Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang im Gesamtvollstreckungsverfahren
Normenkette
BGB § 613a; EGBGB Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. November 1999 – 17 Sa 1350/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen auf Grund eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger war seit 1972 bei der M. GmbH und deren Rechtsvorgängerin als Kranführer tätig. Er wurde in der Betriebsstätte C. in Berlin-Tempelhof (im Westteil Berlins) beschäftigt.
Die M. GmbH hatte ursprünglich ihren Sitz in Berlin. Dieser wurde durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom Oktober 1997 nach D. (im Lande Brandenburg) verlegt, wo die M. GmbH schon vorher eine Betriebsstätte hatte.
Am 2. Juli 1998 wurde über das Vermögen der M. GmbH die Sequestration angeordnet. Auf einer Betriebsversammlung am 6. Juli 1998 wies die Beklagte zu 1) in ihrer damaligen Funktion als Sequestratorin darauf hin, daß eine Auffanggesellschaft gegründet werden solle und versucht werde, einen Großteil der Arbeitsplätze zu erhalten. Der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin führte in diesem Zusammenhang aus, daß die Auffanggesellschaft nach dem derzeitigen Stand das operative Geschäft der Gemeinschuldnerin übernehmen, ebenfalls eine Betriebsstätte in der C. haben, in denselben Räumlichkeiten und mit denselben Kränen wie vorher arbeiten und einen Großteil der Belegschaft übernehmen solle.
Am 13. Juli 1998 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und die Beklagte zu 1) zur Verwalterin bestellt. Am selben Tage stellte die Beklagte zu 1) alle Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht frei und gab das gemietete Anlagevermögen unter Kündigung aller Mietverhältnisse an die jeweiligen Vermieter zurück. Von den rund 210 zu diesem Zeitpunkt bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmern schlossen ca. 140 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge ab, damit sie mit der Beklagten zu 2) die Beschäftigung nahtlos, allerdings zu schlechteren Bedingungen, fortsetzen konnten. Der Kläger nahm die genannten Vertragsangebote nicht an. Ihm wurde nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 30. Juli 1998 zum 28. Februar 1999 gekündigt.
Die Beklagte zu 2) führte ab 14. Juli 1998 den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin in deren vormaligen Betriebsstätten in der C. (Berlin-Tempelhof), am S. (Berlin-Siemensstadt) und in Babelsberg weiter; und zwar mit im wesentlichen denselben Betriebsmitteln, wie Fahrzeugen und Kranen, Büroräumen nebst Ausstattung, sowie unter Weiterbenutzung der EDV-Anlage und Mitteilung der Fortsetzung des operativen Geschäfts an die Kundschaft.
Mit seiner am 17. August 1998 eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung der Beklagten zu 1) gewandt und dabei die Klage auch damit begründet, daß die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam sei.
Mit einem am 29. März 1999 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert; und zwar mit dem Feststellungsbegehren, daß seit dem 14. Juli 1998 zu ihr ein Arbeitsverhältnis auf Grund Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß zwischen ihm und der Beklagten zu 2) auf Grund eines Betriebsübergangs gem. § 613 a BGB seit dem 14. Juli 1998 ein Arbeitsverhältnis zu den vertraglichen Bedingungen des Klägers mit der Gemeinschuldnerin, der M. GmbH, besteht.
Die Beklagte zu 2) hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, § 613 a BGB fände im Streitfall gar keine Anwendung, weil es sich hier um einen Betriebsübergang im Gesamtvollstreckungsverfahren handele. Im übrigen habe der Kläger ihr gegenüber den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses nicht rechtzeitig geltend gemacht. Spätestens im August 1998 seien dem Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen des Betriebsübergangs bekannt gewesen. Sie habe den Kläger insoweit nicht im unklaren gelassen und auch sonst niemand über das Vorliegen eines Betriebsübergangs getäuscht. Auch habe der Kläger mit seiner ausschließlich gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Kündigungsschutzklage dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklage zu 2) widersprochen.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil der Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2) stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 2) die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen, weil diese Vorschrift im Streitfall keine Anwendung findet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage sei unbegründet, weil der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten zu 2) nicht rechtzeitig geltend gemacht habe.
