Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung - Begründung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes
Orientierungssatz
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG durch eine vertragliche Beziehung zwischen dem Verleiher und dem Entleiher und dem Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer gekennzeichnet. Danach setzt das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG den Abschluß eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags voraus, der auch konkludent erfolgen kann. Notwendiger Inhalt dieses Vertrags ist die Verpflichtung des Verleihers, dem Entleiher zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
2. Hinweise des Senats:
"Bestätigung der Senatsrechtsprechung 26. April 1995 - 7 AZR 850/94 - BAGE 80, 46 und 3. Dezember 1997 - 7 AZR 764/96 - AP AÜG § 1 Nr 24 = EzA AÜG § 1 Nr 9."
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts München vom 2. Dezember 1998 - 7 Sa
127/98 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zustandegekommen ist.
Die Klägerin wurde im Oktober 1995 bei der - zwischenzeitlich umfirmierten - R Sicherheit GmbH (Bewachungsunternehmen) als Sicherheitskraft im Bereich der U-Bahn-Wache eingestellt. Das Bewachungsunternehmen besitzt keine Erlaubnis zur Verleihung von Arbeitnehmern.
Am 23. August 1988 schloß das Bewachungsunternehmen mit den Stadtwerken München einen Konsortialvertrag zur Gründung einer GmbH für die Bewachung der Städtischen U-Bahn-Anlagen. Durch notariellen Vertrag vom selben Tag wurde die Beklagte errichtet, wobei den Stadtwerken 51 % und dem Bewachungsunternehmen 49 % der Gesellschaftsanteile übertragen wurden. Gesellschaftszweck ist nach § 4 des Gesellschaftsvertrags die Bewachung der Städtischen U-Bahn-Anlagen im Auftrage und nach Weisung der Stadtwerke entsprechend deren U-Bahn-Bewachungsordnung (UBO). Nach § 7 des Gesellschaftsvertrags übernimmt das Bewachungsunternehmen die Durchführung der Bewachungsleistungen nach Maßgabe der UBO mit eigenem Personal. Demgegenüber verpflichteten sich die Stadtwerke in § 6 des Gesellschaftsvertrags, Art, Umfang sowie Dauer der Überwachungsleistungen in einer UBO sowie verbindlichen Vorgaben über die Anzahl und Bewertung der Stellen für das Bewachungspersonal festzulegen. Weitere Aufgaben der Gesellschaft konnten nach § 5 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags durch Beschluß der Gesellschafterversammlung einem oder beiden Gesellschaftern zugewiesen werden. Einzelheiten darüber waren in einem Geschäftsbesorgungsvertrag zu regeln. Daraufhin übertrug die Beklagte durch Geschäftsbesorgungsvertrag vom 10. Oktober 1988 dem Bewachungsunternehmen die Personalverwaltung einschließlich der Personalsteuerung, die Personalwerbung, die Durchführung des laufenden Geschäftsbetriebs und die Beschaffung sowie Bestandsverwaltung für Dienstkleidung, Kfz und sonstige Ausrüstungsgegenstände. Ferner sind in dem Geschäftsbesorgungsvertrag die gemeinsame Durchführung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die in der U-Bahn-Bewachung eingesetzten Arbeitnehmer durch die Gesellschafter sowie die Verpflichtung der Stadtwerke gegenüber dem Bewachungsunternehmen zum Kostenersatz für die von ihm insgesamt zu erbringenden Leistungen geregelt.
Die Beklagte beschäftigt kein eigenes Personal. Es existieren lediglich Dienstverträge mit ihren Geschäftsführern. Sie verfügt nicht über eigene Räumlichkeiten. Die Büros ihrer Geschäftsführer befinden sich in den Räumlichkeiten ihrer Gesellschafter.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zwischen ihr und der Beklagten sei infolge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung durch das Bewachungsunternehmen ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zustande gekommen. Die Beklagte habe zur Bewachung der Münchner U-Bahn-Anlagen keine eigenen Arbeitnehmer eingesetzt, sondern sich dazu der Arbeitnehmer bedient, die ihr von dem Bewachungsunternehmen zur Verfügung gestellt worden seien. Zwar habe ein vom Bewachungsunternehmen eingesetzter Arbeitnehmer die U-Bahn-Wache geleitet, dafür die Dienstpläne erstellt und die Arbeitnehmer des Bewachungsunternehmens angewiesen. Dabei habe er als Bevollmächtigter der Beklagten bzw. der Stadtwerke gehandelt, weil er die Dienstpläne sowie sonstige Schreiben auf dem Geschäftspapier der Beklagten gefertigt und bei sonstigen Anweisungen deren Dienstkleidung bzw. Dienstausweis getragen habe. Teilweise habe der Geschäftsführer der Beklagten, etwa bei Sperrkontrollen, die Arbeitnehmer direkt angewiesen. Die Unterstellung unter die Personalhoheit der Beklagten werde deutlich an einer einheitlichen Dienstkleidung, einheitlichen Ausrüstungsgegenständen und daran, daß die zur Bewachung der U-Bahn-Anlagen eingesetzten Arbeitnehmer des Bewachungsunternehmens mehrfach von der Beklagten als ihre Mitarbeiter bezeichnet worden seien. Ferner habe die Beklagte aktiv bei der Personalauswahl für das U-Bahn-Bewachungspersonal mitgewirkt und die Aus- und Fortbildung dieser Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Bewachungsunternehmen durchgeführt. Auch die Sachmittel wie Dienstkleidung, Kfz und sonstige Ausrüstungsgegenstände seien Eigentum der Beklagten. In Betracht käme ferner auch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung mit den Stadtwerken.
