Der Kläger hat für die von ihm geleisteten Überstunden einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 25 % des als Mindestlohn festgesetzten Gesamttarifstundenlohns.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus § 1 Abs. 1 AEntG folge ein Anspruch auf Überstundenzuschläge ausschließlich dann, wenn ein Tarifvertrag nicht nur die Mindestlöhne, sondern auch die Überstundensätze regele. Die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG “Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze” sei so zu verstehen, dass in dem zwingend anzuwendenden Tarifvertrag selbst sowohl die Mindestentgeltsätze als auch die Überstundensätze enthalten sein müssten.
2. Dem ist nicht zu folgen. Die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG ergibt vielmehr, dass die Überstundensätze nicht in demselben Tarifvertrag geregelt sein müssen, in dem die Mindestentgeltsätze vereinbart sind.
a) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG ist nicht eindeutig.
aa) Mit den Worten “Die Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages …” in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG erfolgt keine zahlenmäßige Begrenzung auf einen Tarifvertrag. Dies ergibt sich aus dem weiteren Wortlaut dieses Satzes. Dort wird der sachliche Geltungsbereich der von § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG erfassten Rechtsnormen bestimmt. Das ist das Bauhauptgewerbe und das Baunebengewerbe. Da in diesen beiden Wirtschaftsbereichen seit jeher eine Vielzahl von Tarifregelungen besteht, liegt der Schluss nahe, dass das Gesetz mit dem Wort “eines” Tarifvertrags auf “irgendeinen” Tarifvertrag verweist, in dem eine der in Nr. 1 und 2 aufgeführten Fragen geregelt ist. International zwingend sind deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG nur die in Nr. 1 und 2 aufgeführten Vorschriften in Tarifverträgen des Bauhauptgewerbes oder des Baunebengewerbes.
bb) Nichts anderes folgt aus den Worten “Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze” in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG. Diese Verknüpfung kann sprachlich auch so verstanden werden, dass sich die Überstundensätze nur auf die Mindestentgelte und nicht auf andere Löhne oder Lohnbestandteile beziehen dürfen (ebenso Koberski/Asshoff/Hold AEntG 2. Aufl. § 1 Rn. 236).
b) Der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG und insbesondere der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass ein Anspruch auf Überstundenzuschläge von der formalen Voraussetzung einer einheitlichen Regelung zusammen mit den Mindestentgeltsätzen in einem Tarifvertrag abhängt.
aa) Nach der zum 1. März 1996 in Kraft getretenen und bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG war Voraussetzung für die international zwingende Geltung der Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags des Baugewerbes, dass der Tarifvertrag ein für alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer einheitliches Mindestentgelt enthält (BGBl. I S. 227). Diese gesetzlichen Anforderungen erfüllten die Lohntarifverträge des Baugewerbes im Jahre 1996 wegen ihrer Differenziertheit nicht. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes führten deshalb seit Anfang 1996 Verhandlungen über die Einführung eines tariflichen Mindestlohns mit dem Ziel, diesen für allgemeinverbindlich erklären zu lassen (hierzu Koberski/Sahl/Hold AEntG 1. Aufl. § 1 Rn. 128). Nach langen Verhandlungen mit einer zwischenzeitlichen Ablehnung der beantragten Allgemeinverbindlicherklärung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 30. Mai 1996 (BAnz. Nr. 104 vom 8. Juni 1996 S. 6290) wurde schließlich am 14. August 1997 der Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 17. Juli 1997 mit Wirkung vom 1. September 1997 für allgemeinverbindlich erklärt (BAnz. Nr. 157 vom 23. August 1997 S. 10909). Nach der Maßgabe 5 zur Allgemeinverbindlicherklärung endete diese mit Ablauf des 31. August 1999 ohne Nachwirkung.
