Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellung – unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
1. Für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende können Entgelte und sonstige Vertragsbedingungen mit bindender Wirkung für alle Auftraggeber und Beschäftigten festgesetzt werden (§ 19 Abs. 1 HAG). Den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden können im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende gleichgestellt werden, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen (§ 1 Abs. 2 HAG). Werden Gewerbetreibende den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden gleichgestellt, können sie sich auch auf bindende Festsetzungen nach § 19 Abs. 1 HAG berufen.
2. Es ist Sache des Auftraggebers, sich das erforderliche Wissen darüber zu verschaffen, ob und welchen rechtlichen Beschränkungen die Vergabe von Lohnarbeit an Heimarbeiter und gleichgestellte Personen unterliegt. Der Gleichgestellte ist nicht verpflichtet, von sich aus dem Auftraggeber die Gleichstellung bekanntzugeben.
3. Der Gleichgestellte kann ausnahmsweise nach § 242 BGB verpflichtet sein, den Auftraggeber ungefragt auf die Gleichstellung hinzuweisen. Verletzt er diese nur unter besonderen Umständen bestehende Offenbarungspflicht, so kann die Berufung auf die Gleichstellung unzulässige Rechtsausübung sein. Dieser Einwand ist nur bei besonders schweren Verstößen gegen die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs begründet, etwa wenn der Gleichgestellte durch seine Angaben über seinen Geschäftsbetrieb den Auftraggeber von Fragen nach einer eventuellen Gleichstellung abhält.
Normenkette
HAG § 1 Abs. 6, 2, § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1, 3; BGB §§ 134, 242
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.04.1987; Aktenzeichen 4 b Sa 137/86) |
ArbG Heilbronn (Urteil vom 16.10.1986; Aktenzeichen 5 Ca 52/86) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. April 1987 – 4 b Sa 137/86 – wird zurückgewiesen.
2. Die. Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten zusätzliche Vergütung für die Ausführung von Lohnarbeiten.
Die Klägerin betreibt mit ihrem Ehemann und weniger als 25 Mitarbeiterinnen einen Konfektionsbetrieb für Damen-, Herren- und Kinderoberbekleidung. Sie und ihr Ehemann arbeiten selbst am Stück mit. Eine eigene Absatzorganisation wird nicht unterhalten. In dem Rechtsstreit einer ehemaligen Mitarbeiterin gegen die Klägerin hat der Senat entschieden, daß die Klägerin aufgrund der „Gleichstellung von Hausgewerbetreibenden, anderen im Lohnauftrag arbeitenden Gewerbetreibenden und Zwischenmeistern in der Herstellung von Damen- und Kinderoberbekleidung und verwandten Erzeugnissen” vom 29. Mai/11. Juli 1979 (Bundesanzeiger Nr. 191 vom 10. Oktober 1979 S. 2) den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt ist (Urteil vom 8. April 1986 – 3 AZR 489/84 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Beklagte, die fünf Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt ein Modeatelier. Sie entwirft Musterstücke, stellt diese auf Messen aus und verkauft die nach Muster zu fertigende Konfektion. Anschließend beauftragt sie Lohnbetriebe mit der Herstellung der Ware.
Die Klägerin hatte in den Jahren 1982 bis 1984 von der Beklagten Aufträge erhalten. In allen Fällen wurden die Preise frei ausgehandelt und entsprechend abgerechnet. Die Klägerin und ihr Ehemann wußten, daß die Beklagte die Ware ihren Kunden zu fest vereinbarten Preisen zu liefern hatte.
