Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelbelehrung im arbeitsgerichtlichen Urteil
Leitsatz (redaktionell)
Parallelrechtsstreit zu 8 AZR 15/96
Normenkette
ArbGG § 9 Abs. 5, § 66 Abs. 1; ZPO §§ 59-60
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten zu 3) wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 1995 – 4 Sa 53/94 – aufgehoben, soweit es auf die Berufung der Klägerin den Beklagten zu 3) verurteilt hat, an die Klägerin 18.924,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1991 zu zahlen. In diesem Umfange wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 13. Dezember 1993 – 4 Ca 104/91 – als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zu 3) zur Zahlung einer Abfindung.
Die Klägerin war im Ambulatorium A. des Gesundheitswesens Wismut beschäftigt.
Am 23. Juni 1990 unterzeichneten der Gebietsarzt als Leiter des Gesundheitswesens Wismut und der Direktor der Verwaltung der Sozialversicherung einerseits sowie ein Vertreter der Industriegewerkschaft Wismut andererseits einen Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen. § 7 dieses Tarifvertrages sieht Abfindungszahlungen für den Fall eines betriebsbedingten Arbeitsplatzverlustes vor. Der Tarifvertrag wurde vom zuständigen Ministerium für Arbeit und Soziales nicht bestätigt und nicht registriert.
Unter der Leitung des Ministers für Gesundheitswesen der DDR kam es am 13. September 1990 zu einer Beratung über Forderungen der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut und über die Gültigkeit des Tarifvertrages. An der Beratung nahmen neben dem Minister 14 von der Belegschaft gewählte Vertreter, der Gebietsarzt, ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, ein Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Soziales der DDR sowie Vertreter der Sozialversicherung teil. Von dem Minister (für Gesundheitswesen der DDR, dem Gebietsarzt und dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Wismut wurde ein sogenanntes Festlegungsprotokoll unterzeichnet, dessen Ziff. 2 lautet:
„Der Tarifvertrag vom 23.06.1990 gilt einschließlich seiner Bestimmungen zum Rationalisierungsschutz bis 31.12.1990. Es besteht Einigkeit darüber, daß es sich nicht um ein Abfindungsabkommen handelt und Entschädigungszahlungen als Folge von Kündigungen die Ausnahme bilden sollen.”
Das Gesundheitswesen Wismut hatte bereits im Juli 1990 mit Abfindungszahlungen an die Beschäftigten aufgrund des Tarifvertrages begonnen. Bis zur Einstellung der Zahlungen im Januar 1991 erhielten 129 Mitarbeiter Abfindungen im Umfang von insgesamt 1,45 Mio. DM.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1990 kündigte das Gesundheitswesen Wismut das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 1990. Zusammen mit der Kündigung erhielt die Klägerin ein undatiertes Schreiben des amt. Verwaltungsdirektors des Bergarbeiter-Krankenhauses des Medizin. Versorgungsbereiches G. folgenden Inhalts:
„Wir bescheinigen hiermit” (Name der Klägerin) „daß ihr/ihm auf der Grundlage des Tarifvertrages über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990 eine Abfindungssumme in Höhe von 18.924,50 DM errechnet und zugesagt wurde.”
Die Klägerin, die die Kündigung nicht angefochten hat, verlangt die Zahlung einer Abfindung in vorgenannter Höhe.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Tarifvertrag vom 23. Juni 1990 sei wirksam zustande gekommen. Zudem sei dessen Gültigkeit durch das Festlegungsprotokoll vom 13. September 1990 bestätigt worden. Zumindest sei in diesem Verhalten eine erneute Vereinbarung des Abkommens zu sehen. Darüber hinaus stelle es einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens dar, sich auf die Unwirksamkeit des Tarifvertrages zu berufen, nachdem bereits 1,45 Mio. DM an Abfindungen gezahlt worden seien.
Die Beklagte zu 1) sei wegen der intensiven Einflußnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf die Abwicklung des Gesundheitswesens Wismut in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte zu 2) hafte gemäß § 9 des Gesetzes zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2313) für Verbindlichkeiten. Da nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Einrichtungen des Gesundheitswesens von den Ländern betrieben würden und Einrichtungen mit länderübergreifendem Wirkungskreis in die gemeinsame Trägerschaft der betroffenen Länder übergingen, sei gemäß Art. 13 EV die Zuständigkeit der Länder gegeben, zugunsten derer das Vermögen des Gesundheitswesens Wismut aufgelöst werde. Gemäß § 8 Abs. 5 und § 9 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 20. Dezember 1991 liege somit letztendlich eine Verbindlichkeit des Beklagten zu 3) vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 18.924,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1990 zu zahlen.
Die Beklagten haben jeweils beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, sie sei weder zur Entscheidung über die Überführung oder Abwicklung des Gesundheitswesens Wismut befugt gewesen noch habe sie tatsächlich entsprechende Entscheidungen getroffen. Die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) haben jeweils ihre Passivlegitimation bestritten und auf das Fehlen einer Anspruchsgrundlage verwiesen.
Das Arbeitsgericht Gera hat mit Urteil vom 13. Dezember 1993 die Beklagte zu 1) verurteilt, an die Klägerin 18.924,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1990 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:
„Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann Berufung nur eingelegt werden, sofern der Wert des Beschwerdegegenstandes DM 800,– übersteigt.
Die Berufung muß innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Thüringer Landesarbeitsgericht, Karl-Marx-Platz 3, 99084 Erfurt eingelegt werden. Die Berufung muß innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich begründet werden.
Die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn die Berufung für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder Zusammenschluß eingelegt wird.”
Dieses Urteil ist der Beklagten zu 1) am 22. Dezember 1993 und der Klägerin am 20. Dezember 1993 zugestellt worden. Die Beklagte zu 1) hat am 24. Januar 1994 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 1994, der am 24. Mai 1994 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat die Klägerin unter der Überschrift „Berufungserwiderung und Berufung” auf die Berufungsbegründung der Beklagten zu 1) erwidert und gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera Berufung eingelegt, soweit dieses die Klage gegen die Beklagte zu 2) und den Beklagten zu 3) abgewiesen hat.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 1) das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen. Auf die „Anschlußberufung der Klägerin” hat es unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts den Beklagten zu 3) verurteilt, an die Klägerin 18.924,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1991 zu zahlen. Im übrigen hat es die „Anschlußberufung der Klägerin” zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten zu 3) ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hinsichtlich des noch rechtshängigen Teiles als unzulässig zu verwerfen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
I. Die Klage sei im Verhältnis zur Beklagten zu 1) unbegründet. Die Beklagte zu 1) sei weder Arbeitgeberin noch kraft sonstiger Rechtsnachfolge Verpflichteter des streitgegenständlichen Abfindungsanspruchs.
II. Die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) und den Beklagten zu 3) sei als selbständige Anschlußberufung zulässig. Im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels sei die Berufungsfrist mangels einer ausreichenden Rechtsmittelbelehrung noch nicht abgelaufen gewesen. Das Arbeitsgericht habe es versäumt, die Klägerin konkret darauf hinzuweisen, daß gerade und nur für sie das Rechtsmittel eröffnet sei.
III. Die Beklagte zu 2) hafte nicht für den Abfindungsanspruch der Klägerin, weil diese keine Arbeitnehmerin des Trägers der Sozialversicherung der DDR gewesen sei. Die Haftung der Beklagten zu 2) folge auch nicht aus § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Vermögens fragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991. Die Forderungen der ehemaligen Beschäftigten des Gesundheitswesens Wismut aus ihren Arbeitsverhältnissen gehörten nicht zu den in diesem Gesetz geregelten Verbindlichkeiten.
IV. Die Passivlegitimation des Beklagten zu 3) folge aus Art. 13 Abs. 1 EV in Verb. mit Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages auf den Beklagten zu 3) übergegangen. Der Zahlungsanspruch folge zwar nicht aus dem unwirksamen Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990, ergebe sich aber aus der der Klägerin erteilten Zusage.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hätte der Berufung der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) nicht stattgeben, sondern dieses Rechtsmittel als unzulässig verwerfen müssen.
I. Die vom Berufungsgericht als „selbständige Anschlußberufung” bezeichnete Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera war wegen Versäumung der Berufungsfrist von einem Monat (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) verfristet und damit unzulässig. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera war der Klägerin am 20. Dezember 1993 zugestellt worden. Ihre Berufung ist erst am 24. Mai 1994 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lief nicht anstelle der einmonatigen Berufungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG die verlängerte Rechtsmittelfrist von einem Jahr nach § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Diese verlängerte Rechtsmittelfrist ist nur dann maßgeblich, wenn die Belehrung über das Rechtsmittel in der anzufechtenden Entscheidung „unterblieben” oder „unrichtig” erteilt worden ist. Das anzufechtende Urteil des Arbeitsgerichts Gera enthielt jedoch eine Rechtsmittelbelehrung, die nicht im Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG unrichtig war.
a) Gemäß § 9 Abs. 5 ArbGG sind die Parteien schriftlich über das gegebene Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts sowie die einzuhaltende Frist und Form zu belehren.
b) Eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung im Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG erfordert zwar mehr als eine abstrakte Belehrung über die in Arbeitsrechtsstreitigkeiten gegebenen Rechtsmittel, macht es den Gerichten aber nicht zur Aufgabe, den Parteien individuell abgestimmte Belehrungen über ihre Möglichkeiten zu erteilen. Ausreichend ist es vielmehr, daß in der Belehrung das oder die konkret in der jeweiligen prozessualen Situation in Betracht kommenden Rechtsmittel bezeichnet werden (vgl. GK-ArbGG-Bader, § 9 Rz 92; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 9 Rz 24; Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 6. Aufl. 1994, § 103 III 3 c; Dütz, RdA 1900, 81, 84; Stahlhacke in Anm. zu EzA Nr. 1 zu § 64 ArbGG 1979; eine individuelle Belehrung fordern LAG Berlin Urteil vom 7. Januar 1980 – 9 Sa 100/79 – EzA Nr. 1 zu § 64 ArbGG 1979; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 9 Rz 37–40; wohl auch Hauck, ArbGG, § 9 Rz 17). Dabei entspricht es allgemeiner Ansicht (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 9 Rz 29; Hauck, ArbGG, § 9 Rz 14), daß über die Möglichkeit einer Anschlußberufung nicht belehrt zu werden braucht. Die abstrakte Rechtsmittelbelehrung muß es den Parteien ermöglichen, sich allein aus der Belehrung über das für sie gegebene Rechtsmittel zu informieren. Hingegen wäre es unzureichend, wenn ohne Bezug zu der konkreten prozessualen Situation allgemein über die Rechtsmittelmöglichkeiten nach dem Arbeitsgerichtsgesetz belehrt würde. In diesem Umfange ist den vom Zehnten Senat im Urteil vom 1. März 1994 (– 10 AZR 50/93 – AP Nr. 10 zu § 9 ArbGG 1979) in einem obiter dictum geäußerten Bedenken zu folgen.
c) Durch die im Urteil des Arbeitsgerichts Gera enthaltene Rechtsmittelbelehrung sind die Parteien über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden. Das Arbeitsgericht Gera hat die Parteien zutreffend darüber belehrt, daß, sofern der vom Arbeitsgericht nicht abzuschätzende Wert des Beschwerdegegenstandes 800,– DM übersteigt, das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist. Damit konnte jede der vier betroffenen Parteien allein anhand der Rechtsmittelbelehrung jeweils für sich feststellen, ob für sie das konkret bezeichnete Rechtsmittel „Berufung” eröffnet war oder nicht. Eine weitergehende, individuell abgestimmte Rechtsmittelbelehrung wäre zwar mit § 9 Abs. 5 ArbGG vereinbar gewesen, ihr Fehlen macht aber die erteilte Belehrung nicht „unrichtig” im Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG.
2. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin ist es unerheblich, daß die Rechtsmittelbelehrung die Beklagten zu 2) und 3) nicht über die für sie gegebene Unanfechtbarkeit des Urteils belehrte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Ordnungsgemäßheit einer Rechtsmittelbelehrung jeweils allein im Verhältnis zu der durch sie „beschwerten” Partei zu beurteilen ist (vgl. dazu BAG Urteil vom 29. April 1983 – 7 AZR 148/81 – BAGE 42, 303 = AP Nr. 2 zu § 9 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 2. Juni 1986 – 6 AZB 2/86 – unveröffentlicht).
3. War somit die vom Arbeitsgericht Gera der Klägerin erteilte Rechtsmittelbelehrung ordnungsgemäß, lief die Berufungsfrist für die Klägerin einen Monat nach Zustellung des Urteils ab. Ihre am 24. Mai 1994 eingegangene Berufung war demgemäß verspätet.
II. Die Berufung der Klägerin war auch nicht als „unselbständige Anschlußberufung” zulässig. Eine Anschlußberufung, die gemäß § 521 Abs. 1 ZPO noch eingelegt werden kann, wenn der Berufungsbeklagte selbst auf die Berufung verzichtet hat oder wenn die Berufungsfrist verstrichen ist, setzt voraus, daß Gegner der Anschlußberufung der Berufungskläger oder zumindest sein notwendiger Streitgenosse ist (allgemeine Meinung, vgl. nur BGH ZZP 70 (1957), 81, 82; BGH NJW 1991, 2569; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 521 Rz 8; Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl. 1997, § 521 Rz 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Aufl. 1997, § 521 Rz 9). Damit hätte sich eine zulässige Anschlußberufung der Klägerin allein gegen die Beklagte zu 1), nicht aber gegen den Beklagten zu 3) richten können. Die drei Beklagten waren keine notwendigen, sondern einfache Streitgenossen im Sinne von § 60 ZPO. Wird zugunsten der Klägerin von ihrer Rechtsansicht ausgegangen, die Beklagten zu 1) bis 3) schuldeten ihr die Klagforderung als Gesamtschuldner, begründete dies keine notwendige Streitgenossenschaft, denn eine einheitliche Entscheidung in allen Prozeßrechtsverhältnissen wäre nicht zwingend. Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft folgt aus § 60 ZPO. Diese Vorschrift ist weit auszulegen. Darüber besteht Einigkeit (vgl. BGH Beschluß vom 23. Mai 1990 – 1 ARZ 186/90 – JZ 1990, 1036; MünchKomm ZPO/Schilken, § 60 Rz 1). § 60 ZPO erfaßt auch die Fälle alternativer Berechtigung oder Verpflichtung eines Streitgenossen, die den Tatbestand des § 59 ZPO nicht erfüllen können (vgl. MünchKomm ZPO/Schilken, § 60 Rz 2).
Waren die Beklagten lediglich einfache Streitgenossen, konnte eine unselbständige Anschlußberufung gegen sie nur eingelegt werden, wenn sie selbst das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hatten. Dies war beim Beklagten zu 3) nicht der Fall, so daß die gegen ihn gerichtete Anschlußberufung unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen ist.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Schömburg, Hennecke
Fundstellen