Der Kläger hat den Stadtwerken erstinstanzlich den Streit verkündet und beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis
besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Klageziel verfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Klägerin die Voraussetzungen für das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 AÜG oder der als unerlaubten Arbeitsvermittlung geltenden Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 2 AÜG nicht schlüssig vorgetragen hat.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG durch eine vertragliche Beziehung zwischen dem Verleiher und dem Entleiher und dem Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer gekennzeichnet. Danach setzt das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG den Abschluß eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags voraus, der auch konkludent erfolgen kann. Notwendiger Inhalt dieses Vertrags ist die Verpflichtung des Verleihers, dem Entleiher zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen (BAG 3. Dezember 1997 - 7 AZR 764/96 - AP AÜG § 1 Nr. 24 = EzA AÜG § 1 Nr. 9 zu I 1 der Gründe mwN). Diese anspruchsbegründende Voraussetzung hat derjenige darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, der sich auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes beruft (BAG 30. Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - BAGE 67, 125; 3. Dezember 1997 - 7 AZR 764/96 - aaO). Das ist vorliegend die Klägerin.
2. Die Klägerin hat ihrer Darlegungspflicht nicht genügt. Aufgrund ihres Vorbringens läßt sich der Tatbestand einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG nicht feststellen.
a) Der Vortrag der Klägerin läßt nicht erkennen, daß sich das Bewachungsunternehmen als Vertragsarbeitgeber der Klägerin gegenüber der Beklagten verpflichtet hat, der Beklagten gegen Entgelt die Arbeitsleistung der Klägerin zu verschaffen. Die von
der Klägerin vorgelegten Verträge belegen das Gegenteil. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 23. August 1988 war das Bewachungsunternehmen gegenüber der Beklagten zur Erbringung von Bewachungsleistungen durch eigenes Personal verpflichtet. Danach bezog sich die Verpflichtung des Bewachungsunternehmens gerade nicht darauf, der Beklagten Personal zur Verfügung zu stellen, das sie ihrerseits für die Erledigung der Bewachungsaufgaben einsetzen konnte.
b) Nach dem Vorbringen der Klägerin läßt sich auch nicht feststellen, daß sie ihre Arbeitsleistung für die Beklagte und nicht für das Bewachungsunternehmen als ihren Vertragsarbeitgeber erbracht hat. Nach den mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden die Dienstpläne für die Bewachung der U-Bahn-Anlagen von einem Mitarbeiter des Bewachungsunternehmens erstellt, der dafür auch das Personal des Bewachungsunternehmens eingesetzt hatte. Der von dem Bewachungsunternehmen eingesetzte Leiter der U-Bahn-Wache hat seine Arbeit mit seinem Stellvertreter abgestimmt, der ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zum Bewachungsunternehmen steht.
c) Das gesamte Vorbringen der Klägerin läßt auch nicht erkennen, inwieweit die Beklagte über ihre Arbeitsleistung verfügt haben soll. Die gelegentlichen Anweisungen zum Einsatz einzelner Arbeitnehmer des Bewachungsunternehmens aus Anlaß von Sperrkontrollen betreffen die Ausübung von Kontrollbefugnissen hinsichtlich der vom Bewachungsunternehmen geschuldeten Leistung. Sie sind kein Indiz für einen umfassenden und letztlich auf einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag beruhender Weisungsbefugnis der Beklagten. Nichts anderes gilt für den Vortrag der Klägerin zum einheitlichen Erscheinungsbild des vom Bewachungsunternehmen eingesetzten Personals, das auf einer vertraglichen Verpflichtung des Bewachungsunternehmens aus der Nr. 2.10 der UBO zurückgeht. Auch die weiteren von der Klägerin benannten Indizien wie die Beteiligung an der Aus- und Fortbildung oder Einstellung der neuen Bewachungsunternehmen für die Bewachung der Münchner U-Bahn-Anlagen eingesetzten Arbeitnehmer oder die von der Beklagten gewählte Bezeichnung dieser Mitarbeiter läßt nicht auf das Vorliegen einer auf Arbeitnehmerüberlassung gerichteten Vereinbarung schließen. Ohne eine solche Vereinbarung kann der Tatbestand einer Arbeitnehmerüberlassung aber nicht erfüllt sein (vgl. BAG 26. April 1995 - 7 AZR 850/94 - BAGE 80, 46 zu II 2 der Gründe). Es bedarf daher keiner Entscheidung zu den sonstigen Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung. Demnach kann offenbleiben, ob die Beklagte auch tatsächlich über eine eigenständige betriebliche Organisation verfügt, in die die Klägerin eingegliedert gewesen sein könnte.
Dörner SteckSchmidt
Coulin
Gerschermann
Fundstellen