Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaub für Seeleute
Leitsatz (amtlich)
- Urlaubsansprüche der Seeleute nach dem Seemannsgesetz sind während des Beschäftigungsjahrs zu erfüllen. Nach dessen Ablauf erlöschen sie. Nur beim Vorliegen der im Gesetz genannten betrieblichen Gründe kommt eine Urlaubsgewährung nach Ablauf des Beschäftigungsjahres in Betracht.
- Die Befristungs- und Übertragungsbestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes sind auf Heuerverhältnisse nach dem Seemannsgesetz nicht anzuwenden.
- Urlaubsansprüche nach dem Manteltarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt (MTV-See) vom 17. April 1986 sind nicht befristet. Sie können auch nach Ablauf des Beschäftigungsjahres durchgesetzt werden.
- Das Heuerverhältnis eines Seemanns verlängert sich nach dem MTV-See von selbst um die Zeit des noch nicht gewährten Urlaubs, jedoch längstens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Seemann ein Studium oder einen Schulbesuch antritt oder ein neues Heuer- oder sonstiges Arbeitsverhältnis eingeht.
Normenkette
SeemG §§ 10, 53, 55; MTV-See vom 17. April 1986, gültig ab 1. Mai 1986 § 57 Abs. 1-3, 9, § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1-2, §§ 61, 62 Abs. 1, 3, §§ 65, 70 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 27.11.1991; Aktenzeichen 4 Sa 32/91) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 10.01.1991; Aktenzeichen S 14 Ca 238/90) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. November 1991 – 4 Sa 32/91 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung.
Der Beklagte ist Inhaber einer Reederei. Der Kläger war bei ihm seit 1. März 1987 als erster nautischer Offizier auf verschiedenen Schiffen beschäftigt. Auf das Heuerverhältnis der Parteien war der Manteltarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt vom 17. April 1986, gültig ab 1. Mai 1986 (MTV-See) anzuwenden. Darin ist u. a. bestimmt:
§ 57
Urlaubsanspruch
- Das Besatzungsmitglied hat für jedes Beschäftigungsjahr Anspruch auf bezahlten Urlaub.
Leistet das Besatzungsmitglied Dienst an Bord, befindet es sich auf der An- oder Abreise oder hält es sich auf Weisung des Reeders abrufbereit, so erwirbt es einen Gesamturlaubsanspruch. Dieser setzt sich zusammen aus dem Jahresurlaub und dem Ausgleich für die Sonnabende, Sonn- und Feiertage während der Zeiten nach Satz 1. Mit dem Gesamturlaubsanspruch sind alle Ansprüche auf Urlaub und für auf See verbrachte Sonnabende, Sonn- und Feiertage – auch für Jugendliche – abgegolten.
Der Anspruch beträgt je Monat
…
auf Schiffen über 1000/1600 BRT
…
ab 11. Beschäftigungsjahr 13,5 Urlaubstage.
Leistet das Besatzungsmitglied Dienst an Land, nimmt es an einer Wehrübung teil, ist es krank an Land oder verbringt es eine verordnete Kur, so erwirbt es je Monat einen Urlaubsanspruch
…
ab 11. Beschäftigungsjahr von 4 Urlaubstagen.
…
Der Anspruch wird je Kalendermonat erworben. Für Teile von Monaten ist der Anspruch anteilig zu ermitteln, wobei der Monat mit 30 Tagen gerechnet wird; Bruchteile sind vorzutragen. Bei Antritt des Jahresurlaubs und bei Beendigung des Heuerverhältnisses sind Bruchteile, die mindestens einen halben Tag ergeben, aufzurunden, andere Bruchteile bleiben unberücksichtigt.