Im Jahre 1985 trat eine Pause in den geschäftlichen Beziehungen der Parteien ein, da die Klägerin der Beklagten zu teuer war. Im Herbst 1985 erkundigte sich der Ehemann der Klägerin, ob man wieder für die Beklagte arbeiten könne. Der Geschäftsführer der Beklagten erwiderte, ein Auftrag komme nur in Betracht, wenn die Klägerin zu den kalkulierten Preisen liefern könne. Der Ehemann der Klägerin erklärte, ihr Betrieb sei inzwischen modernisiert worden und daher leistungsfähiger. Er sah sich die Musterstücke für Damenblazer und Röcke an und stimmte den ihm genannten Stückpreisen zu. Die Klägerin erhielt daraufhin den Auftrag und führte ihn aus, das vereinbarte Entgelt in Höhe von zusammen 21.084,90 DM wurde gezahlt.
Eine Prüfung der Entgeltüberwachungsstelle in Stuttgart ergab, daß die Fertigungszeiten und Vertragsbedingungen nach den einschlägigen bindenden Festsetzungen nicht eingehalten und damit die gültigen Mindestpreise unterschritten waren. Hieraus ergab sich eine Differenz von 10.707,22 DM zugunsten der Klägerin. Außerdem nahm die. Klägerin selbst Nachkalkulationen anhand der bindenden Festsetzungen vor und errechnete hieraus eine zusätzliche Forderung von 4.130,86 DM. Schließlich stellte sie der Beklagten Nähfäden im Betrag von 701,89 DM in Rechnung, die nach den bindenden Festsetzungen der Auftraggeber zu stellen hat.
Mit der Klage hat die Klägerin den Gesamtbetrag von 15.539,97 DM (nicht 16.539,97 DM) verlangt. Sie hat sich wegen ihrer Gleichstellung auf die bindenden Festsetzungen berufen und geltend gemacht, maßgebend sei die danach gegebene objektive Rechtslage und nicht das irrige Vorstellungsbild eines Auftraggebers. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihre Gleichstellung zu offenbaren, da die Beklagte sie danach nicht gefragt habe. Bei den früheren Aufträgen sei sie auf ihre Kosten gekommen; für die Preise des letzten Auftrags seien dagegen die Vorgabezeiten zu knapp bemessen worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie zu zahlen: 4.130,86 DM Lohndifferenz für die Herstellung von Röcken und Blazern; 10.707,22, DM Lohndifferenz für die übrigen Artikel und 701,89 DM für Nähfäden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich nicht auf die Gleichstellung berufen. Sie habe durch ihr gesamtes Verhalten den Eindruck erweckt, sie könne die Preise frei aushandeln. Es sei unredlich, jetzt Nachforderungen zu stellen, obwohl die Klägerin genau gewußt habe, daß sie den Auftrag zu höheren Preisen nie erhalten hätte, zumal sie selbst durch den Verkauf der Ware schon preislich gebunden gewesen sei. Die Klägerin habe ausreichend Gelegenheit gehabt, das Angebot zu prüfen und sich anhand der gefertigten Vorlaufstücke ein genaues Bild von dem notwendigen Zeitaufwand für die Herstellung zu machen. Zudem sei die Anordnung der Gruppengleichstellung fehlerhaft; für Betriebe wie den der Klägerin sei eine soziale Schutzbedürftigkeit nicht anzuerkennen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin kann für die ausgeführten Arbeiten keine höhere Vergütung verlangen. Sie kann sich nicht auf die Gleichstellung mit den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden berufen. Diese Berufung stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar (§ 242 BGB).
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Klagebegehren sei rechtsmißbräuchlich. Die, Klägerin habe die Beklagte darauf hinweisen müssen, daß sie, möglicherweise, die Stückpreise nicht frei vereinbaren könne. § 1 Abs. 6 HAG bestimme zwar, daß Gleichgestellte auf Befragen ihre Gleichstellung bekannt zu geben hätten; daraus folge aber nicht, daß die Regeln des redlichen Geschäftsverkehrs außer kraft gesetzt seien. Dagegen habe die Klägerin verstoßen. Sie habe die Beklagte in dem Glauben gewiegt, rechtlich nicht gehindert zu sein, Vergütungen frei vereinbaren zu können.