Diese Tarifentwicklung macht deutlich, dass der TV Mindestlohn vereinbart wurde, um die bis dahin uneinheitlichen Lohntarifverträge den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG aF anzupassen. Nur weil tarifvertraglich kein einheitlicher Mindestlohn geregelt war, musste der TV Mindestlohn abgeschlossen werden. Eine tarifliche Regelung der Überstundenzuschläge im TV Mindestlohn war nicht veranlasst, nachdem § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG aF zur Überstundenvergütung keine Regelung enthielt. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben gab es zu dieser Zeit noch nicht, weil die geplante Verabschiedung einer Entsenderichtlinie im Dezember 1994 gescheitert war und die Richtlinie erst nach In-Kraft-Treten des AEntG am 16. Dezember 1996 (ABl. EG Nr. L 18 vom 21. Januar 1997 S. 1) erlassen wurde.
bb) Vor dem Hintergrund dieser tarifvertraglichen Ausgangslage erfolgte durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) eine Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG. Die jetzige Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG trat zum 1. Januar 1999 in Kraft. Nach der Gesetzesbegründung sollte die bis dahin in Satz 1 Nr. 1 bestehende Beschränkung auf die unterste Lohngruppe eines Tarifvertrags zugunsten eines größeren Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien entfallen. Zugleich sollte ohne inhaltliche Änderung der Wortlaut der neuen Nummer 1 an die Terminologie der EU-Entsenderichtlinie angepasst werden (BT-Drucks. 14/45 S. 25).
Entgegen der in der Gesetzesbegründung geäußerten Auffassung hat sich durch die Neufassung des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG allerdings durchaus der Inhalt der Vorschrift geändert. Entsandte Arbeitnehmer haben nicht nur, wie bis dahin, Anspruch auf den Mindestlohn, der in für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen festgelegt ist. Vielmehr gibt das Gesetz nunmehr auch einen Anspruch auf Überstundenzuschläge, wenn eine entsprechende tarifliche Regelung besteht.
c) Mit der in der Begründung des Korrekturgesetzes angesprochenen Anpassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG an den Wortlaut der “EU-Entsenderichtlinie” – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – ist die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Arbeitsleistungen vom 16. Dezember 1996 gemeint (Entsenderichtlinie, ABl. EG Nr. L 18 vom 21. Januar 1997 S. 1).
aa) Art. 3 Abs. 1 dieser Entsenderichtlinie bestimmt Folgendes:
“Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
– durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
– durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche …
festgelegt sind:
…
c) Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze …
…”.
bb) Zweck der Richtlinie ist die Sicherung eines fairen Wettbewerbs und die Gewährleistung der Arbeitnehmerrechte (Erwägung 5 der Richtlinie). Weiterhin werden die Mitgliedstaaten in der Erwägung 18 aufgefordert, den Grundsatz einzuhalten, dass außerhalb der Gemeinschaft ansässige Unternehmen nicht besser gestellt werden dürfen als Unternehmen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
cc) Ausgehend von diesen Zwecken der Entsenderichtlinie kann nicht angenommen werden, die Richtlinie ihrerseits fordere zwingend die Regelung des Mindestlohns und der Überstundenzuschläge in “einem” Tarifvertrag. Damit würde die Richtlinie ihre beabsichtigte Wirkung, Sicherung des fairen Wettbewerbs und des Sozialschutzes der Arbeitnehmer, nicht voll entfalten. Eine am Grundsatz des “effet utile” ausgerichtete Auslegung der Richtlinie verdeutlicht vielmehr, dass die Entsenderichtlinie jedenfalls nicht nationalen Vorschriften entgegensteht, die eine Regelung des Mindestlohns und der Überstundenzuschläge für entsandte Arbeitnehmer in verschiedenen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen zulassen. Es besteht kein vernünftiger Zweifel, der Raum für eine andere Auslegung der Entsenderichtlinie gibt. Für eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EG besteht deshalb keine Veranlassung.
d) Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des geänderten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG und der mit der Entsenderichtlinie verfolgten Ziele ist der mit § 1 Abs. 1 AEntG allgemein verfolgte Zweck, wie er sich aus der Gesetzesbegründung zu der ursprünglichen Regelung ergibt (BT-Drucks. 13/2414 S. 6), bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 AEntG zu beachten.
