Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung. Fahrgelderstattung. Schriftformzwang
Orientierungssatz
1. Erweckt ein Arbeitgeber durch ein stetiges Verhalten das Vertrauen, daß er sich binden wolle, so muß er sich hieran als rechtsgeschäftlich erhebliches Verhalten festhalten lassen. Ob er sich tatsächlich binden wollte, ist dabei unerheblich, maßgeblich ist vielmehr, daß er den objektiven Tatbestand der betrieblichen Übung wissentlich herbeigeführt hat.
2. Wird die vorgeschriebene Form nicht gewahrt, führt dies grundsätzlich zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Allerdings kann die Berufung auf die mangelnde Form eines Rechtsgeschäfts bei Vorliegen besonderer Umstände gegen Treu und Glauben verstoßen und eine unzulässige Rechtsausübung darstellen.
Normenkette
BGB § 242; ZPO § 286; BGB §§ 125-126, 133, 157; BetrVG § 50 Abs. 1, § 77 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen 6 Sa 78/84) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 14.12.1983; Aktenzeichen 14 Ca 554/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern auch über den 1. Januar 1983 hinaus die Kosten für die Fahrt von der Wohnung zum Arbeitsplatz zu erstatten.
Die Kläger sind in dem Kaufhaus der Beklagten im O beschäftigt. Sie wurden dort in der Zeit von 1966 bis 1981 eingestellt. Seit 1968 ersetzte die Beklagte den Mitarbeitern des Kaufhauses die monatlichen Fahrtkosten zur Arbeitsstätte nach den Tarifen des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV). Im Jahre 1968 warb die Beklagte mit dieser Leistung auch in Stellenanzeigen, um Mitarbeiter für das verkehrsungünstig gelegene Kaufhaus zu gewinnen. Die Beklagte paßte die Zahlungen in den folgenden Jahren stets den jeweiligen Tariferhöhungen des Verkehrsverbundes an. Die Erstattungsbeträge waren von Fall zu Fall unterschiedlich hoch und beliefen sich zuletzt auf bis zu 106,-- DM monatlich. In die schriftlichen Arbeitsverträge wurde über die Erstattung nichts aufgenommen.
Die meisten der von der Beklagten seit 1966 verwendeten formularmäßigen Anstellungsverträge enthalten eine Klausel, wonach aus mündlichen Vereinbarungen keine Rechte abgeleitet werden können. In anderen Fällen ergibt sich ein Schriftformerfordernis durch Bezugnahme auf die jeweils gültige Arbeits- bzw. Betriebsordnung. In der "Arbeitsordnung" vom 2. Januar 1966, geschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten, heißt es einleitend, die Bestimmungen bildeten neben den gesetzlichen Vorschriften und den für die Betriebe jeweils gültigen Kollektiv- und Tarifverträgen oder den betrieblichen oder einzelvertraglichen Regelungen einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsvertrages jedes Betriebsangehörigen. § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 lauten wie folgt: "Einstellungen erfolgen nach den einschlägigen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes durch die Geschäftsleitung oder deren Beauftragte. Es gelten nur die schriftlich vereinbarten Bedingungen." In der "Betriebsordnung" vom 9. April 1976, abgeschlossen ebenfalls zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsleitung, heißt es in I.2. unter der Überschrift "Arbeitsvertrag" wie folgt:
"Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird in
einem schriftlichen Arbeitsvertrag geregelt.
Im Arbeitsvertrag werden folgende Mindestbe-
dingungen vereinbart:
a) Beginn des Arbeitsverhältnisses
b) Art und Umfang der Tätigkeit (z.B. Teilzeit-
arbeit)
c) Die tarifliche Eingruppierung und Höhe
des Arbeitsentgeltes
d) Kündigungsfristen
e) Dauer der Probezeit
f) Ende der Beschäftigung bei befristeten
Arbeitsverhältnissen
Vertragsänderungen, Vertragsergänzungen und
sonstige mündliche Vereinbarungen sind nur
verbindlich, wenn sie von der Firma schriftlich
bestätigt wurden. Aus mündlichen Vereinbarungen
können keine Rechte abgeleitet werden."
Absatz 3 dieser Bestimmung enthält noch folgende Regelung: "Jeder Mitarbeiter erhält bei Abschluß des Arbeitsvertrages die Betriebsordnung ausgehändigt. Die Betriebsordnung ist Bestandteil jedes abgeschlossenen Arbeitsvertrages."