Die Revision vertritt die Auffassung, nur bei einem Verstoß gegen die Offenbarungspflicht aufgrund des § 1 Abs. 6 HAG könnten die zwingenden Vorschriften über den Sozialschutz der Heimarbeit unanwendbar sein. Die damit für Auftraggeber verbundenen Härten seien vom Gesetzgeber gewollt. Diese Härte treffe sogar die Klägerin selbst, weil sie ihren Mitarbeiterinnen Löhne nachzahlen müsse. Dies habe ihre Kalkulation zunichte gemacht.
II. Der Senat folgt dem Berufungsgericht im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung. Die Angriffe der Revision können nicht überzeugen.
1. Für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende können Mindestpreise für einen in Heimarbeit auszuführenden Lohnauftrag durch bindende Festsetzungen bestimmt werden (§ 19 Abs. 1 HAG). Diese bindenden Festsetzungen haben die Wirkungen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags. Von den Vorschriften einer solchen bindenden Festsetzung kann nur zugunsten des Beschäftigten abgewichen werden. Ein Verzicht auf Rechte aufgrund einer bindenden Festsetzung ist nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig, selbst eine Verwirkung solcher Rechte ist ausgeschlossen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 bis 4 HAG).
Den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden können u. a. gleichgestellt werden die im Lohnauftrag arbeitenden Gewerbetreibenden, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen (§ 1 Abs. 2 Buchst. c HAG). Die Klägerin wurde durch Anordnung des Heimarbeitsausschusses vom 29. Mai/11. Juli 1979 den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden gleichgestellt. Für sie galten damit die bindenden Festsetzungen vom 22. März/22. Oktober 1978, vom 13. Februar 1984 sowie die weiteren bindenden Festsetzungen vom 16./17. Juli/20. September 1984 und 1. Juli 1985 (vgl. Urteil des Senats vom 8. April 1986 – 3 AZR 489/84 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Danach sind die Preisvereinbarungen, die die Klägerin mit der Beklagten getroffen hat, nichtig. Sie weichen zum Machteil der Klägerin von den bindenden Festsetzungen ab (§ 19 Abs. 3 Satz 2 HAG, § 134 BGB). Die Klägerin könnte daher an sich die Mindestvergütung für die erledigten Aufträge verlangen.
2. Die Klägerin handelt jedoch arglistig, wenn sie sich auf die Gleichstellung mit den in Heimarbeit beschäftigten Personen beruft. Diese Berufung ist eine unzulässige Rechtsausübung und verstößt gegen § 242 BGB.
a) Es ist im Grundsatz Sache des Auftraggebers, sich das erforderliche Wissen darüber zu verschaffen, ob und welchen rechtlichen Beschränkungen die Vergabe von Lohnarbeit an Heimarbeiter und gleichgestellte Personen unterliegt. Eine Offenbarungspflicht des Gleichgestellten ist in der Regel nicht anzuerkennen. Irrige Vorstellungen des Auftraggebers schließen die Geltung der Vorschriften des Heimarbeitsrechts nicht aus (vgl. BAG Urteil vom 15. Dezember 1960 – 5 AZR 437/58 – AP Nr. 2 zu § 2 HAG, zu II 3 der Gründe, mit Anm. von Maus; Urteil vom 13. Juli 1967 – 5 AZR 153/65 – AP Nr. 2 zu § 1 HAG; Urteil vom 10. Juli 1969 – 5 AZR 489/68 – AP Nr. 6 zu § 2 HAG). Das ist auch weitgehend die Auffassung der Literatur (vgl. Brecht, HAG, § 1 Rz 72 f.; Maus/Schmidt, HAG, 3. Aufl., § 1 Rz 141; Gröninger, HAG, Stand 1976, § 1 Anm. 7, jeweils m.w.N.).