Der Kläger habe gegenüber der Beklagten zu 2) erstmals mit dem am 12. April 1999 zugestellten Klageerweiterungsschriftsatz den Bestand seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs geltend gemacht. Das sei nicht rechtzeitig gewesen. Dem Kläger seien bereits im Zeitpunkt der gegen die fristgemäße Kündigung der Beklagten zu 1) gerichteten Klage vom 13. August 1998 die Umstände bekannt gewesen, die einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) ausmachten.
II. Dem Landesarbeitsgericht kann jedenfalls im Ergebnis gefolgt werden. Der Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB im Streitfall steht bereits Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB entgegen. Damit kann offen bleiben, ob es am 14. Juli 1998 überhaupt zu einem Betriebsteilübergang auf die Beklagte zu 2) gekommen ist und ob der Kläger sein Recht, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB geltend zu machen, verspätet geltend gemacht hat.
1. Gemäß Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB war § 613 a BGB in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II S 885) genannten Gebiet bis zum 31. Dezember 1998 auf einen Betriebsübergang im Gesamtvollstreckungsverfahren nicht anzuwenden. Diese Vorschrift sollte ursprünglich nur bis zum 31. Dezember 1992 gelten (§ 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen – SpTrUG – vom 5. April 1991, BGBl. I S 854). Die Frist wurde zunächst bis zum 31. Dezember 1994 (BGBl. 1992 I S 2116) und dann durch Art. 32 Nr. 3 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (– EGInsO – BGBl. 1994 I S 2911) bis zum 31. Dezember 1998 verlängert.
Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB erfaßt mit dem Begriff „Betriebsübertragung” alle Formen des ansonsten durch § 613 a BGB geregelten Betriebsübergangs. Die Regelung gilt für alle Unternehmen im Beitrittsgebiet und verstößt nicht gegen höherrangiges europäisches Gemeinschaftsrecht (Senat 25. September 1997 – 8 AZR 493/96 – BAGE 86, 336, 340 ff., zu B I 2 b der Gründe).
2. Die zeitlich befristete Suspendierung von § 613 a BGB erstreckt sich auch auf die im Gesamtvollstreckungsverfahren vollzogene Übertragung solcher Betriebe und Betriebsteile, die nicht im Beitrittsgebiet, sondern in den alten Bundesländern lagen. Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB fand immer dann Anwendung, wenn der Sitz des insolventen Unternehmens im Beitrittsgebiet lag. Ob auch der auf einen Erwerber übergehende Betrieb im Beitrittsgebiet lag, war unerheblich.
a) Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gilt für Schuldner mit Sitz im Beitrittsgebiet. Es kommt auf den Sitz des Betriebsinhabers, des Veräußerers im Beitrittsgebiet an, der Sitz des Erwerbers ist unbeachtlich (insoweit einhellige Auffassung in der Literatur, vgl. nur MünchKomm/Oetker BGB 3. Aufl. Art. 232 § 5 EGBGB Rn. 118; ErfK/Preis § 613 a BGB Rn. 128; Berscheid Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz Rn. 324).
Die Gemeinschuldnerin hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung und der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens ihren Sitz, der zur Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich war (§ 1 Abs. 2 GesO), im Beitrittsgebiet, nämlich in D.
b) Die Anwendung des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB auf eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende, ist in der Literatur umstritten. Während zum einen allein auf den Sitz des insolventen Unternehmens im Beitrittsgebiet abgestellt und die Lage der einzelnen Betriebsstätte als nicht maßgeblich angesehen wird (so Münch-Komm/Oetker a.a.O.; Kasseler Handbuch/Müller-Glöge 2. Aufl. Band 2, 11 Rn. 300; Berscheid a.a.O.; Birkholz Betriebsübergang nach § 613 a BGB in der Insolvenz S 129 f.), meinen andere, daß auch der übergehende Betrieb oder Betriebsteil im Beitrittsgebiet liegen müsse (so ErfK/Preis a.a.O.; KR-Pfeiffer 5. Aufl. § 613 a BGB Rn. 127; Staudinger/Rauscher BGB 13. Bearbeitung Art. 232 § 5 EGBGB Rn. 27; Staudinger/Richardi/Annuß a.a.O. § 613 a Rn. 232; Steffan Arbeitsrecht und Unternehmenssanierung in den neuen Bundesländern S 85). Der Senat folgt der ersten Auffassung.
c) Gemäß Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1 lit. d) Einigungsvertrag erfaßte ein Gesamtvollstreckungsverfahren auch das im Geltungsbereich der Konkursordnung befindliche Vermögen des Schuldners. Die Zwangsvollstreckung in solches Vermögen oder ein gesondertes Konkursverfahren hierüber war nicht zulässig.
Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, daß – vor dem Hintergrund der zeitlich befristeten Geltung von zwei verschiedenen Insolvenzordnungen in der Bundesrepublik Deutschland – für ein betroffenes insolventes Unternehmen die Insolvenz nur nach einer Rechtsgrundlage abzuwickeln war. Bis zum 31. Dezember 1998 galten in der Bundesrepublik Deutschland zwei verschiedene Insolvenzordnungen, nämlich die Gesamtvollstreckungsordnung und die Konkursordnung, deren Anwendungsbereich sich gegenseitig ausschloß. Gemäß Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt I Nr. 4 Einigungsvertrag wurde die Konkursordnung im Beitrittsgebiet nicht in Kraft gesetzt. Vielmehr galt im Beitrittsgebiet gemäß Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1 Einigungsvertrag die Gesamtvollstreckungsverordnung vom 6. Juni 1990 (GBl. DDR I Nr. 32 S 285) mit Maßgaben unter der Bezeichnung Gesamtvollstreckungsordnung als Bundesgesetz weiter. Gegen diese zeitlich begrenzte Beibehaltung unterschiedlichen Insolvenzrechts bestanden keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG 26. April 1995 – 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94 – BVerfGE 92, 262, 275 f.).
Für ein insolventes Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland – wie auch für jeden anderen Schuldner – wurde die Insolvenz entweder nach den Bestimmungen der Konkursordnung oder der Gesamtvollstreckungsordnung abgewickelt. Um sicherzustellen, daß das gesamte Vermögen des Schuldners Gegenstand des jeweils einschlägigen Insolvenzverfahrens war, wurde das jeweils im Geltungsbereich des anderen Gesetzes gelegene Vermögen mit einbezogen. Für Gesamtvollstreckungsverfahren ergab sich dies aus der Regelung in der Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1 lit. d) Einigungsvertrag. Für im alten Bundesgebiet eröffnete Konkursverfahren ergab sich die Einbeziehung des Vermögens des Gemeinschuldners im Beitrittsgebiet aus § 22 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 GesO (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO 4. Aufl. § 22 Rn. 9 ff.; Hess/Binz/Wienberg GesO 3. Aufl. § 22 Rn. 13; Smid/Zeuner GesO 3. Aufl. § 22 Rn. 27).
aa) Durch die einschlägige Regelung in der Anlage II zum Einigungsvertrag sollte die einheitliche Verwertung des Vermögens eines Schuldners mit Sitz im Beitrittsgebiet sichergestellt werden. Diese einheitliche Verwertung wäre gefährdet gewesen, wenn auf die Verwertung dieses Vermögens unterschiedliches Recht anzuwenden gewesen wäre. Abzustellen ist auf die natürliche oder juristische Person (§ 1 Abs. 1 GesO), also auf den Rechtsträger, das Unternehmen, und nicht den einzelnen Betrieb. Ebenso wie für die Verwertung des Vermögens gilt für die etwaige Fortführung des Unternehmens wie auch für die Übertragung von Betrieben des Unternehmens, daß je danach, ob die Insolvenz nach der Gesamtvollstreckungsordnung oder nach der Konkursordnung abzuwickeln war, einheitliches Recht gelten sollte. Die durch Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB angeordnete zeitlich befristete Suspendierung des § 613 a BGB hatte die Zielrichtung, den Erhalt von Arbeitsplätzen durch übertragende Sanierungen, also die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes oder von einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen an Dritte, zu ermöglichen und zu erleichtem (vgl. BT-Drucks. 12/3684, S 4; Landfermann ZIP 1991, 826, 832). Mit diesem Zweck der Vorschrift wäre eine unterschiedliche Behandlung einzelner Betriebe oder Betriebsteile je nach ihrer Lage im Beitrittsgebiet oder außerhalb desselben nicht zu vereinbaren gewesen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen durch eine übertragende Sanierung war am ehesten denkbar bei Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für das Unternehmen. Das wäre bei der Geltung von unterschiedlichen Rechtsfolgen bei der Veräußerung von Betrieben eines Unternehmens gefährdet gewesen. Entscheidend für die zeitlich befristete Suspendierung von § 613 a BGB war deshalb, daß das Unternehmen als Rechtsträger eines oder mehrerer Betriebe seinen Sitz im Beitrittsgebiet hatte und deshalb dem Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung und nicht der Konkursordnung unterlag. Dies führte dazu, daß sich das Gesamtvollstreckungsverfahren auch auf solche Betriebe des Schuldners erstreckte, die nicht im Beitrittsgebiet lagen. Auf Grund der Regelung in Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB fand für die Übertragung solcher Betriebe § 613 a BGB keine Anwendung.