…
§ 58
Urlaubs- und Freizeitregelung
Der Urlaub wird vom Reeder und Kapitän unter tunlichster Berücksichtigung der Wünsche des Besatzungsmitglieds, nach Möglichkeit zusammenhängend und in der Regel innerhalb des Beschäftigungsjahres, gewährt. Im Einvernehmen mit dem Besatzungsmitglied können andere Regelungen getroffen werden. Bei der Gewährung des Urlaubs kann von der Urlaubsdauer ausgegangen werden, die das Besatzungsmitglied voraussichtlich im Beschäftigungsjahr erwirbt.
…
§ 59
Verspätete Urlaubsgewährung
Kann der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht innerhalb des Beschäftigungsjahres und eines weiteren Monats vollständig verbracht werden, so erhält das Besatzungsmitglied bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Urlaub voll gewährt ist:
Abs. 1 gilt nicht für Resturlaubsansprüche, die nicht mehr als 20 Urlaubstage ausmachen.
…
§ 61
Urlaubsverpflichtung
Der Urlaub muß genommen werden. Während des Urlaubs darf das Besatzungsmitglied keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.
§ 62
Höhe der Urlaubsbezüge
§ 65
Abgeltung (Barablösung) des Urlaubsanspruchs
- Die Abgeltung eines Urlaubsanspruchs ist grundsätzlich unzulässig. Im schriftlichen Einvernehmen mit dem Besatzungsmitglied kann jedoch bis zu einem Viertel des erworbenen Urlaubsanspruchs abgegolten werden. Eine solche Vereinbarung darf frühestens dreißig Tage vor Urlaubsantritt getroffen werden.
- Die Abgeltung ist ferner zulässig, wenn eine Verlängerung des Heuerverhältnisses wegen Antritt eines Studiums bzw. Schulbesuchs oder wegen des Eingehens eines neuen Heuer- oder sonstigen Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist oder wenn dem Besatzungsmitglied gemäß § 64 SeemG außerordentlich gekündigt wurde.
- Wird ein Besatzungsmitglied, das gekündigt hat oder dem gekündigt worden ist, während des Jahresurlaubs, um den sich sein Heuerverhältnis nach Eintritt der Wirksamkeit der Kündigung verlängert hat, arbeitsunfähig krank oder nimmt es in diesem Urlaubszeitraum ein neues Heuer- oder sonstiges Arbeitsverhältnis an, so ist es in jedem Falle verpflichtet, den bisherigen Reeder hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
- Bei der Errechnung der Abgeltung sind die Vorschriften des § 62 sinngemäß anzuwenden.
§ 70
Wirksamwerden der Kündigung
Soweit nicht etwas anderes vereinbart wird, setzt sich das Heuerverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Ankunft des Schiffes in einem Hafen fort, den das Schiff im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder zum Laden oder Löschen in einem an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staat anläuft, höchstens jedoch auf die Dauer von drei Monaten. Der Anspruch auf Rückbeförderung richtet sich nach den §§ 72, 74 SeemG.
…
Der Kläger war vom 28. Juli 1988 bis 28. Dezember 1989 arbeitsunfähig erkrankt. Er kündigte sein Heuerverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 1990. Seinen Borddienst beendete er am 2. Juli 1990. Ab 1. September 1990 besuchte er die Schule.
Der Kläger errechnete sich einen restlichen Urlaubsanspruch von 58 Urlaubstagen, wofür er bei einem unstreitigen Tagessatz von 166,09 DM brutto zuzüglich Verpflegungsgeld in Höhe von 14,90 DM brutto noch 12.795,03 DM Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung verlangt, nachdem die Beklagte für sieben Tage einen Betrag von 1.266,93 DM brutto anerkannt hat und insoweit Teilanerkenntnisurteil ergangen ist.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.730,63 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Juli 1990 zu bezahlen,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.064,40 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. August 1990 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage unter geringfügiger Zurückweisung des Zinsanspruchs stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Urlaubsansprüche des Klägers nach dem SeemG und nach dem MTV-See für unbefristet gehalten.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiter sein Ziel der Klageabweisung. Er rügt die Verletzung der Urlaubsvorschriften des Seemannsgesetzes und des MTV-See sowie des § 242 BGB. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung nach dem Seemannsgesetz, wohl aber nach den §§ 62, 65 MTV-See. Sie sind weder wegen Fristablaufs erloschen, noch kann ihnen der Beklagte mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs begegnen.
