getroffenen Entscheidungen um. Im Innenverhältnis dürfe er seine Zeichnungsbefugnis nur fremdbestimmt aufgrund eindeutiger Weisung oder nach Rücksprache ausüben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da die Beklagte im Zusammenwirken mit der UWO verpflichtet gewesen sei, den Kläger im Lager der UA einzusetzen. Der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes sei zwar an sich nicht konzernbezogen. Mit der Zusage, daß den in die neu gegründeten Gesellschaften überwechselnden Arbeitnehmern keine arbeitsvertraglichen, betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Nachteile entstehen sollten, sowie durch die Regelung in Ziff. IV 1 der Betriebsvereinbarung habe die UWO jedoch einen Konzernbezug hergestellt mit der Folge, daß die betroffenen Arbeitnehmer durch die Umstrukturierung kündigungsschutzrechtlich keine Nachteile erleiden dürften. Für den individuellen Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 5, Abs. 4 KSchG folge daraus, daß der Arbeitgeber auch die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben zu prüfen habe. Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung könne nur dahingehend verstanden werden, daß allen Arbeitnehmern die rechtliche Stellung habe erhalten bleiben sollen, die sie vor der Umstrukturierung innegehabt hätten. Vor diesem Zeitpunkt sei die Beklagte aber verpflichtet gewesen, den Kläger im Bereich des Lagers der späteren UA einzusetzen, nachdem dort unstreitig am 10. März 1997 zwei Arbeitnehmer neu eingestellt worden seien.
B. Dem folgt der Senat im Begründungsansatz und im Ergebnis.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam ist, weil der Kläger als Betriebsratsmitglied in das Lager der UA zu übernehmen war (§ 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG). Dies gilt unabhängig davon, ob die durch die Spaltung entstandenen Gesellschaften den Betrieb der UWO als Gemeinschaftsbetrieb weitergeführt haben.
1. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind die in § 15 Abs. 1 – 3 KSchG genannten Amtsträger in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen, wenn die Abteilung, in der sie beschäftigt wurden, stillgelegt wird. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, ist die Kündigung nach § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur unter sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 4 KSchG möglich, also frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung, sofern die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt nicht durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Hier kam es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu einer Stillegung der Abteilung Versand/Lager iSv. § 15 Abs. 5 KSchG.
a) Sind in einem solchen Fall in einer anderen Betriebsabteilung geeignete Arbeitsplätze vorhanden, aber mit anderen Arbeitnehmern besetzt, muß der Arbeitgeber nach ganz herrschender Meinung versuchen, einen dieser Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls durch Kündigung freizumachen, um ua. den mit § 15 KSchG verfolgten Schutzzweck der Kontinuität des Betriebsratsmandates dadurch zu gewährleisten, daß die personelle Zusammensetzung während der Dauer des Mandats möglichst unverändert bleibt (so im Ergebnis bereitsBAG 25. November 1981 – 7 AZR 382/79 – BAGE 37,128; LAG Berlin 27. Juni 1986 – 13 Sa 6/86 – DB 1987, 178; aA Schleusener DB 1998, 2368; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 9. Aufl. § 143 Rn. 35).
Umstritten ist allerdings, ob die sozialen Belange des von der ggf. erforderlichen Freikündigung betroffenen Arbeitnehmers und berechtigte betriebliche Interessen an seiner Weiterbeschäftigung gegen die Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats und die Interessen des durch § 15 KSchG geschützten Funktionsträgers an seiner Weiterbeschäftigung abzuwägen sind(so ua. LAG Düsseldorf 25. November 1997 – 8 Sa 1358/97 – LAGE KSchG § 15 Nr. 16; KR-Etzel 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 126; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 103 Rn. 16; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl., § 15 Rn. 170 a; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 994 a; vgl. Senat 28. Oktober 1999 – 2 AZR 437/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 44 = EzA KSchG nF § 15 Nr. 48, zu II 5 der Gründe) oder ob der Sonderkündigungsschutz gegenüber dem allgemeinen Kündigungsschutz absoluten Vorrang genießt(so etwa ArbG Mainz 4. Dezember 1985 – 4 Ca 1747/85 – DB 1986, 754; Däubler/Kittner/Zwanziger KSchR 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 77 a; HK-KSchG/Dorndorf 3. Aufl. § 15 Rn. 142, 155 f.; Löwisch KSchG 8. Aufl. § 15 Rn. 65; Hassenpflug Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern wegen Stillegung eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung S 248 – 251).
b) Die gegen eine Obliegenheit des Arbeitgebers zur Freikündigung geeigneter Arbeitsplätze für den Funktionsträger etwa von Schleusener(aaO) vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Er meint, eine solche Kündigung stelle mangels Rechtsgrundlage eine unzulässige Austauschkündigung dar. Dem Interesse der Kontinuität des Betriebsratsmandates sei durch die Möglichkeit des Nachrückens eines Ersatzmitgliedes ausreichend Rechnung getragen. Das Interesse der einzelnen Mandatsträger, vor Willkürmaßnahmen im Zusammenhang mit der Amtsführung geschützt zu werden, sei bei allgemeinen Maßnahmen des Arbeitgebers iSv. § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG nicht betroffen. Bei der Gewährung eines den Maßstab von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG überschreitenden Schutzes komme es zu einer zu weitgehenden Privilegierung von Amtsträgern.
Dabei wird jedoch übersehen, daß mit § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG die Möglichkeit einer Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz vorausgesetzt wird, dieser also unbesetzt sein muß, während § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ausdrücklich eine Übernahmeverpflichtung vorsieht, der nach § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur betriebliche Gründe entgegengesetzt werden können. Solche bestehen nicht, wenn der Arbeitgeber ggf. für den Funktionsträger einen Arbeitsplatz freikündigen muß; dann ist der Arbeitgeber auch zu einer betriebsbedingten Entlassung des anderen Arbeitnehmers berechtigt, da durch die gesetzlich vorgesehene Übernahme des Amtsträgers der Beschäftigungsbedarf für diesen Arbeitnehmer entfällt.
Das Schutzinteresse des Gesetzes gebietet eine solche Auslegung. Die Möglichkeit des Nachrückens von Ersatzmitgliedern nach § 25 BetrVG gewährleistet die notwendige Kontinuität der Amtsausübung des Betriebsrats nicht ausreichend. Nach § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder sowie Ersatzmitglieder untereinander nicht ohne weiteres austauschbar. Zu einem Nachrücken kommt es nur unter strengen Voraussetzungen. Ein Nachrücken kann im Fall der Erschöpfung der Vorschlagsliste nach § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG und im Fall der Mehrheitswahl nach § 25 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sogar zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat führen und dadurch den Wählerwillen umkehren. Ein Ausscheiden gewählter Betriebsratsmitglieder muß daher schon im Interesse der Aufrechterhaltung einer möglichst weitgehenden demokratischen Legitimation des Betriebsrates vermieden werden, soweit dem nicht besonders gewichtige Gründe entgegenstehen. Außerdem kann bei umfangreicheren Betriebsteilstillegungen sogar die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintritt sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder sinken, so daß gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG eine Neuwahl erforderlich würde. In solchen Fällen kann die Freikündigungsobliegenheit unmittelbare Bedeutung nicht nur für einzelne Betriebsratsmitglieder, sondern für die Dauer der Amtszeit des gesamten Gremiums haben. Damit stellt die Freikündigungsobliegenheit nicht eine unzulässige Privilegierung betriebsverfassungsrechtlicher Funktionsträger dar. Es handelt sich vielmehr um eine dem Schutzzweck des § 15 KSchG entsprechende, der Wahrung von Mandat und demokratischer Legitimation des Betriebsrats als Gremium dienende Sicherung.