aa) Die durch § 1 AEntG gesicherten Mindestlöhne im Baugewerbe sollen Wettbewerbsvorteile ausländischer Unternehmer aus Ländern mit deutlich niedrigerem Lohnniveau ausgleichen und so die Bautätigkeit in Deutschland den inländischen Arbeitslosen zugute kommen lassen. Weiterhin soll die Tarifautonomie gesichert werden. Die Gesetzgebung sah diese als gefährdet an, weil sich die Vertragsbedingungen der aus dem Ausland entsandten Bauarbeitnehmer nicht nach deutschem Tarifrecht gestalteten. Der vermehrte Einsatz ausländischer Arbeitnehmer auf deutschen Baustellen führte nach der Gesetzesbegründung zu einer bedrohlichen Verdrängung der Geltung deutschen Arbeitsrechts. Weiterhin sollte durch das Arbeitnehmerentsendegesetz einer Verschlechterung der Situation der Klein- und Mittelbetriebe der deutschen Bauwirtschaft entgegengewirkt werden. Deren wirtschaftliche Existenz war gefährdet, weil sie bei Bauausschreibungen wegen der in Deutschland bestehenden hohen Lohnkosten häufig keine Aufträge erhielten (vgl. BT-Drucks. 13/2414 S. 7).
bb) Eine an den Zwecken des AEntG und der Entsenderichtlinie orientierte Auslegung des § 1 Abs. 1 AEntG macht deutlich, dass es nicht darauf ankommen kann, dass die Überstundensätze und der Mindestlohn in demselben für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgelegt sind. Hierfür gibt es keinen vernünftigen Grund. Entscheidend ist allein, dass der Überstundensatz auch in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geregelt ist und sich auf den Mindestlohn bezieht.
3. Diese Voraussetzungen sind in der Bauwirtschaft erfüllt. Der Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 17. Juli 1997 ist am 14. August 1997 für die Zeit vom 1. September 1997 bis zum 31. August 1999 für allgemeinverbindlich erklärt worden (BAnz. Nr. 157 vom 23. August 1997 S. 10909). In dieser Zeit war auch § 3 Nr. 6.11 BRTV-Bau, wonach für Überstunden ein Zuschlag von 25 % des Gesamttarifstundenlohns zu zahlen ist, für allgemeinverbindlich erklärt. Für geleistete Überstunden kann der Kläger daher Überstundenzuschläge von der Beklagten verlangen.
Ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger Überstunden geleistet hat, bedarf der weiteren Aufklärung. Das Landesarbeitsgericht durfte die geltend gemachten Überstundenzuschläge nicht mit der Begründung abweisen, es sei nicht erkennbar, wann der Kläger Überstunden geleistet habe. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Der Kläger macht mit seiner Klage offenbar alle in dem aufgeführten Zeitraum angefallenen Arbeitsstunden einschließlich geleisteter Überstunden geltend. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt. Die Zahl der seiner Auffassung nach geleisteten Überstunden hat der Kläger beziffert. Vor diesem Hintergrund hätte das Landesarbeitsgericht die Schlüssigkeit des Vortrags prüfen und aufklären müssen, wann nach dem Arbeitsvertrag des Klägers überhaupt Überstunden anfallen.
2. Die Auffassung des Klägers, das Vorliegen von Überstunden richte sich nach dem BRTV-Bau wäre nur dann richtig, wenn der Kläger und die Beklagte dies vereinbart hätten. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Da der BRTV-Bau auf das Arbeitsverhältnis nur Anwendung findet, soweit das AEntG dies vorsieht und in § 1 Abs. 1 AEntG nur Regelungen über Überstundenzuschläge, nicht aber die Vorschriften des BRTV-Bau über die regelmäßige Arbeitszeit und Überstunden (§ 3 Nr. 1.2 und Nr. 5.11, 5.12 BRTV-Bau) in Bezug genommen worden sind, richtet sich die nähere Bestimmung der Voraussetzungen von Überstunden nach dem Arbeitsvertrag. Auch aus § 7 Abs. 1 AEntG folgt nichts anderes, weil danach nur die Vorschriften über die Höchstarbeitszeit zwingend Anwendung finden. Damit steht nicht zugleich fest, was Überstunden sind. Hierzu ist auf den Arbeitsvertrag und ggf. das anwendbare polnische Arbeitsrecht abzustellen.
Die Vorinstanzen haben den Arbeitsvertrag bisher nicht ausgelegt. Dies war wegen der von ihnen vertretenen Auslegung des § 1 Abs. 1 AEntG auch nicht geboten. Das Landesarbeitsgericht hat dies nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen.