Leitsatz (redaktionell)
Der Geschäftsführer haftet nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die erst nach der Beendigung seiner Geschäftsführung durch vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft entstanden sind.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte für arbeitsrechtliche Ansprüche des Klägers haftet, weil er die Verhandlungen mit dem Kläger geführt und den Anstellungsvertrag im Namen der B GmbH & Co. KG als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin unterschrieben hat.
Der Beklagte war bei der B OHG als leitender Angestellter tätig. Gesellschafter dieser OHG waren die B GmbH und der früher am Verfahren Beteiligte H B . Diese OHG hat ihre Tätigkeit am 1. April 1991 aufgenommen. Sie war im Handelsregister eingetragen. Mit Beschluß vom 26. Februar 1993 hat das Amtsgericht Dresden über deren Vermögen die Gesamtvollstreckung eröffnet. Bevor es zum Vermögensverfall der OHG kam, war geplant, das Vermögen auf eine noch zu gründende Kommanditgesellschaft zu übertragen. Deshalb ist als künftige persönlich haftende Gesellschafterin die B Geschäftsführungsgesellschaft mbH am 13. März 1992 gegründet und der Beklagte zu deren Mitgeschäftsführer bestellt worden. Es kam jedoch weder zur Gründung der als Kommanditistin vorgesehenen weiteren GmbH noch zur Eintragung der Geschäftsführungs mbH in das Handelsregister.
Der Beklagte ist von den Gesellschaftern am 15. November 1992 wegen Meinungsverschiedenheiten über die Sanierung des Unternehmens von seiner Leitungstätigkeit freigestellt und als Geschäftsführer abberufen worden.
Nach Vorgesprächen im Juli und August 1992 schlossen der Kläger und der Beklagte im Namen der B GmbH & Co. KG einen Anstellungsvertrag. Als der Kläger seine Arbeit am 1. Oktober 1992 als Vertriebsleiter antrat, wurde er von der OHG beschäftigt. Das Gehalt für Oktober 1992 ist erst Anfang Dezember 1992, das Novembergehalt zu einem Teil im Dezember und zum anderen Teil erst im Januar 1993 ausgezahlt worden. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der OHG hat er am 28. Februar 1993 das Arbeitsverhältnis "eingegangen am 31. August 1992 mit Wirksamkeit zum 1. Oktober 1992" gegenüber der "Geschäftsführung der B OHG" fristlos wegen Leistungsverweigerung gekündigt und wegen der rückständigen Ansprüche beim Arbeitsamt Dresden Antrag auf Konkursausfallgeld gestellt. Für die Monate Dezember 1992 bis Februar 1993 ist Konkursausfallgeld gezahlt worden.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte hafte persönlich für eine Nettoprämie in Höhe von 12.000,00 DM, einen Mietzuschuß für die Monate Dezember 1992 bis Februar 1993 in Höhe von 1.200,00 DM, Krankenkassenbeiträge in Höhe von 1.669,80 DM für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis zum 26. Februar 1993, Abgeltung für drei Urlaubstage in Höhe von 1.475,34 DM netto, Verdienstausfall für die Zeit vom 1. März 1993 bis zum 31. Oktober 1993 in Höhe von 59.388,80 DM, Entschädigung für entgangene PKW-Nutzung in der Zeit von März bis Oktober 1993 in Höhe von 8.000,00 DM, entstandene Bewerbungskosten in Höhe von 2.502,97 DM, Kosten für Stellenanzeigen in Höhe von 4.570,10 DM sowie aus Anlaß der Rückgabe des Firmenfahrzeuges im Februar 1993 entstandene Aufwendungen für Fahrtkosten in Höhe von 551,20 DM.
Mit der am 29. Januar 1994 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
der Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an den Kläger 91.358,21 DM nebst 12,25 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 6.845,14 DM für Urlaubsabgeltung, Krankenkassenzuschuß, Mietzuschuß und anteilige Nettoprämie stattgegeben. Die gegen die Abweisung der restlichen Forderung eingelegte Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 84.513,07 DM. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision hat keinen Erfolg. Soweit die Revision Schadenersatzansprüche aus Anlaß von Vertragsverhandlungen verfolgt, ist sie unzulässig. Denn die Revision genügt insoweit nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Es fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsurteils (vgl. BAG Urteil vom 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - auch zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Kläger hat seine Ansprüche alternativ begründet. Zum einen hat er sie auf die gesellschaftsrechtliche Haftung des Beklagten gestützt, weil dieser als Geschäftsführer aufgetreten sei. Zum anderen hat er Schadenersatzansprüche geltend gemacht, weil er bei den Vertragsverhandlungen durch den Beklagten getäuscht worden sei (Verschulden bei Vertragsschluß und deliktische Haftung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB). Dabei handelt es sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte und somit prozessual um unterschiedliche Ansprüche. Fehlen Ausführungen zu einem im Berufungsurteil abgehandelten Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (vgl. BAG Beschluß vom 6. Dezember 1994 - 9 AZN 337/94 - BAGE 78, 373 = AP Nr. 32 zu § 72 a ArbGG, m.w.N.). So ist es hier. Die Revision hat sich nicht mit den Ausführungen auseinandergesetzt, mit denen das Landesarbeitsgericht die Haftung des Beklagten aus Anlaß der Vertragsverhandlungen abgelehnt hat.
II. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Denn der Beklagte haftet nicht für die vermeintlichen Ansprüche, die der Kläger gegen seinen früheren Arbeitgeber geltend gemacht hat.
1. Die vom Kläger für die Monate Dezember 1992, Januar 1993 und vom 1. bis zum 26. Februar 1993 erhobenen Ansprüche auf arbeitsrechtliche Bezüge sind nach § 141 m AFG mit der Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld durch den Kläger auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Der Kläger ist daher nicht mehr Gläubiger dieser Forderungen und kann schon deshalb den Beklagten nicht im Rahmen einer Geschäftsführerhaftung in Anspruch nehmen.
Zu den übergegangen Ansprüchen gehören alle Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BSG Urteil vom 28. Februar 1985 - 10 RAr 19/83 - SozR 2-4100 § 141 b Nr. 35). Das sind auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für drei Tage Resturlaub, die Nettoprämie nach § 4 Nr. 4 des Arbeitsvertrages, die Reisespesen für die Rückgabe des Firmenfahrzeugs, der Zuschuß des Arbeitgebers zur Krankenversicherung (vgl. Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141 b Rz 43; Hess in GK-AFG, § 141 b Rz 90) und auch der vom Kläger entsprechend einer arbeitsvertraglichen Abrede geforderte Mietzuschuß (vgl. Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141 b Rz 43; Hess in GK-AFG, § 141 b Rz 88, 89).
Ob die Ansprüche in voller Höhe des Bruttobetrags oder nur in Höhe des als Konkursausfallgeld auszuzahlenden Nettobetrags auf die Bundesanstalt übergehen, ist streitig (vgl. Reinecke, DB 1984, 865). Diese Streitfrage kann hier aber offen bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer, der Konkursausfallgeld beantragt, vom Arbeitgeber nicht die Zahlung des Spitzenbetrages an sich verlangen, der als Lohnsteuer hätte abgeführt werden müssen (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1985 - 5 AZR 74/84 - BAGE 48, 229 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Lohnanspruch).
2. Der Beklagte haftet auch nicht für die restlichen geltend gemachten Ansprüche für den seit März 1993 entstandenen Verdienstausfall, die entgangene PKW-Nutzung oder für die entstandenen Bewerbungskosten.
Eine Handelndenhaftung des Beklagten nach § 11 Abs. 2 GmbHG für arbeitsrechtliche Verbindlichkeiten setzt voraus, daß er die Grundlage für diese Haftung bereits zur Zeit seiner Geschäftsführung geschaffen hat, mag sie auch erst später als einzelne Verbindlichkeit fällig geworden sein. Denn ein angestellter Geschäftsführer haftet nicht weitergehend als ein Gesellschafter (BGH Beschluß vom 4. März 1996 - II ZR 123/94 - AP Nr. 6 zu § 11 GmbHG; BGH Urteil vom 27. Januar 1997 - II ZR 123/94 - AP Nr. 10 zu § 11 GmbHG = BGHZ 134, 333; Flume DB 1998, 45, 46). Die Nachhaftung der Gesellschafter ist auf die sogenannten Altverbindlichkeiten begrenzt (vgl. BGHZ 70, 132 = AP Nr. 2 zu § 128 HGB; BGHZ 78, 114 = AP Nr. 1 zu § 159 HGB; BAG Urteil vom 24. März 1992 - 9 AZR 387/90 - BAGE 70, 73 = AP Nr. 11 zu § 161 HGB).
Die vom Kläger als Schadenersatz nach seiner fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 28. Februar 1993 geltend gemachten Ansprüche aus § 628 Abs. 2 BGB sind keine Altverbindlichkeiten. Sie sind erst entstanden, als der Kläger am 28. Februar 1993 das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt hat. Das geschah mehrere Monate nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Geschäftsführung und war durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers zu einem Zeitpunkt veranlaßt worden, zu dem der Beklagte nicht mehr Geschäftsführer war.
III. Der unterlegene Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 441816 |
BB 1998, 957 |
DB 1998, 936 |
HFR 1998, 935 |
NJW 1998, 2845 |
FA 1998, 195 |
JR 1999, 308 |
NZA 1998, 539 |
NZG 1998, 776 |
RdA 1998, 252 |
ZAP 1998, 377 |
ZIP 1998, 839 |
ArbuR 1998, 250 |
GmbHR 1998, 597 |