c) Auf den Meinungsstreit, ob eine Abwägung zwischen den Interessen des Mandatsträgers und dem anderen im Fall der Freikündigung zu entlassenden Arbeitnehmer erforderlich ist oder nicht, kommt es hier im Fall der Anwendbarkeit von § 15 KSchG nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen festgestellt, daß im Lager der UA nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien am 10. März 1997 zwei Arbeitnehmer neu eingestellt worden seien. Es hat damit implizit angenommen, daß der Kläger zur Übernahme von deren Tätigkeit geeignet war. Daß die Einstellungen nur befristet vorgenommen worden sind, besagt nicht, daß keine Dauerarbeitsplätze bestanden haben; nach dem Widerspruch des Betriebsrats handelte es sich vielmehr um Ersatzeinstellungen. Wäre hier eine Interessenabwägung zwischen der Entlassung des Klägers und der eines dieser Arbeitnehmer erforderlich gewesen, hätte diese zwangsläufig zu Gunsten des Klägers ausfallen müssen. Die für das Lager der UA eingestellten Arbeitnehmer unterlagen zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs mangels Ablaufs der Wartefrist von § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht dem Schutz von § 1 KSchG. Solche Arbeitnehmer sind in eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht einzubeziehen(Senat 25. April 1985 – 2 AZR 140/84 – BAGE 48, 314; KR-Etzel aaO § 1 KSchG Rn. 676). Bei einer evtl. erforderlichen Abwägung im Rahmen von § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG kann nichts anderes gelten. Im übrigen ist kein Umstand festgestellt, der bei einer Abwägung gegen den Kläger, der sich aufgrund seines Betriebsratsamtes und seiner wesentlich längeren Betriebszugehörigkeit auf gewichtige Interessen stützen kann, sprechen könnte.
d) An den vom Berufungsgericht insoweit festgestellten Sachverhalt ist der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden. Es fehlt an einer durchgreifenden Revisionsrüge. Die Revision bemerkt zu diesen Feststellungen lediglich, für eine die Neueinstellungen betreffende Behauptung sei auch nach aufmerksamem Aktenstudium weder in den Schriftsätzen noch in den Terminsprotokollen ein Hinweis zu finden; die Tatsachenfeststellung werde durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Dies ist noch keine zulässige Verfahrensrüge. Im übrigen wäre eine entsprechende Rüge nicht begründet. Der Kläger hat sich bereits in der Klageschrift auf Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Mitarbeiter im Lager der UA berufen und insbesondere zwei Einstellungen am 4. März 1997 dargelegt. Diese Angaben sind auch in dem vom Kläger als Anlage zur Klageschrift eingereichten Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom 28. August 1997 enthalten. Schriftsätzlich hat die Beklagte diesen Vortrag in den Tatsacheninstanzen nicht bestritten. Ihre pauschale Rüge der fehlenden Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze war prozessual unbeachtlich.
2. Bestand der bisherige Betrieb der UWO, wie der Kläger geltend macht, nach der Spaltung als Gemeinschaftsbetrieb fort, so unterfiel der Kläger zum Kündigungszeitpunkt nach wie vor dem gesetzlichen Geltungsbereich des § 15 KSchG. Bis zur Spaltung der UWO war der Kläger als Mitglied von deren Betriebsrat ein durch § 15 KSchG geschützter Amtsträger. Falls die gespaltenen Gesellschaften einen Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt haben, hat sich daran bis zum Kündigungszeitpunkt nichts geändert.
Wird im Rahmen einer Unternehmenspaltung die Organisation des Betriebes nicht geändert, sondern der Betrieb unter einheitlicher Leitung weitergeführt, kommt es nicht zu einer Auflösung des bisherigen Betriebes. Dann bleibt auch das Mandat eines bestehenden Betriebsrats unberührt. Insoweit ist durch die aufgrund Art. 20 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28. Oktober 1994(BGBl. I S 3210) zum 1. Januar 1995 in Kraft getretene Regelung von § 322 UmwG inzwischen für den Fall einer ungeänderten Fortführung der Betriebsorganisation sogar eine gesetzliche Vermutung für eine gemeinsame Betriebsleitung durch die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger im Zusammenhang mit der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes festgelegt worden. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß bei Fortführung des Betriebes des gespaltenen Unternehmens als Gemeinschaftsbetrieb ohne Änderung der Betriebsorganisation das Mandat des bisherigen Betriebsrats nicht nur als Übergangsmandat iSv. § 321 Abs. 1 UmwG, sondern bis zum Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats fortbesteht(GK-BetrVG/Wiese/Kreutz 6. Aufl. § 21 Nr. 70; Stege/Weinspach BetrVG 8. Aufl. § 21 Rn. 13; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 21 Rn. 47 a). Auch für die Rechtslage vor dem 1. Januar 1995 herrscht Übereinstimmung, daß bei Fortführung eines Gemeinschaftsbetriebes nach einer Spaltung eines Unternehmens der bisherige Betriebsrat im Amt bleibt(BAG 23. November 1988 – 7 AZR 121/88 – BAGE 60, 191; GK-BetrVG/Wiese 5. Aufl. [1994] § 21 Rn. 44; Fitting/Auffahrth/Kaiser/Heither BetrVG 17. Aufl. [1992] § 1 Rn. 56; Wendeling-Schröder NZA 1984, 247).
3. Ob nach der Spaltung der UWO ein Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wurde, läßt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen, obwohl gewichtige Indizien für diese Annahme sprechen.
Ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen liegt vor, wenn die beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Leitungsapparat zur Erfüllung in der organisatorischen Einheit zu verfolgender arbeitstechnischer Zwecke geschaffen haben. Diese einheitliche Leitung muß sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Sie braucht nicht in einer einheitlichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt zu sein. Vielmehr genügt es, daß sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten läßt. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, führt dies regelmäßig zu dem Schluß, daß eine konkludente Führungsvereinbarung vorliegt. Die Annahme einer solchen Führungsvereinbarung ist allerdings nicht schon dann gerechtfertigt, wenn mehrere Unternehmen etwa auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten(Senat 18. Januar 1990 – 2 AZR 355/89 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 9 = EzA KSchG § 23 Nr. 9, zu III der Gründe; 29. April 1999 – 2 AZR 352/98 – AP aaO Nr. 21 = EzA aaO Nr. 21, zu III 4 a, b der Gründe jeweils mwN). Eine rein konzernrechtliche Befugnis begründet noch keinen einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat in diesem Sinn(Senat 29. April 1999 aaO, zu III 4 b der Gründe).
Danach stellt schon die Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 ein Indiz dafür dar, daß beabsichtigt war, entsprechend Ziff. 2 der Schlußbestimmungen die neu gegründeten Gesellschaften jedenfalls für eine Übergangszeit bis zum Ablauf der Amtszeit des am 8. März 1994 von der Gesamtbelegschaft gewählten Betriebsrats als Gemeinschaftsbetrieb fortzuführen, und daß zwischen der U W Optik GmbH und den neu gegründeten Gesellschaften eine entsprechende Führungsvereinbarung zumindest konkludent geschlossen werden sollte. Dem würde es auch entsprechen, daß dem Betriebsrat in den wesentlichen sozialen und personellen Angelegenheiten stets dieselbe Ansprechperson als Arbeitgebervertreter, nämlich der immerhin mit Prokura ausgestattete „Personalleiter” Dr. M entgegengetreten ist. Ein Prokurist als Personalleiter, der, wie die Beklagte behauptet, lediglich als „unselbständiges Sprachrohr in beide Richtungen” zwischen mehreren Geschäftsführern und dem Betriebsrat fungiert, dürfte in der Betriebswirklichkeit wohl eher die Ausnahme sein.
Die Frage, ob die neu gegründeten Gesellschaften auch nach der Spaltung einen Gemeinschaftsbetrieb geführt haben und deshalb das Betriebsratsmandat des Klägers fortbestand, kann jedoch mit dem Landesarbeitsgericht, das hierzu keine Feststellungen getroffen hat, dahinstehen. Die Kündigung der Beklagen ist auch dann unwirksam, wenn es nach der Spaltung nicht zu einer Weiterführung des Betriebes als Gemeinschaftsbetrieb gekommen ist.