bb) Sofern demgegenüber geltend gemacht wird, daß Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ausdrücklich auf Art. 3 des Einigungsvertrags und damit auf das Gebiet der neuen Bundesländer verweise, und deshalb erforderlich sei, daß auch der übergehende Betrieb oder Betriebsteil in den neuen Bundesländern liegt (so ErfK/Preis a.a.O.; KR-Pfeiffer a.a.O.; Staudinger/Rauscher a.a.O.; Staudinger/Richardi/Annuß a.a.O.; Steffan a.a.O.) kann dem nicht gefolgt werden.
Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB knüpft daran an, daß „im Beitrittsgebiet” anstelle der Konkursordnung die Gesamtvollstreckungsordnung galt. Damit war klargestellt, daß nur im Geltungsbereich der GesO, nicht aber der Konkursordnung, § 613 a BGB keine Anwendung finden sollte, sofern es um die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs im Gesamtvollstreckungsverfahren ging. Ein Unternehmen mit Sitz im Beitrittsgebiet unterfiel aber dem Geltungsbereich der GesO. Aus Art. 232 § 5 Abs. 2 EGBGB ergibt sich nicht, daß im Gegensatz dazu hinsichtlich des § 613 a BGB nicht an den Sitz des Unternehmens, sondern an die Lage des Betriebs anzuknüpfen war.
Der Wortlaut des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB stellt nicht darauf ab, daß der Betriebsübergang im Beitrittsgebiet erfolgt, sondern verlangt eine Betriebsübertragung „im Gesamtvollstreckungsverfahren” und schließt beim Vorliegen dieser Voraussetzung die Anwendung des § 613 a BGB aus. Eine Betriebsübertragung im Gesamtvollstreckungsverfahren lag jedoch auch dann vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil im Geltungsbereich der Konkursordnung lag und über das Vermögen des jeweiligen Inhabers ein Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde (MünchKomm/Oetker a.a.O.). Da über das Vermögen des Betriebsinhabers das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet sein mußte, reichte es nicht aus, wenn zwar der Betrieb, nicht aber der Sitz seines Inhabers im Beitrittsgebiet lag. Umgekehrt erfaßte der Ausschlußtatbestand auch Betriebsübertragungen außerhalb des Beitrittsgebiets, wenn sich der Sitz des Betriebsinhabers in den neuen Bundesländern befand (MünchKomm/Oetker a.a.O.; so im Ergebnis auch Kasseler Handbuch/Müller-Glöge a.a.O.; Berscheid a.a.O.; Birkholz a.a.O.).
d) Das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 13. Juli 1998, 05.00 Uhr, durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt/Oder eröffnet. Der Kläger macht geltend, daß am 14. Juli 1998, also nach Verfahrenseröffnung, ein Betriebsübergang stattgefunden haben soll. Eine Betriebsübertragung im Gesamtvollstreckungsverfahren liegt vor, wenn sie nach dessen Eröffnung (§§ 5, 6 GesO) erfolgt (Senat 25. September 1997 – 8 AZR 493/96 – BAGE 86, 336, 342 ff., zu B I 2 c der Gründe). Anhaltspunkte dafür, daß ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang bereits zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden haben könnte, bestehen nicht.
Da im Anwendungsbereich des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB kein Übergang der Arbeitsverhältnisse stattfindet, um den Erwerber des Betriebs nicht zu belasten, stand es der Beklagten zu 2) frei, zu entscheiden, mit wievielen und welchen Arbeitnehmern sie eine Betriebstätigkeit fortsetzt (vgl. Senat 25. September 1997 a.a.O., zu B I 2 c der Gründe). Deshalb konnte es, einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang unterstellt, zu dem vom Kläger geltend gemachten Übergang seines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes auf die Beklagte zu 2) nicht kommen.