An dieser Rechtslage hat sich durch die Einführung von § 1 Abs. 6 in das Heimarbeitsgesetz nichts geändert. § 1 Abs. 6 HAG wurde durch das Heimarbeitsänderungsgesetz vom 29. Oktober 1974 (BGBl. I, 2879) in das Heimarbeitsgesetz eingeführt. Nach dieser Vorschrift haben Gleichgestellte bei Entgegennahme von Heimarbeit auf Befragen des Auftraggebers ihre Gleichstellung bekanntzugeben. Diese Vorschrift bestätigt zum einen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es grundsätzlich Sache des Auftraggebers ist, sich bei Zweifeln in zumutbarer Weise zu vergewissern, ob die, mit Lohnaufträgen beschäftigten Personen unter den Anwendungsbereich des Heimarbeitsgesetzes fallen (so zutreffend Gröninger, aaO, § 1 Anm. 7 a). Zum anderen wird die Offenbarungspflicht für Gleichgestellte unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen ausdrücklich hervorgehoben. Verletzt der Gleichgestellte diese Pflicht, so soll die zuständige Arbeitsbehörde davon absehen, den Auftraggeber gemäß § 24 Satz 3, § 25 Satz 3; HAG zur Nachzahlung von Minderbeträgen aufzufordern. Macht der Gleichgestellte in einem solchen Falle die Nachforderung selbst geltend, so muß er damit rechnen, daß ihm der Anspruch wegen unzulässiger Rechtsausübung versagt wird (so außer Gröninger, aaO, § 1 Anm. 7 b auch Maus/Schmidt, aaO, § 1 Rz 141).
b) Andererseits schließt § 1 Abs. 6 den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung – entgegen der Ansicht der Revision – nach wie vor nicht aus. Die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs in der zivilrechtlichen Gestaltung von Treu und Glauben (§ 242 BGB), des Verbots des sittenwidrigen Handelns und der arglistigen Schädigung (§§ 138, 162 BGB) sind Rechtsgrundsätze allgemeiner Art, die in dem Wertesystem des Grundgesetzes ihre Entsprechung finden und die gesamte Rechtsordnung beherrschen (statt aller: BVerfGE 7, 198 ff.). § 1 Abs. 6 HAG will nicht verhindern, daß ein Gleichgestellter in Ausübung sowohl seiner Rechte als auch in Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Das gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber, um dem Sozialstaatsgebot der Verfassung Geltung zu verschaffen, Vorschriften erläßt, die einen besonderen Schutz bestimmter Personen oder Personengruppen bewirken sollen.
Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß § 1 Abs. 6 HAG die im allgemeinen Rechtsverkehr geltenden Aufklärungs- und Offenbarungspflichten (vgl. hierzu die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 242 Anm. 4 B d) und §§ 259 bis 261 Anm. 2 b) für Gleichgestellte in besondere Weise regelt. Obwohl die Vorschrift das nicht ausdrücklich bestimmt, ist – wie schon nach der bisherigen Rechtsprechung – davon auszugehen, daß grundsätzlich keine Auskunftspflicht besteht, daß aber jedenfalls auf Befragen Auskunft zu geben ist. Umgekehrt schließt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht aus, daß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Offenbarungspflicht auch über den Regelungsgegenstand des § 1 Abs. 6 HAG hinaus bestehen kann (so zutreffend Gröninger, aaO, § 1 Anm. 7 a a.E.).
Da die Vorschriften des Heimarbeitsgesetzes, die in Ausführung des Gesetzes erlassenen Gleichstellungen und bindenden Festsetzungen den Schutz der betroffenen Personen und Personengruppen bezwecken, muß der Gedanke des Sozialschutzes auch im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht gegenüber Auftraggebern gelten. Nur unter ganz besonderen Umständen kann deshalb einem Gleichgestellten die Berufung auf die zu seinen Gunsten und zu seinem Schutz erlassene Gleichstellungsanordnung versagt werden. Daß strenge Anforderungen zu stellen sind, wird auch belegt durch § 19 Abs. 3 Satz 4 HAG, wo bestimmt ist, daß selbst eine Verwirkung von Ansprüchen aus einer bindenden Festsetzung ausgeschlossen ist, also ein längerer Zeitablauf sogar bei Hinzutreten eines Umstands, der die Geltendmachung einer Forderung als treuwidrig erscheinen läßt, nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt.