4. Dann hätte der Betriebsrat allerdings sein Mandat verloren und der Kläger wäre zum Kündigungszeitpunkt weder Mandatsträger iSv. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG gewesen, noch hätte er nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG genossen. Vorbehaltlich des Bestehens eines Übergangs- oder Restmandates endet das Mandat des Betriebsrats mit dem Wegfall der bisherigen Betriebsidentität. Diese entfällt, wenn ein Betrieb in mehrere selbständige neue Betriebe aufgespalten wird (BAG 23. November 1988 – 7 AZR 121/88 – BAGE 60, 191, 197; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 21 Rn. 41; Stege/Weinspach BetrVG 8. Aufl. § 21 Rn. 19, 20).
a) Ein Übergangsmandat des Klägers bestand nicht. Vor Inkrafttreten des § 321 UmwG war streitig, ob im Fall einer Betriebsspaltung der für den bisher einheitlichen Betrieb gewählte Betriebsrat ein Übergangsmandat behielt. Dies wurde weitgehend wegen der fehlenden Kontinuität der betrieblichen Strukturen, die die Grundlage des Mandats waren, verneint(BAG 23. November 1988 – 7 AZR 121/88 – BAGE 60, 191, 200; GK-BetrVG/Wiese 5. Aufl. [1994] § 21 Rn. 40; Stege/Weinspach BetrVG 7. Aufl. [1994] § 21 Rn. 7 a). Teilweise wurde vertreten, ein Übergangsmandat des Betriebsrats solle entsprechend von § 13 Abs. 1 Satz 2 SpTrUG, § 6 b Abs. 9 Satz 2 VermG, § 15 Abs. 1 Satz 3 DBGrG lediglich bis zur Neuwahl eines Betriebsrats und längstens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Umstrukturierung des Betriebes andauern(Fitting/Auffahrth/Kaiser/Heither BetrVG 17. Aufl. [1992] § 21 Rn. 57).
b) Auch wenn man noch weitergehend unter analoger Anwendung von § 321 Abs. 1 Satz 3 UmwG von einem halbjährigen Übergangsmandat ausgeht, war der nachwirkende Kündigungsschutz des Klägers zum Kündigungszeitpunkt abgelaufen. Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, daß zweijährige kündigungsrechtliche Verschlechterungsverbot von § 323 Abs. 1 UmwG erfasse auch den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG(so: KR-Friedrich aaO §§ 322, 323, 324 UmwG Rn. 38, 41, 43; ErfK-Ascheid § 323 UmwG Rn. 4; Kittner/Däubler/Zwanziger aaO § 323 UmwG Rn. 11), und § 323 Abs. 1 UmwG anstelle von § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG analog anwendet, obwohl die hier maßgebliche Spaltung vor Inkrafttreten von § 323 Abs. 1 UmwG durchgeführt wurde. Im dem für den Kläger günstigsten Fall hätte dann ein 2 ½-jähriger besonderer gesetzlicher Kündigungsschutz bestanden, der spätestens im 1. Halbjahr des Jahres 1997 abgelaufen wäre.
c) Hat, wie die Beklagte geltend macht, kein Gemeinschaftsbetrieb bestanden, so wurde das Mandat des Betriebsrats auch nicht durch die Regelung unter IV 2 der Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 unbefristet verlängert. Diese Regelung konnte nicht ein nach dem Gesetz endendes Mandat konstitutiv verlängern. Die gesetzlichen Vorschriften über Wahl und Organisation des Betriebsrats sind zwingender Natur und für Arbeitgeber und Betriebsrat nicht dispositiv. Eine von der gesetzlichen Regelung der §§ 1, 4 BetrVG abweichende Zuordnung von Betrieben zu einem Betriebsrat kann lediglich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG durch Tarifvertrag nach Zustimmung der zuständigen Arbeitsbehörde vorgenommen werden. Eine Regelung durch Betriebsvereinbarung ist nicht möglich(Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 1 Rn. 213; GK-BetrVG/Kraft 6. Aufl. § 1 Rn. 57, § 3 Rn. 8, 29; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 3 Rn. 1; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 3 Rn. 1).