3. Der Nichtanwendung des § 613 a BGB wegen Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB steht auch nicht der Einwand des Rechtsmißbrauchs gem. § 242 BGB entgegen.
a) In der Literatur wird diskutiert, daß dem Schuldner zu versagen sei, sich dieses Privileg des Gesamtvollstreckungsverfahrens dadurch zu beschaffen, daß er bei drohender Insolvenz allein im Hinblick darauf seinen Sitz ins Beitrittsgebiet verlagert und dadurch den Gerichtsstand „künstlich” begründet (vgl. Berscheid a.a.O. Rn. 326; allgemein zur „Zuständigkeitserschleichung” vor allem im Zusammenhang mit der Restschuldbefreiung des § 18 Abs. 2 Satz 3 GesO vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster a.a.O. § 1 Rn. 296 ff.).
b) Selbst wenn man von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 242 BGB auf eine solche Fallgestaltung ausgeht, fehlt es vorliegend an entsprechenden Anhaltspunkten.
Die Gemeinschuldnerin hatte ihren Sitz bereits durch Gesellschafterbeschluß vom Oktober 1997 nach D. verlegt. Die Sitzverlegung war am 26. Januar 1998 in das Handelsregister eingetragen worden, also Monate vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und Stellung des entsprechenden Antrags. Es bestehen keine Anhaltspunkte, daß die spätere Gemeinschuldnerin bereits zum damaligen Zeitpunkt insolvent oder überschuldet war und sie deshalb den Sitz in das Beitrittsgebiet verlegt hat, um sich den dortigen Gerichtsstand zu „erschleichen”. Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß ein „Erschleichen” des Gerichtsstandes allenfalls dann vermutet werden könne, wenn der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens der Gesamtvollstreckung innerhalb kurzer Zeit nach Sitzverlegung gestellt werde und verweist zur Konkretisierung dieses Zeitraums auf die Dreiwochenfrist des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (BGH 20. März 1996 – X ARZ 90/96 – BGHZ 132, 195, 197 f., zu II 3 b der Gründe). Durch diese Vorschrift wird den Geschäftsführern einer GmbH die strafbewehrte Pflicht (vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GmbHG, § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) auferlegt, spätestens binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des entsprechenden Insolvenzverfahrens zu beantragen.
c) Auch die Sitzverlegung als solche von Berlin in das Beitrittsgebiet ist nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen, vielmehr war diese rechtswirksam.
Die Wahl des Sitzes einer GmbH ist den Gesellschaftern überlassen, sofern dieser nur in Deutschland liegt, wie sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG ergibt, der keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Sitzwahl enthält. Es ist nicht erforderlich, daß die Gesellschaft an dem im Gesellschaftsvertrag zu bestimmenden Ort des Sitzes ihre Geschäftsleitung oder auch nur einen Betrieb hat. Der Sitz darf lediglich nicht willkürlich und ohne jede Beziehung der Gesellschaft zu der betreffenden Gemeinde gewählt werden (vgl. nur Baumbach/Hueck GmbH-Gesetz 16. Aufl. § 3 Rn. 6; Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff GmbHG 3. Aufl. § 3 Rn. 7; Hachenburg/Ulmer GmbHG 8. Aufl. § 3 Rn. 10).
Da die spätere Gemeinschuldnerin in D. bereits eine Niederlassung hatte, kann nicht angenommen werden, daß sie ihren Sitz willkürlich gewählt hatte. Auch wenn die Gemeinschuldnerin später die an diesem Sitz vorhandene Niederlassung aufgegeben haben sollte, wäre das unbeachtlich. Ein nachträgliches Auseinanderfallen des gesellschaftsvertraglich festgelegten und des tatsächlichen Geschäftssitzes läßt die Wirksamkeit der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Bestimmung unberührt (vgl. BayObLG 23. Juli 1987 – BReg. 3 Z 72/87 – BayOblGZ 1987, 267).
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Lorenz
Fundstellen
Haufe-Index 1532042 |
ZInsO 2001, 776 |