Mitte 1981 nahm die Beklagte mit dem Betriebsrat in Hamburg Verhandlungen über einen stufenweisen Abbau der Fahrgelderstattung auf. Die Verhandlungen blieben erfolglos. Durch Hausmitteilung vom 7. Juli 1982 gab die Beklagte sodann ihren Mitarbeitern bekannt, daß die Fahrgelderstattung ab dem 1. Januar 1983 für alle Mitarbeiter entfalle. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Liebe Mitarbeiterin,
lieber Mitarbeiter,
Sie wissen, daß wir mit dem Betriebsrat dieses
Hauses Gespräche geführt haben, um zu einer
Regelung über die stufenweise Abschaffung der
Fahrtkostenerstattung zu kommen.
Sie wissen auch, daß unser Haus der einzige
Quelle-Betriebsteil ist, in dem fast alle Mit-
arbeiter volle Fahrtkostenerstattung im Rahmen
der Tarife des HVV erhalten.
Was Sie vielleicht noch nicht wissen, ist die
Tatsache, daß gerade unser Haus in Hamburg seit
vielen Jahren leider nur Verluste erwirtschaftet,
und zwar in den Jahren 1979 und 1980 jeweils etwas
mehr als 1,o Mio., 1981 bereits 1,7 Mio. DM, so-
mit in den 3 Jahren zusammen fast 3,8 Mio. DM.
Im Auftrage des Vorstandes der Fa. Quelle müssen
wir Sie darüber informieren, daß unsere Arbeits-
plätze hier im Hamburg in Gefahr geraten sind.
Nachdem die Gespräche mit dem Betriebsrat zu
keiner einvernehmlichen Regelung geführt haben,
müssen wir Ihnen daher heute mitteilen, daß die
Fahrgelderstattung ab dem 1.1.1983 für alle
Mitarbeiter entfällt.
Wir sehen dies als eine Chance, unsere Arbeits-
plätze nicht noch stärker zu gefährden.
Auch wenn dies für Sie keine angenehme Mittei-
lung ist, hoffen wir dennoch auf Ihr Verständ-
nis."
Die Kläger halten das Vorgehen der Beklagten für ungerechtfertigt. Sie haben geltend gemacht, bei den Einstellungsgesprächen sei ihnen die Erstattung der Fahrtkosten zugesagt worden. Durch die jahrelange, vorbehaltlose Gewährung sei die Kostenübernahme Bestandteil ihrer Arbeitsverhältnisse geworden, auch wenn die Leistung nicht in die schriftlichen Formulararbeitsverträge aufgenommen worden seien. Die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die in den verschiedenen Formularverträgen bzw. in der Arbeitsordnung oder der Betriebsordnung enthaltenen Schriftformklauseln berufe.
Die Kläger (mit Ausnahme des Klägers zu 55) - H) haben beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, an sie über den 1. Januar 1983 hinaus
unverändert die monatlichen Fahrtkosten in
voller Höhe und unversteuert, einschließlich
künftig anfallender Tariferhöhungen des
Hamburger Verkehrsverbundes, zu zahlen.
Der Kläger zu 55) hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
106,-- DM netto Fahrgelderstattung
für Januar 1983 zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte ver-
pflichtet sei, ihm eine monatliche
Fahrtkostenerstattung in Höhe des je-
weils höchstens Tarifs des HVV, zur
Zeit 106,-- DM, zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat bestritten, bei den Einstellungsgesprächen eine Fahrtkostenerstattung mündlich zugesagt zu haben, und geltend gemacht, aufgrund der Klauseln in den Arbeitsverträgen bzw. der Arbeitsordnung und der Betriebsordnung seien Nebenabreden, wie die Zusage, die Fahrtkosten zu übernehmen, nur dann wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart worden seien. Zudem habe sie ihre Arbeitnehmer wiederholt darauf hingewiesen, daß die Fahrtkostenerstattung eine freiwillige soziale Leistung ohne zukünftige Verpflichtung darstelle. Daher habe sie die Kostenübernahme jederzeit widerrufen können und sei hierzu auch aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage berechtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Abweisung der Klagen weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, daß das Feststellungsbegehren der Kläger zulässig ist.
1. Die Kläger erstreben die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihnen über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus die bisher gewährten monatlichen Fahrtkosten in voller Höhe auch zukünftig weiterzuzahlen. Zwar kann nach § 256 ZPO nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden; bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses werden nicht als zulässiger Streitgegenstand eines Feststellungsbegehrens angesehen (BGHZ 22, 43, 48; 68, 331, 332). Eine Feststellungsklage muß sich aber nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im Ganzen erstrecken, sie kann vielmehr auch - wie vorliegend - einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht (BAG Urteil vom 18. November 1968 - 3 AZR 255/67 - AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I 1 und 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 17. Januar 1969 - 3 AZR 10/68 - AP Nr. 135 aaO, zu I der Gründe; BGHZ 22, 43, 47, 48; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 94 II 1, S. 526; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 256 Anm. 3 a; vgl. ferner die zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des Senats vom 28. November 1984 - 5 AZR 123/83 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A I der Gründe).