5. Die Beklagte muß sich die Anwendbarkeit des § 15 KSchG aber jedenfalls aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 und der tatsächlichen Durchführung der Regelung von Ziff. IV 2 der Betriebsvereinbarung entgegenhalten lassen.
a) Es spricht schon vieles für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß sich aus der Betriebsvereinbarung eine Fortdauer des besonderen Kündigungsschutzes der Mitglieder des Betriebsrats der UWO über den Zeitpunkt der Spaltung hinaus ergibt.
aa) Zu Recht rügt die Revision allerdings, daß allein aus den „grundsätzlichen Anmerkungen” unter Ziff. I der Betriebsvereinbarung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht die Regelung einer unternehmensübergreifenden Anwendung des § 15 KSchG entnommen werden kann.
Bereits die Überschrift der Regelung von Ziff. I der Betriebsvereinbarung legt nicht nahe, daß schon unter dieser Ziffer nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG zwingendes Recht geschaffen werden sollte. Sie läßt eher auf eine Präambel als auf einen Teil der normativen Regelung schließen. Allerdings ist auch eine Präambel als Bestandteil der Gesamtvereinbarung bei der Auslegung der anderen Vorschriften mitzuberücksichtigen(so für Tarifverträge BAG 5. Oktober 1999 – 3 AZR 230/98 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 51 = EzA BetrAVG § 17 Nr. 7). Sie umfaßt aber in der Regel nicht den eigentlichen Regelungswillen der Betriebspartner, sondern dient als Erläuterung ihrer generellen, mit der Betriebsvereinbarung verfolgten Absichten.
bb) Eine den Gesamtzusammenhang der Betriebsvereinbarung berücksichtigende, insbesondere auf die Regelung unter IV 2 der Betriebsvereinbarung gestützte Auslegung legt jedoch das vom Landesarbeitsgericht gefundene Ergebnis nahe.
An der Klausel in IV 2 der Betriebsvereinbarung fällt auf, daß mit ihr hinsichtlich der Aufgaben des dem Ziel der Regelung nach fortbestehenden Betriebsrats auf das Gesetz verwiesen wird („… weiterhin im Rahmen gesetzlicher Vorschriften für alle Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz …”). Die Rechtsgrundlage dieses Mandats bleibt dagegen offen. Darauf, daß die Betriebspartner insoweit eine Abweichung von den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes jedenfalls für möglich hielten, deutet hin, daß die Klausel nicht etwa wahlperiodenübergreifend formuliert ist, sondern ausdrücklich nur der „am 8. März 1994 von der Gesamtbelegschaft gewählte Betriebsrat” genannt ist. Dies spricht dafür, daß die Betriebspartner sich der Möglichkeit bewußt waren, daß die neu entstehenden betrieblichen Strukturen den gesetzlichen Vorgaben nach die – dann im Jahr 1998 auch tatsächlich durchgeführte – Neuwahl von Betriebsräten für die Einzelunternehmen geboten hätte. Damit sollte die Regelung wohl nicht lediglich deklaratorischen, sondern eher konstitutiven Charakter haben.
Wenn aber für die gesamte restliche Amtszeit von mehr als drei Jahren für den Fall eines fehlenden gesetzlichen Mandates durch diese Regelung konstitutiv ein Mandat begründet werden sollte, würde dies dafür sprechen, daß damit auch die gesetzlichen Regelungen gelten sollten, die die Kontinuität des Mandates und die einzelnen Betriebsratsmitglieder vor willkürlichen Sanktionen des Arbeitgebers schützen sollen, also insbesondere § 15 KSchG, § 113 BetrVG. Auch dies gehört zu dem „Rahmen gesetzlicher Vorschriften”, in dem der Betriebsrat weiter tätig sein sollte, zumal angesichts der sich aus den grundsätzlichen Anmerkungen unter I der Betriebsvereinbarung ergebenden Intention die Arbeitnehmer vor arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Nachteilen bewahrt werden sollten. Hätte davon abweichend § 15 KSchG gar nicht oder lediglich auf die einzelnen abgespaltenen Unternehmen bezogen gelten sollen, hätte dies in Anbetracht der eine weitgehende Kontinuität des betriebsverfassungsrechtlichen Mandats anstrebenden Funktion der Regelung eine Klarstellung in der Betriebsvereinbarung erfordert.