3. In dem hier vorliegenden Fall ist es der Klägerin selbst nach dem gebotenen strengen Maßstab nicht gestattet, sich gegenüber der Beklagten auf die Gleichstellung zu berufen. Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die wesentlichen Gesichtspunkte, die dieser rechtlichen. Würdigung zugrunde liegen, hingewiesen.
a) Die Parteien standen seit vier Jahren miteinander in Geschäftsbeziehungen, ohne daß bis zum Streitfall die Frage aufgetaucht wäre, ob die Klägerin durch Rechtsvorschriften gehindert sein könnte, die Preise frei zu vereinbaren. Bis auf den letzten Auftrag wurden alle seit 1982 von der Beklagten an die Klägerin vergebenen Arbeiten aufgrund der frei ausgehandelten Preise abgewickelt. Schon dies zeigt, daß die Beklagte kaum Anlaß hatte, ihre Vertragspartnerin nicht als frei kalkulierende Unternehmerin anzusehen. Dieser Eindruck mußte sich noch vertiefen, nachdem der Ehemann der Klägerin bei den Verhandlungen über den hier umstrittenen Auftrag erklärte, er habe sich modernisiert und vergrößert; er sei leistungsfähiger geworden und er könne daher so kostengünstig arbeiten, wie vom Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich vorausgesetzt wurde. Aufgrund dieser Angaben mußte es aus der Sicht des Geschäftsführers der Beklagten geradezu als abwegig erscheinen, eine Gleichstellung der Klägerin mit in Heimarbeit beschäftigten Personen auch nur in Betracht zuziehen. Demgemäß waren gerade die Erklärungen des Ehemanns der Klägerin dazu angetan, den Geschäftsführer der Beklagten von der Frage nach einer eventuellen Gleichstellung der Klägerin abzuhalten. Es erscheint schon aus diesem Grunde widersprüchlich und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, gleichwohl den Schutz der Gleichstellung in Anspruch nehmen zu wollen.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß die Klägerin und ihr Ehemann den begrenzten Verhandlungsspielraum der Beklagten kannten, weil deren Verkaufspreise bereits festlagen. Die Klägerin wußte, daß die Beklagte den Auftrag nur zu den von ihr kalkulierten Preisen vergeben werde. Auch hieran gemessen ist es widersprüchlich, diese Preise zunächst zu akzeptieren und dann Nachforderungen unter Berufung auf den Sozialschutz des Heimarbeitsgesetzes zu verlangen.
c) Schließlich wußten die Klägerin und ihr Ehemann bei Abschluß des Vertrages mit der Beklagten, daß sie von ihren Mitarbeiterinnen als Gleichgestellte auf zusätzlichen Lohn in Anspruch genommen wurden. Die Klägerin war schon in zwei Instanzen mit ihrer gegenteiligen Auffassung unterlegen und der Rechtsstreit war inzwischen beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Der Ehemann der Klägerin war sich mithin bei Abschluß des Vertrages mit der Beklagten über das Risiko im klaren, infolge höherer Lohnzahlungspflichten höhere Kosten kalkulieren zu müssen. Wenn er unter diesen Umständen dem Geschäftsführer der Beklagten erklärte, er könne kostengünstiger als bisher arbeiten, dann legt das die Annahme einer Irreführung der Beklagten für den Fall des endgültigen Unterliegens im Rechtsstreit mit der Mitarbeiterin nahe. Wer sich so verhält, kann den Schutz der Rechtsordnung selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn die Rechtsordnung ihn in besonderer Weise vor Ausbeutung zu schützen sucht. Die Klägerin muß sich daher an ihren Preisvereinbarungen mit der Beklagten festhalten lassen.
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Krems, Grimm
Fundstellen
Haufe-Index 951815 |
BAGE, 211 |
JR 1988, 396 |
RdA 1988, 189 |