2. Die Kläger haben auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Regelmäßig ist das Rechtsschutzinteresse zu verneinen, wenn der Kläger dasselbe Ziel durch eine Leistungsklage erreichen kann. Das wäre vorliegend möglich, allerdings müßten die Kläger ihre Ansprüche, abgesehen von den in der Vergangenheit bereits entstandenen Ansprüchen, für jeden Monat einzeln geltend machen. In derartigen Fällen kann die Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führen (vgl. Thomas/Putzo, aaO, Anm. 5 d mit Hinweis auf BGH MDR 1984, 28). Hinzukommt, daß die Beklagte hat erklären lassen, sie sei im Falle des Unterliegens bereit, die streitigen Beträge nachzuentrichten. Sie hat für diesen Fall sogar darauf verzichtet, sich auf die tarifliche Ausschlußfrist oder auf Verjährung zu berufen. Daher ist die Feststellung über den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten geeignet, alsbald zu der erforderlichen Klarheit in den Rechtsbeziehungen der Parteien zu führen.
II. 1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, den Klägern stehe ein Anspruch auf Fahrgelderstattung aus betrieblicher Übung zu. Dabei sei nicht nur die weit über zehn Jahre anhaltende vorbehaltlose tatsächliche Leistungsgewährung der Beklagten zu berücksichtigen, sondern vor allem Art und Umfang der gewährten Vergünstigung. Es komme hinzu, daß die Beklagte auch in Zeitungsanzeigen mit dem Hinweis auf die Fahrtkostenerstattung geworben habe. Weiter habe sie die streitigen Leistungen nicht nur gelegentlich und aus besonderem Anlaß erbracht, sondern regelmäßig jeden Monat. Schließlich habe sie die Zahlungen auch den jeweiligen Tariferhöhungen des Verkehrsverbundes angepaßt. Auf den Mangel der Schriftform könne die Beklagte sich nicht berufen; dem stehe der Einwand der Treuwidrigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens entgegen.
Diesem Ergebnis ist beizupflichten.
2. Die Beklagte hat eine betriebliche Übung begründet, wonach ihren im Einkaufszentrum O beschäftigten Mitarbeitern die monatlichen Fahrtkosten ersetzt werden.
a) Unter betrieblicher Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung eines bestimmten Verhaltens, das bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erweckt (vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 67; Seiter, Die Betriebsübung, 1967, S. 19; BAG 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 1 a der Gründe). Die tatsächliche Übung bedeutet als solche keine Rechtsquelle eigener Art, sie hat keine normative Wirkung und kann auch nicht betriebliches Gewohnheitsrecht setzen. Vielmehr gestaltet sie die einzelnen Arbeitsverhältnisse durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete stillschweigende Gesamtzusage. Demgemäß erwachsen aus ihr vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (vgl. BAG, aaO; BAG 23, 213, 217 ff. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I der Gründe). Entscheidend ist, daß der Arbeitgeber durch ein stetiges Verhalten das Vertrauen erweckt hat, daß er sich binden wolle. Hieran muß er sich als rechtsgeschäftlich erhebliches Verhalten festhalten lassen. Ob der Arbeitgeber sich tatsächlich binden wollte, ist dabei unerheblich, maßgeblich ist vielmehr, daß er den objektiven Tatbestand der betrieblichen Übung wissentlich herbeigeführt hat (vgl. BAG 40, 126, 133 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 a und b der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
b) Die Beklagte hat den Klägern nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in Zeiträumen bis zu 12 Jahren und länger die monatlichen Fahrtkosten, die zuletzt bis zu 106,-- DM betrugen, regelmäßig und ohne Einschränkung erstattet. Das Verhalten der Beklagten mußte durch seine lange Dauer und vor allem durch seine stete Wiederholung bei den begünstigten Arbeitnehmern den Eindruck erwecken, die Beklagte wolle ihnen diese Leistung, die einen nicht unerheblichen Teil des monatlichen Arbeitseinkommens ausmachte, auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gewähren.