cc) Eine solche Regelung wäre zwar als konstitutive Regelung nicht wirksam, weil sie entgegen den zwingenden gesetzlichen Vorschriften über Wahl und Organisation des Betriebsrats ein zeitlich nicht beschränktes Übergangsmandat des am 8. März 1994 gewählten Betriebsrats vorsähe. Dies würde aber nicht ohne weiteres auch zur Unwirksamkeit der Gewährung des besonderen Kündigungsschutzes jedenfalls für den Zeitraum führen, in dem der Betriebsrat tatsächlich mit Billigung der beteiligten Unternehmen in Funktion war. Die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung führt nicht zwingend zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung. Entscheidend ist, ob der wirksame Teil der Betriebsvereinbarung auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Der mit der Betriebsvereinbarung geschaffene Rechtszustand soll aufrecht erhalten bleiben, soweit er auch ohne den unwirksamen Teil eine ordnende Funktion entfaltet(ständige Rechtsprechung etwa BAG 23. Juni 1992 – 1 ABR 9/92 – BAGE 70, 356; 20. Juli 1999 – 1 ABR 66/98 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67; 12. Oktober 1994 – 7 AZR 398/93 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 66 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 2).
b) Ob sich eine Pflicht der Beklagten, dem Kläger Kündigungsschutz entsprechend § 15 KSchG zu gewähren, schon aus der Betriebsvereinbarung iVm. § 613 a BGB ergibt, kann aber letztlich dahinstehen. Jedenfalls muß sich die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kündigungsrechtlich so behandeln lassen, als ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorläge.
aa) Die Ausübung von Rechten kann unzulässig sein, wenn sie zum früheren Verhalten der Parteien im Widerspruch steht (venire contra factum proprium). Bei der Beanspruchung von Rechtspositionen ist gegenüber anderen Teilnehmern am Rechtsleben eine gewisse Konsistenz zu verlangen(BAG 27. Juni 1995 aaO, zu B III 2 c der Gründe). Wer durch eine Erklärung oder sein Verhalten bewußt oder unbewußt eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Das Verbot des Selbstwiderspruchs hindert Vertragspartner auch daran, sich auf die Unwirksamkeit eines Vertrages zu berufen, den sie viele Jahre lang als rechtswirksam angesehen und durchgeführt haben(BAG 11. Dezember 1996 – 5 AZR 855/95 – BAGE 85, 11 und – 5 AZR 708/95 – AP BGB § 242 Unzulässige Rechtsausübung – Verwirkung Nr. 36 = EzA BGB § 242 Rechtsmißbrauch Nr. 2, zu I 2 a der Gründe).
bb) Hier hat die UWO als Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Ziff. IV 2 der Betriebsvereinbarung eine Regelung getroffen, die abgesehen von einem evtl. auf wenige Monate befristeten Übergangsmandat nur im Fall des Bestehens eines Gemeinschaftsbetriebes wirksam sein konnte. Die Rechtsnachfolger einschließlich der Beklagten und der UA hielten bis zum Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats an dieser Regelung fest und setzten sie durch ständige Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat um, ohne jeweils irgendeinen Vorbehalt gegenüber dem Fortbestand des Mandats zu äußern. Auch zu der streitgegenständlichen Kündigung hörte die Beklagte den Betriebsrat an. Die Rechtsnachfolger der UWO nutzten damit die sich aus der Betriebsvereinbarung für sie ergebenden Vorteile (Unterbleiben der Neuwahl von Betriebsräten für die Nachfolgeunternehmen, Fortsetzung der Zusammenarbeit mit einem in seiner Zusammensetzung bekannten Betriebsrat, Weiterführung der Kollektivregelungen gemäß Ziff. II 2, 3 der Betriebsvereinbarung). Gleichzeitig traten sie jedenfalls im Außenverhältnis gegenüber dem Betriebsrat und der Belegschaft so auf, als ob sie einen Gemeinschaftsbetrieb unterhielten, indem sie sämtliche Personalmaßnahmen durch den unternehmensübergreifend als Personalleiter bezeichneten Prokuristen Dr. M ausführen ließen und diesen zum Ansprechpartner des Betriebsrats machten.
cc) Jedenfalls nach den äußeren Umständen konnten der Betriebsrat – wie von ihm in seinem Widerspruch gegen die Kündigung geltend gemacht – und seine Mitglieder daher darauf vertrauen, daß die kündigungsrechtliche Absicherung des Mandats dem in einem Gemeinschaftsbetrieb entspricht. Dies war gleichsam „Geschäftsgrundlage” der Fortführung des Mandats, durch die sich die Mitglieder des Betriebsrats zumindest der abstrakten Gefahr aussetzten, sich bei ihrem jeweiligen Arbeitgeber mißliebig zu machen. Jedenfalls so lange keiner der Rechtsnachfolger der UWO dagegen Vorbehalte äußerte, durften der Betriebsrat aufgrund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und dessen Mitglieder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben davon ausgehen, daß sich auch kündigungsrechtlich im Hinblick auf die Anwendung von § 15 KSchG nach der Spaltung nichts ändern würde. Daß die Beklagte dies nicht gegen sich gelten lassen will, obwohl sie bis zur Kündigung die sich für sie aus der Betriebsvereinbarung ergebenden Vorteile in Anspruch genommen hat, ist daher jedenfalls für die Vergangenheit ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten. Wer wie die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern so auftritt, als betreibe er zusammen mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, muß sich im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG) so behandeln lassen, als bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb.
dd) Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte habe keine ausreichenden rechtlichen Möglichkeiten gehabt, der UA gegenüber ein Freikündigen eines der von den neueingestellten Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze und eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem dieser Arbeitsplätze durchzusetzen. Da auch die UA wie die Beklagte mit dem Betriebsrat auf der Basis der Ziff. IV 2 der Betriebsvereinbarung vom 19. Juli 1994 jahrelang nicht anders zusammengearbeitet hat, als bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb, muß auch sie sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als habe tatsächlich ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden. Sie war deshalb im Hinblick auf den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG) verpflichtet, gegenüber der Beklagten so zu reagieren, als bilde sie mit dieser und den übrigen Firmen zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb. Dies umfaßte die Verpflichtung, für den Kläger als Betriebsratsmitglied beim Fehlen anderer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten einen der beiden in Betracht kommenden Arbeitsplätze freizukündigen, was mangels Kündigungsschutzes dieser Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung problemlos möglich gewesen wäre, und den Kläger auf dem freigemachten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob sich eine entsprechende Pflicht der UA auch unmittelbar aus der Betriebsvereinbarung bzw. aus § 613 a BGB ergab.
II. Über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ist nicht mehr zu entscheiden, da der Senat über den Feststellungsantrag rechtskräftig entschieden hat(vgl. Senat 2. Dezember 1999 – 2 AZR 757/98 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 45 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 42, zu IV der Gründe).
Unterschriften
Rost, Bröhl zugleich für den wegen Ablauf der Amtszeit an der Unterschrift verhinderten Richter Mauer, Fischermeier, Baerbaum
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.10.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 78 |
BB 2001, 1097 |
BB 2001, 476 |
DB 2001, 1729 |
NJW 2001, 2420 |
NWB 2001, 1113 |
BuW 2001, 439 |
ARST 2001, 150 |
FA 2001, 206 |
FA 2001, 90 |
JR 2001, 396 |
NZA 2001, 321 |
RdA 2002, 52 |
SAE 2002, 1 |
ZAP 2001, 428 |
AP, 0 |
PERSONAL 2001, 296 |
PERSONAL 2001, 330 |
Consultant 2001, 10 |