I.1. Die Urlaubsansprüche, die der Kläger ohne Erfüllung der Wartezeit für jedes Beschäftigungsjahr nach den §§ 53, 54 SeemG erworben und die er nicht im Laufe des jeweiligen Beschäftigungsjahres genommen hat, sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts mit Ablauf des Beschäftigungsjahres erloschen. Denn der Urlaub des Seemanns ist nach dem Seemannsgesetz ebenso bis zum Ende des Urlaubsjahres befristet wie der Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz. Das folgt aus § 53 Abs. 1 SeemG, der wie § 1 BUrlG den Anspruch auf bezahlten Urlaub normiert, und aus § 55 Abs. 2 Satz 1 SeemG, der wie § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bestimmt, daß der Urlaub bis zum Schluß des Urlaubsjahres (Beschäftigungsjahr bzw. Kalenderjahr) zu gewähren ist. Soweit § 53 Abs. 1 SeemG den Anspruch für jedes Beschäftigungsjahr und nicht wie § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr bestimmt, kommt der unterschiedlichen Formulierung nicht das Gewicht zu, das ihr die Vorinstanzen gegeben haben. Zwar hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13. Mai 1982 (BAGE 39, 53 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung = EzA § 7 BUrlG Nr. 25) auch auf die Formulierung des § 1 BUrlG abgestellt, dem Wort “in” aber nur im Zusammenhang mit der Fassung des § 7 Abs. 3 BUrlG Bedeutung für die Befristung des Urlaubsanspruchs bis zum Ende des Kalenderjahres beigemessen (BAGE 39, 53, 56 = AP, aaO, zu II 4a der Gründe; vgl. dazu außerdem BAGE 66, 288 = NZA 1991, 423). So verhält es sich auch im Seemannsgesetz. Die Befristung ergibt sich aus § 53 Abs. 1 und § 55 Abs. 2 Satz 1 SeemG. Danach ist der Urlaub “bis zum Schluß des Beschäftigungsjahres” zu gewähren. Ebensowenig kann die weitere sprachliche Abweichung in § 55 Abs. 2 Satz 1 SeemG gegenüber § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG für einen unbefristeten Urlaubsanspruch des Seemanns streiten. Auch wenn § 55 Abs. 2 Satz 1 SeemG lediglich verlangt, daß der Urlaub bis zum Schluß des Beschäftigungsjahres gewährt und nicht auch wie nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG genommen sein muß, folgt daraus die Befristung des Urlaubsanspruchs, weil die Erfüllungshandlung des die Freistellung schuldenden Arbeitgebers bis zum Schluß des Kalenderjahres vorgenommen worden sein muß. Ob angesichts der Gesetzesfassung des Seemannsgesetzes der Leistungserfolg nach Ablauf des Urlaubsjahres eintreten kann, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Möglichkeit ändert aber nichts an der gesetzlichen Befristung des Anspruchs.
2. Im Seemannsgesetz ist keine Übertragung des Urlaubsanspruchs aus persönlichen Gründen vorgesehen. Die in § 55 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 3 SeemG vorgesehenen Möglichkeiten, den Urlaub zusammen für zwei Beschäftigungsjahre zu gewähren und die Überschreitung der zweijährigen bzw. einjährigen Gewährungsfrist für Jugendliche nach Abwesenheit des Schiffes vom letzten Hafen im Geltungsbereich des Grundgesetzes um drei Monate beruhen allein auf betrieblichen Gründen, die im Streitfall nicht behauptet worden sind.