Die Beklagte hat sich den Widerruf ihrer Leistung nicht vorbehalten. Der Arbeitgeber kann eine zukünftige Bindung aus einer einmal begonnenen Übung vermeiden, wenn er klar und deutlich zu verstehen gibt, daß die Leistung widerruflich oder freiwillig sein soll (BAG 40, 126, 134 = AP aaO, zu III 1 b der Gründe, m. w.N.). Zwar hat die Beklagte behauptet, auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen zu haben, das Landesarbeitsgericht hat die Richtigkeit dieses Vortrages aber nicht festgestellt und die Beklagte hat hiergegen eine Verfahrensrüge gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO nicht erhoben. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte geltend gemacht, der Vorbehalt, die Zuschüsse seien freiwillige und daher widerrufliche Leistungen, ergebe sich schon daraus, daß sie die vorgeschriebene Schriftform nicht beachtet habe. Darin kann der Beklagten jedoch nicht gefolgt werden. Wird von einer an sich vorgesehenen Schriftform abgewichen, so kann und muß der Vertragspartner dies nicht als die Erklärung deuten, die mündlich versprochene Leistung stehe unter einem Widerrufsvorbehalt. Wenn letzteres gewollt ist, muß dies vielmehr klar und erkennbar zum Ausdruck gebracht werden.
3. Die Beklagte kann sich nicht auf Formnichtigkeit der betrieblichen Übung berufen, weil hierin angesichts der besonderen Umstände des Falles eine unzulässige Rechtsausübung liegt.
a) Die bindende Wirkung einer betrieblichen Übung kann von der Einhaltung einer kollektiv-rechtlichen Formvorschrift abhängen. Für tarifliche Formvorschriften ist das seit langem anerkannt (vgl. BAG 40, 126, 136 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 c der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Das gleiche gilt für Formvorschriften in Betriebsvereinbarungen (Gesamtbetriebsvereinbarungen). Bei ihnen handelt es sich ebenfalls um generelle Bestimmungen, die als solche Rechtsnormen im Sinne des Art. 2 EGBGB sind (vgl. BAG 23, 257, 263 f. = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG; Staudinger/Merten/Kirchhof, BGB, 12. Aufl., EGBGB, Art. 2 Rz 83; vgl. weiter Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 77 Rz 17, 18, 31; Säcker, Die Betriebsvereinbarung, AR-Blattei C III 1 c, D II 1; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., S. 1323 = § 231 II 5). In der Arbeitsordnung von 1966 und in der Betriebsordnung von 1976 der Beklagten heißt es jeweils, daß nur die schriftlich vereinbarten Bedingungen gelten bzw. daß aus mündlichen Vereinbarungen Rechte nicht abgeleitet werden können. Diese Bestimmungen begründen als generelle Regelungen daher einen gesetzlichen Schriftformzwang im Sinne des § 126 BGB.
b) Wird die vorgeschriebene Form nicht gewahrt, führt dies grundsätzlich zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 Satz 1 BGB). Allerdings kann die Berufung auf die mangelnde Form eines Rechtsgeschäfts bei Vorliegen besonderer Umstände gegen Treu und Glauben verstoßen und eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (BAG 37, 228, 236 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAG 40, 126, 136 f. = AP aaO, zu III 2 und 2 b der Gründe; vgl. ferner BAG Urteil vom 16. Mai 1972 - 5 AZR 459/71 - AP Nr. 11 zu § 4 TVG, zu 2 a und b der Gründe, jeweils mit weiteren Nachweisen). So ist es hier. Mit dem Hinweis auf die fehlende Schriftform der Erstattungszusage setzt die Beklagte sich in Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten:
Zunächst ist zu berücksichtigen, daß das Schriftformerfordernis nicht aus einem auch für die Beklagte als bindend vorgegebenen Gesetz oder Verbandstarifvertrag folgt, sondern aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung, an deren Abschluß die Beklagte als Partner selbst beteiligt war. Diesem Umstand muß bei der Würdigung des Verhaltens der Beklagten besonderes Gewicht beigemessen werden. Die Beklagte hat mehr als ein Jahrzehnt lang die von ihr selbst mitgeschaffene Formvorschrift unbeachtet gelassen, wenn sie ihren Mitarbeiten im Einkaufszentrum O das Fahrgeld erstattete. Vor allem aber geschah dies nicht nur einmalig bei Tätigkeitsaufnahme oder für eine gewisse Zeit danach, vielmehr hat die Beklagte ihre Leistungen stets den jeweiligen Tariferhöhungen der Verkehrsbetriebe angepaßt. Hierdurch hat sie bei den Empfängern immer von neuem die Überzeugung bestärkt, sie wolle die auch dem Betrage nach nicht unerhebliche Leistung ohne Einhaltung von Formvorschriften gewähren. Wenn die Beklagte hiervon nunmehr abrückt, setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem früheren, immer wieder bestätigten Verhalten. Das erscheint schließlich auch deswegen unzulässig, weil die Beklagte aus ihrer Leistung Vorteile gezogen hat (vgl. BGHZ 26, 142, 151). Denn unstreitig konnte sie früher für die verkehrsungünstig gelegene Verkaufsstätte Arbeitskräfte nur gewinnen, wenn sie deren erhöhte Aufwendungen für die Fahrt zum Arbeitsplatz ausglich.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Pallas Dr. Hirt
Fundstellen