3. Neben der Bestimmung des § 55 SeemG finden die Vorschriften des § 7 Abs. 3 BUrlG für Arbeitsverhältnisse von Seeleuten keine Anwendung, selbst wenn mit dem Landesarbeitsgericht anzunehmen wäre, die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes fänden ersatzweise Anwendung, wenn dem Seemannsgesetz keine Bestimmung zu entnehmen sei. Das Seemannsgesetz enthält eine ausdrückliche Regelung.
II.1. Die vom Kläger nach § 57 Abs. 2 und Abs. 3 MTV-See erworbenen tariflichen Gesamturlaubsansprüche, die ebenfalls ohne Erfüllung einer Wartezeit für jedes Beschäftigungsjahr entstanden waren, sind, soweit noch nicht erfüllt, nicht mit Ablauf des jeweiligen Beschäftigungsjahres verfallen. Das ergibt die Auslegung von § 57 Abs. 2 und Abs. 9, § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1 und 2, § 61 MTV-See.
a) Die Vorschriften über die Urlaubsgewährung in § 58 MTV-See enthalten keine Formulierung wie § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG und § 55 Abs. 2 Satz 1 SeemG über eine Befristung des Anspruchs bis zum Schluß des Kalender- bzw. Beschäftigungsjahres. Vielmehr haben Reeder oder Kapitän den Urlaub nur in der Regel innerhalb des Beschäftigungsjahres zu gewähren. Ausnahmen sind demnach möglich, von denen eine in § 58 Abs. 1 Satz 2 MTV-See ausdrücklich erwähnt wird. Ebenso ist auch in § 61 MTV-See zur Urlaubsverpflichtung lediglich bestimmt, daß der Urlaub genommen werden muß, aber dafür kein Zeitraum genannt.
b) Die Regelungen in § 59 Abs. 1 bis 3 MTV-See lassen ebenfalls erkennen, daß die Tarifvertragsparteien den Urlaubsanspruch nicht befristen wollten. Danach erhält der Seemann unter bestimmten Voraussetzungen einen Urlaubsanspruch von größerer Dauer, oder er kann außerordentlich kündigen, wenn der Urlaub nicht innerhalb bestimmter Fristen außerhalb des Beschäftigungsjahres gewährt werden kann. Dieser Regelung kann nur Bedeutung zukommen, wenn der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Beschäftigungsjahres noch besteht.
c) Der Urlaub nach dem MTV-See entsteht nicht nach Ablauf einer Wartezeit, zu Beginn des Kalenderjahres oder zu Beginn der Beschäftigung wie nach dem Bundesurlaubsgesetz oder dem Seemannsgesetz, sondern wird je Kalendermonat erworben (§ 57 Abs. 9 Satz 1 MTV-See), und zwar am Ende des jeweiligen Kalendermonats, wie sich aus der Bruchteilsregelung in § 57 Abs. 9 Satz 2 MTV-See ergibt. Auch daraus folgt, daß der Urlaub nicht bis zum Ende des Beschäftigungsjahres befristet ist und mit dessen Ablauf erlischt. Denn in diesem Fall verfiele der am Ende des letzten Monats im Beschäftigungsjahr entstehende (Teil-) Urlaub zugleich mit seiner Entstehung.
d) Schließlich erwirbt der Seemann nach § 57 Abs. 2 MTV-See nicht nur einen Erholungsurlaub wie nach dem Seemannsgesetz und nach dem Bundesurlaubsgesetz, sondern einen Gesamturlaubsanspruch, der sich aus dem Jahresurlaub und dem Ausgleich für die Sonnabende, Sonn- und Feiertage während der Dienstzeit an Bord, der An- und Abreise und der Rufbereitschaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 MTV-See zusammensetzt. Es kann ohne weitere tarifliche Vereinbarung nicht angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien auch diesen Ausgleichsurlaub wie Erholungsurlaub für das Beschäftigungsjahr hätten befristen wollen.
2. Die Regelungen des MTV-See gelten nicht nur für den den gesetzlichen Mindesturlaub von 18 Tagen übersteigenden Tarifurlaub, sondern auch für den vom Gesetz gesicherten Anteil. Die Einbeziehung der gesetzlichen Ansprüche ist gemäß § 10 SeemG rechtlich möglich, weil der Fortbestand der Urlaubsansprüche über die Dauer des Beschäftigungsjahres hinaus günstiger ist als die gesetzliche Regelung.
3. Der Kläger hat für die Zeit vom 3. Juli 1990 bis 31. August 1990 für die in diesem Zeitraum anfallenden Tage einschließlich der Sonnabende, Sonn- und Feiertage, Anspruch auf Urlaubsbezüge nach Maßgabe des § 62 Abs. 1 und Abs. 2 MTV-See. Denn das Heuerverhältnis der Parteien hat sich nach der Kündigung des Klägers zum 30. Juni 1990 bis zum 31. August 1990 gemäß § 70 Abs. 1 MTV-See und gemäß § 65 Abs. 2 und Abs. 3 MTV-See verlängert. Soweit der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 40, 269 = AP Nr. 4 zu § 60 SeemG mit ablehnender Anm. Bemm) entschieden hat, das Heuerverhältnis eines Seemanns verlängere sich nicht von selbst kraft Gesetzes nach § 60 SeemG, sondern die Vertragsverlängerung bedürfe entsprechender Verlängerungserklärungen der Parteien des bisherigen Heuerverhältnisses, besteht kein Widerspruch. Anders als nach § 60 SeemG haben die Tarifvertragsparteien des MTV-See unter den Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 MTV-See eine automatische Verlängerung des Heuerverhältnisses gewollt und vereinbart. Das folgt wie aus der reflexiv gebrauchten Verbform in § 65 Abs. 3 MTV-See: “… Jahresurlaubs, um den sich sein Heuerverhältnis … verlängert hat…”
Die Höhe der Urlaubsbezüge einschließlich des nach § 62 Abs. 3 MTV-See zu leistenden Verpflegungsgeldes sind unter den Parteien unstreitig geblieben.
4. Der nach dem 31. August 1990 verbleibende Urlaubsanspruch wandelt sich um in einen Abgeltungsanspruch nach § 65 Abs. 2 MTV-See. Bei der Berechnung der Abgeltung sind gemäß § 65 Abs. 4 MTV-See i. V. mit § 62 Abs. 1 und Abs. 3 MTV-See die unstreitigen Beträge über den Tagesverdienst und das Verpflegungsgeld zugrundezulegen.
III. Die Geltendmachung der Urlaubsentgelt- und Urlaubsabgeltungsansprüche ist nicht rechtsmißbräuchlich. Der Urlaubsanspruch nach dem Seemannsgesetz und dem MTV-See ist ebensowenig wie der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz (BAGE 37, 382, 385 = AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch, zu II 2b aa der Gründe) in seiner Entstehung von der Arbeitsleistung abhängig. Dann ist er bei fehlender Arbeitsleistung im Beschäftigungsjahr auch zu erfüllen (BAG, aaO). Nach § 57 Abs. 3 MTV-See mindert sich lediglich der tarifliche Urlaubsumfang bei Krankheit an Land. Die Tarifvertragsparteien haben damit für Tarifansprüche abschließend geregelt, welche urlaubsmäßigen Nachteile der Arbeitnehmer bei Krankheit hinzunehmen hat. Seemannsgesetz und MTV-See knüpfen auch nicht an ein Erholungsbedürfnis an. Ebensowenig “verdient” der Seemann sich seinen Urlaub (BAG, aaO; weiter Urteil vom 26. Mai 1983 – 6 AZR 273/82 – und BAGE 45, 203; 50, 118; 52, 67 = AP Nr. 12, 16, 25 und 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Reinecke, Dörner, Schodde, Oberhofer
Fundstellen
Haufe-Index 845848 |
BAGE, 153 |
NZA 1993, 1129 |